Orientierungssatz

Eine Krankenschwester hat bei einem Übertritt zu der Schwesternschaft des Deutschen Roten Kreuzes keinen Anspruch auf eine (anteilige) Sonderzuwendung, da das DRK nicht zu den Behörden und Organisationen des öffentlichen Dienstes gehört, die in der bis ins einzelne gehende Aufzählung in der Protokollnotiz Nr 2 enthalten sind.

 

Normenkette

TVG § 1; ZuwAngTVtr § 1 Abs. 2 Nr. 2 Fassung 1973-10-12, § 2 Abs. 2 S. 1 Fassung 1973-10-12

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Entscheidung vom 08.10.1981; Aktenzeichen 9 Sa 430/81)

ArbG Hanau (Entscheidung vom 26.02.1981; Aktenzeichen 1 Ca 483/80)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der

Klägerin für das Jahr 1980 eine anteilige Zuwendung nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 und §

2 Abs. 2 Satz 1 des Tarifvertrages über eine Zuwendung für Angestellte vom 12.

Oktober 1973 i. d. F. des Änderungs-Tarifvertrages Nr. 1 vom 7. November 1974

(Zuwendungs-TV) zu zahlen.

Die Klägerin war vom 1. April 1978 bis zum 30. September 1980 bei der Beklagten

als Krankenschwester in deren Städtischem Krankenhaus beschäftigt. Das

Arbeitsverhältnis endete aufgrund ordentlicher Kündigung durch die Klägerin.

Auf das Arbeitsverhältnis fanden der BAT-VkA in seiner jeweils geltenden

Fassung und die ihn ergänzenden Tarifverträge kraft vertraglicher Vereinbarung

Anwendung. Die hier einschlägigen Vorschriften des danach anzuwendenden

Zuwendungs-TV und die dazugehörigen Protokollnotizen haben - soweit es hier

interessiert - den folgenden Wortlaut:

"§ 1

Anspruchsvoraussetzungen

(1) Der Angestellte erhält in jedem Kalenderjahr

eine Zuwendung, wenn er

1. am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis steht und

nicht für den ganzen Monat Dezember ohne Ver-

gütung zur Ausübung einer entgeltlichen Be-

schäftigung oder Erwerbstätigkeit beurlaubt ist

.....

(2) Der Angestellte, dessen Arbeitsverhältnis spä-

testens mit Ablauf des 30. November endet und der

mindestens vom Beginn des Kalenderjahres an ununter-

brochen in einem Rechtsverhältnis der in Absatz 1

Nr. 2 genannten Art im öffentlichen Dienst gestanden

hat, erhält eine Zuwendung,

.....

2. wenn er im unmittelbaren Anschluß an das Ar-

beitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber des

öffentlichen Dienstes in ein Rechtsverhältnis der

in Absatz 1 Nr. 2 genannten Art übertritt und der

bisherige Arbeitgeber das Ausscheiden aus diesem

Grunde billigt

.....

Protokollnotizen:

-----------------

.....

2. Öffentlicher Dienst im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2,

des Absatzes 2 Satz 1 und des Absatzes 4 Nr. 1

ist eine Beschäftigung

a) beim Bund, bei einem Land, bei einer Gemeinde

oder bei einem Gemeindeverband oder bei einem

sonstigen Mitglied eines Arbeitgeberverbandes,

der der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber-

verbände angehört,

b) bei einer Körperschaft, Stiftung oder Anstalt

des öffentlichen Rechts, die den BAT oder einen

Tarifvertrag wesentlich gleichen Inhalts anwen-

det."

Seit dem 1. Oktober 1980 arbeitet die Klägerin als Angestellte der Schwesternschaft K e. V. des Deutschen Roten Kreuzes in den Städtischen Krankenanstalten K, mit denen die Schwesternschaft einen Gestellungsvertrag abgeschlossen hat. Auf das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Schwesternschaft findet kraft vertraglicher Vereinbarung der BAT Anwendung.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, durch den Übertritt zu der Schwesternschaft des Deutschen Roten Kreuzes seien die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Nr. 2 Zuwendungs-TV erfüllt. Entscheidend sei nämlich nicht, wer Arbeitgeber sei, sondern ob der neue Arbeitgeber den BAT voll anwende und ob das Ergebnis der Tätigkeit einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes zufalle. Nur bei einer dementsprechenden Auslegung des Tarifvertrages sei dieser mit Art. 3 GG vereinbar. Insbesondere stelle die Protokollnotiz zu 2 b eine Ungleichbehandlung dar, da die Differenzierung nach der Rechtsform des neuen Arbeitgebers willkürlich sei.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet

sei, der Klägerin 9/12 einer Zuwendung i. S.

des Tarifvertrages über eine Zuwendung für

Angestellte vom 12. Oktober 1973 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat zwar den Übertritt der Klägerin zu der Schwesternschaft gebilligt, ist aber der Ansicht, die Klägerin sei nicht zu einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Sinne des Zuwendungs-TV übergewechselt und habe deshalb keinen Anspruch auf eine anteilige Sonderzuwendung.

Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine anteilige Sonderzuwendung, da sie nicht zu einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes übergetreten ist.

1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht aus der bis ins einzelne gehenden Aufzählung in der Protokollnotiz Nr. 2, welche Behörden und Organisationen zum öffentlichen Dienst gehören, entnommen, daß es sich dabei um eine abschließende Regelung handele. Zwar ist bei Tarifverträgen ebensowenig wie sonst bei der Auslegung von Gesetzen oder Willenserklärungen an dem reinen Wortlaut zu haften, sondern der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der von dem Tarifvertrag verfolgte Sinn und Zweck zu erforschen und bei der Auslegung jedenfalls insoweit zu berücksichtigen, als er in dem Tarifvertrag einen - wenn auch unvollkommenen - Ausdruck gefunden hat (BAG 18, 278, 282 f. = AP Nr. 117 zu § 1 TVG Auslegung; Enneccerus/Nipperdey, Allg. Teil des bürgerlichen Rechts, 15. Aufl., Band I, S. 323 m. w. N.). Eine solche Auslegung findet ihre Grenze jedoch dort, wo die Tarifvertragsparteien in der Tarifvorschrift selbst oder durch eine weitere tarifliche Regelung angeben, wie diese auszulegen ist. Eine analoge Anwendung der Regelungen des Zuwendungs-TV auf weitere Rechtsverhältnisse scheitert deshalb an dem ausdrücklichen Willen der Tarifvertragsparteien.

2. Die Tarifvertragsparteien haben mit diesen Anspruchsvoraussetzungen auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 des GG verstoßen. Die Differenzierungen zwischen dem Wechsel zu einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes und dem Wechsel zu einem sonstigen Arbeitgeber ist selbst dann nicht willkürlich, wenn man den Sonderfall berücksichtigt, daß der neue Arbeitgeber den Arbeitnehmer aufgrund eines Gestellungsvertrages im Bereich des öffentlichen Dienstes einsetzt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. statt vieler BAG Urteil vom 8. Dezember 1976 - 5 AZR 624/75 - AP Nr. 90 zu § 611 BGB Gratifikation, zu I 3 der Gründe) soll die Zuwendung die Arbeitsleistung für den zuwendungspflichtigen Arbeitgeber und die ihm geleistete Treue belohnen. Nur für die Frage, ob der Arbeitgeber, bei dem der Angestellte am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis steht, überhaupt für die bei ihm erbrachte Beschäftigungszeit eine Zuwendung zu zahlen hat, ob der Angestellte die Zuwendung bei vorzeitigem Ausscheiden zurückzugewähren hat und schließlich ob der Angestellte bei Ausscheiden vor dem Stichtag 1. Dezember einen Teilanspruch hat, wird dem Gedanken der Einheit des öffentlichen Dienstes durch den § 1 Abs. 1 Nr. 2, 1. Alternative, den § 1 Abs. 4 Nr. 1 und den § 1 Abs. 2 Nr. 2 Zuwendungs-TV Rechnung getragen.

Daraus folgt, daß die Tarifvertragsparteien bewußt auf ein Arbeitsverhältnis bei einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, der Mitglied einer der tarifschließenden Parteien ist, abgestellt haben. Das ist aber ein zulässiges, sachlich begründetes Unterscheidungsmerkmal. Die Tarifvertragsparteien verstoßen jedenfalls nicht gegen Art. 3 GG, wenn sie Leistungen nur für solche Beschäftigungsverhältnisse vorsehen, die von und mit ihren Mitgliedern bestehen.

3. Auch der Umstand, daß es - worauf die Revision hinweist - Einrichtungen gibt, die zwar einerseits öffentliche Aufgaben wahrnehmen, andererseits aber aus historischen oder sonstigen Gründen privatrechtlich organisiert sind, aber gleichwohl den BAT oder wesensgleiche Tarifverträge kraft einzelvertraglicher Vereinbarung anwenden, führt nicht dazu, die tarifliche Regelung als verfassungswidrig anzusehen. Es trifft zwar zu, daß derartige Organisationsformen nicht unter die Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 Zuwendungs-TV i.V.m. der Protokollnotiz 2 b fallen und Arbeitnehmer, die zu einem in dieser Form organisierten Arbeitgeber überwechseln, keinen Anspruch auf eine anteilige Sonderzuwendung gegen ihren früheren Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes haben. Mit der Differenzierung nach der Rechtsform des jeweiligen Arbeitgebers haben die Tarifvertragsparteien aber ersichtlich ein einfaches und leicht zu handhabendes Unterscheidungsmerkmal gewählt, um schwierige Streitigkeiten darüber zu vermeiden, ob der neue Arbeitgeber nun öffentliche Aufgaben wahrnimmt oder nicht. Die Differenzierung nach der Rechtsform ist danach jedenfalls nicht willkürlich, sondern sachlich vertretbar und verstößt damit nicht gegen Art. 3 GG (BAG 24, 300, 303 = AP Nr. 1 zu § 26 BBesG; BAG 25, 133, 140 = AP Nr. 5 zu Art. 177 EWG-Vertrag m.w.N. auch auf die Rechtsprechung des BVerfG; BAG 33, 103, 106 f. = AP Nr. 13 zu § 23 a BAT).

4. Ebensowenig läßt sich zu Gunsten der Klägerin etwas aus § 27 Abschn. B Abs. 3, letzter Unterabsatz BAT über die Berechnung der Grundvergütung herleiten, wie die Revision im Anschluß an das erstinstanzliche Urteil meint. Beide übersehen dabei, daß in dieser Vorschrift nicht der Wechsel von einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes zu einem privatrechtlich organisierten Arbeitgeber, sondern gerade der umgekehrte Fall geregelt ist. Diese Vorschrift zeigt vielmehr deutlich, daß die Tarifvertragsparteien die Problematik der Gestellungsverträge durchaus gesehen haben. Wenn sie hieraus Folgerungen nur bei einem Wechsel vom privatrechtlich zum öffentlich-rechtlich organisierten Arbeitgeber und nur für die Eingruppierung gezogen haben, so liegt darin wiederum ein sachlich vertretbarer Grund.

Dr. Thomas Dr. Heither Schneider

Nitsche Dr. Hirt

 

Fundstellen

Dokument-Index HI440331

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