Entscheidungsstichwort (Thema)

Pausenbezahlung

 

Orientierungssatz

1. Auslegung des Manteltarifvertrages für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NW.

2. Arbeiten im Zwei-Schicht-Betrieb innerhalb eines Dreischichtbereiches; Pausenbezahlung; Betriebsvereinbarung über Arbeitszeit.

3. Kurzpausen gehören nach allgemeinen Grundsätzen zur Arbeitszeit (vgl. BAG Urteil vom 28.9.1972 5 AZR 198/72 = AP Nr 9 zu § 12 AZO).

 

Normenkette

TVG § 1; AZO § 12; BetrVG § 87

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 26.07.1988; Aktenzeichen 6 Sa 287/87)

ArbG Paderborn (Entscheidung vom 17.12.1986; Aktenzeichen 2 Ca 979/86)

 

Tatbestand

Der Kläger steht seit 1965 als Schichtmeister (Schichtführer) in den Diensten der Beklagten. Die Beklagte stellt mit zur Zeit knapp 500 Mitarbeitern in ihrem Betrieb, in dem ein Betriebsrat besteht, Kunststoffteile her, und zwar in erster Linie Gehäuse für Rundfunk-, Fernseh- und Fotokopiergeräte. Die Parteien haben die Anwendung der Tarifverträge für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens auf das Arbeitsverhältnis vereinbart.

Der Kläger arbeitet im Drei-Schicht-Bereich, wird aber nur in der Frühschicht und Spätschicht eingesetzt, während der Schichtmeister K aufgrund einer im Jahre 1974 unter den Schichtführern getroffenen Absprache ausschließlich in der Nachtschicht arbeitet. Lediglich wenn K wegen Urlaubs oder Krankheit fehlt, wird der Kläger in der Nachtschicht eingesetzt. Außer dem Kläger sind in einer Schicht noch zwei weitere Schichtführer eingesetzt, die die gleichen Aufgaben wie der Kläger an anderen Maschinen wahrnehmen.

Am 12. Juni 1985 schlossen die Betriebspartner mit Wirkung zum 1. Juli 1985 zur Umsetzung der Verkürzung der tariflichen Arbeitszeit in der Metallindustrie eine Betriebsvereinbarung. Sie enthält u.a. folgende Regelungen:

"1. Die individuelle regelmäßige Arbeitszeit

beträgt 38,5 Stunden an 5 Tagen (Montag

- Freitag) in der Woche.

Die Stunden verteilen sich im Normal-

schichtbetrieb und Zweischichtbetrieb

vorwiegend auf die Wochentage von Montag

bis Freitag, wobei

von Montag bis Donnerstag = 8 Stunden

und am Freitag = 6,5 Stunden

gearbeitet werden.

Für den Dreischichtbetrieb gilt Pos. 7.4.

...

2.2 Freistellung für Schichtarbeiter im 3-

Schicht-Betrieb. (antlg. 38,5 Std.-Woche).

Im regelmäßigen Zyklus von 5 Wochen erhal-

ten Schichtarbeiter 1 arbeitsfreien Tag.

...

7.4 3-Schicht-Bereich

-----------------

Montag bis Freitag (Arbeitszeit)

Frühschicht 6.00 - 14.00 Uhr = 8,00 Std.

Spätschicht 14.00 - 22.00 Uhr = 8,00 Std.

Nachtschicht 22.00 - 6.00 Uhr = 8,00 Std.

Pausen: Bezahlte Kurzpausen von angemesse-

ner Dauer nach Absprache mit dem

Schichtführer/Springer."

Ab 1. März 1986 weigerte sich die Beklagte, dem Kläger die Schicht mit acht Stunden zu bezahlen. Sie begründete ihr Vorgehen in einem Schreiben vom 7. Februar 1986 an den Kläger und andere Mitarbeiter, das wie folgt lautet:

"Im Rahmen einer allgemeinen Überprüfung der

betrieblichen Einhaltung von Arbeitszeiten

stellten wir fest, daß Sie Ihre tägliche Ar-

beitszeit ohne die erforderlichen Ruhepausen

in Höhe von 45' bzw. 30' Minuten pro Arbeits-

tag verrechnen.

In Ihrem Arbeitsgebiet ist eine feststehende,

zyclusgebundene Anwesenheit an einer Produk-

tionsmaschine konstant nicht vorgegeben.

Die vorgesehenen betriebsüblichen unbezahl-

ten Ruhepausen in nachstehenden Zeiten:

Normalschicht (7.00 - 15.45) = Pause

9.00 bis 9.15 und

12.30 bis 13.00 Uhr

Frühschicht (6.00 - 14.30) = Pause

9.00 bis 9.15 und

12.45 bis 13.00 Uhr

Spätschicht (14.00 - 22.30) = Pause

18.00 bis 18.15 und

21.00 bis 21.15 Uhr

Nachtschicht (22.00 - 6.30) = Pause

2.00 bis 2.15 und

4.45 bis 5.00 Uhr

sind gemäß Ihrer Einteilung der Arbeitszeit

einzuhalten.

Bisher wurden Ihnen die entsprechenden Pau-

senzeiten irrtümlich in der Annahme, daß ein

Anspruch darauf vorliegt, bezahlt.

Da keine gesetzl. und tariflichen Ansprüche

hierfür bestehen, sollen ab dem 01. März 1986

auch allgemein die entsprechenden Arbeits-

und Pausenzeiten wieder auf die vorgesehenen

betriebsüblichen Einteilungen festgesetzt

werden, d.h., daß ab diesem Zeitpunkt die

Pausen nicht mehr bezahlt werden."

Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte sei verpflichtet, ihm weiterhin die Schicht mit acht Stunden einschließlich der Essenspausen zu bezahlen. Dies ergebe sich aus Ziff. 7.4 der Betriebsvereinbarung vom 12. Juni 1985 sowie aus § 3 Nr. 5 Satz 2 des Manteltarifvertrags für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalen.

Mit der Klage begehrt der Kläger für die Zeit von März bis August 1986 die Bezahlung von jeweils zehn Stunden monatlich, die ihm die Beklagte als Pausen angerechnet und nicht vergütet hat.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger

886,20 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit 16.

September 1986 (Tag der Zustellung der Klage)

zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, der Kläger könne nicht die Bezahlung von Pausen verlangen, da er nicht in einem Drei-Schicht-Betrieb arbeite, sondern regelmäßig nur in der Früh- und Spätschicht, also zweischichtig eingesetzt werde.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat der Kläger nur noch die Zahlung von 884,40 DM brutto nebst Zinsen begehrt. Das Landesarbeitsgericht hat nach dem geänderten Klageantrag erkannt.

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage im Ergebnis mit Recht stattgegeben. Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger 884,40 DM brutto nebst Zinsen zu zahlen. Die Beklagte hat dem Kläger für die Zeit von März bis August 1986 je Schicht acht Stunden zu vergüten. Daher hat sie für die angeführten Monate noch monatlich zehn Stunden zu vergüten. Der sich daraus ergebende Betrag von 884,40 DM ist in seiner rechnerischen Höhe unstreitig.

Die Vergütung von acht Stunden je Schicht steht dem Kläger als Gegenleistung für geleistete Arbeit zu (§ 611 Abs. 1 BGB). Der Kläger arbeitet nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im Zwei-Schicht-Bereich des Betriebs der Beklagten. Danach ist die Arbeitszeit des Klägers in Ziff. 7.4 der Betriebsvereinbarung vom 12. Juni 1985 für die Frühschicht und Spätschicht, in denen er eingesetzt wird, mit acht Stunden festgelegt. Ruhepausen sind nicht vorgesehen. Soweit in Ziff. 7.4 der Betriebsvereinbarung Kurzpausen vorgesehen sind, unterbrechen diese nicht die Arbeitszeit. Kurzpausen gehören nämlich schon nach allgemeinen Grundsätzen zur Arbeitszeit (vgl. Denecke/Neumann, AZO, 10. Aufl. 1987, § 12 Rz 18, 24; vgl. auch BAG Urteil vom 28. September 1972 - 5 AZR 198/72 - AP Nr. 9 zu § 12 AZO). Die Beklagte hat nicht vorgetragen, daß der Kläger die in der Betriebsvereinbarung für die Frühschicht und Spätschicht des Drei-Schicht-Bereichs festgelegte Arbeitszeit nicht erbracht hat. Demgemäß steht dem Kläger für die geleistete Arbeit die entsprechende Vergütung für acht Stunden je Schicht zu.

Hierbei kann offenbleiben, ob die Betriebsvereinbarung vom 12. Juni 1985 insgesamt oder teilweise oder, bezogen auf die Arbeitszeit im Dreischichtbereich, wirksam ist oder nicht. Solange der Kläger die in der Betriebsvereinbarung vorgesehene Arbeitszeit erbracht hat, kann er die entsprechende Vergütung beanspruchen. Insoweit ist es auch unerheblich, ob die in der Betriebsvereinbarung festgesetzte Arbeitszeit etwa gegen Bestimmungen der Arbeitszeitordnung verstoßen hat. Auch wenn die Betriebsvereinbarung gegen Bestimmungen der Arbeitszeitordnung verstoßen sollte, etwa weil sie für den Kläger keine Ruhepausen vorsah (vgl. § 12 Abs. 2 AZO), könnte der Kläger gleichwohl Vergütung der tatsächlich geleisteten Arbeit verlangen, die mit Willen der Beklagten erbracht wurde, wie die Betriebsvereinbarung vom 12. Juni 1985 ausweist. Dies entspricht dem in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannten Grundsatz, daß auch eine wegen Verstoßes gegen die Bestimmungen der Arbeitszeitordnung geleistete unzulässige Mehrarbeit wie zulässige Arbeit bezahlt werden muß (BAGE 22, 144, 148 = AP Nr. 12 zu § 15 AZO m. w. N.).

Durch ihr Schreiben vom 7. Februar 1986 konnte die Beklagte die Arbeitszeit des Klägers ab 1. März 1986 nicht einseitig festsetzen, weil die Festlegung des Beginns und des Endes der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen der Zustimmung des Betriebsrats oder einer sie ersetzenden Entscheidung der Einigungsstelle bedarf (§ 87 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BetrVG). Die Festlegung der Arbeitszeit im Schreiben der Beklagten vom 7. Februar 1987 ist damit unwirksam. Sollte der Kläger gleichwohl ab 1. März 1986 die in diesem Schreiben festgelegte Arbeitszeit eingehalten haben, wozu Feststellungen des Landesarbeitsgerichts fehlen, hat er auch danach mindestens acht Stunden (ausschließlich der Pausen) Arbeit geleistet. Auch insoweit steht ihm daher ein Anspruch auf Bezahlung von acht Stunden Arbeitszeit je Schicht zu.

Ob der Anspruch des Klägers auf Bezahlung seiner Schichten mit acht Stunden auch aus § 3 Nr. 5 Satz 2 des Manteltarifvertrages für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens und/oder aus betrieblicher Übung hergeleitet werden kann, wie das Landesarbeitsgericht meint, kann offenbleiben.

Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

Dr. Neumann Dr. Feller Dr. Etzel

Scheerer Lehmann

 

Fundstellen

BR/Meuer AFG § 102, 07-12-88, 4 AZR 477/88 (LT1)

NZA 1989, 553-553 (ST1)

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