Entscheidungsstichwort (Thema)

Verjährung von Verzugslohnansprüchen während des Kündigungsrechtsstreits

 

Leitsatz (redaktionell)

Durch die Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG oder eine Klage auf Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses gemäß § 256 ZPO wird die Verjährung der sich aus § 615 BGB ergebenden Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers nicht unterbrochen (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung, vgl BAG Urteil vom 1.2.1960, 5 AZR 20/58 = BAGE 9, 7 = AP Nr 1 zu § 209 BGB sowie Urteil vom 29. Mai 1961 - 5 AZR 162/59 - AP Nr 2 zu § 209 BGB).

 

Normenkette

BGB §§ 293, 198, 201-203, 210, 209 Abs. 1, § 615 S. 1, § 196 Abs. 1 Nr. 15

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Entscheidung vom 23.11.1990; Aktenzeichen 13 Sa 366/90)

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 21.12.1989; Aktenzeichen 13 Ca 11/89)

 

Tatbestand

Die Klägerin ist seit dem 1. Juli 1980 als Küchenhilfe bei der Beklagten beschäftigt. Unter dem 10. Januar 1986 kündigte ihr die Beklagte zum 28. Februar desselben Jahres. Gegen diese Kündigung wehrte sich die Klägerin mit der Kündigungsschutzklage. Durch das inzwischen rechtskräftige Urteil vom 18. November 1988 (- 13 Sa 616/88 -) stellte das Landesarbeitsgericht Frankfurt am Main fest, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die besagte Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Dieses Urteil wurde der Klägerin am 19. Januar 1989 zugestellt. Zuvor, und zwar am 12. Januar 1989, hatte sie die am 25. Januar 1989 zugestellte Klage auf Zahlung von Verzugslohn für die Zeit vom 1. März 1986 bis 31. Dezember 1988 in Höhe von 97.200,-- DM brutto abzüglich anderweitig erzielten Arbeitsverdienstes und erhaltenen Arbeitslosengeldes bei Gericht eingereicht.

Sie hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin

DM 97.200,-- brutto abzüglich vereinnahmter

DM 14.549,29 netto und DM 28.927,85 brutto zu

zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Soweit die Klägerin Verzugslohn für die Zeit vom 1. März bis 31. Dezember 1986 in - rechnerisch unstreitiger - Höhe von 28.105,-- DM brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 8.816,-- DM netto fordert, hat sich die Beklagte auf Verjährung berufen. Sie hat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Auffassung vertreten, die zuvor erhobene Kündigungsschutzklage unterbreche nicht die gesetzliche Verjährungsfrist für die Lohnansprüche aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs.

Demgegenüber ist die Klägerin der Ansicht, während einer anhängigen Kündigungsschutzklage könnten solche Ansprüche eines Arbeitnehmers nicht verjähren, die in ihrem Bestand oder der Höhe nach von dem Ausgang des Kündigungsschutzrechtsstreits abhängig seien. Dies ergebe sich aus einer analogen Anwendung der §§ 206, 207 und 209 BGB.

Das Arbeitsgericht hat den Lohnanspruch für verjährt angesehen und insoweit die Klage abgewiesen. Den geltend gemachten Lohn für die beiden folgenden Jahre hat es der Klägerin in vollem Umfang zugesprochen.

Gegen dieses Urteil hat nur die Klägerin Berufung eingelegt, mit der sie ihr erfolglos gebliebenes Zahlungsbegehren - nunmehr nebst 4 % Zinsen seit dem 31. Dezember 1986 - weiterverfolgt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, um deren Zurückweisung die Beklagte bittet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Zu Recht haben beide Vorinstanzen die für das Jahr 1986 geltend gemachten Verzugslohnansprüche für verjährt angesehen.

A.Für die Lohnansprüche der Klägerin gilt die zweijährige Frist des § 196 Abs. 1 Nr. 9 BGB. Die Ansprüche entstanden auch während des Kündigungsschutzprozesses unbedingt und wurden fällig, wie wenn die Dienste wirklich geleistet worden wären (vgl. BAGE 14, 156, 160 = AP Nr. 23 zu § 615 BGB). Somit begann die Verjährungsfrist für sämtliche Ansprüche aus dem Jahre 1986 einheitlich mit dem Ablauf des 31. Dezember 1986 zu laufen (§ 201 Satz 1, § 198 Satz 1 BGB).

B.Die zweijährige Verjährungsfrist für diese Ansprüche endete gemäß § 196 Abs. 1 Nr. 9, § 201 Satz 1, § 198 Satz 1 BGB mit dem Ablauf des 31. Dezember 1988 und damit vor Eingang der Zahlungsklage bei Gericht am 12. Januar 1989, so daß die Ansprüche verjährt sind.

I.Die Verjährungsfrist für diese Ansprüche ist nicht durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage gemäß § 209 Abs. 1 BGB unterbrochen worden.

1.Nach dieser Vorschrift wird die Verjährung unterbrochen, wenn der Berechtigte auf Befriedigung oder Feststellung des Anspruchs Klage erhebt. Wie der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts in den Urteilen vom 1. Februar 1960 (BAGE 9, 7 = AP Nr. 1 zu § 209 BGB) und vom 29. Mai 1961 (- 5 AZR 162/59 - AP Nr. 2 zu § 209 BGB) ausgesprochen und überzeugend begründet hat, ist damit eine Leistungs- oder Feststellungsklage gemeint, die sich auf einen Anspruch im Sinne des § 194 BGB bezieht, dessen Verjährung durch die Klageerhebung unterbrochen werden soll. Zur Begründung ist in den genannten Entscheidungen weiter ausgeführt, daß jede andere Betrachtung zu einer Beeinträchtigung der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit in Verjährungsfragen führe, weil ohne genaue Abstellung darauf, was Streitgegenstand eines Prozesses sei, sich nicht feststellen lasse, inwieweit eine Verjährungsunterbrechung in Betracht zu ziehen sei (Urteil vom 1. Februar 1960, aaO, zu I 2 a der Gründe). Unabhängig davon, ob im Vorprozeß eine Kündigungsschutzklage oder eine Klage gemäß § 256 ZPO, gerichtet auf die Feststellung des Fortbestehens eines Arbeitsverhältnisses, erhoben worden sei, betreffe deren Streitgegenstand jedenfalls nicht die Feststellung eines Anspruchs im Sinne des § 194 Abs. 1 BGB, sondern äußerstenfalls die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses. Über die Voraussetzungen des Annahmeverzugs (§§ 293 ff. BGB) und die Höhe der nach § 615 Satz 1 BGB zu zahlenden Vergütung werde nicht entschieden (Urteil vom 29. Mai 1961, aaO, zu I 3 der Gründe). Die teilweise Präjudizialität des Vorprozesses für etwaige Lohnansprüche erhebe Zahlungsansprüche aus § 615 Satz 1 BGB nicht zu dessen Streitgegenstand. Andernfalls bliebe bei einem Streit über die Frage, ob eine Kündigung ein Arbeitsverhältnis beendet habe oder nicht, völlig unbestimmbar, ob und welche und in welchem Umfang Ansprüche aus einem Obsiegen in einem solchen Rechtsstreit hergeleitet und in welchem Umfang deren Verjährung unterbrochen sein soll (vgl. Urteil vom 1. Februar 1960, aaO, zu I 2 c der Gründe). Derjenige schließlich, dem zu Unrecht gekündigt worden sei und der wegen der teilweisen Vorgreiflichkeit des Kündigungsschutzprozesses ihm zustehende Gehaltsansprüche regelmäßig nur dann im Klagewege endgültig realisieren könne, wenn er zuvor im Kündigungsrechtsstreit obsiegt habe, sei gleichwohl nicht gehindert, schon vor Ablauf der Verjährungszeit seine etwaigen, aus § 615 BGB sich ergebenden Ansprüche in einer Form geltend zu machen, die den Anforderungen des § 209 Abs. 1 BGB genüge.

2.Im Schrifttum sind diese Urteile allerdings auf Kritik gestoßen. a)Ihnen wird zwar gefolgt (vgl. A. Hueck, Anm. zu AP Nr. 1 zu § 209 BGB; Hueck, KSchG, 10. Aufl., § 4 Rz 9; Larenz, Anm. in SAE 1960, 80; Natzel, DB 1960, 176, 177, unter II 2; Lüke, NJW 1960, 1333; Güntner, BB 1962, 1044, unter II 1; Trieschmann, ArbuR 1964, 32, unter III; KR-Friedrich, 3. Aufl., § 4 KSchG Rz 30), soweit sie die unmittelbare Anwendung des § 209 Abs. 1 BGB auf einen Sachverhalt der vorliegenden Art ausschließen.

b)Im übrigen wird dieser Rechtsprechung aber überwiegend (vgl. Hueck, aaO, Rz 10; KR-Friedrich, aaO, Rz 32 ff.; Becker/Bader, BB 1981, 1709, 1714, unter 3; Rohlfing/Rewolle/Bader, KSchG, § 4 Rz 4; Soergel/Walter, BGB, 12. Aufl., § 209 Rz 19; Konzen, SAE 1970, 279; im Ergebnis wohl auch Erman/Hefermehl, BGB, 8. Aufl., § 209 Rz 3) vorgeworfen, sie berücksichtige im Ergebnis die sozialen Schutzbelange der Arbeitnehmer nicht gebührend. Der Arbeitnehmer, der einen Kündigungsschutzprozeß führe, erhebe verständlicherweise schon aus Kostengründen keine Leistungsklage, solange er nicht wisse, ob der Kündigungsschutzprozeß zu seinen Gunsten ausgehe. Oft werde er aus Unkenntnis gar nicht auf den Gedanken kommen, daß während des Kündigungsschutzverfahrens die Verjährungsfrist für die Lohnansprüche gleichwohl laufe. Er werde es auch nicht verstehen, wenn das Gericht ihm sage, daß ihm trotz seines gewonnenen Kündigungsschutzprozesses jedenfalls Teile seiner ihm entgangenen Arbeitsvergütung wegen Verjährung, auf die sich der Arbeitgeber berufen habe, nicht zugesprochen werden könnten (vgl. KR-Friedrich, aaO, Rz 33). Zwinge man ihn lediglich zum Zwecke der Verjährungsunterbrechung im voraus zur Klageerhebung, so sei dies darüber hinaus mit der allgemeinen Prozeßökonomie unvereinbar (vgl. Lüke, aaO, S. 1334).

c)Trotz dieser Bedenken haben sich einige Autoren dann dem Bundesarbeitsgericht angeschlossen: Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 4 Rz 348; Herschel/Löwisch, KSchG, 6. Aufl., § 4 Rz 14; Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 209 Rz 20; Maus, KSchG, § 4 Rz 15; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 5. Aufl., Rz 1061; Hueck, aaO, § 4 Rz 10).

II.In Abweichung vom Bundesarbeitsgericht werden insbesondere folgende Lösungsmöglichkeiten vorgeschlagen:

1.Larenz (aaO, 81) und ihm folgend Güntner (aaO, 1046; ders. in DB 1975, 1318, 1319) sowie Bötticher (BB 1981, 1958) geben zu erwägen, ob durch das Feststellungsurteil im Kündigungsschutzprozeß nicht das zuvor aufgelöste Arbeitsverhältnis wiederhergestellt werde. Ansprüche aus diesem Arbeitsverhältnis würden erst mit der Rechtskraft des Urteils existent. Infolgedessen beginne auch erst zu diesem Zeitpunkt ihre Verjährung zu laufen.

a)Diese Auffassung beruht auf der Annahme, daß es sich bei der Kündigungsschutzklage um eine Gestaltungsklage, eingekleidet in die Form einer Feststellungsklage (vgl. Larenz, aaO, 81), handelt. Sie wird im wesentlichen mit der Regelung des jetzigen § 7 KSchG begründet, nach der die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam gilt, wenn ihre Rechtsunwirksamkeit nicht rechtzeitig geltend gemacht wird. Daraus wird geschlossen, daß es eines gerichtlichen Gestaltungsaktes zur Beseitigung der durch die Kündigung eingetretenen Rechtswirkungen bedürfe. Das Kündigungsschutzurteil stelle die Rechtslage im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung wieder her.

b)Dieser Ansatz widerspricht jedoch der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAGE 29, 152, 156 = AP Nr. 60 zu § 4 TVG Ausschlußfristen, zu 2 a der Gründe, m.w.N.; Großer Senat, BAGE 48, 122, 144 f. = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht, zu C II 1 b der Gründe; Senatsurteil vom 8. August 1985 - 2 AZR 459/84 - AP Nr. 94 zu § 4 TVG Ausschlußfristen, zu II 2 a der Gründe). Danach hat das die Unwirksamkeit der Kündigung aussprechende Urteil nur rechtsfeststellende und keine rechtsgestaltende Wirkung. Es verändert die Rechtslage nicht, sondern stellt nur die objektiv bereits bestehende Rechtslage mit bindender Wirkung für die Prozeßparteien fest (BAGE 29, 152, 156 = AP, aaO). Wie der Große Senat (aaO) näher dargelegt hat, kann auch der Vorschrift des § 7 KSchG nichts Gegenteiliges entnommen werden. Das Erfordernis der fristgebundenen Feststellungsklage dient der alsbaldigen, die Arbeitsvertragsparteien auch für alle weiteren Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis bindenden Klärung der Frage, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist. Die fristgerechte Erhebung der Feststellungsklage verhindert nur die sonst nach § 7 KSchG eintretende Heilung einer unwirksamen Kündigung, verändert aber im übrigen den materiellen Rechtszustand zwischen Urteil und Kündigung nicht. Der lediglich rechtsfeststellende Charakter eines Urteils im Kündigungsschutzprozeß wird dadurch nicht berührt. Deshalb wird durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage auch die Fälligkeit der auf die Zeit nach der Kündigung entfallenden Lohnansprüche nicht bis zur Entscheidung des Kündigungsschutzrechtsstreits aufgeschoben; die Ansprüche werden vielmehr zu dem Zeitpunkt fällig, zu dem sie bei Leistung der Dienste fällig geworden wären (BAGE 14, 156, 160; 29, 152, 156 = AP, aaO).

c)Dieser Auffassung hat sich die ganz herrschende Meinung angeschlossen (vgl. Hueck, aaO, § 4 Rz 2 und 4; KR-Becker, 3. Aufl., § 11 KSchG Rz 21; KR-Friedrich, aaO, § 4 KSchG Rz 35; Auffarth/Müller, KSchG (1960), § 3 Rz 3; Maus, aaO, § 4 Rz 2 und 4 ff.; Nikisch, Arbeitsrecht I, 3. Aufl., S. 773 f.; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 6. Aufl., § 136 I 2; Künzl, DB 1986, 1280, 1281 f.; Herschel/Löwisch, aaO, § 4 Rz 2; Stahlhacke/Preis, aaO, Rz 1055; wohl auch Söllner, Grundriß des Arbeitsrechts, 9. Aufl., § 36 I).

2.Einige Autoren (Becker/Bader, aaO, S. 1716, zu II 3 b; KR-Becker, aaO, § 11 KSchG Rz 20 a; Rohlfing/Rewolle/Bader, aaO, Anm. 4; Erman/Hefermehl, aaO, Rz 3) halten eine analoge Anwendung des § 209 Abs. 1 BGB für geboten.

a)Nach Becker/Bader (aaO) ist die Regelung nach dieser Vorschrift lückenhaft. Das Rechtsinstitut der Anspruchsverjährung diene primär dem Zweck, einen Schuldner vor einer verspäteten Inanspruchnahme wegen der damit in aller Regel verbundenen Beweisschwierigkeiten zu schützen. Die dem Kündigungsrechtsstreit immanente, auch vom Bundesarbeitsgericht anerkannte vergütungsrechtliche Lohnsicherungsfunktion schließe aber für den Arbeitgeber eine beweissicherungsrechtliche Warnfunktion ein. Eine auf diese vergütungsrechtlichen Auswirkungen von Kündigungsrechtsstreitigkeiten Bedacht nehmende Sonderregelung sei in den verjährungsrechtlichen Vorschriften des BGB nicht enthalten. Der Umstand, daß der Gesetzgeber gemäß § 4 KSchG einen speziellen Klagetyp zur Klärung des kündigungsrechtlichen Status eines Arbeitnehmers geschaffen habe, führe im Hinblick auf das Verjährungsrecht zu prozessualen Ungereimtheiten und dürfe nicht dazu führen, daß der Arbeitnehmer im Falle eines Obsiegens im Kündigungsschutzprozeß Gefahr laufe, bei längerer Prozeßdauer - worauf er in der Regel keinen Einfluß habe - seine vom Ausgang des Kündigungsschutzprozesses abhängigen Vergütungsansprüche wegen zwischenzeitlich eingetretener Verjährung teilweise nicht durchsetzen zu können. Deshalb sei eine Analogie zu § 209 BGB sachgerecht. Diese Auffassung vertritt auch Rewolle (aaO), der allerdings zusätzlich verlangt, der Arbeitnehmer müsse mit der Feststellungsklage zum Ausdruck bringen, daß er alle in dem Arbeitsverhältnis wurzelnden Ansprüche geltend machen wolle.

b)Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. (aa)Die entsprechende Anwendung eines einzelnen Gesetzes oder mehrerer, denselben Rechtsgedanken verfolgender Bestimmungen ist zulässig, wenn das positive Recht eine ausfüllungsbedürftige Lücke aufweist. Eine derartige Lücke besteht dort, wo das Recht "planwidrig unvollständig" ist (vgl. BAGE 21, 106, 109 f. = AP Nr. 1 zu § 5 RechtsstellungsG, zu 2 der Gründe; BGHZ 65, 300, 302, jeweils m.w.N.).

Es kann in diesem Zusammenhang offenbleiben, ob diese Grundsätze auch auf Ausnahmeregelungen, wie die Vorschriften über die Unterbrechung der Verjährung, Anwendung finden. Dies möchte das Berufungsgericht offenbar verneinen, wenn es auf den abschließenden Charakter des § 209 BGB hinweist (vgl. auch MünchKomm von Feldmann, BGB, 2. Aufl., § 209 Rz 22 sowie BGH Urteil vom 27. August 1977 - VIII ZR 246/75 - WM 1977, 766, 768). Der Siebte Senat des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 8. Juni 1978 - VII ZR 54/76 - NJW 1978, 1975), auf dessen Urteil wohl die Revision abhebt, sowie das Bundesarbeitsgericht (BAGE 21, 106 = AP, aaO) haben die Analogiefähigkeit einer Ausnahmeregelung unter der Voraussetzung bejaht, daß den fraglichen Vorschriften ein gemeinsames, engeres Prinzip zugrunde liegt. Auch wenn man sich den beiden letztgenannten Entscheidungen anschließt, scheidet die Annahme einer Regelungslücke aus. Von einer planwidrigen Unvollständigkeit könnte nur dann die Rede sein, wenn den in § 209 BGB aufgeführten Handlungen entweder gemeinsam wäre, daß bereits eine lediglich vorbereitende Klage zur Unterbrechung der Verjährung führen kann, oder aber, daß die zur Unterbrechung führende Handlung zwar den Anspruch selbst betreffen muß, die Klagen gemäß § 4 KSchG, § 256 ZPO aber im Hinblick auf den Zweck des § 209 BGB dieselben Eigenschaften wie die den Anspruch unmittelbar betreffenden Klagen haben (vgl. auch BGH, aaO, NJW 1978, 1975). An beiden Voraussetzungen fehlt es.

(bb)§ 209 BGB kann nicht das allgemeine Prinzip entnommen werden, daß bereits eine die Durchsetzung des Anspruchs lediglich vorbereitende Klage die Verjährung unterbricht. Allen dort aufgeführten prozessualen Handlungen ist nämlich gemeinsam, daß sie unmittelbar den Anspruch zum Gegenstand haben müssen, dessen Verjährung unterbrochen werden soll. Das entspricht dem Zweck der Verjährungsvorschriften. Sie sollen Rechtssicherheit und Rechtsfrieden bewahren. Das Gesetz hat an die gerichtliche Geltendmachung die Unterbrechung der Verjährung angeknüpft, weil der Berechtigte durch positive Betätigung seines Rechts ernsthaft und unmißverständlich zu erkennen gibt, daß und in welchem Umfang er sein Recht durchsetzen will (BGH, aaO, NJW 1978, 1975; BGHZ 80, 222, 226; MünchKomm von Feldmann, aaO, § 209 Rz 1). Im Umfang der Geltendmachung kann sich der Schuldner nunmehr auf einen (eventuellen) Rechtsstreit einrichten und gegebenenfalls vorhandene Beweise rechtzeitig sichern.

(cc)Eine Analogie kann aber auch nicht daraus hergeleitet werden, daß den Klagen gemäß § 4 KSchG, § 256 ZPO im Hinblick auf den Zweck des § 209 BGB dieselbe Wirkung wie einer den Anspruch unmittelbar betreffenden Klage beizumessen ist.

c)Der in § 209 BGB verwendete Begriff des "Anspruchs" bezeichnet den Anspruch im Sinne des § 194 BGB, dessen Verjährung durch die Klageerhebung unterbrochen werden soll (Urteile des Fünften Senats vom 1. Februar 1960 und 29. Mai 1961, aaO; BGH Urteil vom 18. November 1982 - IX ZR 91/82 - NJW 1983, 388). Die Klägerin hat jedoch mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage dem Gericht den hier streitbefangenen materiellrechtlich Anspruch aus § 615 Satz 1 BGB weder ausdrücklich noch in der Sache zur Entscheidung unterbreitet. Das ergibt sich bereits aus der Fassung des Klageantrags im Kündigungsschutzprozeß, der nicht auf die Zahlung eines Geldbetrags gerichtet war. Der Kündigungsschutzklage wie auch der allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 ZPO kann jedoch eine verjährungsunterbrechende Wirkung nicht mit der Erwägung zuerkannt werden, sie seien auf die Sicherung aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gerichtet.

d)Aus diesem Gesichtspunkt hat das Bundesarbeitsgericht (vgl. Urteile vom 26. März 1977 - 5 AZR 51/76 - AP Nr. 59 zu § 4 TVG Ausschlußfristen und vom 13. Februar 1979 - 6 AZR 1108/77 - AP Nr. 10 zu § 7 BUrlG Abgeltung) zwar in der Erhebung der Kündigungsschutzklage je nach Lage des Falles eine formlose oder schriftliche Geltendmachung von Ansprüchen im Sinne tariflicher Ausschlußfristen gesehen. Die für die Unterbrechung der Verjährung gemäß § 209 BGB hingegen erforderliche Sicherheit, daß und in welchem Umfang der Gläubiger einen vom Ausgang des Kündigungsschutzprozesses abhängigen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis später auch tatsächlich ernsthaft und unmißverständlich verfolgt, wird dem Schuldner durch die Erhebung einer der vorstehend genannten Klagen nicht vermittelt. Darauf hat der Fünfte Senat in seinen Urteilen vom 1. Februar 1960 und vom 29. Mai 1961 (aaO) zutreffend hingewiesen. Mit dem Arbeitsverhältnis sind je nach Ausgestaltung eine Vielzahl von materiellrechtlichen Ansprüchen des Arbeitnehmers verbunden (etwa Lohn, Urlaub, Gratifikationen, Zulagen, vermögenswirksame Leistungen etc.). Ein Kündigungsrechtsstreit gibt jedoch für sich genommen zunächst keinen Aufschluß darüber, ob nach rechtskräftigem Abschluß überhaupt derartige Ansprüche geltend gemacht werden. Zu denken ist in diesem Zusammenhang in erster Linie daran, daß der Arbeitnehmer im Anschluß an den vorgesehenen Beendigungszeitpunkt eine Erwerbstätigkeit findet, die ihm Verdienst in gleichem oder größerem Umfang bietet (§ 615 Satz 2 BGB). Ferner ist unklar, welche der denkbaren Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nach einem Kündigungsrechtsstreit geltend gemacht werden. So kann sich eine Leistungsklage beispielsweise auf vermögenswirksame Leistungen oder die Gewährung einer Zulage beschränken, weil nur diese beim neuen Arbeitgeber nicht gewährt werden. Schließlich schafft ein Kündigungsrechtsstreit keine Klarheit darüber, in welchem Umfang Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend gemacht werden. Der Arbeitnehmer kann sich aus Kostengründen auf eine Teilklage beschränken, etwa weil ihm eine Voraussetzung des Annahmeverzugs zweifelhaft erscheint. Grundsätzlich unterbricht jedoch eine Teilklage nur in Höhe des eingeklagten Betrags, selbst wenn der Anspruch nach seinem ganzen Umfang dargelegt und die Geltendmachung des Restes ausdrücklich vorbehalten wurde (vgl. Palandt/ Heinrichs, BGB, 51. Aufl., § 209 Anm. 6 b, m.w.N.). Denkbar ist auch, daß der Arbeitnehmer im Anschluß an die Kündigung nur vorübergehend eine anderweitige Erwerbstätigkeit ausgeübt hat oder aber die vergleichbaren Ansprüche aus einer dauerhaften Tätigkeit durchweg geringer sind als bei dem früheren Arbeitgeber. Der Schuldner, der durch die Verjährungsvorschriften gerade vor Beweisschwierigkeiten geschützt werden soll (vgl. BGH, aaO, NJW 1983, 388, m.w.N.) wäre im Hinblick auf alle denkbaren Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gezwungen, gleichsam auf Verdacht Maßnahmen zu ergreifen, die einer Verschlechterung seiner Beweisposition entgegenwirken.

e)Das Bundesarbeitsgericht hat deshalb auch in den Fällen sog. zweistufiger tariflicher Ausschlußklauseln, die bestimmen, daß Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nach vergeblicher formloser oder schriftlicher Geltendmachung innerhalb einer bestimmten Frist gerichtlich geltend gemacht werden müssen, für die gerichtliche Geltendmachung dann die Erhebung einer fristgerechten Zahlungsklage gefordert (vgl. BAGE 29, 152 = AP, aaO; Senatsurteil vom 9. August 1990 - 2 AZR 579/89 - AP Nr. 46 zu § 615 BGB, zu B II 2 b der Gründe).

3.a)Von anderen Autoren (A. Hueck, Anm. zu AP Nr. 1 zu § 209 BGB; KR-Friedrich, aaO, § 4 KSchG Rz 36; offenbar auch Güntner, BB 1962, 1044, 1045) wird eine Ablaufhemmung bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsschutzprozesses in analoger Anwendung der §§ 206, 207 BGB befürwortet.

b)Auch dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Sie argumentiert pauschal mit der vergleichbaren Interessenlage. Lediglich Güntner (aaO, S. 1045) beschäftigt sich in diesem Zusammenhang mit dem Vorliegen einer Regelungslücke. Eine solche könnte nur in Betracht gezogen werden, wenn der Arbeitnehmer bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsrechtsstreits objektiv gehindert wäre, seinen Lohnanspruch gerichtlich durchzusetzen. Denn gerade aus dem Umstand der objektiven Verhinderung des Gläubigers beziehen die genannten Vorschriften ihre Rechtfertigung. Sie beruhen beide auf derselben Erwägung, daß der Gläubiger nicht deshalb seinen Anspruch verlieren darf, weil er mangels rechtlicher Fähigkeit oder mangels Kenntnis von seiner Gläubigerstellung bzw. von der Person des Anspruchsgegners für eine rechtzeitige Unterbrechung der Verjährung nicht sorgen kann (Palandt/Heinrichs, aaO, § 206 Anm. 1, § 207 Anm. 1). In einer derart schutzwürdigen Lage befindet sich ein gekündigter Arbeitnehmer jedoch nicht. Becker/Bader (aaO, S. 1715) haben zutreffend darauf hingewiesen, daß die sozialen Schutzbelange (Prozeßrisiko, Kosten) eines solchen Arbeitnehmers keine objektiven Hindernisse für die gerichtliche Durchsetzung seines Anspruchs aus dem Arbeitsverhältnis darstellen.

4.Schließlich wird die Auffassung vertreten, die Verjährung der Lohnansprüche müsse bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzprozesses in zumindest entsprechender Anwendung des § 202 BGB als gehemmt angesehen werden (Lüke, NJW 1960, 1333, 1334; Nikisch, aaO, S. 781; Konzen, SAE 1970, 279).

a)Hierzu wird ausgeführt, der Schuldner habe zwar kein Leistungsverweigerungsrecht, der Gläubiger könne aber bei Aussetzung des Rechtsstreits über den Lohnanspruch gemäß § 148 ZPO diesen Anspruch nicht durchsetzen.

b)Diese Begründung überzeugt ebenfalls nicht. § 202 Abs. 1 BGB beruht auf dem Gedanken, daß die Zeit, in welcher der Gläubiger aus rechtlichen Hindernissen den Anspruch vorübergehend nicht geltend machen kann, bei sachgerechter Interessenabwägung nicht in die Verjährungsfrist einbezogen werden darf (vgl. Palandt/ Heinrichs, aaO, § 202 Anm. 1 b). Sieht man einmal davon ab, daß eine Hemmung nach der gesetzlichen Konzeption nicht durch eine Klageerhebung eintritt (vgl. Becker/Bader, aaO, S. 1715; dies räumt selbst Konzen, aaO, ein), scheitert eine Analogie auch hier letztlich daran, daß die Erhebung der Kündigungsschutzklage die Klägerin nicht gehindert hat, den ausstehenden Lohn rechtzeitig gerichtlich geltend zu machen. An der gerichtlichen Durchsetzung gehindert wäre sie allenfalls dann bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsrechtsstreits gewesen, wenn sie die Leistungsklage erhoben und das mit der Zahlungsklage befaßte Gericht den Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO auch tatsächlich ausgesetzt hätte. Dann hätte jedoch bereits die zeitlich zwangsläufig vor dem Aussetzungsbeschluß liegende Erhebung der Zahlungsklage gemäß § 209 BGB zu der für die Klägerin im Hinblick auf § 217 BGB (im Vergleich zu §§ 202, 205 BGB) günstigeren Unterbrechung der Verjährung geführt (ebenso das Urteil BAGE 9, 7, 14 = AP, aaO, in dem im Hinblick auf die Möglichkeit, unabhängig von einer Kündigungsschutzklage die Lohnansprüche nach § 615 BGB gerichtlich geltend zu machen, auch eine Verjährungshemmung in analoger Anwendung der §§ 203 und 210 BGB abgelehnt wird).

Hillebrecht Triebfürst Dr. Rost

Rupprecht Mauer

 

Fundstellen

DB 1992, 2508-2510 (LT1)

AiB 1992, 743 (LT1)

BetrVG, (5) (LT1)

EWiR 1992, 861 (S)

NZA 1992, 1025

NZA 1992, 1025-1028 (LT1)

RdA 1992, 282

RzK, I 13a Nr 43 (LT1)

ZAP, EN-Nr 983/92 (S)

AP § 209 BGB (LT1), Nr 6

AR-Blattei, ES 1680 Nr 55 (LT1)

ArztR 1993, 5 (T)

EzA § 209 BGB, Nr 5 (LT1)

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