Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung nach Einigungsvertrag. mangelnde Eignung

 

Normenkette

PersVG-DDR §§ 82, 116 b; BPersVG § 82

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 29.01.1993; Aktenzeichen 3 (5) Sa 20/92)

KreisG Leipzig-Stadt (Urteil vom 08.05.1992; Aktenzeichen 20 Ca 256/91)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 29. Januar 1993 – 3 (5) Sa 20/92 – aufgehoben.

2. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die am 21. Januar 1949 geborene Klägerin ist verheiratet und hat vier Kinder. Sie ist Diplomlehrerin für die Fächer Russisch und Deutsch und seit 1. Februar 1972 im Schuldienst tätig. Ihr monatliches Bruttogehalt betrug zuletzt 3.965,50 DM. Von 1984 bis 1986 absolvierte sie ein Fernstudium im Fach Russisch. Sie hatte von 1984 bis 1989 an der 51. Oberschule in Leipzig die Funktion einer ehrenamtlichen Parteisekretärin der SED inne. Zudem war sie bereits ab 1970 bis 1990 von der Konsumgenossenschaft nominierte Abgeordnete in der Stadtverordnetenversammlung Leipzig. Nach dem politischen Umbruch in der DDR nahm die Klägerin als Mitglied der Kommission „Bildung und Erziehung”, wiederum nominiert von der Konsumgenossenschaft, am sogenannten Runden Tisch Leipzig teil. 1991 wurde die Klägerin nach dem Besuch entsprechender Mentorenschulungen an der pädagogischen Hochschule Leipzig als Mentorin in den Fächern Deutsch und Russisch eingesetzt.

Mit Schreiben des Oberschulamts Leipzig vom 18. Dezember 1991 hat der Beklagte nach Anhörung der Klägerin das Arbeitsverhältnis zum 31. März 1992 mit der Begründung gekündigt, die Klägerin sei aufgrund ihrer früheren Funktion als Parteisekretärin für die Tätigkeit als Lehrerin im Sinne des Einigungsvertrags nicht persönlich geeignet.

Die Klägerin hat sich mit ihrer am 20. Dezember 1991 beim Kreisgericht Leipzig-Stadt eingegangenen Klage gegen diese Kündigung gewandt. Sie hat geltend gemacht, allein aus ihren früheren Funktionen könne nicht auf ihre mangelnde persönliche Eignung geschlossen werden. Das Amt der Parteisekretärin habe sie übernommen, weil sich sonst niemand gefunden habe und weil sie selbst nicht schon mit anderen Funktionen betraut gewesen sei; sie habe sich zu der Übernahme nur unter der Voraussetzung der Zusage massiver Unterstützung durch die anderen Parteimitglieder bewegen lassen, denn damals habe sie bereits ihr Fernstudium aufgenommen gehabt. Sie habe weder indoktriniert noch denunziert oder bespitzelt. Die allgemeine Beschreibung der Funktion des Parteisekretärs, die der Beklagte gebe, sei weitgehend unzutreffend. Das Statut der Partei sei in den letzten Jahren der DDR immer weniger gehandhabt worden. Die Parteiversammlungen seien im Kollektiv geleitet worden. Ihr, der Klägerin, habe es nicht oblegen, an Entscheidungen über Besuchsreisen mitzuwirken. Für die militärische Nachwuchsgewinnung sei sie nicht verantwortlich gewesen; ihre Schule sei hier ständig „in der Kreide” gestanden. Ähnliches gelte für die Teilnahme an der Jugendweihe. In den Monatsberichten, die von der Parteileitung an der Schule gemeinsam erstellt worden seien, seien normale Hinweise und Kritiken etwa zu Fragen der Versorgung oder des Bauwesens gegeben worden; eine Namensnennung sei nicht erfolgt. Es sei zunehmend eine gewisse Lethargie eingetreten, da durch Kritik nichts habe verändert werden können.

Sie, die Klägerin, habe sich immer in erster Linie als Lehrerin verstanden. Sie habe auf ihre persönliche fachliche Weiterbildung mehr Wert gelegt, als auf eine Parteikarriere. Unzutreffend sei auch die Behauptung des Beklagten, sämtliche Volksvertreter in der ehemaligen DDR seien gleichgeschaltet gewesen und Personen, die nicht als hundertprozentig linientreu eingeschätzt worden seien, hätten keine Chance gehabt, als Kandidat für ein Parlament aufgestellt zu werden. Anderenfalls sei es auch nicht verständlich, daß der Beklagte vielfach ehemalige Parlamentsabgeordnete in leitenden Funktionen beschäftige. Sie selbst habe im Stadtparlament der ständigen Kommission Energie angehört, ihre Abgeordnetentätigkeit habe mithin in keinerlei Beziehung zu ihrer schulischen Tätigkeit gestanden. Aus dem Anhörungsprotokoll des Oberschulamts Leipzig ergebe sich, daß sie keine besonders linientreue Genossin gewesen sei. Sie bekenne sich nach einem inneren Wandlungsprozeß zur Verfassung der Bundesrepublik. Sie fühle sich den Wertvorstellungen des Grundgesetzes verbunden. Die Kündigung sei ohne echte Einzelfallprüfung erfolgt und mangels ordnungsgemäßer Beteiligung der Personalvertretung unwirksam. Sie sei ferner nicht fristgerecht erfolgt.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 18. Dezember 1991, zugegangen am 18. Dezember 1991, zum 31. März 1992 nicht beendet wird, sondern darüber hinaus unverändert fortbesteht,
  2. im Falle des Obsiegens zu 1. den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin über den 31. März 1992 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, als Parteisekretärin sei die Klägerin damit betraut gewesen, die Ziele der SED im schulischen Bereich durchzusetzen. Auf der Grundlage der Ziffer IV. 63 des Statuts der SED hätten die Parteisekretäre die Direktoren daraufhin kontrolliert und überwacht, daß diese die von der Partei vorgegebenen politischen Ziele realisierten. Ein Parteisekretär habe kraft Amtes auf den Direktor Druck auszuüben gehabt. Bei jeder politischen Entscheidung des Direktors habe er ein Mitspracherecht gehabt. Er sei vor allem für die politische Bildung der Kinder, Jugendlichen und Lehrer verantwortlich gewesen. Er habe über eine unumschränkte Macht innerhalb der Schule verfügt und Disziplinarverfahren gegen den Direktor sowie gegen Oppositionelle einleiten können. Besonders hinzuweisen sei auf die politischen Aufgaben des Parteisekretärs wie folgt:

  • Leitung der Parteiversammlungen, in denen ständig das politische Klima an der Schule besprochen und z. B. einheitliches Handeln gegen oppositionelle Lehrer abgesprochen worden sei,
  • Kontrolle und Überwachung des Pionierleiters darauf, daß dieser die vorgegebenen politischen Ziele im Rahmen seiner Tätigkeit realisiere,
  • Mitwirkung bei Entscheidungen über Besuchsreisen in die damalige BRD sowie Prämierungen,
  • ständige Beteiligung an der Werbung von militärischem Nachwuchs sowie der Werbung für die Jugendweiheteilnahme,
  • die regelmäßige Abfassung von Berichten über das politische Klima an der Schule für die SED-Kreisleitung, in denen üblicherweise auch die Namen von nicht linientreuen Kollegen sowie deren Äußerungen im einzelnen preisgegeben worden seien.

Unabdingbare Voraussetzung für die Übertragung des Amtes des Parteisekretärs sei ein hohes Maß an Identifikation mit den Zielen der SED sowie deren besondere Unterstützung gewesen. In ihrer Funktion sei die Klägerin eingebunden gewesen in das System der Staatsüberwachung der DDR. Die Klägerin habe es bewußt in Kauf genommen, daß in bestimmten Fällen auch von ihr erhobene Informationen an das Ministerium für Staatssicherheit weitergeleitet worden seien. Die Klägerin habe also eine hervorgehobene Stellung im System der Staatsüberwachung und -kontrolle gehabt. Angesichts der bisherigen Tätigkeit der Klägerin könne diese für den Beklagten keine Gewähr bieten, daß sie glaubwürdig die ihr anvertrauten Schüler zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung erziehen könne. Auch die Tatsache, daß die Klägerin von 1970 bis 1990 Stadtverordnete gewesen sei, mache deutlich, daß sie aufgrund einer parteiinternen Bewährung von der SED-Parteispitze als tauglich für gehobene Positionen im SED-Überwachungssystem befunden worden sei, denn sämtliche Volksvertreter der DDR seien gleichgeschaltet gewesen.

Der Beklagte hat ferner die Auffassung vertreten, ihm stehe hinsichtlich der Feststellung mangelnder persönlicher Eignung ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Das Entlastungsvorbringen der Klägerin sei unsubstantiiert. An einer fehlenden bzw. unzureichenden Personalratsbeteiligung könne die Wirksamkeit der Kündigung schon deshalb nicht scheitern, weil im Kündigungszeitpunkt beim Oberschulamt keine Personalvertretung bestanden habe. Die allein maßgebliche Kündigungsfrist des § 55 AGB sei eingehalten.

Das Kreisgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Verurteilung des Beklagten zur Weiterbeschäftigung der Klägerin sich auf die Zeit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag beschränkt.

Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter. Er verteidigt seine Auffassung, ihm stehe bei Ausübung des Kündigungsrechts nach dem Einigungsvertrag ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu, und meint, das Landesarbeitsgericht sei von einer unzutreffenden Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ausgegangen.

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil und macht geltend, mit der von dem Beklagten gegebenen Begründung verstoße die Kündigung gegen innerstaatlich bindende Normen des internationalen Rechts, z. B. des Übereinkommens Nr. 111 der ILO über das Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf sowie dessen die innerstaatlichen Gerichte bindenden Auslegung durch den Untersuchungsausschuß der ILO in seinem Bericht vom 26. November 1986, des Art. 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948, der Art. 2 und 25 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte von 1966, der Art. 2 und 6 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966 und des Art. 14 EMRK. Dies gelte um so mehr, als die Bekleidung der nun zum Anlaß der Kündigung genommenen Funktionen zweifellos legal gewesen sei. Die Klägerin bekräftigt ihre Ansicht, die Kündigung sei auch bereits mangels ordnungsgemäßer Beteiligung der Personalvertretung unwirksam, und beantragt die kostenpflichtige Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 ZPO).

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Das Kreisgericht sei zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, die Voraussetzungen für eine Kündigung gemäß Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziffer 1 wegen mangelnder persönlicher Eignung der Klägerin seien vorliegend nicht erfüllt. Die genannte Regelung ersetze für die Arbeitsverhältnisse in der öffentlichen Verwaltung den allgemeinen Kündigungsschutz des § 1 KSchG, soweit ihr Regelungsgehalt reiche. Prozessual erführen diese Kündigungsgründe aber keine Sonderbehandlung, sondern unterlägen der vollen gerichtlichen Nachprüfung; ein Beurteilungsspielraum des Beklagten sei nicht anzuerkennen. Bei einer Gesamtbetrachtung lasse sich vorliegend nicht feststellen, daß die Klägerin wegen mangelnder persönlicher Eignung den Anforderungen an eine Lehrerin für Russisch und Deutsch nicht entspreche. Die Funktion des Parteisekretärs an einer Schule dürfe nicht überschätzt werden. Diese sei im Statut der SED nicht einmal genannt. Dort sei lediglich von den Aufgaben der Grundorganisation als Kollektiv die Rede. Zwar sei der Parteisekretär als Repräsentant der Partei auf unterster Ebene für die Erfüllung der Aufgaben der Grundorganisation verantwortlich gewesen, habe also das Vertrauen der Partei genießen müssen. Die Fülle der zu besetzenden Funktionen habe es aber mit sich gebracht, daß nicht jeder Parteisekretär als begeisterter Anhänger der Ziele der SED gelten könne. Die gebotene „vorausschauende Bewertung der Persönlichkeit” dürfe sich nicht auf die Prüfung formaler Merkmale wie das Innehaben von Funktionen beschränken. Es gebe keine Anzeichen dafür, daß die Klägerin ihr Amt als Parteisekretärin zum Nachteil von Kollegen, Eltern oder Kindern ausgeübt habe. Da es an konkreten Vorwürfen von Beiträgen der Klägerin zu repressiven Maßnahmen oder von einer besonderen propagandistischen Betätigung an der Schule fehle, sei es auch nachvollziehbar, daß die Klägerin 1991 als Mentorin ausersehen worden sei. Als Teilnehmerin am Runden Tisch habe die Klägerin aktiv an der demokratischen Neugestaltung der DDR teilgenommen. Deshalb sei nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin nicht in der Lage sein solle, beispielgebend Grundwerte unserer Verfassung vorzuleben und den Schülern nahezubringen. Zwar könnten „Linientreue” und Anpassung der Klägerin an die SED-Ideologie auch aus der Tätigkeit der Klägerin als Stadtverordnete entnommen werden. Der Beklagte habe aber nicht vorgetragen, die Klägerin habe sich in dieser Tätigkeit an solchen Maßnahmen beteiligt, die nun Vertrauen in ihre Fähigkeit zum Umdenken und Umlernen verhinderten. In der Stadtverordnetenversammlung seien eher untergeordnete Angelegenheiten kommunalpolitischer Art behandelt worden. Auch das Sächsische Staatsministerium für Kultus habe parlamentarische Funktionen auf kommunaler Ebene nicht der Kategorie „politische Belastung” zugeordnet. Gründe, die die Kündigung gemäß § 1 KSchG sozial rechtfertigen würden, seien weder behauptet noch ersichtlich. Der Beklagte sei, da er überwiegende entgegenstehende Interessen nicht dargetan habe, bis zum rechtskräften Abschluß des Kündigungsrechtsstreits zur Weiterbeschäftigung der Klägerin verpflichtet; die in den zeitlichen Grenzen unklare Ziffer 2 des Tenors des kreisgerichtlichen Urteils sei dementsprechend einschränkend neu zu fassen gewesen.

B. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten nicht in allen Punkten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

I. Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hat in einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 13. Oktober 1994 generell für vergleichbare Verfahren klargestellt, der Feststellungsantrag umfasse allein den punktuellen Streitgegenstand der §§ 4, 7 KSchG. Auf das Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO für einen weitergehenden Antrag kommt es daher nicht an.

II. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht die Kündigung nicht schon wegen einer fehlenden oder unzureichenden Beteiligung der Personalvertretung als unwirksam angesehen. Der Senat hat sich insoweit in seinen Urteilen vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 201 und 261/93 – (zur Veröffentlichung bestimmt) der ständigen Rechtsprechung des Achten Senats (vgl. eingehend Urteile vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 248/93 – n.v.; vom 17. Februar 1994 – 8 AZR 68 und 128/93 – n.v., zu B V bzw. B IV der Gründe, m.w.N.) angeschlossen. Danach gilt folgendes:

1. Zuständige Dienststelle für die Kündigung der an einer Oberschule (§ 64 Abs. 1 Schulgesetz für den Freistaat Sachsen vom 3. Juli 1991 – GVBl. S. 213 –) beschäftigten Klägerin war gemäß § 59 Abs. 3 Schulgesetz das Oberschulamt Leipzig als obere Schulaufsichtsbehörde. Es ist weder ersichtlich noch von der Klägerin näher begründet, weshalb die gesetzliche Zuständigkeitsregelung zu beanstanden sein soll. Nach § 82 Abs. 1 PersVG-DDR/BPersVG wäre die Stufenvertretung zu beteiligen gewesen. Eine solche bestand bei der Schulaufsichtsbehörde nicht. Daher entfiel eine personalvertretungsrechtliche Beteiligung.

2. Aus den §§ 82 Abs. 6, 116 b Abs. 2 Nr. 5 PersVG-DDR ergab sich keine Notwendigkeit, einen bestehenden Schul- oder Kreisschulpersonalrat zu beteiligen. Diese Vorschriften sicherten lediglich ein mehrstufiges Beteiligungsverfahren und setzten das Vorhandensein einer erstzuständigen Personalvertretung voraus.

3. Die Unwirksamkeit der Kündigung kann auch nicht daraus abgeleitet werden, daß das Sächsische Staatsministerium für Kultus die Einleitung der Wahl eines Hauptpersonalrats bzw. Bezirkspersonalrats in rechtswidriger Weise unterlassen haben soll. Eine Rechtsvorschrift, aus der eine solche Folge hergeleitet werden könnte, existiert nicht. Ob sich aus einer solchen Unterlassung sonstige Rechtsfolgen ergeben könnten, hat der Senat nicht zu entscheiden, weil der Antrag der Klägerin lediglich auf die Feststellung gerichtet ist, das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung nicht aufgelöst.

III. Soweit das Landesarbeitsgericht die Kündigung wegen mangelnder persönlicher Eignung der Klägerin im Sinne des Einigungsvertrages Anlage I Kap. XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziffer 1 als nicht begründet ansieht, tragen seine Feststellungen die Entscheidung nicht.

1. Nach Art. 20 Abs. 1 EV gelten für die Rechtsverhältnisse der Angehörigen des öffentlichen Dienstes zum Zeitpunkt des Beitritts der neuen Länder die in der Anlage I zum Einigungsvertrag vereinbarten Regelungen. Die Klägerin unterrichtete damals an einer öffentlichen Schule und gehörte deshalb dem öffentlichen Dienst an.

2. Nach Anlage I Kap. XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziffer 1 EV ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht. Diese Regelung verdrängt für die Arbeitsverhältnisse in der öffentlichen Verwaltung den allgemeinen Kündigungsschutz des § 1 KSchG, soweit ihr Regelungsgehalt reicht (ständige Rechtsprechung seit BAG Urteil vom 24. September 1992 – 8 AZR 557/91 – AP Nr. 3 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt).

Wie bei der Frage der Sozialwidrigkeit einer Kündigung gemäß § 1 KSchG handelt es sich bei der entsprechenden Eignungsfeststellung, die nach einer auf den Kündigungszeitpunkt bezogenen Einzelfallprüfung zu treffen ist (vgl. BAG Urteile vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 248/93 – n. v.; vom 17. Februar 1994 – 8 AZR 68 und 128/93 – n. v.), um die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, die vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht die Rechtsbegriffe selbst verkannt, ob es bei der Subsumtion Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (vgl. BAGE 48, 314, 319 = AP Nr. 7 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, zu B I der Gründe; Senatsurteil vom 29. März 1990 – 2 AZR 369/89 – BAGE 65, 61 = AP Nr. 50 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Auch dieser eingeschränkten Überprüfung hält das angefochtene Urteil nicht stand.

3. Der bis Juli 1994 für Kündigungen nach der genannten Vorschrift des Einigungsvertrages allein zuständige Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat für die gebotene Einzelfallprüfung folgende Grundsätze entwickelt (vgl. die zuletzt genannten Urteile des Achten Senats m.w.N.):

Die mangelnde persönliche Eignung i. S. von Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die sich auch aus der bisherigen Lebensführung herausgebildet haben kann. Die persönliche Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes erfordert, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen muß. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: Die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.

Die hiernach zu stellenden Anforderungen haben sich an den Aufgaben des Angestellten auszurichten. Ein Lehrer muß den ihm anvertrauten Schülern glaubwürdig die Grundwerte des Grundgesetzes vermitteln. Er muß insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß er in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht.

Abs. 4 Ziff. 1 EV zwingt den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber nicht, gleichsam die rechtsstaatliche Einstellung eines Arbeitnehmers zunächst zu erproben. Ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen des Abs. 4 EV ist damit nicht verbunden. Es gelten nicht die Grundsätze für Einstellungen in den öffentlichen Dienst, sondern die für Kündigungen; denn durch eine auf Abs. 4 Ziff. 1 EV gestützte Kündigung wird in besonderer Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit des einzelnen Beschäftigten eingegriffen. Ein Beurteilungsspielraum kann sich nur im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung auf eine Abwägung besonders belastender Umstände bei der Identifikation mit den Staats- und Parteizielen in der ehemaligen DDR gegenüber spezifisch entlastenden Tatsachen zur persönlichen Eignung des Arbeitnehmers beziehen.

Ein Lehrer ist nicht schon deshalb ungeeignet, weil er nach den früheren gesetzlichen Bestimmungen bei der Verwirklichung der Staatsziele der DDR mitzuwirken hatte. Eine mangelnde persönliche Eignung ist aber indiziert, wenn er sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nicht nur kurzfristig Funktionen wahrgenommen hat, aufgrund derer er in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken hatte. Der kündigende Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat die vom Arbeitnehmer wahrgenommene Funktion einschließlich ihrer Grundlagen und ihrer Bedeutung in der Verfassungswirklichkeit der DDR darzulegen und ggf. zu beweisen. Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, die Annahme der besonderen Identifikation durch substantiierten Sachvortrag zu erschüttern. Dabei können neben den Umständen der früheren Tätigkeit auch sonstige die Eignung des Arbeitnehmers begründende Tatsachen berücksichtigt werden. Liegt ein dahingehender schlüssiger und nachprüfbarer substantiierter Vortrag vor, hat der Arbeitgeber darzutun, daß die behaupteten erheblichen nachprüfbaren Tatsachen nicht vorliegen oder daß trotz dieser Umstände aus weiteren Tatsachen auf eine Ungeeignetheit zu schließen ist. Eine Umkehr der im Kündigungsschutzprozeß allgemein bestehenden Beweislast findet nicht statt.

4. Dieser Rechtsprechung des Achten Senats hat sich der erkennende Senat angeschlossen (vgl. Urteile vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 201 und 261/93 – zur Veröffentlichung bestimmt). Die Rechtsprechung steht, den Besonderheiten des Einigungsvertrages Rechnung tragend, in Übereinstimmung mit der früheren Rechtsprechung des Zweiten Senats zur Kündigung von Lehrern im öffentlichen Dienst wegen Nichteignung aufgrund Zugehörigkeit zu einer als verfassungsfeindlich einzustufenden Partei (vgl. Senatsurteil vom 28. September 1989 – 2 AZR 317/86 – BAGE 63, 72 = AP Nr. 24 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, m.w.N.).

In der Sache ist danach von einer abgestuften Darlegungslast auszugehen: Legt der Arbeitgeber substantiiert dar, der Arbeitnehmer habe für längere Zeit eine Funktion wahrgenommen, die unbestritten bzw. nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der gesellschaftlichen Realität des SED-Staates aufgrund ihrer Exponiertheit oder konkreten Aufgabenzuweisung regelmäßig eine Mitwirkung an der ideologischen Umsetzung der die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpfenden Ziele der SED bedingte, so ist weiteres Vorbringen des Arbeitgebers zum konkreten Verhalten des Arbeitnehmers zunächst entbehrlich; eine solche Funktionsausübung ist an sich geeignet, den Schluß auf eine besondere Identifikation des Arbeitnehmers mit dem SED-Staat, auf eine sich hieraus ergebende mangelnde Glaubwürdigkeit bei der geschuldeten Vermittlung der Grundwerte unserer Verfassung und deshalb auf mangelnde persönliche Eignung für die Aufgabe eines Lehrers im öffentlichen Dienst zuzulassen. Es ist sodann Sache des Arbeitnehmers, sich durch substantiiertes und damit einer Beweisaufnahme zugängliches Tatsachenvorbringen zu entlasten.

Trotz eindeutiger gesetzlicher Zuweisung der Darlegungs- und Beweislast an eine Partei wird eine vergleichbare Abstufung der Darlegungslast in der Rechtsprechung auch sonst vorgenommen, wenn die beweisbelastete Partei nicht oder nur unter erheblich größeren Schwierigkeiten zu einer weitergehenden Substantiierung ihres Vorbringens in der Lage ist als die nichtbeweisbelastete bestreitende Partei. Dies rechtfertigt sich aus der prozessualen Mitwirkungspflicht gemäß § 138 Abs. 2 ZPO. Als Beispiel sei nur die Verteilung der Darlegungslast bei der sozialen Auswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG (vgl. insbesondere BAGE 62, 116, 125 f. = AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, zu B II 3 b aa der Gründe, m.w.N.) oder bei der Arbeitgeberkündigung wegen unentschuldigten Fehlens bzw. wegen der Vortäuschung von Arbeitsunfähigkeit (vgl. Senatsurteil vom 26. August 1993 – 2 AZR 154/93 – AP Nr. 112 zu § 626 BGB, zu B I 1 c cc der Gründe, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung bestimmt) genannt. Auch in Fällen wie dem vorliegenden ist diese Abstufung der Darlegungslast gerechtfertigt. Angesichts einer allenfalls partiellen Verwaltungskontinuität nach der Wiedervereinigung und angesichts des Umstandes, daß unter der Regierung Modrow zahlreiche Personalakten „gesäubert” wurden, würden die Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers überspannt, wenn man von ihm ohne konkretes Gegenvorbringen die detaillierte Darlegung verlangen würde, der mit der Umsetzung der grundgesetzfeindlichen SED-Ideologie beauftragte Funktionsträger habe im konkreten Fall die Funktion der Aufgabenstellung gemäß ausgeübt. Wie er im Einzelfall die Funktion tatsächlich ausübte, weiß der belastete Arbeitnehmer in aller Regel weitaus besser.

Daher ist es ihm zumutbar, sich durch eigenen Tatsachenvortrag zu entlasten. Das Maß der gebotenen Substantiierung des Entlastungsvorbringens hängt dabei davon ab, ob der Beklagte dieses Vorbringen bestreitet. Wird es bestritten, so bedarf es des Vortrags konkreter, einer Beweisaufnahme zugänglicher Entlastungstatsachen. Der Arbeitgeber kann dann seine Ermittlungen auf die vorprozessual oder im Prozeß konkretisierten Tatsachen konzentrieren. Die Beweislast bleibt aber auch in diesen Fällen bei ihm.

5. Entgegen der Ansicht der Revision verstößt eine solche Anwendung von Anlage I Kap. XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 EV nicht gegen das ILO-Übereinkommen Nr. 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf vom 25. Juni 1958 (BGBl 1961 II, S. 98). Die Kündigung wegen Nichteignung eines Lehrers knüpft nicht an die politische Meinung des einzelnen Lehrers an, sondern an die durch seine in der ehemaligen DDR wahrgenommenen Funktionen begründete mangelnde persönliche Eignung, als Lehrer gemäß seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung die Grundwerte unserer Verfassung den Schülern glaubwürdig zu vermitteln. Wer über längere Zeit aufgrund seiner Funktion eine verfassungsmäßige Ordnung als revanchistisch und imperialistisch zu bekämpfen hatte, kann nun nicht glaubhaft eine gegenteilige Auffassung vertreten, wenn er sich nicht schon früher durch konkretes Verhalten von dem ideologischen Auftrag distanziert hatte. Diese Feststellung wird, entgegen der Ansicht der Klägerin, nicht etwa aus einer legalen Betätigung der Klägerin abgeleitet. Die Ausübung der Funktion einer Parteisekretärin, so wie sie der Beklagte darstellt, wäre nach der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland wie in jedem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat gerade nicht legal, sondern eindeutig gesetz- und verfassungswidrig. Genau darauf kommt es aber an, denn die Klägerin will nicht etwa in einem totalitären Staat, sondern in der Bundesrepublik Deutschland als Lehrerin beschäftigt werden. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der Senat an die Auslegung des mit dem Rang eines innerstaatlichen Gesetzes geltenden Übereinkommens Nr. 111 in dem Bericht des Untersuchungsausschusses der ILO vom 26. November 1986 gebunden ist bzw. ob nicht das Übereinkommen verfassungskonform im Lichte der mit Verfassungsrang bestehenden politischen Treuepflicht (Art. 33 Abs. 2 und 5 GG) einschränkend auszulegen ist (vgl. BAG Urteil vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – NJ 1994, 483, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu B II 2 e der Gründe, m.w.N.).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den weiteren von der Klägerin angeführten supranationalen Normen. Diese beschränken das im Einigungsvertrag normierte Kündigungsrecht des Beklagten jedenfalls nicht weitergehend als das ILO-Übereinkommen Nr. 111.

6. Ob nach diesen Grundsätzen die Kündigung wegen mangelnder persönlicher Eignung der Klägerin nach der genannten Bestimmung des Einigungsvertrages gerechtfertigt ist, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.

a) Die Bedeutung der Funktion des ehrenamtlichen Parteisekretärs für die Durchsetzung der SED-Ideologie an den Schulen hat der Beklagte im einzelnen dargelegt. Trifft dieser Sachvortrag zu, so hatten die Parteisekretäre als Repräsentanten der staatstragenden Partei in den Schulen der DDR in einer herausgehobenen Funktion an der ideologischen Umsetzung der grundgesetzfeindlichen Ziele der SED mitzuwirken. Wer wiederholt in ein solch wichtiges Parteiamt gewählt wurde, bei dem kann davon ausgegangen werden, daß er sich mit den Zielen des SED-Staates besonders identifiziert hat, was ihn für die Tätigkeit als Lehrer ungeeignet macht (vgl. Senatsurteile vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 201 und 261/93 –, aaO, m.w.N.). Es ist deshalb rechtsfehlerhaft, wenn das Landesarbeitsgericht das Vorbringen des Beklagten zu der Funktion und den Aufgaben eines ehrenamtlichen Parteisekretärs in der DDR als nicht ausreichend angesehen hat, die besondere Identifikation eines mehrfach in dieses Amt gewählten Lehrers mit den Zielen des SED-Staates darzulegen.

b) Im vorliegenden Fall ist jedoch in den Tatsacheninstanzen das Vorbringen des Beklagten zu der Funktion und den Aufgaben eines ehrenamtlichen Parteisekretärs in der früheren DDR bis zuletzt streitig geblieben, ohne daß das Landesarbeitsgericht insoweit den Sachverhalt weiter aufgeklärt hätte. Nahezu der gesamte konkrete Sachvortrag des Beklagten zur Funktion und den Aufgaben eines ehrenamtlichen Schulparteisekretärs in der gesellschaftlichen Realität der DDR ist von der Klägerin im einzelnen bestritten worden. Trifft das Vorbringen der Klägerin zu, so hatte der Parteisekretär an einer Schule eine solch untergeordnete Stellung, daß aus der bloßen Funktionsausübung keine entscheidenden Rückschlüsse auf die mangelnde Eignung des Amtsinhabers gezogen werden konnten.

c) Das zuletzt gültige SED-Statut (angenommen auf dem IX. Parteitag der SED vom 16. bis 22. Mai 1976) regelt die Aufgaben eines Parteisekretärs in den Grundorganisationen der SED nicht so detailliert, daß allein anhand der rechtlichen Grundlagen der Parteisekretärstätigkeit eindeutig feststellbar wäre, ob das Vorbringen des Beklagten oder der Klägerin über Aufgaben und Funktion eines Parteisekretärs an einer Schule zutrifft. Unter Ziff. VI 63 finden sich in diesem Statut zwar Regelungen über die Parteiorganisationen in Lehranstalten und es ist insbesondere geregelt, die Parteiorganisationen hätten „das Recht der Kontrolle über die Tätigkeit der Betriebsleitungen, um ihrer Verantwortung für die politische Leitung der gesellschaftlichen Entwicklung in ihrem Bereich gerecht zu werden”. Dieses wichtige Kontrollrecht stand aber gerade nicht dem Parteisekretär, sondern der Parteiorganisation insgesamt zu. In den staatlichen Organen unterstanden die Parteiorganisationen darüber hinaus, insbesondere was die speziellen Fragen der Arbeit des betreffenden staatlichen Organs anbelangt, den übergeordneten Parteiorganen. Die Funktion des Parteisekretärs in den Grundorganisationen der SED als dem „Fundament der Partei” (Ziff. VI 56 des SED-Statuts) wird dabei nur am Rande angesprochen: Die Kassierung der Beiträge erfolgte durch den Sekretär der Grundorganisation (Ziff. VI 61 c SED-Statut), während das höchste Organ der Grundorganisation stets die Mitgliederversammlung war (Ziff. VI 56 SED-Statut). Zur „Leitung der Arbeit” wählten die Parteigruppen einen Parteigruppenorganisator (Ziff. VI 61 b SED-Statut), wobei aus dem Wortlaut des Statuts nicht einmal eindeutig zu entnehmen ist, ob der Parteigruppenorganisator mit dem Parteisekretär identisch war oder diese Funktion neben der des Parteisekretärs bestand. Wie die Funktion und Aufgabenstellung eines Parteisekretärs an einer Schule konkret ausgestaltet war, läßt sich im übrigen nicht allein nach den rechtlichen Grundlagen, insbesondere dem SED-Statut, sondern in erster Linie nur danach beurteilen, wie das Amt des ehrenamtlichen Parteisekretärs an einer Schule in der gesellschaftlichen Realität der DDR regelmäßig ausgefüllt wurde (Senatsurteil vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 261/93 –, aaO).

d) Welche Bedeutung das Amt des Parteisekretärs in der Schulwirklichkeit hatte, ist auch nicht offenkundig und damit nach § 291 ZPO nicht mehr beweisbedürftig. Greift man insoweit auf die Untersuchungen der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland” (BT-Drucks. 12/7820, insbesondere S. 24 ff.) zurück, so ist danach gerade bei Parteisekretären von einer Hierarchie der Verantwortlichkeiten auszugehen. Es ist zu berücksichtigen, auf welcher Leitungsebene und in welchem Zuständigkeitsbereich die Parteisekretärstätigkeit ausgeübt worden ist, wobei darauf hingewiesen wird, daß diese Abstufung der Gesamtverantwortung der betroffenen Funktionäre nur durch eine weitere Erforschung der Feinstrukturen des SED-Regimes geklärt werden kann (aaO, S. 26).

7. Das Landesarbeitsgericht muß deshalb das streitige Parteivorbringen über die Funktion und die Aufgabenstellung des ehrenamtlichen Schulparteisekretärs aufklären. Gelingt es dem Beklagten nicht, seinen entsprechenden Sachvortrag durch andere geeignete Beweismittel zu beweisen, so wird ggf. die Erhebung des vom Beklagten angebotenen Beweises durch Sachverständigengutachten eines Historikers unumgänglich sein.

8. Gelingt dem Beklagten der Beweis, daß das Amt des Schulparteisekretärs mit solch weitgehenden Rechten und Pflichten ausgestattet war, daß die mehrfache Wiederwahl in dieses Amt den Schluß auf die besondere Identifikation des Amtsinhabers mit den Zielen des SED-Staates zuläßt, so wird es auf das Vorbringen der Klägerin zu ihrer konkreten Amtsausübung ankommen, mit dem sie die Annahme ihrer besonderen Identifikation mit den grundgesetzfeindlichen Zielen der SED zu erschüttern versucht. Allerdings ist dieses Vorbringen bislang in den entscheidenden Punkten nicht ausreichend substantiiert, um die Klägerin entlasten zu können. Daß sich bei der erstmaligen Wahl der Klägerin für das Amt sonst niemand fand, besagt nichts über die Art der Amtsführung. Die von der Klägerin erhobene Forderung massiver Unterstützung durch die anderen Parteimitglieder kann sogar bedeuten, daß die Klägerin die effektive Durchführung des ideologischen Auftrags sicherstellen wollte. Die Aussage, sie habe weder indoktriniert noch denunziert oder bespitzelt, beinhaltet im wesentlichen bloße Wertungen, die keiner Beweisaufnahme zugänglich sind. Gleiches gilt für die Behauptungen, sie habe sich immer in erster Linie als Lehrerin verstanden und mehr Wert auf ihre fachliche Weiterbildung als auf eine Parteikarriere gelegt, ferner, es sei zunehmend eine gewisse Lethargie eingetreten. Es wird auch nicht deutlich, ob sich diese Lethargie auf die allgemeine gesellschaftliche Situtation, auf den Einsatz für schulische Belange oder auf die ideologische Parteiarbeit bezog und ob, wenn letztere gemeint sein sollte, die Klägerin dies wohlwollend geduldet oder bedauert hat. Das teils ambivalente und zudem pauschale Entlastungsvorbringen der Klägerin hat der Beklagte ausreichend bestritten. Ohne Konkretisierung durch die Klägerin und ggf. die Angabe von Beweismitteln muß der Beklagte weder den Beweis der Unrichtigkeit antreten noch zusätzliche belastende Tatsachen anführen und ggf. unter Beweis stellen (vgl. Senatsurteil vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 261/93 –, aaO).

Das Landesarbeitsgericht wird ggf. auch die Betätigung der Klägerin während und nach der Wende in die Gesamtwürdigung einzubeziehen haben. Dabei ist allerdings der Einsatz der Klägerin als Mentorin wenig aussagekräftig, weil er lediglich den Rückgriff auf die – vom Beklagten nicht in Zweifel gezogenen – fachlichen Qualitäten der Klägerin belegt, ohne daß daraus schon entscheidend auf die Glaubwürdigkeit der Klägerin bei der Vermittlung der Grundwerte unserer Verfassung geschlossen werden könnte. In der Zeit der diesbezüglich laufenden Überprüfungsverfahren mußte der Beklagte zwangsläufig auf die fachliche Eignung von Lehrkräften abheben, denn die persönliche Eignung der Lehrkräfte war gerade noch nicht geklärt. Auch die Teilnahme der Klägerin am „Runden Tisch” ist ohne nähere Konkretisierung wenig aussagekräftig für deren persönliche Eignung. Es erscheint nämlich nicht ausgeschlossen, daß für die Teilnahme am „Runden Tisch” von der Wende ablehnend gegenüberstehenden Organisationen Personen delegiert wurden, die retardierend wirken sollten. Die Klägerin wird in dem erneuten Berufungsverfahren Gelegenheit haben, hierzu näher vorzutragen.

Sollte nach der gebotenen weiteren Sachverhaltsaufklärung das Landesarbeitsgericht unter Beachtung der oben dargestellten Grundsätze erneut zu der Feststellung kommen, die Tätigkeit der Klägerin als Parteisekretärin lasse für sich genommen nicht den Schluß auf eine besondere Identifikation der Klägerin mit den grundgesetzfeindlichen Zielen der SED und damit auf mangelnde persönliche Eignung der Klägerin für eine weitere Tätigkeit als Lehrerin zu, so kann es – wie das Landesarbeitsgericht im Ausgangspunkt zutreffend erkannt hat – für die Gesamtwürdigung auch auf die langjährige Wahrnehmung des Mandats der Klägerin in der Stadtverordnetenversammlung Leipzig ankommen. Allerdings wird es insoweit bei dem Beklagten liegen, Aufgaben und Bedeutung dieser Funktion in der gesellschaftlichen Realität der DDR weiter zu erhellen. Bislang beschränken sich die entsprechenden Darlegungen des Beklagten weitgehend auf Schlagworte, die angesichts des Bestreitens der Klägerin für die Beurteilung ihrer persönlichen Eignung kaum Aussagekraft besitzen. Ob dieses Mandat der Klägerin ein für die Eignungsbeurteilung wesentlicher Gesichtspunkt ist, wird davon abhängen, ob der Beklagte seine diesbezüglichen Wertungen durch Tatsachenvortrag konkretisiert und ggf. beweisen kann.

IV. Wegen der eventuell einzuhaltenden Kündigungsfrist wird auf die Senatsurteile vom 13. Oktober 1994 (– 2 AZR 201 und 261/93 –, aaO) hingewiesen.

V. Das angegriffene Urteil war auch hinsichtlich der Verurteilung zur unveränderten Weiterbeschäftigung aufzuheben und zur anderweiten Verhandlung zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht hat in Abhängigkeit von seiner erneuten Entscheidung zum Kündigungsschutzantrag auch über den Weiterbeschäftigungsantrag neu zu befinden. Bis dahin besteht die vom Landesarbeitsgericht zutreffend klargestellte Verurteilung zur Weiterbeschäftigung durch das Kreisgericht vorläufig weiter.

 

Unterschriften

Etzel, Bitter, Fischermeier, Bobke, Mauer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI916016

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge