Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung nach Einigungsvertrag. mangelnde Eignung

 

Normenkette

EV Art. 20; PersVG-DDR §§ 79, 82, 116b; BPersVG §§ 79, 82

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 23.09.1992; Aktenzeichen 2 Sa 31/92 L)

KreisG Leipzig-Stadt (Urteil vom 28.01.1992; Aktenzeichen 19 Ca 66/91)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 23. September 1992 – 2 Sa 31/92 L – aufgehoben.

2. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer dem Kläger mit Schreiben vom 24. September 1991 zum 31. Dezember 1991 ausgesprochenen ordentlichen Kündigung, die der Beklagte, vertreten durch das Oberschulamt Leipzig, auf Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 der Anlage I zum Einigungsvertrag (fortan nur: Abs. 4 Ziff. 1 EV) gestützt hat.

Der 1938 geborene Kläger war seit 1. August 1960 als Lehrer für Deutsch, Geschichte und Staatsbürgerkunde in D beschäftigt. Von 1972 bis 1976 war er Parteisekretär der SED an der D-Oberschule in Delitzsch, von 1976 bis 1979 stellvertretender Direktor, von 1979 bis 1981 Direktor und von 1982 bis 1989 wieder Parteisekretär an dieser Schule.

Die Parteisekretäre waren das Bindeglied zwischen der Partei und der Schulleitung. Der Parteisekretär hatte insoweit die Aufgaben:

  • Leitung der Parteiversammlungen, in denen das politische Klima an der Schule besprochen wurde,
  • Kontrolle und Überwachung der Pionierleiter daraufhin, daß diese die vorgegebenen politischen Ziele im Rahmen ihrer Tätigkeiten realisierten,
  • Beteiligung an der Werbung von militärischem Nachwuchs sowie der Werbung für die Teilnahme an der sozialistischen Jugendweihe,
  • Mitwirkung bei der Entscheidung über Besuchsreisen in die Bundesrepublik Deutschland,
  • Abfassung von Berichten über das politische Klima an der Schule für die SED-Kreisleitung,
  • Einleitung von Disziplinarverfahren gegen Lehrer sowie Oppositionelle.

Neben dem Parteisekretär war auch der Direktor bzw. stellvertretende Direktor gehalten, mit den Schutz- und Sicherheitsorganen der DDR sowie mit der SED-Kreisleitung und der SED-Bezirksleitung zusammenzuarbeiten, wobei sich diese Zusammenarbeit auf die Bereiche „politisch-ideologische Situation an der Schule”, „Auswahl von Schülern für die Ausbildung im Dienste der Einheiten des MFS” sowie „Öffnung und Herausgabe von Kaderakten” erstreckte.

Im Jahre 1988 wurde der Kläger mit seinem Einverständnis zum Fachberater für Staatsbürgerkunde im Kreis D. berufen. Als Fachberater hatte er einen Erfahrungsaustausch der Lehrer für Staatsbürgerkunde im Kreis D. zu organisieren sowie die Lehrer für Staatsbürgerkunde im Unterricht aufzusuchen und ggf. methodische und pädagogische Anregungen in Form von Empfehlungen zu geben. Der Kläger hatte die Lehrer für Staatsbürgerkunde anzuhalten, die Ziele des Staatsbürgerkundeunterrichts zu beachten. Die Tätigkeit als Fachberater für Staatsbürgerkunde übte der Kläger bis zu seiner Abberufung durch das Schreiben des Präsidenten des Oberschulamtes Leipzig vom 23. April 1991 mit Wirkung vom 1. Juli 1991 neben seiner Lehrertätigkeit außerhalb des Lehrplanes aus.

Mit Schreiben vom 23. August 1991, dem der Entwurf eines Kündigungsschreibens beigefügt war, wurde der Kreisschulpersonalrat über die, beabsichtigte Kündigung des Klägers informiert. Weder bestand beim Oberschulamt ein Bezirkspersonalrat noch beim Sächsischen Staatsministerium für Kultus ein Hauptpersonalrat. Der Kreisschulpersonalrat erhob gegen die beabsichtigte Kündigung das Klägers Einwendungen.

Mit Schreiben vom 24. September 1991 kündigte das Oberschulamt Leipzig das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31. Dezember 1991 unter Hinweis auf die Vorschriften des Einigungsvertrages, wobei es sich darauf berief, der Kläger sei vor 1990 als Fachberater für Staatsbürgerkunde tätig gewesen.

Der Kläger ist der Auffassung, die Kündigung sei unwirksam. Er hat vorgetragen, er habe seine Aufgabe als Fachberater nie als Aufsichtsfunktion gesehen. Er habe die Kollegen nicht kontrolliert und keine Beurteilungen für deren Personalakten gefertigt. Als Fachberater für Staatsbürgerkunde habe er den Unterricht der Kollegen nur besucht, um methodische und pädagogische Erfahrungen zu sammeln und weiterzugeben. Es sei ihm darauf angekommen, gegen jede Form von Zensur für Meinungsäußerungen aufzutreten und die Lehrer aufzufordern, die freie Meinungsbildung der Schüler zu fördern. Die Schüler hätten alle sie bewegenden Fragen und Probleme kontrovers diskutieren sollen.

Ein konkretes Fehlverhalten werde ihm nicht vorgeworfen. Vielmehr sei er schon frühzeitig in Konflikte mit der SED und dem Staat geraten. Sein kritisches Verhalten habe er stets bewahrt. So habe er sich z.B. in den Jahren 1983, 1988 und 1989, vor allem auf der Volksbildungs-Aktivtagung im August 1989 kritisch in der Öffentlichkeit geäußert und hierfür mitunter Sanktionen hinnehmen müssen. Er sei dafür bekannt gewesen, gegenüber der SED-Kreisleitung Rückgrat zu besitzen und kritisch an Probleme heranzugehen.

Der Beklagte habe außerdem unberücksichtigt gelassen, daß er, der Kläger, nach der Wende seine Tätigkeit als Fachberater für Staatsbürger- und später Gesellschaftskunde bis zu seiner Abbestellung unbeanstandet ausgeübt und seit September 1990 umfangreiche Weiterbildungsmaßnahmen absolviert habe.

Schließlich sei die Kündigung wegen fehlerhafter Beteiligung des Schulpersonalrates unwirksam. Bis zur Bildung von Stufenvertretungen seien die bestehenden Personalräte – Schul- und Kreispersonalräte – zu beteiligen gewesen.

Außerdem habe der Beklagte die maßgebende Kündigungsfrist nicht beachtet. Nach § 9 der Arbeitsanordnung für pädagogische Kräfte vom 29. November 1979 sei eine Kündigung frühestens zum Schuljahresschluß – 31. August – zulässig gewesen. Auch nach § 53 Abs. 2 BAT-O sei eine längere Kündigungsfrist einzuräumen.

Der Kläger hat beantragt

  1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 24. September 1991 nicht beendet worden sei,
  2. für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag den Beklagten zu verurteilen, ihn, den Kläger, zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat geltend gemacht, der Kläger sei nicht geeignet im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV. In das Amt eines Fachberaters für Staatsbürgerkunde habe nur gelangen können, wer vorbehaltlos die Ziele der SED unterstützt und sich mit diesen identifiziert habe. Gerade das Fach Staatsbürgerkunde habe in der ehemaligen DDR eine besondere staatstragende Funktion gehabt. Den Schülern sei hier die Ideologie des Marxismus-Leninismus in dem von der Einheitspartei SED vertretenen Sinne auf gezwungen worden. Hiervon abweichende Meinungen seien nicht toleriert worden. Dies gelte in besonderem Maße für einen Fachberater für Staatsbürgerkunde, der in gehobener Position für die Inhalte verantwortlich gewesen sei, die von den Staatsbürgerkundelehrern im Unterricht zu vertreten waren. Außerdem habe der Kläger als Parteisekretär sowie als stellvertretender Direktor und Direktor im schulischen Bereich konsequent die Ideologie der SED durchzusetzen gehabt. Der Kläger habe kontinuierlich über viele Jahre hinweg bis zur Wende aktiv immer in Positionen gewirkt, die eine besondere Bedeutung für die SED im Rahmen des von ihr installierten Kontroll- und Informationssystems gehabt hätten.

Das Kreisgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die von dem Landesarbeitsgericht zugelassene Revision des Klägers, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

A. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die ordentliche Kündigung sei nach Abs. 4 Ziff. 1 EV gerechtfertigt. Der Kläger entspreche wegen mangelnder persönlicher Eignung nicht den Anforderungen, die an einen Lehrer zu stellen seien. Wer als Lehrer den SED-Staat, der die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland abgelehnt und bekämpft habe, besonders unterstützt habe, habe sich in auffälliger Weise zum SED-Staat bekannt. Damit erwecke er Zweifel, ob er als Lehrer die Grundwerte unserer Verfassung glaubwürdig vermitteln könne. Allein diese Besorgnis der Unglaubwürdigkeit genüge, um die persönliche Eignung für den Lehrerberuf zu verneinen. Durch seine langjährige Tätigkeit als Parteisekretär der SED an seiner Schule, durch seine Tätigkeit als stellvertretender Direktor und Direktor sowie zuletzt durch seine Tätigkeit als Fachberater für Staatsbürgerkunde und aufgrund der mit den einzelnen Tätigkeiten verbundenen Aufgaben habe sich der Kläger in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert.

Unerheblich sei, ob sich der Kläger in seiner früheren Stellung persönlich nichts habe zuschulden kommen lassen und bereits vor der Wende durch kritische Beiträge auf Versammlungen und in Leserbriefen hervorgetreten sei.

Auch die Interessenabwägung führe zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger habe sich freiwillig dem SED-Staat als Parteisekretär, Direktor und Fachberater für Staatsbürgerkunde zur Verfügung gestellt. Durch die freiwillige Übernahme solcher hervorgehobenen Positionen habe er sich selbst für den Beruf eines Lehrers unter den Bedingungen eines freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates ungeeignet gemacht.

Die Kündigung des Klägers sei auch nicht wegen fehlender oder nicht ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrates nach § 79 Abs. 4 PersVG-DDR unwirksam. Das Oberschulamt Leipzig als obere Schulaufsichtsbehörde sei für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen der Lehrer zuständig. Bei ihm habe im Zeitpunkt der Kündigung keine Stufenvertretung bestanden, so daß diese auch nicht nach § 82 Abs. 1 PersVG-DDR hätte beteiligt werden können. Gleiches gelte für die Beteiligung des Hauptpersonalrates beim Sächsischen Staatsministerium für Kultus; ein solcher habe im Zeitpunkt der Kündigung des Klägers ebenfalls nicht bestanden.

B. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten nicht in allen Punkten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat das Verhalten des Klägers nach dem Beitritt der neuen Bundesländer in Verbindung mit seinem früheren behaupteten Tun bei der notwendigen Einzelfallprüfung nicht hinreichend gewertet.

I. Das Landesarbeitsgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, daß der Kläger aufgrund seiner früheren Tätigkeit persönlich nicht den Anforderungen entsprechen könnte, die an einen Lehrer zu stellen sind.

1. a) Nach Abs. 4 Ziff. 1 EV ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder fachlicher Qualifikation oder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht.

b) Die mangelnde persönliche Eignung i. S. von Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft. Sie ist getrennt von der Qualifikation zu prüfen. Sie kann aufgrund der bisherigen Lebensführung fehlen oder sich aus der Art und Weise des Verhaltens des Arbeitnehmers ergeben. Der Regelung in Abs. 4 Ziff. 1 EV liegt eine andere Interessenlage zugrunde als der bei § 1 Abs. 2 KSchG. Deshalb können Erwägungen zu § 1 Abs. 2 KSchG nicht unbesehen auf Abs. 4 Ziff. 1 EV übertragen werden. Bei § 1 Abs. 2 KSchG ist davon auszugehen, daß der Arbeitgeber oder sein Rechtsvorgänger, an dessen Entscheidungen er gebunden ist, einen Arbeitnehmer eingestellt hat, weil er ihn für geeignet gehalten hat. Eine Kündigung ist im. Regelfalle daher angezeigt, wenn der für geeignet befundene Arbeitnehmer durch konkrete Störungen des Vertragsverhältnisses seine Ungeeignetheit im nachhinein offenbart. Durch die Regelung in Abs. 4 Ziff. 1 EV wird dem öffentlichen Arbeitgeber im übergeordneten staatlichen Interesse ermöglicht, einen übernommenen Arbeitnehmer selbst auf seine Eignung überprüfen zu können, weil er von einem Arbeitgeber eingestellt worden ist, der rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht verpflichtet war. Abs. 4 Ziff. 1 EV erlaubt deshalb eine Prüfung, ob der früher eingestellte Arbeitnehmer für die jetzige Tätigkeit persönlich geeignet ist, ohne daß bereits Vertragsverletzungen und damit konkrete Störungen des Arbeitsverhältnisses eingetreten sein müßten. Die Regelung in Abs. 4 Ziff. 1 EV zwingt den öffentlichen Arbeitgeber nicht, die notwendige rechtsstaatliche Einstellung eines Arbeitnehmers in jedem Falle zunächst zu „erproben”.

c) Die persönliche Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes erfordert, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennt. Die hiernach zu stellenden Anforderungen haben sich an den Aufgaben des Arbeitnehmers auszurichten.

Ein Lehrer muß den ihm anvertrauten Schülern und Jugendlichen glaubwürdig die Grundwerte des Grundgesetzes vermitteln (BAGE 28, 62 = AP Nr. 2 zu Art. 33 Abs. 2 GG). Er muß insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß er in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht (BVerfGE 39, 334 = AP Nr. 2 zu Art. 33 Abs. 5 GG).

d) Ein Lehrer in der ehemaligen DDR ist nicht schon deshalb ungeeignet, weil er nach den früheren gesetzlichen Bestimmungen bei der Verwirklichung der Staatsziele der DDR mitzuwirken hatte. Das gilt auch für Schulleiter und für Kreisfachberater, soweit sie ihr Amt sachbezogen und nicht überwiegend im Sinne der SED ausgeübt haben.

Eine mangelnde persönliche Eignung liegt bei einem Lehrer dann vor, wenn er staatlichen Vorgaben nicht bloß gefolgt ist, sondern wenn er sie in seine persönliche Überzeugung übernommen hat. Das ist jedenfalls bei solchen Arbeitnehmern anzunehmen, die sich in der Vergangenheit dadurch in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert haben, daß sie in der SED nicht nur kurzfristig aktiv in Parteiämtern mitgewirkt haben. Wer durch eine intensive Parteiarbeit die Ziele der SED, die die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik ablehnte und bekämpfte, förderte, weist auf, daß er persönlich nicht geeignet ist, als Lehrer die Grundwerte des Grundgesetzes glaubwürdig zu vermitteln (so richtig LAG Berlin Urteil vom 23. Juni 1992 – 14 Sa 24/92 –; LAG Berlin Urteil vom 23. September 1992 – 13 Sa 61/92 –).

e) Dennoch ist auch in diesen Fällen eine Einzelfallprüfung erforderlich, ob die Nichteignung noch zum Zeitpunkt der Kündigung besteht. Maßgebliche Kriterien können auch hier sein die Dauer der früheren aktiven SED-Tätigkeit, die dabei bekleidete Stellung innerhalb der SED und der Zeitpunkt sowie die Umstände einer Beendigung der aktiven Parteitätigkeit vor dem Zusammenbruch der Früheren DDR. Ebenso kann der betroffene Arbeitnehmer konkrete Umstände aufzeigen, aus denen geschlossen werden kann, daß er nunmehr zu den Werten des Grundgesetzes steht. Liegt ein dahingehender schlüssiger und nachprüfbarer substantiierter Vortrag vor, hat der Arbeitgeber darzutun, daß die behaupteten erheblichen nachprüfbaren Tatsachen entweder nicht vorliegen oder daß trotz dieser Umstände aus weiteren anderen Tatsachen auf eine Ungeeignetheit zu schließen ist.

2. Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit diesen Ausführungen zunächst ohne Rechts fehler angenommen, die verschiedenen, mit Kontroll- und Aufsichtsfunktionen verbundenen Tätigkeiten des Klägers indizierten eine Ungeeignetheit, weiterhin als Lehrer tätig sein zu können. Das Berufungsgericht hat hierbei zu Recht alle Tatsachen berücksichtigt, die bis zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vorlagen. Entscheidend für den Eintritt der mit einer Kündigung verbundenen Rechtsfolgen ist die objektive Rechtslage zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung. Der Kündigende kann daher Tatsachen nachschieben, die zu diesem Zeitpunkt vorlagen (vgl. Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rz. 219 ff., m.w.N.). Fragen der Ordnungsmäßigkeit der Anhörung des Personalrats spielen hier keine Rolle, vgl. hierzu II der Gründe.

Das Berufungsgericht hat zu Recht auf die langjährige Tätigkeit des Klägers als Parteisekretär der SED an seiner Schule, auf seine Tätigkeit als stellvertretender Direktor und Direktor, auf seine Tätigkeit als Fachberater für Staatsbürgerkunde sowie auf die mit diesen Tätigkeiten im einzelnen verbundenen Aufgaben des Klägers abgestellt. Entscheidend war hierbei, daß neben der bloßen Mitgliedschaft des Klägers in der SED die wesentlichen Zeiten seiner Berufstätigkeit seit 1972 von herausgehobenen Aufgaben als Parteisekretär, stellvertretender Direktor, Direktor und Fachberater für Staatsbürgerkunde geprägt waren und gerade diese Tätigkeiten, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, die besondere Identifizierung des Klägers mit den Zielen des SED-Staates zeigen.

Insoweit ist das Landesarbeitsgericht – entgegen der Rüge der Revision – nicht von einem absoluten Kündigungsgrund ausgegangen, sondern hat konkret die Situation des Klägers berücksichtigt.

3. Die Revision rügt allerdings zu Recht, daß das Landesarbeitsgericht bei der Einzelfallprüfung den Kläger entlastende Umstände nicht ausreichend gewürdigt hat. Das Berufungsgericht hat zunächst zu Recht als unerheblich angesehen, daß der Kläger sich in seiner früheren Stellung persönlich nichts habe zuschulden Kommen lassen. Es meint aber auch, es sei unbeachtlich, daß der Kläger bereits vor der Wende durch kritische Beiträge auf Versammlungen und in Leserbriefen hervorgetreten sei, denn der Kläger trage insoweit selbst vor, er habe die Nischen genutzt, die auch in der DDR-Gesellschaft existiert hätten.

Bei dieser Würdigung bleibt folgendes unbeachtet: Der Kläger wurde zum Fachberater für Staatsbürgerkunde, auf welchen Umstand der Beklagte die Kündigung zunächst allein gestützt hatte, erst 1988 berufen, und er übte diese Tätigkeit noch bis 30. Juni 1991 aus. Der Umstand, daß der Kläger nur verhältnismäßig kurze Zeit vor der Wende diese Funktion innehatte und daß das Oberschulamt Leipzig den Kläger mit Schreiben vom 23. April 1991 erst mit Wirkung vom 1. Juli 1991 abberief, könnte dafür sprechen, daß der Kläger seine Position rein sachbezogen und überzeugend ausgefüllt hat. Das könnte darauf zurückzuführen sein, daß der Kläger, wie er im einzelnen behauptet, bereits früher im Grunde kritisch dem System gegenüberstand. Überhaupt nicht berücksichtigt hat das Berufungsgericht das Verhalten des Klägers nach dem Beitritt der neuen Bundesländer. Wie unter 1 d ausgeführt, kann der betroffene Arbeitnehmer Umstände aufzeigen, aus denen geschlossen werden kann, daß er nunmehr zu den Werten des Grundgesetzes steht. Der Kläger hat solche Umstände dargetan. Er hat noch vor der Kündigung im Zeitraum von September 1990 bis Juli 1991 Lehrgänge und Seminare besucht, u.a. über Ethik und Wertevermittlung in Schule und Gesellschaft und über das politische System der Bundesrepublik. Der Kläger hat ihm mögliche Weiterbildungschancen ergriffen. Er hat damit gezeigt, daß er der maßgebenden Verfassungslage genügen will. Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger dies ohne innere Überzeugung allein zum Zwecke einer äußeren Anpassung getan haben könnte, liegen schon deshalb nicht vor, weil der Kläger teilweise substantiiert Tatsachen vorgetragen hat, daß er bereits früher kritikoffen war.

Das Berufungsgericht wird daher unter Würdigung dieses gesamten Tatsachenkomplexes zu prüfen haben, ob die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung vorhandenen Tatsachen noch eine Kündigung rechtfertigen konnten.

II. Soweit die Revision meint, die Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil der Personalrat nicht ordnungsgemäß angehört worden sei, kann ihr nicht gefolgt werden. Die dahingehenden Ausführungen des Berufungsgerichts sind ohne Rechtsfehler.

1. Nach § 79 Abs. 1 des Personalvertretungsgesetzes der DDR vom 22. Juli 1990 (GBl. I S. 1014) – PersVG-DDR, der wörtlich übereinstimmt mit § 79 Abs. 1 BPersVG, ist der Personalrat vor ordentlichen Kündigungen zu hören. Nach § 79 Abs. 4 beider Vorschriften ist eine Kündigung unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist.

Kündigungsberechtigt war das Oberschulamt Leipzig. Die Oberschule D. war nicht zur Kündigung berechtigt. Nach § 82 Abs. 1 PersVG-DDR/BPersVG wäre anstelle des Personalrats die bei der zuständigen Dienststelle gebildete Stufenvertretung zu beteiligen gewesen. Eine solche bestand bei der Schulaufsichtsbehörde nicht.

2. Eine andere Vertretung war nach § 82 Abs. 6, § 116 b Abs. 2 Nr. 5 PersVG-DDR nicht zu beteiligen.

a) Es kann hierbei dahingestellt bleiben, ob diese Vorschriften auf die vorliegende Kündigung überhaupt noch anzuwenden waren oder ob nicht bereits ausschließlich das BPersVG galt, das eine entsprechende Regelung nicht enthält.

Nach Art. 8 Einigungsvertrag trat mit dem Wirksamwerden des Beitritts im Beitrittsgebiet Bundesrecht in Kraft, soweit es nicht in seinem Geltungsbereich auf bestimmte Länder oder Landesteile der Bundesrepublik Deutschland beschränkt ist und soweit durch diesen Vertrag, insbesondere dessen Anlage I, nichts anderes bestimmt ist.

Nach der Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 15 trat das Bundespersonalvertretungsgesetz vom 15. Mai 1974 (BGBl. I S. 693) einschließlich der späteren Änderungen mit den Meßgaben in Kraft, daß Buchstabe a) in Angelegenheiten der nach dem Gesetz zur sinngemäßen Anwendung des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) – Personalvertretungsgesetz – der Deutschen Demokratischen Republik vom 22. Juli 1990 (GBl. I S. 1014) gebildeten oder noch zu bildenden Personalvertretungen und Organe, die bei weiter bestehenden Dienststellen i. S. des Art. 13 Abs. 1 und 2 und des Art. 14 Einigungsvertrag im Amt blieben, dessen Bestimmungen weiterhin, längstens bis zum 31. Mai 1993 entsprechende Anwendung finden, soweit sie nicht außer Kraft gesetzt oder obsolet werden.

b) Auch bei Annahme der Weitergeltung der §§ 82, 116 b PersVG-DDR ergab sich nicht die Notwendigkeit, einen anderen Personalrat anzuhören. Die Regelung des § 82 Abs. 1 und Abs. 5 PersVG-DDR ist zwingend. Ist bei der für die Entscheidung zuständigen Dienststelle eine Stufenvertretung nicht gebildet worden, ergibt sich daraus entgegen der Ansicht der Revision nicht eine Beteiligungszuständigkeit des Personalrates der nachgeordneten, nicht entscheidungsbefugten Dienststelle (vgl. Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, Stand März 1993, § 82 Rz 18 und 48; Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 82 Rz 6 und 22; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG mit WO, 7. Aufl., § 82 Rz 27). Auch im Einverständnis der Beteiligten kann von der Zuständigkeitsregelung des § 82 Abs. 1 und 5 nicht abgewichen werden, so daß aus einer etwaigen Zusage, eine nicht zuständige Personalvertretung zu hören, eine Zuständigkeit nicht begründet werden kann.

Eine Zuständigkeit des Kreisschulpersonalrates oder des Schulpersonalrates ergibt sich auch nicht aus § 82 Abs. 6 PersVG-DDR bzw. aus § 116 b Abs. 2 Nr. 5 Satz 4 PersVG-DDR. Beide Vorschriften begründen keine neue sachliche Zuständigkeit für eine Personalvertretung.

§ 82 Abs. 6 PersVG-DDR betrifft, wie sich aus den dort aufgeführten Fällen der §§ 69 Abs. 3 und 4, 70, 71, 72 Abs. 4 ergibt, die Beteiligung der Stufenvertretung im „Instanzenzug”. Wesentlich ist in diesen Fällen, daß die personalvertretungsrechtliche Zuständigkeit beim jeweils zuständigen örtlichen Personalrat liegt und die Stufenvertretungen erst in Aktion treten, nachdem die erste örtliche Ebene ausgeschöpft ist.

Ist im Falle des § 82 Abs. 6 PersVG-DDR und der dort aufgeführten Fälle ein Hauptpersonalrat noch nicht gebildet und kann daher im mehrstufigen Beteiligungsverfahren nicht mitwirken, soll nach § 82 Abs. 6 PersVG-DDR die im Instanzenzug in einer vorangegangenen Stufe bereits beteiligte Personalvertretung, oder, falls auch diese nicht vorhanden ist, die bereits beteiligte und zuständige Personalvertretung an seine Stelle treten, um sich nochmals an der zu treffenden Maßnahme zu beteiligen.

Der Sinn des § 82 Abs. 6 PersVG-DDR liegt darin, ein mehrstufiges Verfahren auch dann zu gewährleisten, wenn ein Hauptpersonalrat nicht besteht. Eine neue sachliche Zuständigkeit für eine Personalvertretung soll durch § 82 Abs. 6 PersVG-DDR gerade nicht begründet werden.

Dieselben Überlegungen gelten auch für § 116 b Abs. 2 Nr. 5 Satz 4 PersVG-DDR. § 116 b PersVG-DDR findet sich im Zweiten Teil des Gesetzes mit der Überschrift Personalvertretung in den Ländern. Er will die in § 82 Abs. 6 PersVG-DDR getroffene Regelung nicht inhaltlich erweitern. Eine analoge Anwendung des § 82 Abs. 6 PersVG-DDR hätte das Vorhandensein einer ursprünglichen personalvertretungsrechtlichen Zuständigkeit des Kreispersonalrates und/oder Schulpersonalrates zum Zeitpunkt der Kündigung des Klägers vorausgesetzt. Auch § 116 b Abs. 2 Nr. 5 PersVG-DDR will nur den „Instanzenzug” sichern unter der Voraussetzung, daß ein personalvertretungsrechtlicher erstzuständiger Personalrat vorhanden ist.

Die Unwirksamkeit der Kündigung kann auch nicht daraus abgeleitet werden, daß das Sächsische Staatsministerium für Kultus die Einleitung der Wahl eines Hauptpersonalrates bzw. Bezirkspersonalrates in rechtswidriger Weise unterlassen haben soll. Eine Rechtsvorschrift, aus der eine solche Folge hergeleitet werden könnte, existiert nicht und kann auch nicht aus der Denkschrift zum Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990 entnommen werden. Dem dort geäußerten Anliegen hat das PersVG-DDR bereits Rechnung getragen.

 

Unterschriften

Michels-Holl, Dr. Ascheid, Dr. Müller-Glöge, Dr. Gaber, Hickler

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1099373

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