Entscheidungsstichwort (Thema)

Parteifähigkeit einer gelöschten GmbH, Annahmeverzug

 

Normenkette

ZPO §§ 50-51; LöschG §§ 1-2; BGB § 615; BUrlG § 7 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 20.07.1988; Aktenzeichen 12 Sa 2/88)

ArbG Karlsruhe (Urteil vom 07.08.1987; Aktenzeichen 7 Ca 161/87)

 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 20. Juli 1988 – 12 Sa 2/88 – wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger war bei der Beklagten seit 1977 als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Mit Schreiben vom 14. Februar 1986 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 1986. Bis zum 5. Juni 1986 arbeitete der Kläger. Anschließend nahm er bis zum 30. Juni 1986 Urlaub. Noch während des Kündigungsrechtsstreits unterzeichnete der Kläger am 13. Juni 1986 eine Erklärung, in der er den Erhalt der Arbeitspapiere bestätigte und erklärte, daß ihm aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, keinerlei Ansprüche gegen die Beklagte zustünden. Der Kläger obsiegte im Kündigungsrechtsstreit. Zum 30. April 1987 beendeten die Parteien das Arbeitsverhältnis einvernehmlich.

Mit der am 2. Juni 1987 erhobenen Klage hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung von Verzugslohn für die Zeit vom 1. Juli 1986 bis zum 30. April 1987 in Anspruch genommen einschließlich vermögenswirksamer Leistungen, des Weihnachtsgelds für 1986 und zusätzlicher Urlaubszuschüsse.

Im einzelnen hat der Kläger die Klageforderung wie folgt beziffert:

1. Gehalt für zehn Monate

35.520,– DM

2. Vermögenswirksame Leistungen (in Vorlage getreten)

520,– DM

3. Weihnachtsgeld 1986

2.131,20 DM

4. Urlaubszuschüsse für 15 Tage 1986

1.239,– DM

5. Urlaubszuschüsse für 10 Tage 1987

826,– DM

40.236,20 DM

abzüglich

1. Steuer u. Versicherungsbeiträge

13.111,88 DM

2. Bezogenes Arbeitslosen- und Unterhaltsgeld

15.839,70 DM

11.284,62 DM

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 11.284,62 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 2. Juni 1987 zu zahlen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Urteil vom 7. August 1987 stattgegeben. Am 12. Oktober 1987 wurde der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Beklagten mangels Masse abgewiesen. Am 13. November 1987 wurde die Auflösung der Beklagten im Handelsregister eingetragen. Am 18. Dezember 1987 wurde der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts zugestellt. Am 30. Dezember 1987 wurde sie wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht.

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Klage sei unzulässig geworden. Mit der Löschung im Handelsregister habe sie ihre Partei- und Prozeßfähigkeit verloren. Soweit der Kläger behaupte, die Beklagte habe noch Vermögenswerte, müsse darüber Beweis erhoben werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Der Kläger hat in der Revisionsverhandlung die Klage hinsichtlich eines Betrages von 1.239,– DM (Urlaubszuschüsse für 15 Tage 1986) zurückgenommen. Der Senat hat somit über die Klageforderung nur noch in Höhe von 10.045,62 DM zu befinden. Diesen Betrag haben die Vorinstanzen dem Kläger zu Recht zugesprochen.

A. Die Revision ist zulässig. Die Eintragungen im Handelsregister über die Auflösung und die Löschung der Beklagten beeinträchtigen nicht die Zulässigkeit des Rechtsmittels. Die Parteien streiten gerade darüber, ob die Beklagte ihre Rechtsfähigkeit und damit ihre Partei- und Prozeßfähigkeit gemäß den §§ 50, 51 ZPO verloren hat. Um diesen Streit auszutragen, muß die Beklagte als parteifähig behandelt werden (BAG Urteil vom 22. März 1988 – 3 AZR 350/86 – AP Nr. 6 zu § 50 ZPO; BGHZ 24, 91, 94; BGHZ 74, 212 = NJW 1979, 1592; BGH Urteil vom 29. September 1981 – VI ZR 21/80 – NJW 1982, 238).

B. Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf den Verzugslohn für die Zeit vom 1. Juli 1986 bis 30. April 1987 einschließlich der vermögenswirksamen Leistungen und des Weihnachtsgelds für 1986 sowie Anspruch auf Urlaubszuschüsse aus dem Jahre 1987.

I. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die Klage sei zulässig. Die Beklagte hat ihre Partei- und Prozeßfähigkeit nicht verloren.

1. Die Beklagte ist, nachdem der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse abgelehnt worden war, auf Grund des § 1 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 LöschG als aufgelöst in das Handelsregister eingetragen worden. Dies führte, wie das Landesarbeitsgericht richtig entschieden hat, nicht zum Untergang der Gesellschaft und damit zum Verlust der Rechts- und Parteifähigkeit. Die Auflösung hatte nur die Änderung des Gesellschaftszwecks zur Folge. Die Gesellschaft war nun nicht mehr auf werbende Tätigkeit gerichtet, sondern war abzuwickeln. Die Rechts- und damit Parteifähigkeit einer Gesellschaft bleibt unberührt, wenn in das Handelsregister eingetragen wird, sie sei aufgelöst i.S. des § 1 Abs. 1 LöschG (BAG Urteil vom 22. März 1988 – 3 AZR 350/86 – AP Nr. 6 zu § 50 ZPO; BGH Urteil vom 23. Oktober 1980 – IV a ZR 79/80 – WM 1980, 1431).

2. Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, daß die Beklagte durch ihre Löschung im Handelsregister nach § 2 LöschG die Parteifähigkeit nicht verloren hat.

Nach § 2 LöschG kann eine GmbH, die kein Vermögen besitzt, von Amts wegen gelöscht werden, ohne daß eine Liquidation stattfindet. Die Eintragung der Löschung wirkt jedoch nicht rechtsgestaltend. Denn nach § 2 Abs. 3 LöschG findet die Liquidation statt, wenn sich nach der Löschung herausstellt, daß noch Vermögen vorhanden ist. Die Gesellschaft besteht daher fort, wenn sich nachträglich Vermögen herausstellt (BGH LM Nr. 1 zu § 74 GmbHG).

Der Kläger hat substantiiert unter Beweisantritt behauptet, daß die Beklagte noch Vermögenswerte besitzt. Dies genügt für die Annahme der passiven Parteifähigkeit der Beklagten. Einer Beweiserhebung darüber, ob tatsächlich noch Vermögenswerte der Beklagten vorhanden sind, bedarf es nicht (vgl. BGH, a.a.O.).

Damit kann auch die Streitfrage dahingestellt bleiben, ob eine GmbH, die während eines Rechtsstreits gelöscht wird, ihre passive Parteifähigkeit verliert, wenn feststeht, daß kein verteilbares Vermögen vorhanden ist (so BGHZ 74, 212; BGH Urteil vom 29. September 1981 – VI ZR 21/80 – a.a.O.; a.A. BAGE 36, 125 = AP Nr. 4 zu § 50 ZPO; offen gelassen BAG Urteil vom 22. März 1988 – 3 AZR 350/86 – a.a.O.).

II. Die Klage ist auch begründet.

1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß der Kläger für die Zeit vom 1. Juli 1986 bis zum 30. April 1987 einen Anspruch auf die vereinbarte Vergütung einschließlich der vermögenswirksamen Leistungen und des Weihnachtsgelds für 1986 hat. Die Beklagte befand sich im Annahmeverzug (§ 615 BGB).

Das Landesarbeitsgericht hatte rechtskräftig entschieden, daß die Kündigung unwirksam war. Das Arbeitsverhältnis bestand somit über den 30. Juni 1986 hinaus bis zum 30. April 1987 fort. Die Beklagte geriet mit der Annahme der Dienste ab 1. Juli 1986 in Verzug, weil sie den Kläger nicht zur Arbeit aufforderte (BAGE 46, 234 = AP Nr. 34 zu § 615 BGB; BAG Urteil vom 21. März 1985 – 2 AZR 201/84 – AP Nr. 35 zu § 615 BGB).

2. Im Ergebnis zu Recht hat das Landesarbeitsgericht dem Kläger auch den Anspruch auf Urlaubszuschüsse für zehn Urlaubstage aus dem Jahre 1987 zugesprochen. Der Anspruch ergibt sich allerdings nicht aus § 615 BGB, sondern aus § 7 Abs. 4 BUrlG.

Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses (30. April 1987) standen dem Kläger unstreitig zehn Urlaubstage für das Jahr 1987 zu. Da dieser Urlaub nicht mehr gewährt werden konnte, war er nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten. Die „Urlaubszuschüsse”, die der Kläger verlangt, sind wie ein zum Urlaubsentgelt hinzutretendes Urlaubsgeld zu behandeln; sie sind also Bestandteil des Urlaubsabgeltungsanspruchs.

3. Den Klageansprüchen steht die Erklärung des Klägers vom 13. Juni 1986 nicht entgegen.

In dieser bestätigte der Kläger den Empfang der Arbeitspapiere und, daß aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, keinerlei Ansprüche mehr gegen die Beklagte bestehen. Diese Erklärung wurde während des anhängigen Kündigungsschutzprozesses abgegeben, auf dessen weitere Durchführung unstreitig nicht verzichtet werden sollte. Sie bezog sich daher im Zweifel nur auf Ansprüche, die bis zu dem von der Beklagten gewünschten Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden. Tatsachen dafür, daß auch Ansprüche erfaßt sein sollten, die erst vom Ergebnis des Kündigungsschutzprozesses abhingen, hat die Beklagte nicht vorgetragen.

 

Unterschriften

Michels-Holl, Dr. Peifer, Dr. Wittek, Dr. Meyer, Mache

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1015722

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