Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialplanabfindung - Eigenkündigung des Arbeitnehmers

 

Leitsatz (redaktionell)

Es verstößt nicht gegen § 75 BetrVG, wenn die Betriebspartner in einem Sozialplan diejenigen Arbeitnehmer von Sozialplanansprüchen ausnehmen, die ihre Arbeitsverhältnisse vor der geplanten Stillegung des Betriebes (eines Hotelbetriebes) selbst kündigen, wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der geordneten Weiterführung des Betriebs bis zu dessen Schließung hat und dazu auf das Verbleiben seiner Mitarbeiter angewiesen ist.

Sozialplanansprüche sind ihrem Zweck nach keine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes.

 

Verfahrensgang

LAG Brandenburg (Entscheidung vom 21.07.1993; Aktenzeichen 2 (1) Sa 113/93)

ArbG Cottbus (Entscheidung vom 03.12.1992; Aktenzeichen 1 Ca 3510/92)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung von Sozialplanabfindungen und über Schadensersatzansprüche.

Die Beklagte betrieb in C ein Hotel. Am 25. September 1991 schloß sie mit ihrem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über einen Sozialplan (im folgenden: SP I), der - soweit vorliegend von Interesse - wie folgt lautet:

"1. Strukturveränderung

Der Betriebsrat nimmt zur Kenntnis, daß die An-

zahl der Mitarbeiter im Hotel L , im Inter-

esse der Wirtschaftlichkeit und in Übereinstim-

mung mit dem Unternehmenskonzept, bis zum

01.01.1992 auf mindestens 86 (auf der Grundlage

der bestehenden Betriebsvereinbarung vom

22.08.1991) zurückgeführt wird. Dem Betriebsrat

sind die Namen aller Mitarbeiter mitzuteilen, die

bis zum 01.01.1992 ihren Arbeitsplatz verlieren

werden.

2. Geltungsbereich

Dieser Sozialplan gilt für alle betroffenen Ar-

beitnehmer entsprechend des § 5 Abs. 1 und 2

BetrVG. Ausgenommen sind Auszubildende.

...

9. Abfindung

9.1. Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis unter

Beachtung der tariflichen oder gesetzlichen

Kündigungsfrist betriebsbedingt aufgelöst

wird, erhalten folgende Abfindung:

Lebensalter x Betriebszugehörigkeit x 25% Brutto-

100 einkommen

Als Lebensalter gilt das vollendete Lebensjahr

zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung.

Beim Bruttoeinkommen ist der Bruttolohn maßge-

bend, den der Mitarbeiter in den letzten zwei Mo-

naten vor dem Inkrafttreten der Kündigung erhal-

ten hat.

9.2. Höchstgrenze der Abfindung

Für die Abfindung wird eine Höchstgrenze

von

10.000,00 DM und ein

Grundbetrag von 2.000,00 DM

festgesetzt.

...

11. Schlußbestimmungen

11.1. Dieser Sozialplan tritt mit Wirkung vom

25.09.1991 in Kraft und endet mit der Ab-

wicklung aller sich ergebenden Ansprüche;

er endet spätestens am 31.12.1992.

Der Sozialplan kann nicht gekündigt werden.

..."

Am 11. März 1992 teilte die Beklagte allen Mitarbeitern mit, daß sie versuche, für alle Arbeitnehmer ihres Hotels zum Jahreswechsel 1992/93 adäquate andere Positionen innerhalb ihres Unternehmens oder im In- und Ausland zu vermitteln.

Am 20. März 1992 fand eine Betriebsversammlung statt, in deren Verlauf mitgeteilt wurde, daß die Schließung des Hotels und die Vereinbarung eines Sozialplanes beabsichtigt sei.

Mit Schreiben vom 4. April 1992 wiederholte die Beklagte gegenüber allen Mitarbeitern ihre Absicht, sich bis zum Jahresende 1992/93 um die Vermittlung anderer adäquater Positionen zu bemühen.

Am 20. Mai 1992 vereinbarten die Beklagte und ihr Betriebsrat einen Interessenausgleich und am 25. Mai 1992 einen weiteren Sozialplan (im folgenden: SP II). Dieser Sozialplan enthält - soweit hier von Bedeutung - folgende Vereinbarungen:

"1. Gültigkeit

1.1. Der Sozialplan ist gültig in Verbindung mit

dem Interessenausgleich vom 20.05.1992,

sofern die Anwendung des Sozialplanes vom

25.09.1991 keine für den AN günstigere

Lösung vorsieht.

1.2. Der Sozialplan gilt für alle im Hotel L

mit unbefristetem Arbeitsvertrag

beschäftigten Mitarbeiter ausschließlich

Auszubildende.

2. Beendigung von Arbeitsverhältnissen

2.1. Der AG wird nach vorheriger Anhörung des BR

die im Anhang genannten Arbeitsverträge

kündigen. Änderungen sind möglich, bedürfen

aber der Zustimmung durch den BR. Die

Ausarbeitung der Anhänge (Kündigung und

Versetzung innerhalb der Bundesrepublik

bzw. von C ) erfolgt bis 15.06.1992.

...

3. Abfindung

3.1. Jeder Arbeitnehmer, dessen

Arbeitsverhältnis aus Anlaß der

Betriebsstillegung gekündigt wird, hat

Anspruch auf Zahlung einer Abfindung für

den Verlust des Arbeitsplatzes. Der

betroffene AN wird über die Abfindung

schriftlich informiert.

3.2. Die Höhe der Abfindung ist nach folgender

Formel zu ermitteln:

Lebensalter x Betriebszugehörigkeit x 25 % vom

100 Bruttoeinkommen

Zusätzlich wird ein feststehender Betrag von

2.000,-- DM (in Worten: zweitausend) gezahlt. Die

Höchstgrenze der Abfindungssumme beträgt

10.000,-- DM (in Worten: zehntausend).

...

3.4. Keinen Anspruch auf Zahlung der Abfindung

haben AN, deren Arbeitsverhältnis fristlos

oder aus verhaltensbedingten Gründen

fristgemäß gekündigt worden ist. Ebenfalls

keinen Anspruch haben AN, die selbst und

vorzeitig kündigen.

...

8.1. Der Sozialplan tritt mit seiner

Unterzeichnung in Kraft. Er endet am

31.12.1995. Eine Kündigung ist nur aus

Gründen der Betriebsaufgabe möglich.

..."

Die Kläger waren im Hotelbetrieb der Beklagten beschäftigt. Weil sie neue Arbeitsplätze gefunden hatten, kündigten sie im Jahre 1992 ihre Arbeitsverhältnisse mit der Beklagten zu unterschiedlichen Terminen. Sie schieden im Zeitraum 31. März 1992 bis 5. Juli 1992 aus dem Betrieb der Beklagten aus.

Die Beklagte führte ihren Hotelbetrieb bis Anfang 1993 fort. Danach schloß sie das Hotel, um es abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen.

Die nach dem Ausscheiden der Kläger offenen Stellen hatte sie durch die Neueinstellung von sechs und die Umsetzung von zwei Arbeitnehmern wieder besetzt. Einen Arbeitsplatz hatte sie unbesetzt gelassen.

Die Kläger machen Abfindungsansprüche auf der Grundlage des SP II geltend. Sie sind der Meinung, dieser Sozialplan müsse auch für diejenigen von ihnen gelten, die vor seinem Abschluß gekündigt hätten. Anderenfalls hätten sie Ansprüche aus dem SP I. Die Klausel in Nr. 3.4. des SP II, nach der Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis selbst gekündigt haben, von Abfindungsansprüchen ausgeschlossen sind, halten die Kläger wegen Verstoßes gegen § 75 Abs. 1 BetrVG für unwirksam.

Hilfsweise machen sie Schadensersatzansprüche geltend, weil die Beklagte sie bei der Entgegennahme ihrer Eigenkündigungen nicht darauf aufmerksam gemacht habe, daß ihnen infolge dieser Kündigungen der Verlust von Sozialplanansprüchen drohe.

Die Kläger haben zuletzt beantragt, die Beklagte zu verteilen,

an den Kläger zu 1) 2.478,05 DM nebst 4 % Zinsen

seit Rechtshängigkeit,

an den Kläger zu 2) 2.900,00 DM nebst 4 % Zinsen

seit Rechtshängigkeit,

an die Klägerin zu 3) 2.323,31 DM nebst 4 % Zin-

sen seit Rechtshängigkeit,

an die Klägerin zu 4) 2.341,70 DM nebst 4 % Zin-

sen seit Rechtshängigkeit,

an die Klägerin zu 5) 2.426,40 DM nebst 4 % Zin-

sen seit Rechtshängigkeit,

an den Kläger zu 6) 2.376,00 DM nebst 4 % Zinsen

seit Rechtshängigkeit,

an den Kläger zu 7) 3.356,04 DM nebst 4 % Zinsen

seit Rechtshängigkeit,

an die Klägerin zu 8) 3.859,55 DM nebst 4 % Zin-

sen seit Rechtshängigkeit,

an den Kläger zu 9) 2.776,00 DM nebst 4 % Zinsen

seit Rechtshängigkeit,

zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie beruft sich darauf, daß der Ausschluß derjenigen Arbeitnehmer, die selbst gekündigt haben, von Sozialplanansprüchen deshalb gerechtfertigt sei, weil eine Vielzahl solcher Eigenkündigungen zu einer vorzeitigen Schließung des Hotelbetriebes und damit zu einer Gefährdung des wirtschaftlichen Bestandes der Beklagten hätte führen können. Außerdem meint sie, keine Hinweispflichten gegenüber den Klägern verletzt zu haben.

Das Arbeitsgericht hat die Klagen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat den Klageanträgen teilweise stattgegeben und die Revision zugelassen.

Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Die Beklagte hat Revision eingelegt und beantragt die Abweisung der Klagen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet, diejenige der Kläger nicht. Den Klägern steht gegen die Beklagte weder nach dem SP I noch nach dem SP II ein Abfindungsanspruch zu.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, Ansprüche der Kläger auf eine Abfindung ergäben sich auf Grund des SP II. Der SP I könne zugunsten der Kläger nicht eingreifen, da dieser nur einen Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile für diejenigen Arbeitnehmer beabsichtige, die infolge eines Personalabbaus zu Rationalisierungszwecken bis zum 1. Januar 1992 ihren Arbeitsplatz bei der Beklagten verloren hätten. Die Kläger hätten ihre Arbeitsverhältnisse jedoch erst zu einem später liegenden Zeitpunkt gekündigt.

Ein Anspruch der Kläger auf eine Abfindung nach dem SP II werde durch dessen Nr. 3.4. nicht ausgeschlossen. Die darin enthaltene Bestimmung, daß Arbeitnehmern, die ihr Arbeitsverhältnis selbst gekündigt haben, kein Abfindungsanspruch zusteht, sei wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz rechtsunwirksam. Die Kläger hätten ihre Arbeitsverhältnisse nur im Hinblick auf den zukünftigen Verlust ihrer Arbeitsplätze wegen der beabsichtigten Betriebsstillegung zum Jahresende 1992 gekündigt. Deshalb bestehe kein sachlicher Grund, sie anders zu behandeln, als diejenigen Arbeitnehmer, denen durch die Beklagte betriebsbedingt gekündigt worden sei.

Die Ausschlußklausel der Nr. 3.4. des SP II sei aber "geltungserhaltend zu reduzieren". Es sei davon auszugehen, daß Sozialplanleistungen je zur Hälfte eine Entschädigungsfunktion für den Verlust des Arbeitsplatzes und eine Überbrückungsfunktion als Hilfe für die Sicherung der Zukunft des Arbeitnehmers hätten. Innerhalb dieser Zweiteilung könne anhand individueller Daten differenziert werden.

Bei Berücksichtigung aller Umstände und der Interessenlage der Parteien sehe eine gerechte Lösung dergestalt aus, daß bei den längere Zeit bei der Beklagten beschäftigten Klägern vom vollen Sozialplananspruch ein Abzug in Höhe der Hälfte, bei kürzer beschäftigten ein Abzug in Höhe von drei Vierteln vorzunehmen sei. Das führe zu den ausgeurteilten Abfindungsansprüchen.

Schadensersatzansprüche der Kläger wegen Verletzung von Hinweispflichten durch die Beklagte hat das Landesarbeitsgericht verneint.

Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts kann der Senat in wesentlichen Teilen nicht folgen.

II.1. Nach dem Wortlaut der Nr. 3.4. des SP II steht den Klägern kein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung zu, weil sie ihre Arbeitsverhältnisse selbst und vorzeitig, d. h. vor der Schließung des Hotelbetriebes, gekündigt haben.

2. Diese Bestimmung des Sozialplans ist rechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere verstößt sie nicht gegen § 75 BetrVG.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Betriebspartner bei der Aufstellung eines Sozialplans frei in ihrer Entscheidung, welche Nachteile der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer sie in welchem Umfang ausgleichen oder mildern wollen. Sie können bei ihrer Regelung von einem Nachteilsausgleich auch gänzlich absehen und nach der Vermeidbarkeit der Nachteile unterscheiden (BAGE 59, 359 = AP Nr. 47 zu § 112 BetrVG 1972, m.w.N.). Allerdings haben sie nach § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG darüber zu wachen, daß alle im Betrieb tätigen Arbeitnehmer nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden. Hierbei ist der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz der wichtigste Unterfall der Behandlung nach Recht und Billigkeit. Ob eine Regelung für einen Arbeitnehmer billig oder unbillig ist, zeigt sich in erster Linie daran, wie er im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern behandelt wird (BAGE 67, 29 = AP Nr. 57 zu § 112 BetrVG 1972). Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet eine sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage. Eine Differenzierung ist dann sachfremd, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, sich diese vielmehr als sachwidrig und willkürlich erweist (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. BAG Urteil vom 28. Oktober 1992 - 10 AZR 129/92 - AP Nr. 66 zu § 112 BetrVG 1972, m.w.N.).

a) Der in Nr. 3.4. des SP II geregelte Ausschluß von Sozialplanleistungen bei Eigenkündigungen von Arbeitnehmern ist auch dann wirksam, wenn mit dem Landesarbeitsgericht davon ausgegangen wird, daß die Kläger ihre Arbeitsverhältnisse selbst gekündigt haben, weil ohnehin feststand, daß sie ihren Arbeitsplatz zum Jahresende verlieren würden.

Es besteht ein sachlicher Grund, welcher diesen Ausschluß von Sozialplanansprüchen rechtfertigt. Da der Hotelbetrieb erst zum Jahresende 1992 eingestellt werden sollte, hatte die Beklagte ein gewichtiges Interesse daran, daß in ihrem Hotel bis zu diesem Zeitpunkt ein ordnungsgemäßer Betriebsablauf und damit eine geordnete Durchführung der geplanten Betriebsänderung gewährleistet war. Das war auch für die gesamte im Hotel verbliebene Belegschaft von Bedeutung, da nur bei der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes in vollem Umfange ihre Arbeitsplätze bis zur vorgesehenen Betriebsstillegung gesichert waren.

Um einen funktionierenden Betriebsablauf bis zum 31. Dezember 1992 sicherzustellen, war es sachgerecht, wenn der Sozialplan es nicht ins Belieben der einzelnen Arbeitnehmer stellte, ob und wann sie unter Inanspruchnahme der Sozialplanabfindungen ihre Arbeitsverhältnisse bei der Beklagten kündigten. Gerade in einem Hotelbetrieb kann das Ausscheiden einzelner Arbeitnehmer (z. B. Köche, Kellner) zu einer ganz erheblichen Störung des geordneten Geschäfts- und insbesondere Gaststättenbetriebs führen. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil es für den Arbeitgeber regelmäßig schwierig ist, qualifizierte neue Arbeitnehmer anzuwerben, da er diesen nur Arbeitsplätze für eine begrenzte Zeit, nämlich bis zur Betriebsschließung anbieten kann.

Auch im zu entscheidenden Falle wäre die Beklagte auf die weitere Mitarbeit der vorzeitig ausgeschiedenen Kläger angewiesen gewesen, um eine ordnungsgemäße Weiterführung ihres Hotelbetriebs bis zu dessen Schließung zu gewährleisten. Dies folgt alleine daraus, daß sie die Arbeitsplätze der Kläger durch Neueinstellungen bzw. Umsetzungen bis auf eine Ausnahme wieder besetzt hat.

b) Des weiteren durften die Betriebspartner davon ausgehen, daß Arbeitnehmer, die ihre Arbeitsverhältnisse von sich aus beenden, dies nur dann tun, wenn sie bereits eine neue Arbeitsstelle gefunden haben und damit keinen Arbeitsplatz verlieren. Der Umstand, daß diese neuen Arbeitsverhältnisse eine geringere Sicherheit bieten als die bisherigen, kann zwar für die Arbeitnehmer ein wirtschaftlicher Nachteil sein, jedoch sind die Betriebspartner nicht gehalten, jeden wirtschaftlichen Nachteil auszugleichen oder zu mildern. Sie können daher auch regeln, daß solche Arbeitnehmer keine Abfindungen erhalten (BAGE 48, 294 = AP Nr. 26 zu § 112 BetrVG 1972).

Arbeitnehmer, denen gekündigt wird und die damit ihr Arbeitsverhältnis verlieren, werden in der Regel größere wirtschaftliche Nachteile erleiden als diejenigen, die ihre Arbeitsverhältnisse selbst gekündigt haben. Diese wirtschaftlichen Nachteile können in der Regel nur prognostiziert und pauschal ausgeglichen oder gemildert werden. Die Prognose wird sich aber nicht stets als zutreffend erweisen. Gekündigte Arbeitnehmer können trotz einer angenommenen längeren Arbeitslosigkeit alsbald einen neuen Arbeitsplatz finden und damit geringere Nachteile erleiden als zunächst angenommen worden ist. Arbeitnehmer, für die nur geringe oder keine Abfindungen vorgesehen waren, weil für sie davon ausgegangen wurde, daß sie auf Grund ihres Alters oder auf Grund ihrer Qualifikation alsbald eine neue Arbeit finden werden oder zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens schon gefunden haben, können wider Erwarten auch längere Zeit arbeitslos bleiben oder ihren neuen Arbeitsplatz alsbald wieder verlieren.

Einer solchen durch die spätere tatsächliche Entwicklung eintretenden Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer hinsichtlich des Ausgleichs oder der Milderung ihrer tatsächlichen wirtschaftlichen Nachteile ließe sich nur durch eine Sozialplanregelung begegnen, die an den jeweiligen tatsächlichen Nachteil anknüpft, indem sie etwa monatlich einen konkreten Verdienstausfall in bestimmtem Umfange ausgleicht. Eine solche Regelung stieße jedoch auf erhebliche praktische Schwierigkeiten. Sie würde eine laufende Verwaltung des Sozialplans erfordern. Auch ließe sie eine verläßliche Kalkulation der Aufwendungen für einen Sozialplan nicht zu.

Von daher ist es weder sachwidrig noch willkürlich, wenn ein Sozialplan für den gekündigten und den auf Grund einer Eigenkündigung ausgeschiedenen Arbeitnehmer nur an die jeweils zu erwartenden Nachteile anknüpft und unberücksichtigt läßt, ob diese im Einzelfall nicht oder nicht im angenommenen Umfange eintreten (vgl. BAG Urteil vom 20. April 1994 - 10 AZR 323/93 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

Es verstößt daher auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn gekündigte Arbeitnehmer auch dann eine Abfindung erhalten, wenn sie alsbald einen neuen Arbeitsplatz finden, Arbeitnehmer aber, die selbst gekündigt haben, keine oder nur eine geringere Abfindung erhalten.

c) Mit der Erwägung des Landesarbeitsgerichts, eine Abfindung stelle auch eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes dar, kann der Anspruch der Kläger nicht - auch nicht zum Teil - begründet werden.

Sozialplanregelungen dienen nach § 112 Abs. 1 BetrVG dem Ausgleich oder der Milderung wirtschaftlicher Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der Betriebsänderung - künftig - entstehen. Sie haben eine Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion und sind keine Entschädigungen. Von daher sind die Betriebspartner nicht gehalten, Sozialplanleistungen auch nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu bemessen (Urteil des Senats vom 30. März 1994 - 10 AZR 352/93 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Wenn dies in der Praxis gleichwohl vielfach geschieht, so folgt die Berechtigung dafür aus der Überlegung, daß es sachlich gerechtfertigt ist, wirtschaftliche Nachteile derjenigen Arbeitnehmer um so mehr auszugleichen oder zu mildern, je länger sie im Betrieb beschäftigt waren und zu dessen wirtschaftlichem Erfolg beigetragen haben.

Entstehen dem Arbeitnehmer keine oder keine nach dem Sozialplan ausgleichswürdigen Nachteile, verlangen weder § 112 Abs. 1 noch § 75 BetrVG, daß er eine "Entschädigung" allein deswegen erhält, weil er dem Betrieb lange Zeit angehört hat.

3. Die Kläger können ihre Abfindungsansprüche auch nicht auf den SP I stützen.

Zwar bestimmt Nr. 1.1. des SP II, daß der Sozialplan "in Verbindung mit dem Interessenausgleich vom 20. Mai 1992 gültig ist, sofern die Anwendung des Sozialplans vom 25. September 1991 (= SP I) keine für den Arbeitnehmer günstigere Regelung vorsieht."

Daraus folgt aber nicht, daß jeder Arbeitnehmer, unabhängig davon, ob er von der Betriebsänderung im Sinne des SP I - Personalabbau bis zum 1. Januar 1992 - betroffen ist oder nicht, wählen kann, ob er - je nach Günstigkeit - Ansprüche nach dem SP I oder dem SP II geltend machen will.

Erkennbar will der SP II die wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern durch die geplante Stillegung des Hotelbetriebes zum 31. Dezember 1992 entstehen, abschließend regeln. Dies ergibt sich u. a. aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf den Interessenausgleich vom 20. Mai 1992, der ausschließlich die geplante Betriebsstillegung betrifft. Daraus folgt, daß Arbeitnehmer, die Nachteile infolge dieser Stillegung erleiden, ihre Ansprüche nur nach dem SP II geltend machen können.

Die Günstigkeitsregel in Nr. 1.1. des SP II kann nur als Klarstellung dahingehend verstanden werden, daß Arbeitnehmer, die Nachteile infolge der Betriebsänderung im Sinne dieses Sozialplans erlitten haben, für sie günstigere Ansprüche aus dem SP I auch dann noch geltend machen können, wenn diese zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des SP II noch nicht fällig bzw. noch nicht erfüllt waren; das heißt, es sollte klargestellt werden, daß der SP II nicht zuungunsten der Arbeitnehmer in auf Grund des SP I entstandene Ansprüche eingreift. Durch die Günstigkeitsregel soll jedoch nicht der Geltungsbereich des SP I auf Arbeitnehmer ausgeweitet werden, die von der dem SP I zugrunde liegenden Betriebsänderung nicht betroffen sind.

Da die Kläger ihre Arbeitsverhältnisse erst nach Abwicklung der mit dem SP I geregelten Betriebsänderung (Personalabbau auf 86 Arbeitnehmer bis zum 1. Januar 1992) gekündigt hatten, unterfielen sie nicht dem Regelungsbereich dieses Sozialplans, da dieser, wie sich aus seiner Nr. 2 ergibt, nur für die Arbeitnehmer gilt, die von der dem SP I zugrunde liegenden Betriebsänderung betroffen sind. Damit scheidet für die Kläger die Geltendmachung irgendwelcher Ansprüche auf Grund dieses Sozialplans aus.

4. Den Klägern steht auch kein Schadensersatzanspruch wegen einer unterbliebenen Belehrung über die Ausschlußklausel der Nr. 3.4. des SP II durch die Beklagte zu.

Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, daß eine Belehrung derjenigen Arbeitnehmer, die vor Abschluß des SP II ihre Arbeitsverhältnisse gekündigt hatten, unmöglich war und im übrigen keiner der Kläger vorgetragen hat, daß er bei erfolgtem Hinweis auf diese Klausel seine beabsichtigte Eigenkündigung nicht ausgesprochen hätte.

Demzufolge war das landesarbeitsgerichtliche Urteil aufzuheben soweit es den Klagen stattgegeben hat. Die Berufung der Kläger gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts ist ebenso unbegründet wie ihre Revision.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 100 ZPO.

Matthes Dr. Freitag Böck

Hermann Großmann

 

Fundstellen

Haufe-Index 436611

BB 1995, 1038

BB 1995, 1038-1039 (LT1)

DB 1995, 782 (LT1)

BetrR 1995, 103 (LT1)

BetrVG, (21) (LT1)

WiB 1995, 472 (ST)

ARST 1995, 99-101 (LT1)

EWiR 1995, 333 (L)

NZA 1995, 644

NZA 1995, 644-647 (LT1)

VersorgW 1995, 189 (T)

ZIP 1995, 767

ZIP 1995, 767-771 (LT)

AP § 112 BetrVG 1972 (LT1), Nr 85

AR-Blattei, ES 1470 Nr 61 (LT1)

AuA 1995, 279-280 (LT1)

EzA-SD 1995, Nr 4, 13-15 (LT1)

EzA § 112 BetrVG 1972, Nr 78 (LT1)

RAnB 1995, 383 (L)

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