Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsrechtlicher Status eines Fernsehmitarbeiters

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen bei einem programmgestaltenden Mitarbeiter einer Rundfunkanstalt ein Arbeitsverhältnis vorliegt (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung seit BAG Urteil vom 13.1.1983, 5 AZR 149/82 = BAGE 41, 247 = AP Nr 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit).

2. Dem Einfluß der Rundfunkfreiheit ist dadurch gerecht zu werden, daß einzelne gegen eine Befristung sprechende Merkmale zurückzutreten haben (ständige Rechtsprechung im Anschluß an BVerfG Beschluß vom 13.1.1982, 1 BvR 1047/77 = BVerfGE 59, 231).

 

Normenkette

BGB § 611; GG Art. 5 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Entscheidung vom 24.01.1992; Aktenzeichen 6 Sa 29/90)

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 06.10.1976; Aktenzeichen 11 Ca 128/75)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen seit dem 1. Dezember 1969 bzw. seit einem späteren Zeitpunkt ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

Der Kläger ist seit Mitte 1969 für den Beklagten als Autor, Regisseur und Realisator tätig. Er stellt für den Beklagten größere Sendungen und Magazinbeiträge her. Er arbeitet hauptsächlich für Sendungen mit naturwissenschaftlichem Hintergrund. Dabei wird er im wesentlichen für die Redaktionen Kulturspiegel sowie Weiterbildung II tätig.

Während einer Produktion hält sich der Kläger im Betrieb des Beklagten auf und verrichtet dort seine Arbeit. Dabei stellt der Beklagte dem Kläger die zur Herstellung eines sendefähigen Beitrages notwendige technische Ausrüstung sowie die entsprechenden Mitarbeiter zur Verfügung.

In der Regel rechnen die Parteien jeweils nach einer fertigen Produktion auf der Grundlage der Honorarbedingungen für freie Mitarbeiter im Fernsehen ab. Dort wird der Kläger jeweils ausdrücklich als freier Mitarbeiter des Beklagten bezeichnet.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, zwischen ihm und dem Beklagten bestehe seit dem 1. Dezember 1969 bzw. seit einem späteren Zeitpunkt ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Entscheidend sei, daß der Beklagte wie ein Arbeitgeber über ihn verfüge. Das komme zum einen in den Dienstplänen zum Ausdruck, in denen er aufgeführt sei, zum anderen in dem zeitlichen Umfang seiner Tätigkeit. Er sei in den ganzen Jahren nahezu ausschließlich für den Beklagten tätig gewesen. Dieser plane ihn auch über längere Zeiträume hinweg ein und nehme ihn in Anspruch; so hätten beispielsweise die Arbeiten in der Hauptabteilung Kursus und Bildungsprogramm über zwei Jahre gedauert. Außerdem müsse er mit Nachteilen rechnen, falls er infolge anderweitiger Angebote dem Beklagten nicht zur Verfügung stehe. Er habe bei dem Beklagten einen festen Arbeitsplatz, auf dem er auch telefonisch erreichbar sei. Im übrigen werde eine Personalakte über ihn geführt. Er müsse zudem seinen Urlaub beantragen und genehmigen lassen. Er sei außerdem in jedem Jahr als Redakteur eingesetzt worden und habe im "Kulturspiegel" ständig redaktionelle Alltagsarbeiten verrichtet. Der Kläger hat einen entsprechenden Feststellungsantrag gestellt.

Der Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, es bestehe zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis, da der Kläger nicht persönlich abhängig sei. Denn er sei weder weisungsgebunden noch müsse er jeden Auftrag annehmen. Vielmehr werde er vor der Übernahme eines jeden Auftrages gefragt. Außerdem könne er Aufträge aus mehreren Hauptabteilungen annehmen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 15. Oktober 1976 abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers durch Urteil vom 17. November 1978 zurückgewiesen, und zwar mit der Begründung, ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien könne schon deshalb nicht zustande gekommen sein, weil der Personalrat bei der Einstellung nicht beteiligt worden sei. Auf die Revision des Klägers hat der erkennende Senat das Urteil des Landesarbeitsgerichts durch Urteil vom 2. Juli 1980 aufgehoben und den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Nachdem der Rechtsstreit bis 1990 nicht betrieben worden war, hat das Landesarbeitsgericht der Klage mit der Feststellung, daß seit dem 1. Dezember 1969 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht, durch Urteil vom 24. Januar 1992 stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur erneuten Zurückverweisung. Aufgrund der bisherigen Feststellungen kann die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers nicht bejaht werden.

I. Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse daran, daß das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird (§ 256 Abs. 1 ZPO). Für den Fall, daß ein Arbeitsverhältnis festgestellt würde, wären auf dieses Vertragsverhältnis der Parteien - unabhängig von den getroffenen Vereinbarungen - die zwingenden gesetzlichen Vorschriften anzuwenden, die ein Arbeitsverhältnis gestalten (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur BAGE 41, 247, 250 f. = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu A der Gründe).

II. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats unterscheidet sich ein Arbeitsverhältnis von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters (Dienstvertrag) durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete jeweils befindet. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit ist weder erforderlich noch ausreichend.

Arbeitnehmer ist danach derjenige Mitarbeiter, der seine Dienstleistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Insoweit enthält § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ein typisches Abgrenzungsmerkmal. Nach dieser Bestimmung ist selbständig, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbständig und deshalb persönlich abhängig ist dagegen der Mitarbeiter, dem dies nicht möglich ist. Zwar gilt diese Regelung unmittelbar nur für die Abgrenzung des selbständigen Handelsvertreters vom abhängig beschäftigten kaufmännischen Angestellten. Über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus enthält diese Bestimmung jedoch eine allgemeine gesetzgeberische Wertung, die bei der Abgrenzung des Dienstvertrages vom Arbeitsvertrag zu beachten ist, zumal da dies die einzige Norm darstellt, die Kriterien dafür enthält. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere darin, daß der Beschäftigte einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Dieses Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Die fachliche Weisungsgebundenheit ist für Dienste höherer Art nicht immer typisch. Die Art der Tätigkeit kann es mit sich bringen, daß dem Dienstverpflichteten ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und fachlicher Selbständigkeit verbleibt (vgl. statt vieler: BAGE 41, 247, 253 f. = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 1 der Gründe; vgl. ferner Urteil vom 13. November 1991 - 7 AZR 31/91 - AP Nr. 60 zu § 611 BGB Abhängigkeit, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt).

Dabei kommt es nicht darauf an, wie die Parteien das Vertragsverhältnis bezeichnen. Der Status des Beschäftigten richtet sich nicht nach den Wünschen und Vorstellungen der Vertragspartner, sondern danach, wie die Vertragsbeziehung nach ihrem Geschäftsinhalt objektiv einzuordnen ist. Denn durch Parteivereinbarung kann die Bewertung einer Rechtsbeziehung als Arbeitsverhältnis nicht abbedungen und der Geltungsbereich des Arbeitnehmerschutzrechts nicht eingeschränkt werden. Der wirkliche Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Wenn der Vertrag abweichend von den ausdrücklichen Vereinbarungen vollzogen wird, ist die tatsächliche Durchführung maßgebend. Denn die praktische Handhabung läßt Rückschlüsse darauf zu, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien in Wirklichkeit ausgegangen sind (BAGE 41, 247, 258 f. = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 3 der Gründe; BAG Urteil vom 27. März 1991 - 5 AZR 194/90 - AP Nr. 53 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu I 2 der Gründe; BAG Beschluß vom 30. Oktober 1991 - 7 ABR 19/91 - EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 44, zu B II 1 der Gründe).

Für die Abgrenzung entscheidend sind demnach die Umstände der Dienstleistung, nicht aber die Modalitäten der Entgeltzahlung oder andere formelle Merkmale wie die Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen und die Führung von Personalakten. Die Arbeitnehmereigenschaft kann nicht mit der Begründung verneint werden, es handele sich um eine nebenberufliche Tätigkeit (BAG Urteil vom 8. Oktober 1975 - 5 AZR 430/74 - AP Nr. 18 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu II 5 der Gründe; BAG Beschluß vom 30. Oktober 1991 - 7 ABR 19/91 -, aaO, zu B II 3 b der Gründe). Umgekehrt spricht nicht schon der Umstand für ein Arbeitsverhältnis, daß es sich um ein auf Dauer angelegtes Vertragsverhältnis handelt (BAG Urteil vom 27. März 1991 - 5 AZR 194/90 - AP Nr. 53 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu III 7 der Gründe; BAG Beschluß vom 30. Oktober 1991, aaO, zu B II 3 c der Gründe).

III.1. Von diesen Grundsätzen ist - wie das Landesarbeitsgericht im Ansatz zutreffend ausgeführt hat - auch im Bereich Funk und Fernsehen auszugehen.

Bei der Arbeit der programmgestaltenden Mitarbeiter ist zu unterscheiden zwischen einem vorbereitenden Teil, einem journalistisch-schöpferischen oder künstlerischen Teil und dem technischen Teil der Ausführung. Je größer die gestalterische Freiheit ist, desto mehr wird die Gesamttätigkeit von der journalistisch-schöpferischen Tätigkeit geprägt. So sind etwa bei einem weitgehend selbständig arbeitenden Regisseur die vorbereitenden Tätigkeiten wie die Recherchen oder die Kontaktaufnahmen und die Realisierung des Vorhabens nur unselbständige Teile dieser schöpferischen Tätigkeit, auch wenn sie in zeitlicher Hinsicht häufig überwiegen.

Ein Arbeitsverhältnis liegt insbesondere dann vor, wenn der Sender innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens über die Arbeitsleistung des programmgestaltenden Mitarbeiters verfügen kann (vgl. bereits Urteile des Senats vom 27. Februar 1991 - 5 AZR 107/90 -, zu III der Gründe, und vom 14. Oktober 1992 - 5 AZR 114/92 -, zu III 1 der Gründe, beide n.v.). Das ist etwa dann der Fall, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird (BAG Urteil vom 7. Mai 1980 - 5 AZR 293/78 - AP Nr. 35 zu § 611 BGB Abhängigkeit), wenn der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang ohne Abschluß dahingehender Vereinbarung zur Arbeit herangezogen wird, ihm also die Arbeiten letztlich "zugewiesen" werden. Die ständige Dienstbereitschaft kann sich sowohl aus den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen der Parteien als auch aus der praktischen Durchführung der Vertragsbeziehungen ergeben. Der Umstand, daß ein Mitarbeiter ein Arbeitszimmer (mit)benutzen kann, zu dem er einen Schlüssel hat, und er in einem internen Telefonverzeichnis aufgeführt ist, hat für sich genommen keine entscheidende Bedeutung. Anders verhält es sich, wenn der Mitarbeiter in Dienstplänen aufgeführt ist. Dies ist ein starkes Indiz für die Arbeitnehmereigenschaft.

Ständige Dienstbereitschaft erwartet ein Sender aber auch dann, wenn er auf die Ablehnung der Mitarbeit an einzelnen Sendungen mit dem Abbruch der Vertragsbeziehungen reagieren würde. Ein Indiz für ständige Dienstbereitschaft kann auch darin liegen, daß ein Mitarbeiter seinen Urlaub nicht nur - wie es einige Tarifverträge für arbeitnehmerähnliche Personen vorsehen - "anzuzeigen" hat, sondern ihn jeweils genehmigen lassen muß.

Ein Arbeitsverhältnis kann auch dann vorliegen, wenn der Mitarbeiter zwar das Programm (mit)gestaltet, jedoch weitgehenden inhaltlichen Weisungen unterliegt, ihm also bei seiner Arbeit nur ein geringeres Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und Selbständigkeit bleibt.

2. Das Landesarbeitsgericht hat die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers im wesentlichen mit folgender Begründung bejaht: Der Kläger arbeite zwar bei Erstellung der Beiträge bis auf eine gewisse Rahmenabsprache mit der Redaktion praktisch weisungsfrei. Er sei aber von der personellen und technischen Ausstattung des Beklagten abhängig und müsse seine Tätigkeit mit den betrieblichen Gegebenheiten des Beklagten koordinieren. Er sei daher zumindest während einer laufenden Produktion in den betrieblichen Organismus integriert und müsse sich nach den betriebsüblichen Arbeitszeiten der anderen Mitarbeiter richten. Er habe im Hause des Beklagten einen eigenen Arbeitsplatz in einem bestimmten Zimmer inne, für das er Schlüsselvollmacht habe. Auch außerhalb eines Produktionsvorhabens sei er an seinem Arbeitsplatz während der betriebsüblichen Arbeitszeit erschienen und habe z.B. bei der Redaktion Kulturspiegel redaktionelle Alltagsarbeiten erledigt. Indiziell spreche ferner für eine Eingliederung des Klägers, daß er seinen Urlaub mit der Redaktion habe absprechen und genehmigen lassen müssen. Weiter sei im Rahmen der abschließenden Gesamtbewertung zu berücksichtigen, daß der Kläger seit Dezember 1969 nahezu lückenlos und damit praktisch ausschließlich für den Beklagten tätig geworden sei. Das führe zu einer für einen Arbeitnehmer typischen sozialen Schutzbedürftigkeit.

3. Dagegen wendet sich die Revision im Ergebnis mit Erfolg. Das Berufungsgericht ist in seiner rechtlichen Beurteilung ohne Begründung davon ausgegangen, daß die Parteien eine über die einzelnen Produktionen hinausgehende auf Dauer angelegte Zusammenarbeit vereinbart hätten. Dieser Ausgangspunkt ist nicht zutreffend. Zunächst ist zu prüfen, ob die Parteien eine Zusammenarbeit nur für einzelne Produktionen oder aber auf Dauer vereinbart haben. Das kann sich sowohl aus den ausdrücklichen Abreden wie auch aus der praktischen Zusammenarbeit ergeben. Erwartet der Beklagte ständige Dienstbereitschaft, so liegt eine arbeitsrechtliche Dauerbeziehung auch dann vor, wenn die Parteien über die Mitwirkung aller einzelnen Produktionen gesonderte Vereinbarungen abschließen. Haben die Parteien keine auf Dauer angelegte Zusammenarbeit verabredet, müssen ihre Rechtsbeziehungen während der einzelnen Produktionen daraufhin beurteilt werden, ob es Arbeitsverhältnisse oder freie Dienstverhältnisse sind. Ergibt die Prüfung, daß der Sender dem Mitarbeiter in einer Folge von Arbeitsverhältnissen beschäftigte, ist weiter die Zulässigkeit der Befristung zu prüfen (BAGE 30, 163 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B I 2 a der Gründe). Im übrigen hat das Landesarbeitsgericht zu sehr darauf abgestellt, daß der Kläger auf Apparat und Mitarbeiterteam des Senders angewiesen war.

Ob der Kläger Arbeitnehmer ist, läßt sich aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht beurteilen.

4. Zunächst einmal fehlt es an jeder Feststellung darüber, welche konkreten Abreden die Parteien jeweils getroffen haben und wann sie es taten: vor, während oder nach der Erstellung der Beiträge. Das Landesarbeitsgericht wird ferner den Behauptungen des Klägers nachzugehen haben, er sei in Dienstplänen des Beklagten aufgeführt gewesen, der Beklagte haben ihn für über zwei Jahre dauernde Arbeiten in der Hauptabteilung Kursus und Bildungsprogramm eingeplant und eingesetzt und er müsse mit Nachteilen rechnen, falls er nicht für den Beklagten zur Verfügung stehe.

Der Kläger stellt größere Sendungen und Magazinbeiträge her; nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts arbeitet er im Rahmen bestimmter Absprachen mit der Redaktion praktisch weisungsfrei. Er gehört damit während dieser Arbeiten zu den programmgestaltenden Mitarbeitern mit erheblicher inhaltlicher Gestaltungsfreiheit. Seine Arbeitnehmereigenschaft folgt daher nicht bereits aus seiner inhaltlichen Weisungsgebundenheit während der Herstellung dieser Beiträge. Das macht der Kläger auch nicht geltend. Darin erschöpft sich aber die Zusammenarbeit der Parteien nicht.

Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß der Kläger auch außerhalb eines Produktionsvorhabens während der betrieblichen Arbeitszeit an seinem Arbeitsplatz erschienen ist und z.B. bei der Redaktion Kulturspiegel redaktionelle Alltagsarbeit erledigt hat. Es steht jedoch nicht fest, ob und gegebenenfalls welche Absprachen dazu getroffen wurden und vor allem, in welchem Umfang der Kläger in dieser Weise tätig wurde. Erledigte der Kläger nur ganz gelegentlich ohne besondere Absprachen redaktionelle Alltagsarbeiten, so vermag dies seine Arbeitnehmereigenschaft nicht zu begründen. Anders verhielte es sich, wenn dies in nicht unerheblichem Umfang geschah.

Das Landesarbeitsgericht hat weiter festgestellt, daß der Kläger seinen Urlaub mit der Redaktion absprechen und genehmigen lassen mußte. Die Revision erhebt dagegen eine Verfahrensrüge nach § 286 ZPO. Diese Rüge ist unzulässig. Nach § 314 ZPO liefert der Tatbestand des Urteils Beweis für das mündliche Tatsachenvorbringen, der nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden kann. Zum Tatbestand im Sinne dieser Vorschrift gehören auch die in den Urteilsgründen getroffenen tatsächlichen Feststellungen (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG Urteil vom 8. Dezember 1977 - 3 AZR 530/76 - AP Nr. 176 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu 3 a der Gründe). Damit ist bewiesen, daß der Beklagte das dahingehende Vorbringen des Klägers nicht bestritten hat. Wäre dies doch der Fall, so wäre der Tatbestand insoweit unrichtig. Durch Rechtsmittel kann eine Berichtigung aber nicht erreicht werden. Die Beklagte hätte vielmehr innerhalb der Frist des § 320 Abs. 1 ZPO einen Tatbestandsberichtigungsantrag stellen müssen (BAG Urteil vom 8. Dezember 1977, aaO, sowie BAGE 54, 365 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht). Da dies nicht geschehen ist, liegt ein Verfahrensfehler, der nach § 564 Abs. 2 ZPO zu einer Aufhebung des Verfahrens nötigte, nicht vor. Es verbleibt also bei den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zu diesem Punkt, es sei denn, der Beklagte trägt dazu nach der Zurückverweisung neu vor (Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 20. Aufl., § 565 Rz 4, 5), was auch durch Bezugnahme auf frühere Schriftsätze geschehen kann. Allerdings sind die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zu diesem Punkt sehr allgemein. Es bedarf näherer Aufklärung, ob dies ständige Praxis war oder nur vereinzelt vorgekommen ist.

IV. Wenn das Landesarbeitsgericht aufgrund der von ihm noch zu treffenden Feststellungen wiederum zu dem Ergebnis gelangt, daß die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien vorliegen, so wird es hinsichtlich der von Verfassungs wegen zu berücksichtigenden Rundfunkfreiheit folgendes zu erwägen haben:

1. Die Dritte Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat in einem Beschluß vom 3. Dezember 1992 (- 1 BvR 1462/88 - AfP 1993, 470) ausgeführt, es sei denkbar, daß ein Rundfunkmitarbeiter den arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff erfüllt, gleichwohl aber Einfluß auf inhaltliche Gestaltung des Programms hat, so daß bei einer isolierten Anwendung des arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffes auf Rundfunkmitarbeiter eine unverhältnismäßige Zurückdrängung der Rundfunkfreiheit nicht ausgeschlossen sei; das könne der Fall sein, wenn das Kriterium des inhaltlichen Einflusses des Rundfunkmitarbeiters auf die Programmgestaltung völlig unberücksichtigt bliebe und dadurch der Zugang zum Schutzbereich der Rundfunkfreiheit verstellt würde.

Diese Erwägungen waren für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht tragend, nachdem davon auszugehen war und ausgegangen wurde, daß der Arbeitnehmer in dem zur Verfassungsbeschwerde führenden Ausgangsverfahren nicht programmgestaltend tätig war. Damit spielte die Frage der Rundfunkfreiheit für den Erfolg der Verfassungsbeschwerde keine Rolle mehr.

Im übrigen steht den entsprechenden Erwägungen in dem vorgenannten Beschluß die Entscheidung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Januar 1982 (BVerfGE 59, 231) entgegen. In dem vorgenannten Beschluß hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, die Fachgerichte hätten bei der Auslegung und Anwendung des Arbeitsrechts den dargelegten, sich aus Art. 5 Abs. 1 und 2 GG ergebenden verfassungsrechtlichen Anforderungen Rechnung zu tragen. "Das schließt es nicht von vornherein aus, von den für dieses Rechtsgebiet allgemein entwickelten Merkmalen abhängiger Arbeit auszugehen und, wenn diese für ein Arbeitsverhältnis sprechen, dem Einfluß der Rundfunkfreiheit dadurch gerecht zu werden, daß einzelne gegen eine Befristung sprechende Merkmale zurückzutreten haben. Wenn daraufhin die für die Festlegung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses maßgeblichen Kriterien im Ergebnis bei Rundfunkmitarbeitern anders als sonst zu beurteilen sind, so ist diese Modifikation durch die verfassungsrechtliche Lage bedingt und begrenzt." Auf der Grundlage dieser Erwägungen hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung seit 1983 die Statusfrage und den Einfluß der Rundfunkfreiheit auf die Beschäftigung von programmgestaltenden Mitarbeitern beurteilt (vgl. BAGE 41, 265 = AP Nr. 43 zu § 611 BGB Abhängigkeit; zuletzt Urteil vom 11. Dezember 1991 - 7 AZR 128/91 - AP Nr. 144 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag).

2. Im Anschluß an die letztgenannten Erwägungen wird das Landesarbeitsgericht, anders als in seiner Entscheidung vom 24. Januar 1992, zu berücksichtigen haben, daß die beklagte Rundfunkanstalt ihre Rundfunkfreiheit mit der Erwägung zur Geltung bringen kann, daß es - jedenfalls zunächst - bei dem programmgestaltend tätigen Kläger bei der Befristung der Arbeitsverhältnisse für die einzelnen Tätigkeiten verbleiben muß. Gemäß den Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluß vom 13. Januar 1982 kann sich jedoch im Hinblick auf die lange Dauer der Beschäftigung des Klägers ergeben, daß ab einem näher festzulegenden Zeitpunkt wegen der ständigen Betreuung des Klägers mit den programmgestaltenden Aufgaben für die Anstalt kein Bedürfnis nach einem Wechsel mehr bestand, während auf der anderen Seite die soziale Schutzbedürftigkeit des Klägers dahin gewachsen war, daß das Arbeitsverhältnis als unbefristetes fortbestehen mußte (BVerfGE 59, 231, 271).

Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Reinecke

Dr. Frey Köhne

 

Fundstellen

Haufe-Index 439756

DB 1994, 787-788 (LT1-2)

BR/Meuer SGB IV § 7, 09-06-93, 5 AZR 123/92 (LT1-2)

JR 1994, 88

NZA 1994, 169

NZA 1994, 169-171 (LT1-2)

RzK, I 4a Nr 56 (LT1-2)

USK, 9345 (ST)

AP § 611 BGB Abhängigkeit (LT1-2), Nr 66

AP, Rundfunkfreiheit (L1-2)

AR-Blattei, ES 110 Nr 34 (LT1-2)

EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff, Nr 51 (LT1-2)

HVBG-INFO 1994, 2850-2852 (LT1-2)

PERSONAL 1996, 444 (K)

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