Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Abfindung

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt und Abfindung geht in Höhe des im Ruhenszeitraum bezogenen Arbeitslosengeldes auf die Bundesanstalt für Arbeit über (§ 117 AFG, § 115 Abs 1 SGB X). Wollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Innenverhältnis von der gesetzlichen Regel der Anrechenbarkeit abweichen, müssen sie dies vereinbaren. Eine allgemeine Ausgleichsklausel in einem Vergleich, den die Parteien im Kündigungsschutzprozeß geschlossen haben, reicht dazu nicht aus (Bestätigung von BAG Urteil vom 25. März 1992 - 5 AZR 254/91 - AP Nr 12 zu § 117 AFG).

 

Normenkette

BGB §§ 404, 412; AFG § 117; SGB X § 115 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Entscheidung vom 22.12.1994; Aktenzeichen 3 Sa 461/94)

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 20.12.1993; Aktenzeichen 15 Ca 6807/93)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das der Beklagten gezahlte Arbeitslosengeld, das die Klägerin dem Arbeitsamt erstattet hat, auf die im Kündigungsschutzprozeß vergleichsweise vereinbarte Abfindung anzurechnen ist.

Die 34-jährige Beklagte war seit 1991 Angestellte der Klägerin. Die Klägerin sprach mit Schreiben vom 27. März 1992 die ordentliche Kündigung zum 30. Juni 1992 und mit Schreiben vom 21. April 1992 eine außerordentliche Kündigung aus. Die (hiesige) Beklagte erhob Kündigungsschutzklage. Sie erhielt für die Zeit vom 23. April bis zum 28. Mai 1992 Arbeitslosengeld in Höhe von 2.917,10 DM. Mit Schreiben vom 9. Juni 1992 teilte das Arbeitsamt der Klägerin mit, daß die Beklagte "ab dem 23. April 1992 Leistungen (Arbeitslosengeld/Arbeitslosenhilfe)" beziehe. Wörtlich heißt es in diesem Schreiben:

"Das Arbeitsamt kann gemäß § 117 Abs. 4 AFG dem

Arbeitslosen auch dann Leistungen gewähren, wenn

der Arbeitslose die Leistungen, die ein Ruhen des

Anspruchs bewirken, tatsächlich noch nicht er-

hält. Von dieser Möglichkeit habe ich im Falle

des/der o.a. Arbeitslosen Gebrauch gemacht.

Die Zahlung von Leistungen nach § 117 Abs. 4 AFG

bewirkt, daß evtl. Ansprüche des Arbeitslosen

gegen Sie in Höhe der Leistungen, die das Ar-

beitsamt für die Zeit vorgeleistet hat, in der

der Anspruch auf Leistungen nach § 117 Abs. 1 - 3

AFG ruht, gemäß § 115 SGB X auf die Bundesanstalt

(in Fällen der Arbeitslosenhilfe auf den Bund)

übergehen."

Am 19. Oktober 1992 schlossen die Parteien im Kündigungsrechtsstreit einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis "einvernehmlich und auf Veranlassung" der - hiesigen Klägerin und dortigen - Beklagten am 30. April 1992 endete und sich diese zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 12.500,00 DM verpflichtete.

Mit Schreiben vom 4. November 1992 teilte das Arbeitsamt der Klägerin folgendes mit:

"Die Obengenannte (Beklagte) hat für die Zeit vom

23. April 1992 bis 28. Mai 1992, in der ihr An-

spruch auf Leistungen nach § 117 Abs. 1 - 3 AFG

ruhte, Arbeitslosengeld/Arbeitslosenhilfe in Höhe

von insgesamt 2.917,10 DM erhalten. Dieser Betrag

ist von Ihren Leistungen an den/die Obengenann-

te(n) einzubehalten und an mich zu überweisen."

Die Klägerin erfüllte die Forderungen der Arbeitsverwaltung mit Scheck vom 10. November 1992 und zahlte der Beklagten die im Prozeßvergleich vom 19. Oktober 1992 vorgesehene Abfindung unter Abzug des an das Arbeitsamt gezahlten Betrages. Die Beklagte vertrat die Auffassung, daß ihr der Abfindungsbetrag in voller Höhe zustehe und verschaffte sich den Abzugsbetrag von 2.917,10 DM im Wege der Zwangsvollstreckung.

Die Klägerin verlangt diesen Betrag von der Beklagten zurück. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei um diese 2.917,10 DM rechtsgrundlos bereichert, weil sie den Abfindungsanspruch der Beklagten insoweit durch ihre Zahlungen an die Arbeitsverwaltung erfüllt habe. Die Klägerin hat - soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse - beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.917,10 DM

nebst 8 % Zinsen seit dem 9. September 1993 zu

zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen: Sie habe aufgrund des Vergleichs weder einen Anspruch auf Vergütung für die Zeit vom 21. bis zum 30. April 1992 noch für die Zeit danach gehabt. Das Arbeitsverhältnis habe schon am 30. April 1992 geendet. Daher hätten auch keine Vergütungsansprüche auf das Arbeitsamt übergeleitet werden können. Im übrigen ergebe sich aus der Ausgleichsklausel des Vergleichs, daß sich die Abfindung nicht um das Arbeitslosengeld mindere. Die Parteien hätten bei Abschluß des Vergleichs an den Erstattungsanspruch des Arbeitsamts gedacht.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Mit ihrer Revision verfolgt sie ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, daß der Klägerin ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB in Höhe von 2.917,10 DM zusteht.

Die Klägerin hatte den Anspruch der Beklagten auf die im Vergleich vereinbarte Abfindung in dieser Höhe bereits durch ihre Zahlung an die Bundesanstalt für Arbeit erfüllt. Die Beklagte hat in dieser Höhe gleichwohl die Zwangsvollstreckung betrieben und dadurch 2.917,10 DM "in sonstiger Weise" auf Kosten der Klägerin ohne rechtlichen Grund erlangt.

1. Der Anspruch auf die als Abfindung bezeichnete Leistung war in Höhe der Klageforderung zur Zeit der Zwangsvollstreckung bereits auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangen. Das ergibt sich aus § 115 Abs. 1 SGB X, § 117 Abs. 1 und Abs. 2 AFG. Nach § 115 Abs. 1 SGB X gehen Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Zahlung des Arbeitsentgelts im Umfang der Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit auf diese über. Gem. § 117 Abs. 1 AFG ruht "der Anspruch auf Arbeitslosengeld ... in der Zeit, für die der Arbeitslose Arbeitsentgelt erhält oder zu beanspruchen hat". Nach § 117 Abs. 2 AFG ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet wurde und der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung erhalten oder zu beanspruchen hat. Der Ruhenszeitraum beginnt nach dieser Vorschrift mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses; er endet spätestens mit dem Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. § 117 Abs. 3 AFG enthält weitere Begrenzungen des Ruhenszeitraums. Dabei ist jeweils die dem Arbeitnehmer günstigste Begrenzung maßgebend. § 117 Abs. 3a AFG ist erst durch Gesetz vom 23. Juni 1993 (BGBl. I S. 944), also nach dem Streitzeitraum, eingefügt worden. Nach § 117 Abs. 4 Satz 1 AFG wird das Arbeitslosengeld auch in der Zeit gewährt, in der der Anspruch auf Arbeitslosenentgelt ruht, soweit "der Arbeitslose die in den Abs. 1 bis 2 genannten Leistungen (Arbeitsentgelt im Sinne des § 115 SGB X) tatsächlich nicht erhält" - sogenannte "Gleichwohlgewährung". Ansprüche auf Zahlung des Arbeitsentgelts und der Abfindung gehen auch dann auf die Bundesanstalt für Arbeit über, wenn sie erst nach Zahlung des Arbeitslosengeldes begründet wurden (Niesel/Düe, AFG, 1995, § 117 Rz 54).

2. Für die Zeit bis zum 30. April 1992 ruhte der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 117 Abs. 1 AFG. Das Arbeitsverhältnis der Parteien dauerte nach dem Vergleich bis zu diesem Zeitpunkt fort. Ein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für die Zeit bis zum 30. April 1992 aufgrund von § 117 Abs. 2 AFG kommt nicht in Betracht, da der Ruhenszeitraum nach dieser Vorschrift erst mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses beginnt (BSG Urteil vom 23. Juni 1981 - 7 RAr 29/80 - SozR 4100 § 117 AFG Nr. 7). Die außerordentliche Kündigung vom 21. April 1992 war unwirksam. Der Beklagten stand Arbeitsentgelt aus Annahmeverzug zu. Über den auf die Bundesanstalt übergegangenen Anspruch konnten die Parteien bei Abschluß des Vergleichs nicht mehr verfügen.

a) Das Landesarbeitsgericht hat im Anschluß an das Arbeitsgericht die außerordentliche Kündigung schon deshalb für unwirksam gehalten, weil die Klägerin die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt hat. Dem ist die Beklagte auch in der Revisionsinstanz nicht mit substantiiertem Vortrag entgegengetreten. Es reicht nicht aus, diese Bewertung als "nicht nachvollziehbar" zu bezeichnen. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gerät der Arbeitgeber im Falle einer unwirksamen Kündigung i.d.R. in Annahmeverzug, wenn er den Arbeitnehmer nicht auffordert, die Arbeit wieder aufzunehmen, ihm also keinen funktionstüchtigen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt (BAGE 46, 234 = AP Nr. 34 zu § 615 BGB; BAG Urteil vom 24. November 1994 - 2 AZR 179/94 - AP Nr. 60 zu § 615 BGB, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Auch dagegen hat die Beklagte keine Einwendungen vorgebracht. Zudem hatten sich die Parteien im Kündigungsschutzprozeß vergleichsweise auf die Beendigung am 30. April 1992 geeinigt.

b) Mit Zahlung des Arbeitslosengeldes für die Zeit bis zum 30. April 1992 ist der Entgeltanspruch der Beklagten in dieser Höhe auf die Bundesanstalt übergegangen. Die Parteien haben den Anspruch der Beklagten auf Zahlung von Arbeitsentgelt in ihrem Vergleich nicht gesondert ausgewiesen, sondern der Klägerin nur die Verpflichtung zur Zahlung einer Abfindung auferlegt. Darin und in der Vereinbarung einer Ausgleichsklausel liegt kein Erlaß des Anspruchs auf Arbeitsentgelt. Selbst wenn dies der Fall wäre, brauchte die Bundesanstalt diese Vereinbarung nach den §§ 412, 404 BGB nicht gegen sich gelten zu lassen. Danach kann der Schuldner dem neuen Gläubiger nur die Einwendungen entgegensetzen, die zur Zeit des Übergangs der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren. Ein etwaiger Erlaßvertrag zwischen den Parteien konnte also die Forderung der Bundesanstalt nicht mehr zum Erlöschen bringen.

3. Für die Zeit vom 1. bis zum 28. Mai 1992 ruhte der Anspruch der Beklagten auf Arbeitslosengeld entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht nach § 117 Abs. 1, sondern nach § 117 Abs. 2 AFG.

a) Die Arbeitsvertragsparteien haben es grundsätzlich in der Hand, das Ende des Arbeitsverhältnisses zu bestimmen, mit der Folge, daß für die Zeit danach Lohnansprüche, die auf die Bundesanstalt übergehen könnten, nicht entstehen (BAGE 20, 324 = AP Nr. 22 zu § 7 KSchG; BAGE 21, 154 = AP Nr. 5 zu § 96 AVAVG; BAG Urteil vom 17. April 1986 - 2 AZR 308/85 - AP Nr. 40 zu § 615 BGB; LAG Hamm Urteil vom 19. Februar 1988 - 16 Sa 1705/87 - NZA 1988, 773; Gagel, AFG, Stand Januar 1996 § 117 Rz 44 ff.; Niesel/Düe, AFG 1995, § 117 Rz 13; Hanau, AuR 1984, 335, 338). Davon ist der Senat auch in seinem Urteil vom 25. März 1992 (- 5 AZR 254/91 - AP Nr. 12 zu § 117 AFG) ausgegangen.

Allerdings sind Manipulationen gegenüber Sozialversicherungsträgern unzulässig. Vereinbarungen, mit denen der Beendigungszeitpunkt zurückverlegt wird, haben dann keine Wirkung gegenüber Sozialleistungsträgern, wenn das Arbeitsverhältnis unstreitig fortbestand, gesicherte Entgeltansprüche bestanden, die bereits übergegangen waren, und die Parteien den Anspruchsübergang kannten (BAG Urteil vom 17. April 1986, LAG Hamm Urteil vom 19. Februar 1988, beide aaO; Senatsurteil vom 23. September 1981 - 5 AZR 527/79 - ZIP 1981, 1364; Gagel, aaO, Rz 48 ff.; ähnlich Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, Stand Juni 1996, § 117 Rz 27; weitergehend wohl Niesel/Düe, aaO).

Um einen solchen Fall handelt es sich hier nicht. Die Parteien waren über die Wirksamkeit der Kündigungen und über den Prozeßausgang im unklaren. Die Festlegung des 30. April 1992 als Beendigungszeitpunkt kann daher nicht als rechtsmißbräuchlich angesehen werden. Die Einigung der Parteien, daß das Arbeitsverhältnis mit dem 30. April 1992 endete, wirkt demnach auch gegenüber der Bundesanstalt.

b) Die Voraussetzung des § 117 Abs. 2 AFG sind erfüllt. Die Parteien haben das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet. Die Beklagte hatte wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung zu beanspruchen. Der Ruhenszeitraum dauerte zumindest bis zum 28. Mai 1992, dem Zeitpunkt, bis zu dem die Beklagte Arbeitslosengeld erhielt.

c) Ein früheres Ende des Ruhenszeitraums ergibt sich nicht aus § 117 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, Satz 3 AFG. Nach diesen Bestimmungen ruht "der Anspruch auf Arbeitslosengeld ... nach Abs. 2 ... nicht über den Tag hinaus, ... bis zu dem der Arbeitslose bei Weiterzahlung des ... Arbeitsentgelts einen Betrag in Höhe von 70 v.H. der Abfindung ... als Arbeitsentgelt verdient hätte". Der danach "zu berücksichtigende Anteil der Abfindung ... vermindert sich sowohl für je fünf Jahre des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb oder Unternehmen als auch für je fünf Lebensjahre nach Vollendung des 35. Lebensjahres um je 5 v.H.; er beträgt nicht weniger als 30 v.H. der Leistung". Die Voraussetzungen für eine Verminderung des Prozentsatzes von 70 % liegen bei der Beklagten nicht vor. Bei einem Monatsgehalt von 6.249,50 DM hätte die Beklagte in der Zeit vom 1. bis zum 28. Mai 1992 etwa 6.000,00 DM verdient. Das sind weniger als 70 % der Abfindung, und zwar auch dann, wenn man einen Teil der als Abfindung bezeichneten Leistung als Arbeitsentgelt für die Zeit bis zum 30. April 1992 damit nicht als Abfindung im Sinne von § 117 Abs. 2 AFG ansieht.

d) Der Ruhenszeitraum endete auch nicht nach § 117 Abs. 3 Nr. 3 AFG vor dem 28. Mai 1992. Nach dieser Vorschrift ruht der Anspruch "nicht über den Tag hinaus, ... an dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grunde ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können". Die Vorschrift beruht auf der Überlegung, daß eine Abfindung, die bei Vorliegen eines Grundes zur fristlosen Kündigung gewährt wird, keine Vergütungsbestandteile für die Zeit nach dem Zeitpunkt der möglichen fristlosen Kündigung enthält (vgl. Begründung zu Art. 1 Nr. 8 des RegE des 4. ÄndG-AFG, BT-Drucks. 8/857 S. 9; BSG Urteil vom 17. Februar 1981 - 7 RAr 94/79 - SozR 4100 § 117 Nr. 5; Gagel, aaO, Rz 162; Niesel/Düe, aaO, Rz 49 ff.). Danach kommen nur solche Gründe in Betracht, die vor dem Abschluß des Vergleichs vorlagen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 17. März 1981 - 7 RAr 16/80 - SozR 1700 § 31 Nr. 1; Urteil vom 17. Februar 1981, aaO) ist das Vorliegen eines Grundes für eine fristlose Kündigung auch dann zu prüfen, wenn sich die Arbeitsvertragsparteien nach einer fristlosen Kündigung über das Ende des Arbeitsverhältnisses verständigen und eine Abfindung vereinbaren. Geht es um die Begrenzung des Ruhenszeitraums nach § 117 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AFG, liegt die Beweislast für das Vorliegen eines Grundes zur fristlosen Kündigung beim Arbeitnehmer (Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, § 117 Rz 20).

Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Der Revision ist zuzugeben, daß es wenig sachgerecht erscheint, im Rahmen eines Prozesses der vorliegenden Art die hypothetische Frage nach der Wirksamkeit der Kündigung zu stellen, über die sich die Arbeitsvertragsparteien verglichen haben (vgl. auch Gagel, aaO, Rz 166; zweifelnd Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, § 117 Rz 20). Das berechtigt die Gerichte aber nicht, sich über Wortlaut und Sinn des Gesetzes hinwegzusetzen. Wie bereits ausgeführt, hatte die Klägerin keinen Grund zur außerordentlichen Kündigung.

e) Da die Beklagte die Abfindung nicht schon im Mai erhielt, wurde das Arbeitslosengeld auch im Ruhenszeitraum gewährt. Die Verpflichtung dazu ergibt sich aus § 117 Abs. 4 Satz 1 AFG. Die darin enthaltene Legaldefinition besagt, daß auch die in Abs. 2 behandelten Abfindungen, soweit sie zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen, Arbeitsentgelt im Sinne des § 115 Abs. 1 SGB X sind. Daraus folgt, daß auch der Abfindungsanspruch in Höhe des für die Zeit vom 1. bis zum 28. Mai 1992 gezahlten Arbeitsentgelts auf die Bundesanstalt übergegangen ist.

4. Aus Ziff. 4 des Prozeßvergleichs ergibt sich nicht, daß die Pflicht zur Rückzahlung des Arbeitslosengeldes im Innenverhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien die klagende Arbeitgeberin treffen soll.

Der Senat hat bereits mit Urteil vom 25. März 1992 entschieden, daß es einer ausdrücklichen Vereinbarung bedarf, wenn eine als Abfindung bezeichnete Leistung entgegen § 117 Abs. 2 AFG nicht um den darauf entfallenen Anteil der Arbeitslosenunterstützung gekürzt werden soll (- 5 AZR 254/91 - AP Nr. 12 zu § 117 AFG; ebenso BSG Urteil vom 23. Juni 1981 - 7 RAr 29/80 - SozR 4100 § 117 AFG Nr. 7). Das im Ruhenszeitraum bezogene Arbeitslosengeld ist an die Bundesanstalt zurückzuzahlen. § 115 Abs. 1 SGB X besagt, daß der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Arbeitsentgelt oder Abfindung in Höhe der erbrachten Leistungen auf die Bundesanstalt übergeht. Die Rückzahlungspflicht trifft also den Arbeitgeber, aber in Anrechnung auf das Arbeitsentgelt oder die Abfindung.

Hat der Arbeitgeber schon vor Vergleichsabschluß die Überleitungsanzeige erhalten, so ist der Einwand des Anspruchsübergangs nicht etwa nach § 767 Abs. 2, § 794 Abs. 1 Nr. 1, § 795 ZPO ausgeschlossen. Zum einen ist die erstgenannte Vorschrift ohnehin auf Vergleiche nicht anwendbar; zum anderen entsteht der Abfindungsanspruch erst durch den Vergleichsabschluß, so daß auch deshalb Einwendungen gegen diesen nicht § 767 Abs. 2 ZPO unterliegen (vgl. BAG Urteil vom 22. Februar 1968 - 5 AZR 278/67 - AP Nr. 22 zu § 7 KSchG).

Der Arbeitnehmer selbst hat also nach dem Gesetz nur Anspruch auf die um die Rückzahlungsbeträge geminderten Leistungen. Im Innenverhältnis trifft die Rückzahlungspflicht den Arbeitnehmer. Wollen die Parteien im Innenverhältnis von der gesetzlichen Regel der Anrechenbarkeit abweichen, müssen sie dies - in der Regel ausdrücklich - vereinbaren (vgl. Reinecke, BB 1981, 854, 859).

Daran fehlt es hier. Prozeßvergleiche können von den Revisionsgerichten unbeschränkt und selbständig ausgelegt werden (BAGE 42, 244 = AP Nr. 2 zu § 21 TVAL II). Ziff. 4 des Prozeßvergleichs enthält eine allgemeine Ausgleichsklausel. Damit ist über den Erstattungsanspruch der Bundesanstalt nichts gesagt. Aus dem Umstand, daß die Klägerin bereits durch Schreiben vom 9. Juli 1992 über die Zahlung von Arbeitslosengeld unterrichtet war, ergibt sich nichts anderes, zumal ihr Dauer und genaue Höhe der Leistungen erst nach Vergleichsabschluß mitgeteilt wurden. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 25. März 1992 (aaO) darauf hingewiesen, daß sich der Arbeitnehmer das erhaltene Arbeitslosengeld auch dann anrechnen lassen müßte, wenn er vom Arbeitgeber für denselben Zeitraum Arbeitsentgelt beanspruchte.

Griebeling Schliemann Reinecke

Kähler Heel

 

Fundstellen

Haufe-Index 439919

BB 1997, 841-842 (Lt1)

DB 1997, 680-681 (LT1)

NWB 1997, 587

EBE/BAG Beilage 1997, Ls 45/97 (L1)

WiB 1997, 536 (L)

ARST 1997, 79-82 (LT1)

EWiR 1997, 433 (L)

JR 1997, 528

NZA 1997, 376

NZA 1997, 376-378 (LT1)

RdA 1997, 188 (L1)

VersorgW 1997, 214 (K)

ZAP, EN-Nr 214/97 (S)

ZTR 1997, 236 (L1)

AP § 115 SGB X (LT1), Nr 9

AP § 779 BGB (L1), Nr 15

AP § 9 KSchG 1969 (L1), Nr 29

AR-Blattei, ES 10 Nr 15 (LT1)

ArbuR 1997, 167-168 (L1)

AuA 1997, 180 (L1)

EzA-SD 1997, Nr 4, 7-10 (LT1)

EzA § 117 AFG, Nr 11 (LT1)

NJ 1997, 217-219 (LT1)

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