Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenlohn bei Feierschichten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Arbeitgeber und Betriebsrat können in einer Betriebsvereinbarung für einzelne Tage zwischen Weihnachten und Neujahr Feierschichten vereinbaren.

2. Sie können den Arbeitnehmern gestatten, an diesen Tagen entweder bezahlten Tarifurlaub zu nehmen oder unbezahlten Urlaub.

 

Normenkette

BUrlG § 9; BGB § 615 S. 1, § 611 Abs. 1; LFZG § 1 Abs. 1 S. 1; BetrVG § 87 Abs. 1 Nrn. 3, 5

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Entscheidung vom 29.07.1981; Aktenzeichen 4 Sa 46/81)

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 11.02.1981; Aktenzeichen 11 Ca 310/80)

 

Tatbestand

Die Klägerin fordert von der Beklagten Krankenlohn für den 27. und 28. Dezember 1979.

Die Klägerin arbeitete als gewerbliche Arbeitnehmerin in den Hamburger Werken der Beklagten. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden die Bestimmungen des Manteltarifvertrags für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte in der chemischen Industrie vom 24. März 1979 (MTV-Chemie) Anwendung.

Vom 23. November bis zum 28. Dezember 1979 war die Klägerin arbeitsunfähig krank. Die Beklagte verweigerte die Lohnfortzahlung für den 27. und 28. Dezember 1979 und berief sich auf eine Betriebsvereinbarung vom 24. Januar 1979. Diese hat - soweit hier von Bedeutung - folgenden Wortlaut:

Zwischen der Geschäftsleitung und dem Betriebs-

rat der B AG, Hamburg, wird folgende

Vereinbarung über die Arbeitszeitregelung zu

Weihnachten und Neujahr 1979 getroffen:

1. In der Zeit von Sonnabend, dem 22.12. bis

Dienstag, dem 1. Januar 1980, bleiben die

Hamburger Werke und die Zentralverwaltung

geschlossen.

...

2. Für die am 27. und 28.12. ausfallenden Ar-

beitstage wird entweder Tarifurlaub oder

unbezahlter Urlaub gewährt. Sofern unbe-

zahlter Urlaub genommen wird, besteht an

diesen beiden Tagen im Krankheitsfall kein

Anspruch auf Entgeltfortzahlung oder Kran-

kengeld.

3. Die am Montag, dem 31.12. bis 13.00 Uhr

ausfallenden Arbeitsstunden werden - oh-

ne Präjudiz für künftige Jahre - bezahlt.

...

Als die Klägerin am 23. November 1979 erkrankte, stand ihr Tarifurlaub für das Jahr 1979 nicht mehr zu.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Betriebsvereinbarung vom 24. Januar 1979 schließe Ansprüche auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle nicht aus. Die Beklagte könne nicht einseitig unbezahlten Urlaub erteilen. Zumindest sei § 9 BUrlG, wonach Tage der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Jahresurlaub anzurechnen sind, auf den von der Beklagten zwischen Weihnachten und Neujahr 1979 erteilten Urlaub entsprechend anzuwenden. Der unbezahlte Urlaub sei zu Erholungszwecken gewährt worden.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie

255,68 DM brutto nebst 4 % Zinsen

aus dem sich daraus ergebenden Net-

tobetrag seit dem 15. Januar 1980 zu

zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Betriebsvereinbarung vom 24. Januar 1979 schließe jeden Lohnanspruch der Klägerin aus. Im übrigen habe sie mit dem unbezahlten Urlaub am 27. und 28. Dezember ein unwirtschaftliches Anlaufen der Produktion für diese Tage vermeiden wollen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht dieses Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision will die Klägerin erreichen, daß das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Der Anspruch der Klägerin könnte sich nur aus § 1 Abs. 1 Satz 1 LohnFG ergeben. Nach dieser Bestimmung verliert ein Arbeiter, der nach Beginn der Beschäftigung durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert wird, ohne daß ihn ein Verschulden trifft, seinen Anspruch auf Arbeitsentgelt nicht für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit, längstens bis zur Dauer von sechs Wochen. Ansprüche nach § 611 Abs. 1 BGB - verdienter Arbeitslohn - kommen nicht in Betracht, da die Klägerin an den beiden fraglichen Tagen tatsächlich nicht gearbeitet hat. Auch § 615 Satz 1 BGB (Ansprüche aus Annahmeverzug) scheidet - für sich allein gesehen - als Anspruchsgrundlage schon deshalb aus, weil die Klägerin wegen ihrer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht in der Lage war, die geschuldete Leistung zu bewirken (§ 297 BGB).

2. Der Anspruch auf Lohnfortzahlung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 LohnFG setzt voraus, daß die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit der Klägerin die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung war (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 17. November 1977 - 5 AZR 599/76 - AP Nr. 8 zu § 9 BUrlG, zu 2 a der Gründe mit weiteren Nachweisen; Kehrmann/Pelikan, LohnFG, 2. Aufl., § 1 Rz 38; Brecht, Lohnfortzahlung für Arbeiter, 3. Aufl. 1979, § 1 Rz 20).

An dieser Voraussetzung scheitert der Anspruch der Klägerin. Gearbeitet wurde im Hamburger Betrieb der Beklagten an den fraglichen Tagen nur deshalb nicht, weil Arbeitgeber und Betriebsrat eine Betriebsruhe für den 27. und 28. Dezember 1979 vereinbart hatten. Die Klägerin hätte, auch wenn sie gesund gewesen wäre, an diesen Tagen keinen Lohnanspruch erwerben können. Sie hätte die Beklagte nicht in Verzug setzen können (§ 615 Satz 1 BGB).

a) Die Betriebsvereinbarung vom 24. Januar 1979 regelt die Arbeitszeit der Arbeitnehmer des betroffenen Betriebs zwischen Weihnachten und Neujahr. Das ist eine Regelung nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Nach dieser Bestimmung hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei einer vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit. Darum geht es auch im vorliegenden Fall. Das folgt aus den Eingangsworten und aus Nr. 1 der Vereinbarung, dem Kern der Abrede. In Nr. 2 der Betriebsvereinbarung werden für den Arbeitnehmer nur Möglichkeiten aufgezeigt, wie er den mit der Vereinbarung von Feierschichten verbundenen Lohnausfall vermeiden kann. Auch in dieser Regelung ist von "ausfallenden Arbeitstagen" die Rede.

Das Berufungsgericht hat nicht genügend zwischen einer Betriebsvereinbarung über die Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) und einer Betriebsvereinbarung über die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs (§ 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG) unterschieden. Schwerpunkt der Regelung ist weder die Lage des Urlaubs noch die Erteilung von Erholungsurlaub sondern die Vereinbarung von Feierschichten. Mit diesem Inhalt unterscheidet sich die Betriebsvereinbarung von individual-rechtlichen Vereinbarungen und Betriebsvereinbarungen mit urlaubsrechtlichem Inhalt (vgl. etwa die Fallgestaltungen in den Urteilen des Bundesarbeitsgerichts vom 16. März 1972 - 5 AZR 357/71 - AP Nr. 3 zu § 9 BUrlG und BAG 26, 312 = AP Nr. 2 zu § 7 BUrlG Betriebsferien).

b) Bedenken gegen die Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung bestehen im vorliegenden Fall nicht.

Gesetzliche und tarifliche Regelungen schließen eine Betriebsvereinbarung mit dem dargestellten Inhalt nicht aus (§ 77 Abs. 3 BetrVG; § 87 Abs. 1 BetrVG). Der Manteltarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte in der chemischen Industrie vom 24. März 1979 enthält keine dem Regelungsinhalt der fraglichen Betriebsvereinbarung entsprechende oder entgegenstehende Bestimmungen. Vorübergehende Betriebsstillegungen (Feierschichten) werden üblicherweise nicht in Tarifverträgen geregelt.

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG können einzelne Feierschichten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbart werden. Insoweit hat das Mitbestimmungsrecht auch Auswirkungen auf die Entlohnung der Arbeitnehmer (vgl. Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 87 Rz 50).

Die im vorliegenden Fall getroffene Betriebsvereinbarung ist nicht unbillig. Die Interessen beider Seiten, des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer, werden angemessen berücksichtigt. Der Betrieb spart Produktionskosten, er braucht die Produktion für zwei Tage nicht anlaufen zu lassen. Andererseits erhalten die Arbeitnehmer Freizeit für einen längeren Zeitraum. Ihnen wird ohne Anrechnung auf den Urlaub die am 31. Dezember ausfallende Arbeitszeit vergütet. Um einen Lohnausfall zu vermeiden, können sie Tarifurlaub nehmen. Darauf wurden sie schon zu Beginn des Jahres 1979 hingewiesen. Bei einem Urlaubsanspruch von 23 Tagen ist es zumutbar, zwei Urlaubstage aufzusparen.

Dr. Thomas Dr. Heither Richterin Michels-Holl

ist durch Urlaub an der

Unterschrift verhindert

Dr. Thomas

Döring Krebs

 

Fundstellen

Haufe-Index 440122

BAGE 46, 1-4 (LT1-2)

BAGE, 1

BB 1984, 1687-1687 (LT1)

DB 1984, 2099-2099 (LT1-2)

ARST 1984, 152-152 (LT1-2)

BlStSozArbR 1984, 370-371 (T)

JR 1985, 396

NZA 1984, 162-163 (LT1-2)

AP § 1 LohnFG (LT1-2), Nr 58

AR-Blattei, Betriebsvereinbarung Entsch 34 (LT1-2)

AR-Blattei, ES 520 Nr 34 (LT1-2)

EzA § 1 LohnFG, Nr 71 (LT1-2)

ZfA 1985, 599-599 (T)

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