Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebliche Weihnachtsleistung. Berücksichtigung von Prämienstunden

 

Leitsatz (redaktionell)

Auslegung einer Zusage über eine betriebliche Weihnachtsleistung – Prämienstunden als Leistungszulage

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Urteil vom 07.02.1992; Aktenzeichen 8 Sa 67/91)

ArbG Hamburg (Urteil vom 06.08.1991; Aktenzeichen 1 Ca 141/91)

 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 7. Februar 1992 – 8 Sa 67/91 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß Zinsen aus dem Nettobetrag zu zahlen sind.

2. Die Beklagte trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe des betrieblichen Weihnachtsgeldes des Klägers für das Jahr 1990.

Der Kläger ist seit dem Jahre 1968 als gewerblicher Arbeitnehmer bei der Beklagten, die ihren Sitz in F. hat, in deren Hauptniederlassung in Hamburg beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden u.a. der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV-Bau), der Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe sowie der Bauakkordtarifvertrag-Hamburg Anwendung.

Der Kläger war als sog. Werkspolier in der Zeit von Dezember 1989 bis Mai 1990 bei dem Bauvorhaben „C.” beschäftigt. Bei dem Bauvorhaben wurde aufgrund einer schriftlichen Akkordvereinbarung im Akkord gearbeitet.

In der Zeit von Dezember 1989 bis November 1990 erhielt der Kläger für die von ihm tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden den Gesamttarifstundenlohn (Tarifstundenlohn plus Bauzuschlag). Dieser Betrag wurde in der Lohnabrechnung unter der Bezeichnung „Zeitlohn” mit dem Lohnartenschlüssel „110” ausgewiesen. Unter der Bezeichnung „Prämienstunden” wurden dem Kläger ferner eine pro Monat unterschiedliche Anzahl von Stunden mit dem Tarifstundenlohn vergütet. Pro Monat wurden im Durchschnitt insoweit von der Beklagten 811,53 DM brutto gezahlt. Nach dem in der Lohnabrechnung ausgewiesenen Lohnartenschlüssel „136” handelt es sich bei den „Prämienstunden” um einen prozentualen Lohnzuschlag. Die Lohnabrechnungen tragen teilweise den Vermerk „LA 136 – Akkordvorschuß” und „SA 136 – Akkordüberschuß”.

Mit Aushang vom 1. November 1990 gab die Beklagte folgende Regelung über eine „betriebliche Weihnachtsleistung” bekannt:

„Betriebliche Weihnachtsleistungen 1990 bzw., tarifvertraglicher Anspruch auf einen Teil eines 13. Monatseinkommens

Gegen Ende dieses Monats werden von den Lohn- und Gehaltsbüros die vorgenannten Leistungen überwiesen. Unsere betrieblichen Weihnachtsleistungen sind auch in diesem Jahr wieder höher als die tarifvertraglichen Leistungen, und zwar betragen sie im Einvernehmen mit dem Gesamtbetriebsrat im Regelfall

  • für technische und kaufmännische Angestellte 100 % ihres Monatsgehalts (ohne evtl. Zulagen),
  • für Poliere/Meister und Oberpoliere/Obermeister 100 % des tariflichen Polier-Monatsgehalts (zuzüglich einer evtl. Leistungszulage),
  • für gewerbliche Mitarbeiter 100 % ihres jeweiligen Gesamttarifstundenlohnes für 169 Stunden (zuzüglich einer evtl. Leistungszulage).

Über evtl. Einschränkungen in bestimmten Einzelfällen geben die Gehalts-/Lohnbüros Auskunft.”

In früheren Jahren wurden evtl. Leistungszulagen bei der Berechnung der betrieblichen Weihnachtsleistung nicht berücksichtigt.

Die Beklagte zahlte dem Kläger für das Jahr 1990 als betriebliche Weihnachtsleistung 100 % des Gesamttarifstundenlohns für 169 Stunden in Höhe von 3.320,– DM brutto. Damit war das tarifliche 13. Monatseinkommen in Höhe von 3.262,13 DM brutto abgegolten.

Der Kläger vertritt, die Auffassung. Die Beklagte müsse bei der Berechnung der betrieblichen Weihnachtsleistung den durchschnittlichen, als Prämienstunden gezahlten. Betrag von 811,53 DM brutto berücksichtigen. Insoweit handele es sich um eine „Leistungszulage” i.S. der betrieblichen Zusage über eine Weihnachtsleistung für gewerbliche Arbeitnehmer. Die Prämienstunden seien ein leistungsbezogenes Entgelt, das ihm regelmäßig über den Gesamttarifstundenlohn hinaus gezahlt worden sei. Die Höhe sei durch den zuständigen Bauleiter individuell festgesetzt worden, Durch die Berücksichtigung der Leistungszulagen bei der Weihnachtsleistung für das Jahr 1990 sollte die Position der gewerblichen Arbeitnehmer im Verhältnis zu den Angestellten verbessert werden, die schon in früheren Jahren die Weihnachtsleistung auf der Basis ihres effektiven Monatsgehalts erhalten, hätten. Andere Leistungszulagen als die unter Prämienstunden abgerechneten Leistungszulagen seien an gewerbliche Arbeitnehmer im Hamburger Betrieb nicht gezahlt worden.

Der Kläger ist ferner der Auffassung, daß ein Verstoß gegen den arbeitsvertraglichen Gleichbehandlungsgrundsatz vorliege, wenn die Zusage über die betriebliche Weihnachtsleistung die Prämienstunden als Leistungszulage nicht umfassen sollte. Angestellte erhielten nämlich die Weihnachtsleistung entsprechend ihrem Effektivgehalt. Sachliche Gründe, gewerbliche Arbeitnehmer insoweit schlechter zu behandeln, lägen nicht vor.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 811,53 DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 19. April 1991 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie vertritt die Auffassung, die Prämienstunden seien bei der Berechnung der Weihnachtsleistung nicht zu berücksichtigen. Bei den unter der Bezeichnung „Prämienstunden” gezahlten Beträgen handele es sich um Akkordüberschüsse. Solche seien keine Leistungszulagen i. S. der Zusage da unter Leistungszulagen nur solche übertariflichen Lohnbestandteile zu verstehen seien, die in gleichbleibender Höhe pro Stunde gezahlt würden.

Eine Ungleichbehandlung der gewerblichen Arbeitnehmer mit den Angestellten liege nicht vor. Mit der Regelung im Jahre 1990 habe sie sich bemüht, die gewerblichen Arbeitnehmer wie die Angestellten zu behandeln. Auch bei den Angestellten seien bei der Berechnung der Weihnachtsleistung keine variablen Gehaltsbestandteile berücksichtigt worden. Die Angestellten erhielten weitgehend Tarifgehälter, die allerdings in den Tarifgruppen ab K 6 bzw. T 6 auf einer freien Vereinbarung beruhten. Im übrigen sei eine unterschiedliche Behandlung auch gerechtfertigt, da gewerbliche Arbeitnehmer die Möglichkeit hätten. Akkordüberschüsse und damit Einkünfte zu erzielen, die weit oberhalb der Gehälter vergleichbarer technischer oder kaufmännischer Angestellter lägen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Dabei hat er den Zinsanspruch auf Zinsen aus dem Nettobetrag beschränkt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht erkannt, daß der auf die sog. Prämienstunden entfallende durchschnittliche Betrag bei der Berechnung der betrieblichen Weihnachtsleistung für das Jahr 1990 zu berücksichtigen ist.

I. Das Landesarbeitsgericht nimmt an, dem Kläger stehe eine höhere betriebliche Weihnachtsleistung zu, da der als Prämienstunden monatlich gezahlte Betrag von durchschnittlich 811,53 DM brutto bei der Berechnung der betrieblichen Weihnachtsleistung zu berücksichtigen sei. Bei der Regelung über die Zahlung einer betrieblichen Weihnachtsleistung für das Jahr 1990 im Aushang vom November 1990 handele es sich um eine Gesamtzusage. Diese sei nach §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie die Arbeitnehmer als Empfänger der Erklärung sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen konnten. Danach sei maßgebend, daß es sich bei den Prämienstunden zwar nicht um Leistungszulagen i.S. gleichbleibend hoher Zuschläge zum Zeitlohn handele; es läge aber ein leistungsbezogenes Entgelt vor. Im Hinblick darauf, daß im Hamburger Betrieb Leistungszulagen im engeren Sinne von der Beklagten überhaupt nicht gezahlt wurden und die Beklagte mit der Berücksichtigung von Leistungszulagen erstmals in der Weihnachtsleistungsregelung für das Jahr 1990 die Stellung der gewerblichen Arbeitnehmer gegenüber den Angestellten verbessern wollte, mußten die Arbeitnehmer davon ausgehen, daß auch die für Prämienstunden gezahlten Beträge in die Berechnung der Weihnachtsleistung mit einfließen sollten.

Das Landesarbeitsgericht nimmt ferner an, daß bei Nichtberücksichtigung der Prämienstunden ein verstoß gegen den arbeitsvertraglichen Gleichbehandlungsgrundsatz vorliege, da Angestellte eine Weihnachtsleistung entsprechend ihrem Effektivgehalt erhielten, während gewerbliche Arbeitnehmer nur einen Anspruch auf den Gesamttarifstundenlohn für 169 Stunden hätten. Für diese unterschiedliche Behandlung fehle es an einem sachlichen Grund.

II. Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen.

1. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß es sich bei der Regelung über die betriebliche Weihnachtsleistung im Aushang vom November 1990 um eine Gesamtzusage handelt, die nach den Auslegungsgrundsätzen über rechtsgeschäftliche Willenserklärungen danach auszulegen ist, wie die Erklärungsempfänger sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mußten. Danach sind Leistungszulagen i. S. der Zusage über eine betriebliche Weihnachtsleistung für das Jahr 1990 auch die als Prämienstunden bezeichneten Lohnbestandteile.

2. Der Begriff der Leistungszulage hat in der Rechtsterminologie keinen festbestimmten Inhalt. Unter einer Leistungszulage ist zwar stets eine Zulage zu verstehen, die unmittelbar an das Arbeitsergebnis anknüpft (Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl., § 63 II 5); ihre Bemessung kann jedoch auf unterschiedliche Weise erfolgen. So kann die Zulage aufgrund eines Leistungsbewertungsschemas festgelegt werden oder aber von vornherein als prozentualer oder betragsmäßig ausgewiesener Anteil zum Zeitlohn vereinbart sein.

Die Verwendung des Begriffs „Leistungszulage” im Aushang über die betriebliche Weihnachtsleistung läßt damit entgegen der Auffassung der Beklagten nicht allein den Schluß zu, daß nur Festbeträge zum Zeitlohn in die Berechnung der betrieblichen Weihnachtsleistung einfließen sollten. Dies gilt auch im Hinblick darauf, daß unter Leistungszulagen i. S. des Rahmentarifvertrages-Leistungslohn nur Festbeträge zu verstehen sind. Der Rahmentarifvertrag-Leistungslohn findet nämlich, wie die Beklagte selbst vorträgt, auf die Arbeitsverhältnisse der im Hamburger Betrieb beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer keine Anwendung. Vielmehr gilt der Bauakkordtarifvertrag-Hamburg, dessen Bestimmungen aber keine Konkretisierung des Begriffs der Leistungszulage enthalten. Die gewerblichen Arbeitnehmer im Hamburger Betrieb konnten somit nicht davon ausgehen, daß die Beklagte einen tariflichen Rechtsbegriff verwenden wollte, obwohl ihre Arbeitsverhältnisse von den einschlägigen tariflichen Bestimmungen nicht erfaßt wurden.

3. Die gewerblichen Arbeitnehmer im Hamburger Betrieb, zu denen auch der Kläger als sog. Werkspolier gehört, mußten vielmehr davon ausgehen, daß unter Leistungszulagen auch die als sog. Prämienstunden gezahlten Lohnbestandteile zu verstehen seien.

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts handelt es sich bei den als Prämienstunden ausgewiesenen Lohnbestandteilen um Beträge, die im Hinblick auf die Beschäftigung des Klägers im Akkord bezahlt wurden und die damit einen unmittelbaren Bezug zu der erbrachten Arbeitsleistung haben. Da Prämienstunden stets, wenn auch in unterschiedlichem Umfang anfielen, bildeten diese einen leistungsbezogenen Lohnbestandteil, dessen Höhe jeweils individuell pro Monat vom zuständigen Bauleiter zusätzlich zur Entlohnung der tatsächlich geleisteten Stunden mit dem Gesamttarifstundenlohn festgelegt wurde. Diesen Betrag mußten die gewerblichen Arbeitnehmer demgemäß als „Zulage” zu ihrem Lohn im Hinblick auf die von ihnen erbrachte Leistung auffassen.

Dies folgt auch daraus, daß Leistungszulagen i. S. eines prozentualen oder betragsmäßig festgelegten Anteils zum Stundenlohn im Hamburger Betrieb unstreitig nicht gezahlt wurden. Wenn die Beklagte unter diesen Umständen die Berücksichtigung „evtl. Leistungszulagen” bei der Berechnung der betrieblichen Weihnachtsleistung zusagte und die Prämienstunden den einzigen leistungsbezogenen Lohnbestandteil darstellten, konnte dies nur so zu verstehen sein, daß allein der als Prämienstunden bezeichnete Betrag gemeint sei. Ansonsten wäre die Zusage inhaltsleer gewesen. Dies war aber von der Beklagten nicht beabsichtigt. Die Beklagte hat die Berücksichtigung von Leistungszulagen bei gewerblichen Arbeitnehmern bei der Berechnung der betrieblichen Weihnachtsleistung nämlich erstmalig im Jahr 1990 zugesagt, und zwar mit der Absicht, die betriebliche Weihnachtsleistung für gewerbliche Arbeitnehmer im Verhältnis zu den Angestellten, die stets eine Weihnachtsleistung auf der Grundlage ihres Effektivgehalts erhielten, zu erhöhen. Dieser mit der Zusage verfolgte Zweck konnte aber nur dann verwirklicht werden, wenn gerade die Prämienstunden als einziger leistungsbezogener Lohnbestandteil in die betriebliche Weihnachtsleistung mit einflossen.

4. Der Kläger konnte aus seinen Lohnabrechnungen auch nicht entnehmen, daß sich die Zusage nicht auf den als Prämienstunden bezeichneten Betrag erstrecken sollte. Die Lohnabrechnungen lassen diesen Schluß nicht zu.

Die Lohnabrechnungen wiesen als Bezugslohnart „Zeitlohn” mit dem Lohnschlüssel 110 aus, obwohl der Kläger im Leistungslohn (Akkordlohn) beschäftigt war und demgemäß dies mit dem Lohnschlüssel 130 hätte ausgewiesen werden müssen. Die Prämienstunden wurden zudem mit dem Lohnschlüssel 136 gekennzeichnet und damit als prozentualer Zuschlag (100 %) zum Lohn. Zusätzlich wurde auf den Lohnabrechnungen zum Teil „LA 136 – Akkordvorschuß” und „SA 136 – Akkordüberschuß” vermerkt, obwohl für die Bezugslohnart „Leistungslohn Überschuß (Spitze)” der Lohnschlüssel 131 vorgesehen ist. Da die tatsächliche Entlohnung somit mit den in den Lohnabrechnungen ausgewiesenen Lohnbestandteilen weder in der Grundentlohnungsart noch in der Bezeichnung der zusätzlichen Lohnbestandteile im Einklang stand, mußte der Kläger nicht davon ausgehen, daß nur „Leistungszulagen (Stundenlohn)” gem. dem Lohnschlüssel 151 von der Zusage über die betriebliche Weihnachtsleistung erfaßt werden sollten.

Da die sonstigen Umstände dagegen sprechen, muß die Beklagte diese Unklarheit im Aushang vom November 1990 gegen sich gelten lassen. Wenn die Beklagte, wie sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat Hervorgehoben hat, den Aushang bundesweit einheitlich verfaßt und deshalb die spezifischen Entlohnungsmethoden in den einzelnen Betrieben nicht berücksichtigt hat, kann dies im Hinblick auf die Entlohnungspraxis im Hamburger Betrieb nicht dazu führen, daß die Prämienstunden bei der Bemessung der betrieblichen Weihnachtsleistung für das Jahr 1990 unberücksichtigt bleiben.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Matthes, Dr. Freitag, Hauck, Thiel, Hannig

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1159210

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