Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückzahlung von Fortbildungskosten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Zulässigkeit einzelvertraglicher Klauseln, wonach der Arbeitnehmer bei vorzeitigem Ausscheiden Fortbildungskosten zurückzuzahlen hat, hängt auch von der Dauer der Bildungsmaßnahme ab (ständige Rechtsprechung des Senats). Besteht diese aus mehreren Unterrichtsabschnitten, so sind die dazwischenliegenden Zeiten bei der Berechnung der Dauer nicht mit zu berücksichtigen.

2. Bei einer Lehrgangsdauer von drei bis vier Monaten (hier: Verwaltungslehrgang I der Bayerischen Verwaltungsschule) ist eine Bindungsdauer von zwei Jahren jedenfalls nicht zu lang bemessen. Der Senat neigt dazu, daß eine längere Bindungsdauer in derartigen Fällen regelmäßig unzulässig ist.

3. Es gibt keinen Grundsatz, daß die Bindungsdauer höchstens sechs mal so lang sein darf wie die Dauer der Bildungsmaßnahme.

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

LAG München (Urteil vom 21.01.1994; Aktenzeichen 10 (8) Sa 469/92)

ArbG München (Urteil vom 11.03.1992; Aktenzeichen 31 b Ca 655/91 W)

 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 21. Januar 1994 – 10 (8) Sa 469/92 – wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rückzahlung von Weiterbildungskosten, die der klagende Landkreis für die Teilnahme der Beklagten am Angestelltenlehrgang I der Bayerischen Verwaltungsschule aufgewendet hat.

Die Beklagte war seit dem 1. Dezember 1986 beim klagenden Landkreis beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtete sich nach den Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT). Die Beklagte war zunächst als Registratorin und ab 1. September 1988 als Zuarbeiterin und Schreibkraft eingesetzt. Sie war in die Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 1 a der Anlage 1 a zum BAT eingruppiert.

§ 25 BAT und die Anlage 3 zum BAT machen die Eingruppierung von „Angestellten im kommunalen Verwaltungs- und Kassendienst sowie im Sparkassendienst” in bestimmte Vergütungsgruppen von Teilnahme an Lehrgängen mit abschließender Erster und Zweiter Prüfung abhängig. § 1 Abs. 2 Unterabsatz 1 der Anlage 3 zum BAT lautet:

§ 1 Ausbildungs- und Prüfungspflicht

(2) Für die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe

  1. VI b oder Vc,
  2. VII Fallgruppe 1 b oder V b Fallgruppe 1 c des Tarifvertrages zur Änderung und Ergänzung der Anlage 1 a zum BAT (Neufassung der Fallgruppen 1) vom 24. Juni 1975,

In der Satzung der Bayerischen Verwaltungsschule über die Lehrgänge und Fachprüfungen I und II für Verwaltungsangestellte (Lehrgangs- und Prüfungssatzung für Angestellte – LPSAng –) vom 25. Juli 1977 heißt es dazu u.a.:

§ 5

Art und Dauer der Lehrgänge

(1) Der Angestelltenlehrgang I dauert ein Jahr, der Angestelltenlehrgang II dauert zwei Jahre. Die Lehrgänge werden als Ortslehrgänge mit Teilzeitunterricht und ergänzende Abschlußlehrgänge mit Vollzeitunterricht durchgeführt.

(2) Im Rahmen der Ortslehrgänge sind vorgesehen:

  1. in der Regel sechs Unterrichtsstunden wöchentlich; der Unterricht soll an einem Tag in der Woche stattfinden,
  2. Aufsichtsarbeiten,
  3. sonstige Unterrichtsveranstaltungen.

(4) Am Ende der Angestelltenlehrgänge finden Abschlußlehrgänge mit täglichem Unterricht statt. Der Abschlußlehrgang beim Angestelltenlehrgang I dauert vier Wochen, der Abschlußlehrgang beim Angestelltenlehrgang II dauert acht Wochen; …

§ 6 Lehrfächer

(1) Der Angestelltenlehrgang I umfaßt folgende Lehrfächer:

  1. Einführung in das Recht und die Rechtsanwendung,
  2. Behördenorganisation und Verwaltungsorganisation, insbesondere Verwaltungstechnik,
  3. Grundbegriffe des allgemeinen Verwaltungsrechts einschließlich Rechtsbehelfe,
  4. Grundbegriffe des bürgerlichen Rechts,
  5. Staatskunde,
  6. Grundzüge des Kommunalrechts,
  7. Grundbegriffe des Sozialrechts (Sozialhilfe, Sozialversicherung, Jugendhilfe, Kindergeld),
  8. Grundzüge des Arbeits- und Tarifrechts im öffentlichen Dienst, Grundbegriffe des Beamtenrechts,
  9. Grundbegriffe der kommunalen oder staatlichen Finanzwirtschaft einschließlich steuerrechtlichen Grundbegriffe.

Während des Lehrgangs sollen sich die Teilnehmer auch in der freien Rede, Verhandlungs- und Diskussionstechnik und im Umgang mit dem Bürger üben.

Im Mai 1988 beantragte die Beklagte die Zulassung zum Angestelltenlehrgang I bei der Bayerischen Verwaltungsschule. Der Kläger entsprach dem Antrag der Beklagten. Am 21. November 1988 schlossen die Parteien eine schriftliche Vereinbarung, die den im Einvernehmen mit dem Personalrat erlassenen Richtlinien vom 20. Mai 1980 entsprach. Diese Vereinbarung lautet auszugsweise:

§ 1

Anmeldung

Der Angestellte wird auf seinen Antrag bei der Bayerischen Verwaltungsschule zum Besuch des 1-jährigen Lehrganges zur Vorbereitung auf die Fachprüfung I (im folgenden Fachlehrgang genannt) angemeldet.

§ 2

Leistungen des Arbeitgebers

(1) Der Arbeitgeber gewährt an den Angestellten in der Erwartung, daß das Arbeitsverhältnis auch nach Ablegung der Fachprüfung fortgesetzt wird, folgende freiwillige Leistungen:

  1. Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung der Vergütung (§ 26 BAT) … für die Zeit der lehrgangs- und prüfungsbedingten Abwesenheit;
  2. Übernahme von Kosten und Gebühren (Lehrgangs- und Prüfungsgebühren sowie Unterkunfts- und Verpflegungsgebühren) der Bayer. Verwaltungsschule;
  3. Reisekosten bzw. Trennungsgeld, soweit nach den tarifrechtlichen Vorschriften hierauf ein Anspruch besteht. …

§ 4

Kein Anspruch auf höhere Vergütung

Aus dem Bestehen der Fachprüfung allein kann der Angestellte keine Ansprüche auf eine höhere Vergütung oder auf Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit herleiten.

§ 5

Ersatzpflicht

(1) Der Angestellte hat die Leistungen des Arbeitgebers nach § 2 Abs. 1 Buchst. b) und c) sowie die während der Freistellung fortgezahlten Bezüge (§ 2 Buchst. a) zuzüglich der anteiligen Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung (Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung) und zur Zusatzversorgungskasse in voller Höhe zu erstatten, wenn er auf eigenen Wunsch oder aus seinem Verschulden

  1. die Anmeldung bis vor Beginn des Fachlehrganges zurückzieht,
  2. aus dem Lehrgang ausscheidet …,
  3. die Prüfung nicht ablegt oder im Falle des Nichtbestehens die Prüfung trotz Aufforderung durch den Arbeitgeber nicht wiederholt,
  4. aus dem Dienst seines Arbeitgebers vor Ablegung der Fachprüfung ausscheidet.

(2) Scheidet der Angestellte auf eigenen Wunsch oder aus seinem Verschulden innerhalb von 3 Jahren nach Ablegung der Prüfung aus dem Arbeitsverhältnis aus, so hat er dem Arbeitgeber für jeden vollen Kalendermonat, der an diesem Zeitraum fehlt, 1/36 der nach § 2 Abs. 1 erhaltenen Leistungen zu erstatten.

(3) Abs. 1 Buchst. d und Absatz 2 gelten nicht für weibliche Angestellte, wenn sie

  • gemäß § 10 Abs. 1 MuSchG zum Ende der Schutzfrist nach der Entbindung kündigen oder zum gleichen Zeitpunkt einen Auflösungsvertrag schließen oder danach zur Erziehung dieses Kindes kündigen oder einen Auflösungsvertrag schließen und
  • in den nachfolgenden 3 Jahren nach ihrem Ausscheiden (im Fall des Absatzes 1 Buchst. d) bzw. Ablegen der Prüfung (im Fall des Absatzes 2) kein neues Arbeits- oder Dienstverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber oder Dienstherrn eingehen.

Die Schwangerschaft darf der Angestellten zum Zeitpunkt der Anmeldung zum Lehrgang noch nicht bekannt gewesen sein.

(4) Der Arbeitgeber kann, soweit den Angestellten kein Verschulden trifft, auf die Geltendmachung der Ansprüche nach Absatz 1 und 2 verzichten, wenn auf Seiten des Angestellten ein wichtiger Grund vorgelegen hat, z.B. Schwangerschaft, Geburt eines Kindes, Krankheit.

Die Beklagte nahm ab 28. November 1988 an 66 Unterrichtstagen am Ortslehrgang und vom 29. Januar 1990 bis 23. Februar 1990 am Abschlußlehrgang teil. Nach dem „Stoffverteilungsplan” entfielen auf den Ortslehrgang 240 und auf den Abschlußlehrgang 120 Unterrichtsstunden. In der Zeit vom 2. März 1990 bis zum 9. März 1990 und am 13. März 1990 legte die Beklagte den schriftlichen und mündlichen Teil der Fachprüfung I erfolgreich ab. Sie erhielt weiter Vergütung nach Vergütungsgruppe VII BAT.

Mit Schreiben vom 15. Februar 1991 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. März 1991. Sie ist nunmehr im Bereich der Privatwirtschaft beschäftigt.

Der Kläger hat von der Beklagten die Rückzahlung anteiliger Weiterbildungskosten unter Berufung auf die Vereinbarung vom 21. November 1988 in Höhe von 8.831,31 DM verlangt. Er hält die Vereinbarung für wirksam und hat dazu vorgetragen: Durch den Angestelltenlehrgang I würden Kenntnisse vermittelt und durch den erfolgreichen Abschluß nachgewiesen, die im gesamten staatlichen und kommunalen öffentlichen Dienst des Freistaates Bayern verwertbar seien. Auch der Umstand, daß keine Ersatzkraft für die Beklagte eingestellt worden sei, könne nicht zu seinen Lasten berücksichtigt werden. Im übrigen seien während des Ortslehrgangs unaufschiebbare Arbeiten, z.B. dringende Schreibarbeiten, auf andere Mitarbeiter verlegt worden; während des Abschlußlehrgangs sei dem Sachgebiet 56, in dem die Beklagte gearbeitet habe, eine Mitarbeiterin des zentralen Schreibdienstes zugewiesen worden.

Den Rückzahlungsbetrag hat der Kläger wie folgt berechnet:

Während der Freistellung von der Arbeit für den Besuch der Unterrichtsveranstaltung der Bayer. Verwaltungsschule fortgezahlten Bezüge (ohne anteilige Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung sowie zur Zusatzversorgungskasse)

7.352,73 DM

Kosten und Gebühren (Lehrgangs- und Prüfungsgebühren sowie Unterkunfts- und Verpflegungsgebühren) der Bayer. Verwaltungsschule

5.516,00 DM

Der Beklagten erstattete Fahrtkosten für die Teilnahme am Unterricht der Bayerischen Verwaltungsschule

954,20 DM

13.822,93 DM

davon 23/36

8.831,31 DM

Der Betrag von 7.352,73 DM (Bezüge) enthält nicht die Fortzahlung der Vergütung für die Tage der schriftlichen und mündlichen Prüfung.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.831,31 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 11. Juli 1991 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält die Rückzahlungsvereinbarung für unwirksam. Die beruflichen Vorteile seien gering. Der Angestelltenlehrgang sei ausschließlich bei den kommunalen Arbeitgebern nützlich. Auch sei zu berücksichtigen, daß es sich nicht um einen zusammenhängenden Lehrgang handele, sondern während des Ortslehrgangs jeweils nur sechs Stunden pro Woche unterrichtet worden sei. Daher könne die Bindungsdauer nur zwölf Monate betragen. Im übrigen könne der Kläger die während der Freistellung fortgezahlten Bezüge nicht zurückverlangen, da ihm durch den Besuch des Lehrgangs keine Mehrkosten entstanden seien. Während des Ortslehrgangs seien die Arbeiten liegengeblieben und von ihr, der Beklagten, in der verbleibenden Arbeitszeit miterledigt worden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr in Höhe von 6.335,50 DM stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem klagenden Landkreis zu Recht einen Rückzahlungsanspruch in Höhe von 6.335,50 DM zuerkannt.

1. Die Rechte des Personalrats nach Art. 76 Abs. 1 Nr. 8 (nunmehr: Nr. 7) des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes vom 29. April 1974 (GVBl. S. 157) sind gewahrt. Die Rückzahlungsvereinbarung entsprach dem Vertragsmuster in den Richtlinien vom 20. Mai 1980, die im Einvernehmen mit dem Personalrat erlassen wurden.

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind einzelvertragliche Vereinbarungen, wonach Ausbildungskosten, die der Arbeitgeber aufgewendet hat, vom Arbeitnehmer zurückzuzahlen sind, wenn dieser das Arbeitsverhältnis vor Ablauf bestimmter Fristen beendet, grundsätzlich zulässig. Das gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Zahlungsverpflichtungen, die an die vom Arbeitnehmer ausgehende Kündigung anknüpfen, können gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen. Die Rückzahlungspflicht muß vom Standpunkt eines verständigen Betrachters einem begründeten und billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen. Der Arbeitnehmer muß mit der Ausbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten haben. Insgesamt muß die Erstattungspflicht dem Arbeitnehmer zuzumuten sein. Die für den Arbeitnehmer tragbaren Bindungen sind aufgrund einer Güterund Interessenabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Heranziehung der Umstände des Einzelfalles zu ermitteln (BAG Urteil vom 23. Februar 1983, BAGE 42, 48 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe; BAG Urteil vom 24. Juli 1991, BAGE 68, 178 = AP Nr. 16 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe). Die richterliche Inhaltskontrolle einzelvertraglicher Klauseln, durch die sich der Arbeitnehmer zur Rückzahlung von Ausbildungskosten verpflichtet, ist von Verfassungswegen geboten. § 242 BGB begründet die Befugnis zu einer richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen (Senatsurteil vom 16. März 1994 – 5 AZR 339/92 – AP Nr. 18 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe = DB 1994, 1726, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

3. Die bei der gerichtlichen Inhaltskontrolle von Rückzahlungsklauseln gebotene Interessenabwägung hat sich vorrangig daran zu orientieren, ob und inwieweit der Arbeitnehmer mit der Aus- oder Weiterbildung einen geldwerten Vorteil erlangt (ständige Rechtsprechung, grundlegend Urteil vom 18. August 1976, BAGE 28, 159 = AP Nr. 3 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe).

Im Streitfall ergeben sich die Vorteile für die Beklagte unmittelbar aus dem BAT. Der Bewährungsaufstieg von VergGr. VII Fallgruppe 1 a in VergGr. VI b (Fallgruppe 1 b) ist gemäß § 1 Abs. 2 Buchst. a der Anlage 3 zum BAT von der Ablegung der Ersten Prüfung (Fachprüfung I) abhängig. Zudem eröffnet diese der Beklagten im gesamten kommunalen Verwaltungsdienst – nicht nur im bayerischen – den Aufstieg vom einfachen in den mittleren Dienst. Sie konnte sich auch anderswo für derartige Stellen bewerben. Sie hat nicht dargelegt, daß solche Bewerbungen – etwa wegen der Vielzahl von Bewerbern, die diese erste Prüfung abgelegt haben – von vornherein aussichtslos gewesen wäre.

4. Die Zulässigkeit von Rückzahlungsklauseln hängt auch von der Fortbildungs- und Bindungsdauer ab. Beide müssen in angemessenem Verhältnis stehen (BAG Urteil vom 16. März 1994 – 5 AZR 339/92 – AP Nr. 18 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu A III 2 der Gründe). Denn da der Arbeitgeber während der Fortbildung üblicherweise die Vergütung fortzahlt oder einen Unterhaltszuschuß gewährt, hängt von ihrer Dauer regelmäßig die Höhe der Arbeitgeberaufwendungen maßgeblich ab. Entscheidend ist aber, daß die Dauer der Fortbildung ein starkes Indiz für die Qualität der erworbenen Qualifikation ist.

a) Der Senat hat im wesentlichen entschieden: Bei einer Lehrgangsdauer von bis zu zwei Monaten ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung darf im Regelfall höchstens eine einjährige Bindung vereinbart werden (Urteil vom 15. Dezember 1993 – 5 AZR 279/93 – AP Nr. 17 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Eine Lehrgangsdauer von sechs Monaten bis zu einem Jahr ohne Arbeitsverpflichtung rechtfertigt im Regelfall keine längere Bindung als drei Jahre (BAGE 42, 48, 54 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe; Urteil vom 11. April 1984 – 5 AZR 430/82 – AP Nr. 8 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe). Bei einer mehr als zweijährigen Dauer der Fortbildungsmaßnahme ohne Arbeitsleistung hat der Senat eine Bindungsdauer von fünf Jahren für zulässig gehalten (Urteile vom 19. Juni 1974 – 5 AZR 299/73 – und vom 12. Dezember 1979 – 5 AZR 1056/77 – AP Nr. 1, 4 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe). Eine Bindungsdauer von drei Jahren ist also keinesfalls im Regelfall unbedenklich. Der Grundsatz, daß die beiderseitigen Leistungen in angemessenem Verhältnis stehen müssen, erfordert vielmehr weitere Abstufungen.

b) Allerdings gelten die dargestellten Grundsätze nur für den Regelfall. Im Einzelfall kann auch bei kürzerer Dauer der Fortbildung eine verhältnismäßig lange Bindung gerechtfertigt sein, wenn etwa der Arbeitgeber erhebliche Mittel aufwendet und die Teilnahme an der Fortbildung dem Arbeitnehmer besondere Vorteile bringt. Umgekehrt kann auch bei längerer Dauer der Fortbildung nur eine verhältnismäßig kurze Bindung gerechtfertigt sein. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber nur verhältnismäßig wenig Mittel aufwendet und die Teilnahme an der Fortbildung dem Arbeitnehmer nur geringe Vorteile bringt.

c) Im vorliegenden Fall ist entscheidend auf die Dauer der Teilnahme der Beklagten an der Bildungsmaßnahme, nämlich dem Verwaltungslehrgang, abzustellen. Es handelt sich insoweit um einen Regelfall. Die fortgezahlten Beträge machen mehr als die Hälfte der Gesamtaufwendungen des Klägers aus.

5. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, vorliegend sei eine Bindungsdauer von zwei Jahren angemessen, denn die Teilnahme der Beklagten an dem Lehrgang habe zusammengerechnet etwa vier Monate ihrer Arbeitszeit in Anspruch genommen. Auch dies hält im Ergebnis der Revision der Beklagten stand.

a) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht bei der Feststellung der für die Lehrgangsteilnahme aufgewendeten Arbeitszeit der Beklagten die Prüfungstage nicht mitgerechnet. Denn für die Prüfungsteilnahme war die Klägerin bereits nach § 52 Abs. 1 Nr. 2 c BAT unter Fortzahlung ihres Gehaltes freizustellen. Ebenso richtig hat das Landesarbeitsgericht nicht den ganzen Zeitraum von gut einem Jahr von Beginn bis zum Ende des Lehrgangs als Dauer der Teilnahme gewertet, sondern nur die Zeiten, in denen die Beklagte an dem Lehrgang teilzunehmen hatte.

b) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, von der zusammengerechnet viermonatigen Teilnahme der Beklagten an dem Verwaltungslehrgang seien etwa drei Monate auf den Ortslehrgang entfallen. Dabei ist es davon ausgegangen, die Beklagte sei an den Tagen, an denen sie am Ortslehrgang teilgenommen hat, nicht mehr zur Arbeit, erschienen. Gegen diese Annahme wendet sich die Beklagte mit einer Verfahrensrüge unter Hinweis auf ihren erst nach der letzten mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz. Darin hat sie behauptet, an diesen Tagen ab 14.00 Uhr bis zum Dienstschluß gearbeitet zu haben, so daß ihre Freistellung insgesamt rechnerisch nicht vier, sondern nur drei Monate betragen habe.

Zu Gunsten der Beklagten kann unterstellt werden, die effektive Dauer des Arbeitszeitausfalls für ihre Teilnahme am Verwaltungslehrgang habe rechnerisch nur drei Monate ihrer Arbeitszeit in Anspruch genommen. Denn auch dann erweist sich ihre Revision als nicht begründet. Auch in diesem Fall ist die vom Landesarbeitsgericht als angemessen erachtete Bindungsdauer von zwei Jahren nicht zu lang bemessen.

c) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Senat habe in seinem Urteil vom 23. Februar 1983 (– 5 AZR 531/80 – BAGE 42, 49, 54 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, zu III 2 der Gründe) den Rechtssatz aufgestellt, die Bindungsdauer dürfe höchstens sechsmal so lang sein wie die Dauer der Fortbildungsmaßnahme, so daß hier bei einer viermonatigen Dauer des Verwaltungslehrgangs eine Bindungsdauer von höchstens 24 Monaten zulässig sei. Die Beklagte leitet daraus ab, daß bei eine Lehrgangsdauer von nur drei Monaten die Bindungsdauer höchstens 18 Monate betragen darf.

Einen solchen Grundsatz hat der Senat aber in dem genannten Urteil nicht aufgestellt. Vielmehr handelt es sich dort um einzelfallbezogene Ausführungen. Der Arbeitnehmer ist insbesondere vor einer übermäßig langen Bindungsdauer zu schützen. Das läßt sich auch anhand der bereits entschiedenen Fälle zeigen. Bei einer vierjährigen Dauer der Bildungsmaßnahme (so der Sachverhalt des Urteils vom 12. Dezember 1979 – 5 AZR 1056/77 – AP Nr. 4 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe) ist keinesfalls eine zwölfjährige oder gar vierundzwanzigjährige Bindungsdauer zulässig. Auch wenn die Bildungsmaßnahme länger als zwei Jahre dauert, begnügt sich die Vertragspraxis mit einer – vom Senat gebilligten – fünfjährigen – Bindungsfrist. Auch die im BAT enthaltenen Rückzahlungsklauseln (SR 2 a Nr. 7, SR 2 e I Nr. 10, SR 2 h Nr. 7, SR 2 o Nr. 9) enthalten keine längeren Bindungsfristen.

Hinzu kommt der Gesichtspunkt der Praktikabilität. Eine starre Relation führte zu einer Vielzahl zulässiger Bindungsfristen. Die Grundsätze über die Zulässigkeit von einzelvertraglichen Rückzahlungsklauseln müssen aber einfach und überschaubar sein; es darf nicht zu viele Abstufungen geben. Dies spricht dafür, die jeweilige Bindungsdauer auf volle Jahre zu bemessen. Dagegen hält der Senat eine monatliche Abstufung der Rückzahlung der Fortbildungskosten, soweit es sich um einzelvertragliche Rückzahlungsvereinbarungen handelt, für sachgerecht.

d) Hiervon ausgehend erweist sich im Hinblick auf die zulässige Bindungsdauer als unerheblich, ob der Lehrgang insgesamt vier Monate gedauert hat, wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat, oder aber nur drei Monate, wie die Beklagte behauptet. Es spricht manches dafür, daß bei einer Lehrgangsdauer von drei bis vier Monaten einzelvertraglich im Regelfall nur eine zweijährige Bindungsfrist vereinbart werden darf. Das bedarf jedoch im Streitfall keiner Entscheidung. Denn unter Berücksichtigung der oben dargestellten Rechtsprechung des Senats ist bei einer Lehrgangsdauer von drei Monaten eine Bindungsdauer von zwei Jahren jedenfalls nicht zu lang bemessen. Ob auch die von den Parteien vereinbarte dreijährige Bindungsfrist zulässig gewesen wäre, hätte der Senat nur dann zu prüfen gehabt, wenn auch der klagende Landkreis Revision eingelegt hätte.

e) Die Tatsache, daß der Ortslehrgang nicht durchgehend, sondern tageweise abgehalten wurde, führt nicht zu einer Verkürzung der Bindungsdauer. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, daß die Durchführung des Angestelltenlehrgangs I in einem Zeitraum von etwa einem Jahr vernünftig und sachgerecht ist. Dies kommt beiden Parteien zugute. Der Arbeitgeber kann den tageweisen Ausfall eines Arbeitnehmers besser überbrücken, als dies bei einer durchgehenden Bildungsveranstaltung der Fall wäre. Die an dem Lehrgang teilnehmenden Arbeitnehmer können die Stoffülle besser bewältigen, da zwischen den Unterrichtstagen Gelegenheit zur Vor- und Nacharbeit besteht.

f) Eine Verringerung der zulässigen Bindungsdauer kommt auch deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger keinen Schadensersatz-, sondern einen vertraglichen Zahlungsanspruch geltend macht. Der Arbeitnehmer schuldet dem Arbeitgeber nicht einen bestimmten Erfolg, sondern seine Arbeitskraft während der gesamten Arbeitszeit. Wie sich der Arbeitgeber behilft, wenn er den Arbeitnehmer zwecks Weiterbildung von der Arbeitsleistung freistellt, ist grundsätzlich seine Sache. Schafft der bisher nicht ausgelastete Arbeitnehmer seine Arbeit auch in der neben der Freistellung verbleibenden Arbeitszeit, so kann er daraus nicht ableiten, daß die Bindungsdauer verkürzt wird.

g) Aus denselben Gründen ist es dem Kläger – entgegen der Auffassung der Revision – nicht verwehrt, auch die für die Dauer der Freistellung gezahlten Bezüge zurückzuverlangen.

6. Das Landesarbeitsgericht ist bei der Bemessung des zeitanteiligen Rückzahlungsbetrags auch zutreffend von der vollen Rückzahlungssumme von 13.822,93 DM ausgegangen. Sie war entgegen der Ansicht der Revision nicht von vornherein in dem Maße zu kürzen, wie das Landesarbeitsgericht die Bindungsdauer reduziert hat.

Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzelvertraglich eine zu lange Bindungsfrist für die Rückzahlung von Fortbildungskosten vereinbart, so ist sie nach ständiger Rechtsprechung des Senats auf das zulässige Maß zurückzuführen (Urteil vom 16. März 1994 – 5 AZR 339/92 – AP Nr. 18 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, zu A VI 1 der Gründe, m.w.N., auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Dies hat aber entgegen der Ansicht der Revision nicht zur Folge, daß der Rückzahlungsbetrag im selben Maße zu kürzen wäre, wie die Bindungsdauer gekürzt worden ist. Die Kürzung der Bindungsdauer beruht auf dem mutmaßlichen Parteiwillen (§ 139 BGB). Ihm entspricht es aber nicht, zugleich auch die Rückzahlungssumme zu kürzen. Denn der Aufwand, den der Arbeitgeber getragen hat, ist unabhängig davon entstanden, wie lange die Bindungsdauer sein durfte.

7. Auch die Berechnung des zuerkannten Teils der Klageforderung hält der Revision stand. Die Beklagte legte ihre Prüfung am 13. März 1990 ab und blieb danach noch bis zum 31. März 1991; sie schied also 11 1/2 Monate vor Ablauf der Bindungsfrist aus. Daher stand dem klagenden Landkreis mindestens ein Anspruch auf Rückzahlung von 11/24 der gesamten Aufwendungen für die Fortbildung zu. Das Landesarbeitsgericht hat also dem Kläger zu Recht 6.335,50 DM zuerkannt.

 

Unterschriften

Schliemann, Reinecke, Mikosch, Werner, Kessel

 

Fundstellen

Haufe-Index 439912

BB 1996, 332

NJW 1996, 1916

JR 1996, 308

NZA 1996, 314

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