Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für die zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung bei häufigen Kurzerkrankungen anzustellende Gesundheitsprognose können häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit für einen entsprechenden Krankheitsverlauf in der Zukunft sprechen. Der Arbeitgeber darf sich dann darauf beschränken, diese Fehlzeiten darzulegen. Der Arbeitnehmer muß im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 138 Abs 2 ZPO dartun, weshalb die Besorgnis weiterer Erkrankungen unberechtigt sein soll.

2. Dieser Mitwirkungspflicht genügt der Arbeitnehmer schon dann, wenn er die Behauptung des Arbeitgebers bestreitet und die Ärzte von der Schweigepflicht entbindet, die ihn behandelt haben, soweit darin die Darstellung liegt, die Ärzte hätten die künftige gesundheitliche Entwicklung ihm gegenüber bereits tatsächlich positiv beurteilt. Trägt er selbst konkrete Umstände, wie die Krankheitsursachen vor, so müssen diese geeignet sein, die Indizwirkung der bisherigen Fehlzeiten zu erschüttern; er muß jedoch nicht den Gegenbeweis führen, daß nicht mit weiteren künftigen Erkrankungen zu rechnen sei (im Anschluß an BAG, Urteil vom 23.6.1983, 2 AZR 15/82 = BAGE 43, 129 = AP Nr 10 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit).

3. Stehen die in der Vergangenheit angefallenen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Arbeitnehmers, ihre jeweilige Dauer und ihre Ursache fest, hat der Tatrichter nach § 286 ZPO zu entscheiden, ob diese Umstände die Annahme entsprechender Ausfälle in der Zukunft rechtfertigen. Beantragt der Arbeitnehmer die Vernehmung seiner behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen nur für die Krankheitsursachen und nicht auch für die von ihm behauptete positive Gesundheitsprognose, so ist der Tatrichter im Rahmen seines Ermessens nach § 144 ZPO nur dann zur Erhebung von Sachverständigenbeweis verpflichtet, wenn ihm die Sachkunde zur Prüfung fehlt, ob der bisherige Krankheitsverlauf ausreichende Indizien für eine negative Prognose enthält (im Anschluß an das Urteil des Senats vom 27. Mai 1977 - 2 AZR 201/76 - AP Nr 14 zu § 102 BetrVG 1972).

 

Normenkette

KSchG § 1; ZPO §§ 138, 286

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 13.07.1988; Aktenzeichen 2 Sa 24/88)

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 12.01.1988; Aktenzeichen 11 Ca 441/87)

 

Tatbestand

Der am 12. Dezember 1962 geborene, verheiratete und zwei Kindern unterhaltspflichtige Kläger war seit dem 25. Juni 1981 in der Abteilung 194 Montage Fertigstellung des Automobilwerks der Beklagten in S als Lackschleifer beschäftigt. Sein Stundenlohn betrug zuletzt 20,01 DM.

Der Kläger war im Jahre 1981 an insgesamt neun Arbeitstagen arbeitsunfähig krank und hatte ab 1982 insgesamt 406 krankheitsbedingte, nicht auf Betriebsunfällen beruhende Fehlzeiten:

1982 Arbeitstage Ursache

17.2. - 5.3. = 13 55 Arbeitstage Nasen-

16.8. - 8.10. = 50 operation, restliche Arbeits-

---- tage Angina

63

1983

17.1. = 1 --

20.1. - 5.2. = 12 --

16.2. - 27.2. = 8 --

20.6. - 1.7. = 10 --

22.8. - 23.10. = 45 Sportunfall, komplizierter

26.10. - 4.12. = 26 Knöchelbruch

6.12. - 13.12. = 6 "

----

108

1984

9.1. - 25.1. = 13 --

15.2. - 17.2. = 3 --

13.3. = 1 --

21.3. - 23.4. = 22 Folge des Knöchelbruchs von

16.7. - 26.7. = 9 1983 und ca. eine weitere Woche

1.10. - 2.11. = 24 Pankreopathie

28.11. - 8.12. = 10

----

82

1985

21.1. - 2.2. = 11 Häuslicher Unfall, Handflächen-

verbrennung

5.2. - 13.2. = 7 "

10.4. - 17.5. = 26 Gastritis

28.8. = 1 --

19.9. - 27.9. = 7 Abszeß am Gesäß

4.12. - 7.12. = 4 Grippe

----

56

1986

16.1. - 1.2. = 15 Gastritis

12.2. = 1 --

23.4. - 30.4. = 6 Gastritis

27.5. - 6.6. = 8 Abszeß in rechter Gesichtshälf-

te

9.9. - 26.9. = 14 Bronchitis

17.11. - 28.11. = 10 periproktischer Abszeß

----

54

1987

10.3. - 27.3. = 14 Gastroenteritis

19.5. - 21.5. = 3 --

15.7. - 20.7. = 4 Furunkel an Oberschenkel

10.9. - 10.10. = 22 grippaler Infekt

----

43

Mit Schreiben vom 12. Oktober 1987 unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat von ihrer Absicht, dem Kläger wegen betrieblicher Störungen und wirtschaftlicher Belastungen, die durch hohe und häufige Fehlzeiten bedingt seien, fristgemäß zu kündigen. Der Betriebsrat antwortete am 13. Oktober 1987, die beabsichtigte Kündigung sei erörtert worden, Widerspruch werde nicht eingelegt. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 14. Oktober 1987 fristgemäß zum 30. November 1987.

Nach Ausspruch der Kündigung war der Kläger vom 28. Oktober bis 13. November 1987 (13 Arbeitstage) wegen eines Furunkels arbeitsunfähig.

Mit der vorliegenden Klage hat sich der Kläger gegen diese Kündigung gewandt. Er hat geltend gemacht, sie sei sozialwidrig und beantragt

1. festzustellen, daß die Kündigung der Beklagten

rechtsunwirksam ist und das Arbeitsverhältnis

der Parteien auch über den 30.11.1987 fortbe-

steht,

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger arbeits-

vertragsgemäß bis zur rechtskräftigen Entschei-

dung im vorliegenden Verfahren wie bisher wei-

terzubeschäftigen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat vorgetragen, es seien weitere erhebliche Fehlzeiten des Klägers zu erwarten, die zu Störungen des Betriebsablaufs und zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung führen würden.

Auch wenn die auf Unfällen beruhenden Fehlzeiten außer Betracht blieben, rechtfertigten die übrigen, überdurchschnittlich hohen Fehlzeiten eine negative Gesundheitsprognose. Soweit der Kläger die Krankheitsarten mitgeteilt habe, ergebe sich eine besondere Anfälligkeit für Magenerkrankungen und Abszesse. Für erhebliche Ausfallzeiten habe der Kläger die Ursache nicht mitgeteilt. Ferner sei in diesem Zusammenhang sein niedriges Lebensalter zu seinen Ungunsten zu berücksichtigen.

Die Fehlzeiten des Klägers lägen erheblich über dem durchschnittlichen Krankenstand im Montagebereich von 10 %, für den sie Personal vorhalte. Sie hätten zu erheblichen Betriebsstörungen geführt. Sie habe seine Ausfälle teilweise durch den Einsatz höher qualifizierter und demgemäß auch höher bezahlter Mitarbeiter, durch Umsetzung von Mitarbeitern über mehrere Gruppen hinweg sowie durch den Einsatz von Ablösern und Vorarbeitern überbrückt. Fehlzeiten dieses Ausmaßes seien aber langfristig nicht auf diese Weise, sondern nur durch Neueinstellung auszugleichen.

Die Fehlzeiten des Klägers führten auch zu unzumutbaren wirtschaftlichen Belastungen. Sie habe bisher an Lohnfortzahlungen einschließlich Lohnnebenkosten 80.982,85 DM aufgewandt.

Der Kläger hat erwidert, die nicht auf Unfällen beruhenden Krankheiten wie Gastritis, Grippe und Angina seien ausheilbar. Es seien keine Dauerschäden oder ständige Neuerkrankungen zu erwarten. Die Kündigung scheitere somit bereits an der fehlenden negativen Gesundheitsprognose.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben.

Mit der Berufung hat die Beklagte weiter vorgetragen, eine negative Gesundheitsprognose ergebe sich bereits aus der durchschnittlichen jährlichen Fehlzeit des Klägers seit dem Jahre 1982 von 70 Arbeitstagen, die etwa einem Drittel der Gesamtarbeitszeit entspreche. Aber auch die Berücksichtigung der Krankheitsarten rechtfertige keine andere Beurteilung. Sowohl Abszesse wie Gastritis könnten von einer akuten und einmaligen wie von einer chronischen Entzündung herrühren und damit immer wieder akut werden. Der Kläger hätte somit die Art dieser Erkrankungen darlegen müssen. Die Häufigkeit ihres Auftretens beim Kläger lasse auf ein chronisches Grundleiden schließen. Auch habe der Kläger für einen Teil der Fehlzeiten keine Ursache vorgetragen. Ferner sei zu berücksichtigen, daß er nach Ausspruch der Kündigung wiederum an einem Furunkel erkrankt sei.

Der Kläger hat erwidert, jeder der Abszesse habe eine eigene Ursache gehabt, so daß aus diesen Erkrankungen nicht auf eine Wiederholungsgefahr geschlossen werden könne. Gastritis sei ein Sammelbegriff für Erkrankungen im Magen-Darmbereich, der Unwohlsein auslöse. Sie klinge rasch ab. Er habe keine chronischen Leiden dieser Art. Nach dem einschlägigen Manteltarifvertrag habe er im Hinblick auf seine Betriebszugehörigkeit für Erkrankungen bis zu drei Arbeitstagen keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen müssen.

Die Beklagte hat entgegnet, die tarifliche Regelung über die Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei für die Darlegungslast im Kündigungsprozeß ohne Bedeutung.

Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen.

Mit der Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

A. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Kündigung der Beklagten sei sozial gerechtfertigt, weil auch für die Zukunft mit erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers zu rechnen sei, die zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung der Beklagten mit Lohnfortzahlungskosten führten.

Das Berufungsgericht hat hierzu im wesentlichen ausgeführt, die krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers in den Jahren 1982 bis zum Zugang der Kündigung im Oktober 1987 seien überdurchschnittlich hoch gewesen, weil sie jeweils den Ausfallzeitraum von 30 Arbeitstagen überschritten hätten, den der Arbeitgeber im Hinblick auf die im LohnFG normierte Lohnzahlungspflicht für mindestens sechs Wochen pro Jahr hinnehmen müsse.

Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung hätten auch objektive Tatsachen vorgelegen, die die ernstliche Besorgnis weiterer häufiger Kurzerkrankungen rechtfertigten. Dies folge aus der Häufigkeit und Dauer der Erkrankungen sowie daraus, daß sie vom zweiten Jahr der Betriebszugehörigkeit des Klägers an in jedem Jahr aufgetreten seien und der Kläger bei Zugang der Kündigung erst 25 Jahre alt gewesen sei. Die häufigen Fehlzeiten in diesem Alter ließen auf einen allgemein nicht besonders stabilen Gesundheitszustand schließen.

Die auf diesen Umständen beruhende negative Gesundheitsprognose habe der Kläger durch die von ihm vorgetragenen und unbestritten gebliebenen Krankheitsursachen nicht entkräftet. Zwar seien 55 Arbeitstage wegen Nasenoperation im Jahr 1982, 77 Arbeitstage im Jahr 1983 und 22 Arbeitstage im Jahr 1984 wegen Knöchelbruchs sowie 18 Arbeitstage wegen eines häuslichen Unfalls im Jahre 1985 für die Prognose nicht heranzuziehen, weil sie auf singulären Krankheitsursachen beruhten. Es verblieben jedoch noch aus dem Jahr 1983 weitere 31, aus dem Jahre 1984 zumindest weitere 29, aus dem Jahr 1985 weitere 38, aus dem Jahre 1986 weitere 56 und aus dem Jahr 1987 bis zur Kündigung weitere 43, insgesamt 197 Fehltage. Die restlichen Fehltage in den Jahren 1983 und 1984 - die 24 Fehltage wegen Pankreopathie außer Betracht gelassen - seien von vornherein nicht geeignet, die Besorgnis künftiger Ausfälle auszuschließen, weil der Kläger hierfür keine Ursachen angegeben habe. Die für die übrigen Krankheitstage des Jahres 1985 und der Jahre 1986 bis 1987 vorgetragenen Ursachen seien eher geeignet, die Besorgnis künftiger Erkrankungen zu stützen, weil sie sich, wie die Krankheiten im Magen-Darm-Bereich, die Abszesse und Furunkel wiederholt hätten. Deshalb sei die auf die bisherigen Fehlzeiten des Klägers gestützte Gesundheitsprognose der Beklagten nicht erschüttert. Die Erkältungskrankheiten seien beim Kläger in den Jahren 1985 bis 1987 neben anderen Erkrankungen aufgetreten. Der Arbeitgeber brauche sie deshalb für die Gesundheitsprognose nicht außer Betracht zu lassen.

Diese für die Zukunft zu besorgenden Fehlzeiten rechtfertigten die Kündigung, weil die Lohnfortzahlungskosten, die der Beklagten in der Vergangenheit entstanden seien und mit denen sie auch für die Zukunft rechnen müsse, für sie eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung darstellten. Sie habe seit Beginn des Arbeitsverhältnisses bis zum Ausspruch der Kündigung und damit innerhalb von etwas mehr als sechs Jahren Lohnfortzahlungskosten in Höhe von über 80.000,-- DM aufwenden müssen, von denen die durch verschiedene Betriebsunfälle entstandenen nur einen geringen Teil ausmachten. Im Hinblick auf das Lebensalter des Klägers sei mit einer langen Dauer seines Arbeitsverhältnisses und einer entsprechend hohen Kostenbelastung für die Beklagte zu rechnen. In sechs von insgesamt sieben Beschäftigungsjahren seien erhebliche Kosten angefallen. Das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiege deshalb das im Hinblick auf den Familienstand und die Unterhaltspflichten bestehende Interesse des Klägers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes.

B. Gegen diese Würdigung wendet sich die Revision ohne Erfolg.

I. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 16. Februar 1989 - 2 AZR 299/88 - DB 1989, 2075, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt, zu B I der Gründe, m.w.N.) ist die Sozialwidrigkeit einer wegen häufiger Kurzerkrankungen ausgesprochenen ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers in drei Stufen zu prüfen.

1. Zunächst ist eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang rechtfertigen.

a) Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können für ein entsprechendes Erscheinungsbild in der Zukunft sprechen. Dann darf der Arbeitgeber sich zunächst darauf beschränken, die Indizwirkung entfaltenden Fehlzeiten in der Vergangenheit darzulegen. Wenn der Arbeitgeber die Krankheitsursachen nicht kennt, wird ihm die Prognose bei häufigen Kurzerkrankungen dadurch erleichtert, daß der Arbeitnehmer verpflichtet ist, zur Klärung der Frage, ob Fortsetzungserkrankungen im Sinne des LohnFG vorliegen, seinen Arzt oder die Krankenkasse von der Schweigepflicht zu befreien (BAGE 51, 308, 313 = AP Nr. 67 zu § 1 LohnFG, zu III 1 der Gründe; G. Reinecke, DB 1989, 2073).

b) Daraufhin muß der Arbeitnehmer gemäß § 138 Abs. 2 ZPO dartun, weshalb mit einer baldigen Genesung zu rechnen sei. Dieser prozessualen Mitwirkungspflicht genügt er bei unzureichender ärztlicher Aufklärung oder Kenntnis von seinem Gesundheitszustand schon dann, wenn er die Behauptung des Arbeitgebers bestreitet und die ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbindet, soweit darin die durch Auslegung seines Vortrags unter Berücksichtigung von § 139 ZPO zu ermittelnde Darstellung liegt, die Ärzte hätten die künftige gesundheitliche Entwicklung ihm gegenüber positiv beurteilt. Unsubstantiiert ist die Einlassung des Arbeitnehmers nur dann, wenn die "Berufung auf die behandelnden Ärzte" erkennen läßt, daß auch er sich erst noch durch deren Zeugnis die noch fehlende Kenntnis über den weiteren Verlauf seiner Erkrankungen verschaffen will. Mit dieser Klarstellung hält der Senat an seiner schon in BAGE 43, 129 (= AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit) vertretenen Ansicht fest, der Arbeitnehmer, der Krankheitsbefund und die vermutliche Entwicklung nicht hinreichend kenne oder schildern könne, genüge seiner prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann, wenn er seinen behandelnden Arzt von der Schweigepflicht entbinde. Darin liegt eine gebotene Modifizierung der bisherigen Rechtsprechung (BAGE 29, 49 = AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit), weil in der Praxis davon auszugehen ist, daß ein Arbeitnehmer, der sich auf die Auskunft seines Arztes beruft, damit hinreichend das Fehlen einer eigenen Kenntnis zum Ausdruck bringt (vgl. Ascheid, Beweislastfragen im Kündigungsschutzprozeß, S. 103 f.). Ein "Zwischenbeweisverfahren" über die vom Arbeitnehmer behauptete Unkenntnis ist allenfalls dann zu erwägen, wenn dieser selbst Arzt ist. In allen übrigen Fällen ersetzt die Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht ein substantiiertes Bestreiten der vom Arbeitgeber dargelegten negativen Prognose durch den Arbeitnehmer.

c) Zur Klärung, ob durch diese Art des Bestreitens durch den Arbeitnehmer die sich möglicherweise aus dem schlüssigen Vortrag des Arbeitgebers zur negativen Prognose ergebende Indizwirkung erschüttert werden kann, wird es regelmäßig erforderlich sein, den behandelnden Arzt als sachverständigen Zeugen (§ 414 ZPO) zu vernehmen, oder von ihm nach § 377 Abs. 3 und 4 ZPO eine schriftliche Zeugenaussage einzuholen. Nur so wird zu klären sein, ob ernsthaft die Möglichkeit eines von der bisherigen Entwicklung abweichenden anderen Geschehensablaufes (geringere Krankheitsanfälligkeit) zu erwägen ist.

d) Trägt der Arbeitnehmer selbst konkrete Umstände für seine Beschwerden und deren Ausheilung oder Abklingen vor, so müssen diese geeignet sein, die Indizwirkung der bisherigen Fehlzeiten zu erschüttern; er muß jedoch nicht den Gegenbeweis führen, daß nicht mit weiteren häufigen Erkrankungen zu rechnen sei (BAGE 43, 129, 139 = AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969, zu B III 2 c der Gründe).

2. Die prognostizierten Fehlzeiten sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, wenn sie zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Diese Beeinträchtigung ist Teil des Kündigungsgrundes. Hierbei kommen zwei Arten von Beeinträchtigungen in Betracht.

a) Wiederholte kurzfristige Ausfallzeiten des Arbeitnehmers können zu schwerwiegenden Störungen im Produktionsprozeß führen (Betriebsablaufstörungen).

b) Als Kündigungsgrund kann auch eine erhebliche wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers geeignet sein. Davon ist auch auszugehen, wenn für die Zukunft mit immer neuen, außergewöhnlich hohen Lohnfortzahlungskosten zu rechnen ist, die für jährlich jeweils einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen aufzuwenden sind. Dabei ist nur auf die Kosten des Arbeitsverhältnisses abzustellen.

3.a) Liegt nach den vorstehenden Grundsätzen eine erhebliche betriebliche oder wirtschaftliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen vor, so ist in einer dritten Stufe im Rahmen der nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG gebotenen Interessenabwägung zu prüfen, ob diese Beeinträchtigungen aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls vom Arbeitgeber noch hinzunehmen sind oder ein solches Ausmaß erreicht haben, daß sie ihm nicht mehr zuzumuten sind. Bei der Interessenabwägung ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Erkrankungen auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sind, ob bzw. wie lange das Arbeitsverhältnis zunächst ungestört verlaufen ist, ferner das Alter und der Familienstand des Arbeitnehmers.

b) In der dritten Stufe ist ferner zu prüfen, ob es dem Arbeitgeber zumutbar ist, die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen durch an sich mögliche weitere Überbrückungsmaßnahmen zu verhindern.

Hält der Arbeitgeber eine Personalreserve vor, so ist dies auch bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Belastung des Arbeitgebers mit erheblichen Lohnfortzahlungskosten zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. Damit werden erhebliche Kosten aufgewandt, um eine bestimmte, auf Erfahrungsregeln beruhende Fehlquote abzudecken. Diese Maßnahme stellt deshalb im Bereich der wirtschaftlichen Belastung des Betriebes einen zusätzlichen Umstand dar, der die Belastung des Arbeitgebers mit Lohnfortzahlungskosten unzumutbar machen kann, ohne daß daneben auch noch Betriebsablaufstörungen oder weitere den Betrieb belastende Auswirkungen vorliegen müßten.

II. Die Würdigung des Berufungsgerichts zur negativen Gesundheitsprognose ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Im vorliegenden Fall sind die nicht auf Betriebsunfällen beruhenden krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers, ihre jeweilige Dauer und ihre Ursache, soweit sie der Kläger mitgeteilt hat, unstreitig. Dies sind in erster Linie die für die Rechtfertigung der Besorgnis künftiger Erkrankungen maßgebenden Anhaltspunkte. Bei der Bewertung, ob diese Umstände ausreichen, die Annahme künftiger erheblicher Fehlzeiten zu rechtfertigen, steht dem Tatrichter im Rahmen der §§ 144, 286 ZPO ein Ermessensspielraum zu. In der Revisionsinstanz kann nur nachgeprüft werden, ob der Ermessensrahmen für die aus Fehlzeiten abgeleitete Prognose eingehalten worden ist (Senatsurteil vom 26. Mai 1977 - 2 AZR 201/76 - AP Nr. 14 zu § 102 BetrVG 1972, zu II 3 c und d der Gründe).

2. Das Berufungsgericht hat von den nicht auf Betriebsunfällen beruhenden 406 Fehltagen in den Jahren 1982 bis 1985 insgesamt 203 Fehltage als für eine Prognose ungeeignet angesehen, weil sie auf einmaligen Ursachen beruhten. Seine weitere Würdigung, von den verbleibenden Fehltagen rechtfertigten zumindest insgesamt 197 die Besorgnis entsprechender Ausfallzeiten in der Zukunft, hält sich in dem ihm zustehenden Rahmen der tatrichterlichen Würdigung nach § 286 ZPO.

a) Diese für die Prognose als relevant angesehenen Krankheitszeiten erhöhten sich von 31 im Jahre 1983 auf 56 im Jahre 1986 und umfaßten in den ersten zehn Monaten des Jahres 1987 43 Tage. Somit ist ein gewisser Anstieg der relevanten Ausfallzeiten zu verzeichnen. Sind die übrigen, auf einmaligen Ursachen beruhenden Erkrankungen für die Prognose außer Betracht zu lassen, so gilt dies auch für die Frage, ob die Erkrankungen eine steigende, gleichbleibende oder fallende Tendenz aufweisen, da immer nur die für eine Prognose geeigneten Fehlzeiten berücksichtigt werden dürfen. Die relevanten Krankheiten traten ferner mit einer gewissen Häufigkeit (1983 und 1987 je viermal, 1984 fünfmal, 1985 und 1986 je sechsmal) und auch mit einer gewissen Regelmäßigkeit auf (1983 von Januar bis Juni, 1984 und 1985 von Januar bis Dezember, 1986 von Februar bis November, 1987 von März bis Oktober). Das Berufungsgericht hat ohne Überschreitung seines tatrichterlichen Ermessensspielraumes angenommen, diese Daten ließen auf entsprechende Ausfälle in der Zukunft schließen.

b) Gleiches gilt für seine weitere Würdigung, diese Prognose werde durch den Vortrag des Klägers nicht erschüttert.

aa) Für insgesamt 65 Fehltage in den Jahren 1983 bis 1987 hat der Kläger keine Krankheitsursache angegeben. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können für ein entsprechendes Erscheinungsbild in der Zukunft sprechen; sie entfalten insoweit Indizwirkung. Nach den Grundsätzen zur Darlegungs- und Beweislast braucht der Arbeitgeber zunächst nur Anzahl und Dauer der Fehlzeiten, die für die Prognose aufschlußreich sind, darzulegen. Daraufhin muß der Arbeitnehmer dartun, weshalb mit einer baldigen Genesung zu rechnen sei. Trägt er hierzu nichts vor, so gilt die Behauptung des Arbeitgebers, daß künftige Fehlzeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten seien, gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Im vorliegenden Fall kann der Kläger nicht einwenden, nach der geltenden tariflichen Regelung müsse er für drei Ausfalltage keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen. Die tarifliche Nachweispflicht gilt für die Lohnfortzahlung und hat nichts mit der Darlegungslast im Kündigungsschutzprozeß zu tun. Im übrigen fallen nur zwölf der 65 nicht belegten Fehltage unter die tarifliche Nachweisregelung.

bb) Hinsichtlich der restlichen 132 Fehltage hat das Berufungsgericht angenommen, auch die vom Kläger hierfür angeführten und unbestritten gebliebenen Krankheitsursachen erschütterten die aus den Fehlzeiten gefolgerte negative Gesundheitsprognose nicht. Sie seien eher geeignet, diese Prognose zu stützen, weil sie sich, wie die Krankheiten im Magen-Darm-Bereich sowie die Abszesse und Furunkel, in den Jahren 1985 bis 1987 wiederholt hätten. Auch die Erkältungskrankheiten seien zu berücksichtigen, weil sie mit zu den häufigen Kurzerkrankungen geführt hätten. Auch diese Würdigung überschreitet nicht den Ermessensrahmen des Tatrichters.

Trägt der Arbeitnehmer konkrete Umstände dafür vor, aus welchen Gründen mit einer baldigen Genesung zu rechnen ist, so müssen sie, wie ausgeführt, geeignet sein, diese Annahme zu rechtfertigen. Der Kläger hat nicht behauptet, daß die von ihm bezeichneten Erkrankungen ganz oder überwiegend auf einem einheitlichen Grundleiden beruhten, das im Zeitpunkt der Kündigung ausgeheilt gewesen sei. Er hat im Gegenteil vorgetragen, jeder der Abszesse habe eine eigene Ursache gehabt. Gastritis sei ein Sammelbegriff für Erkrankungen im Magen-Darm-Bereich, die rasch abklingen. Er habe kein chronisches Leiden dieser Art. Allein die Beschaffenheit dieser Erkrankungen besagt jedoch ebensowenig wie die mitgeteilten Erkältungs- bzw. Infektionskrankheiten (Bronchitis und Grippe) etwas darüber, daß künftig keine weiteren ständigen Erkrankungen zu befürchten seien. Dann wird aber die Annahme einer erhöhten Krankheitsanfälligkeit nicht allein deswegen zweifelhaft, weil die Erkrankungen des Klägers auf unterschiedliche Ursachen zurückzuführen sind. Vielmehr kann der Tatrichter die begründete Wiederholungsgefahr auch aus der Häufigkeit verschiedener Krankheiten folgern (vgl. Senatsurteil vom 26. Mai 1977, aaO, zu II 3 d der Gründe).

cc) Ohne Erfolg bleibt die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der Revision, das Berufungsgericht hätte den Arzt Dr. D als sachverständigen Zeugen vernehmen müssen, der ausgesagt hätte, angesichts der bisherigen Erkrankungen des Klägers, seines Alters und seiner Lebensumstände sei künftig von einer wesentlichen, weit unter sechs Wochen im Jahr liegenden Minderung der Krankheitszeiten auszugehen. Der Kläger hat diesen Arzt im Schriftsatz vom 7. Dezember 1987 lediglich für die vorgetragenen und von der Beklagten nicht bestrittenen Ursachen der in den Jahren 1985 bis 1987 angefallenen Fehlzeiten als Zeugen benannt, nicht aber für den anschließenden Vortrag, diese Erkrankungen ließen keine ständig wiederkehrenden Ausfallzeiten befürchten. Im Hinblick auf diese Beschränkung des Beweisangebotes kann in der gleichzeitigen Entbindung des Arztes von seiner Schweigepflicht nicht auch die Berufung auf eine bereits erfolgte - positive - Beurteilung der künftigen gesundheitlichen Entwicklung des Klägers durch den behandelnden Arzt gesehen werden.

Fehlte es somit an einem entsprechenden Beweisantrag, so hätte das Berufungsgericht im Rahmen seines Ermessens nach § 144 ZPO Sachverständigenbeweis nur erheben müssen, wenn es ohne einschlägiges Fachwissen eine medizinische Frage nicht hätte beantworten können. Erhebt der Tatrichter keinen Sachverständigenbeweis, so kann diese Unterlassung in der Revisionsinstanz als Verfahrensfehler nur dann durchgreifend gerügt werden, wenn die Revision darlegt, aus welchen Gründen das Berufungsgericht die Grenzen seines Ermessens überschritten haben soll, welche Umstände für die medizinische Beurteilung maßgebend sind und inwiefern sie nur durch einen medizinischen Sachverständigen ausreichend gewürdigt werden können. Hierzu hat die Revision aber nichts vorgetragen.

III. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend angenommen, allein die zu erwartende wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers mit außergewöhnlich hohen Lohnfortzahlungskosten, die für jährlich jeweils einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen aufzuwenden sind, stelle einen zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung geeigneten Grund dar, wobei nur auf die Kosten des Arbeitsverhältnisses abzustellen sei. Die hiergegen von der Revision erhobenen Einwendungen, die Berücksichtigung der Lohnfortzahlungskosten für die Kündigung stelle einen Wertungswiderspruch zu den gesetzlichen Bestimmungen über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB dar, hat der Senat bereits in dem Urteil vom 16. Februar 1989 (aaO, zu III der Gründe) eingehend behandelt und nicht für durchschlagend erachtet; auf diese Ausführungen wird verwiesen.

IV. Auch die Interessenabwägung des Berufungsgerichts hält im Ergebnis der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

1. Die Erheblichkeit der wirtschaftlichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen hängt zunächst davon ab, welche Kostenbelastung der Arbeitgeber in der Zukunft zu besorgen hat. Deshalb können für diese Wertung auch nur die Lohnfortzahlungskosten berücksichtigt werden, die auf die auch in Zukunft zu erwartenden, im Rahmen der negativen Gesundheitsprognose ermittelten Ausfallzeiten entfallen.

a) In Verkennung dieses Grundsatzes hat das Berufungsgericht bei der Interessenabwägung die gesamten von der Beklagten in den Jahren 1981 bis 1987 für insgesamt 382 Arbeitstage aufgewendeten Lohnfortzahlungskosten in Höhe von 80.982,85 DM berücksichtigt und nur die für insgesamt zehn auf Betriebsunfälle entfallenden Tage aufgewendeten Kosten außer Betracht gelassen. Es hätte vielmehr auch die Kosten nicht einbeziehen dürfen, die die Beklagte für die vom Berufungsgericht für einmalige Erkrankungen, deren Wiederholung nicht zu besorgen ist, aufgewendet hat. Danach ergibt sich eine geringere, für die Prognose relevante Kostenbelastung.

b) Ausweislich der als Anlage dem Anhörungsschreiben an den Betriebsrat beigefügten Berechnung hat die Beklagte von den in den Jahren 1982 bis 1985 angefallenen insgesamt 203 Fehltagen, die das Berufungsgericht bei der Gesundheitsprognose zutreffend außer Betracht gelassen hat, für insgesamt 117 Fehltage Lohnkosten aufgewendet. Diese dürfen deshalb auch nicht bei der Interessenabwägung für die zu besorgende künftige wirtschaftliche Belastung der Beklagten mit Lohnfortzahlungskosten berücksichtigt werden. Das Berufungsgericht hat von den 382 in den Jahren 1981 bis 1987 krankheitsbedingt ausgefallenen Arbeitstagen, für die der Lohn fortgezahlt wurde, zehn auf Betriebsunfällen beruhende unberücksichtigt gelassen und somit zu erwartende Lohnfortzahlungskosten für 372 Arbeitstage angesetzt. Es hätte jedoch Lohnfortzahlungskosten für weitere 117 Arbeitstage ausklammern müssen und somit nur von einer um etwa 32 % niedrigeren künftigen Kostenbelastung ausgehen dürfen.

c) Wie weiter zu berücksichtigen ist, hat der Arbeitgeber eine Belastung mit Lohnfortzahlungskosten für sechs Wochen, das sind 30 Arbeitstage im Jahr, als Mindestbelastung hinzunehmen. Das entspricht rund 12 % der von der Beklagten zugrunde gelegten Jahresarbeitszeit von annähernd 246 Arbeitstagen, die sich daraus ergibt, daß die Beklagte bei ihrer Zusammenstellung der Ausfallzeiten für das Jahr 1984 82 Arbeitstage mit 33,1 % und sonach mit etwa 1/3 der Gesamtarbeitszeit ansetzt.

d) Legt man die Kosten von 10.912,58 DM zugrunde, die die Beklagte für 43 Fehltage im Jahre 1987 aufgewendet hat, so ergibt sich ein Tagessatz von 253,78 DM und eine zumutbare Kostenbelastung für 30 Arbeitstage von 7.613,40 DM. Geht man von dem Durchschnitt der in den Jahren 1985 bis 1987 vom Berufungsgericht als für eine Prognose geeignet angesehenen 137 Fehltage aus, so ergibt sich ein zu erwartender jährlicher Ausfall von 45 Arbeitstagen. Die Lohnfortzahlungskosten hierfür betragen dann nach dem Stand von 1987 11.420,10 DM und überschreiten demnach den Mindestbetrag um 3.806,70 DM.

2. Auf diesem Rechtsfehler beruht das angefochtene Urteil jedoch nicht, weil sich die Interessenabwägung gleichwohl als richtig erweist (§ 563 ZPO).

Auch die zu erwartenden, die vom Arbeitgeber hinzunehmende Mindestgrenze um 50 % übersteigenden Lohnfortzahlungskosten stellen im Streitfall eine erhebliche wirtschaftliche Belastung der Beklagten dar.

a) Zu ihren Gunsten hat das Berufungsgericht weiter zutreffend das noch verhältnismäßig niedrige Lebensalter des Klägers von knapp 25 Jahren im Zeitpunkt der Kündigung berücksichtigt, weil die Beklagte deshalb aufgrund der negativen Prognose auf nicht absehbare Zeit mit erheblichen Lohnfortzahlungskosten rechnen muß (vgl. dazu insbes. BAGE 45, 146 = AP Nr. 14 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit, zu B II 3 b der Gründe sowie das ebenfalls am 6. September 1989 in der Revisionssache - 2 AZR 224/89 - verkündete und zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmte Urteil des Senats).

b) Das Berufungsgericht durfte ferner zu Gunsten der Beklagten werten, daß das Arbeitsverhältnis vom zweiten Beschäftigungsjahr an mit erheblichen krankheitsbedingten und Lohnfortzahlungskosten auslösenden Ausfallzeiten belastet war. Im Rahmen der Interessenabwägung ist insoweit auch die gesamte tatsächliche bisherige Belastung mit Lohnfortzahlungskosten ohne Rücksicht darauf zu berücksichtigen, inwieweit sie für Ausfallzeiten aufgewendet wurden, die auf einmaligen und deshalb nicht für eine Prognose geeigneten Erkrankungen beruhen. Selbst Kosten für Ausfallzeiten, die unter der vom Arbeitgeber hinzunehmenden Mindestgrenze von sechs Wochen pro Jahr liegen, sind bei der Interessenabwägung für die Beantwortung der Frage einzubeziehen, inwieweit das Arbeitsverhältnis störungsfrei verlaufen ist (vgl. dazu ebenfalls das am 6. September 1989 in der Revisionssache - 2 AZR 224/89 - verkündete Urteil des Senats).

c) Zusätzlich zu diesen Umständen spricht für die Beklagte, daß sie nach ihrem vom Kläger nicht bestrittenen Vortrag für den im Arbeitsbereich des Klägers anfallenden durchschnittlichen Krankenstand von 10 % eine Personalreserve vorhält (vgl. Senatsurteil vom 16. Februar 1989, aaO, zu B I 3 b bb der Gründe). Diese Kosten sind zwar nicht konkret anteilig auf die Ausfallzeiten bestimmter Arbeitnehmer umzurechnen und ihnen unmittelbar anzulasten. Sie sind aber bei der Ermittlung der krankheitsbedingten wirtschaftlichen Belastungen im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen, weil die Vorhaltereserve auch dazu dient, noch zusätzliche Störungen des Betriebsablaufs aufgrund der Fehlzeiten zu vermeiden oder zu vermindern.

d) Unter Berücksichtigung der ergänzenden Erwägungen des Senats ist die Gesamtwürdigung des Berufungsgerichts, das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiege auch unter Berücksichtigung der Unterhaltspflichten des Klägers dessen Interesse an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dabei geht es auch vorliegend nicht um die soziale Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung allein wegen unzumutbarer Lohnfortzahlungskosten.

Hillebrecht Triebfürst Bitter

Timpe Dr. Kirchner

 

Fundstellen

Haufe-Index 437603

BB 1990, 553

BB 1990, 553-555 (LT1-3)

DB 1990, 429-431 (LT1-3)

NJW 1990, 2340-2341 (LT1-3)

EBE/BAG 1990, 26-30 (LT1-3)

BetrVG, (15) (LT1-3)

ASP 1990, 99 (K)

DOK 1990, 492 (L1-5)

EEK, II/186 (ST1-4)

NZA 1990, 307-308 (LT1-3)

RdA 1990, 61

USK, 8991 (ST1-5)

ZAP, EN-Nr 267/90 (S)

ZTR 1990, 118-120 (LT1-3)

AP § 1 KSchG 1969 Krankheit (LT1-3), Nr 21

EzA § 1 KSchG Krankheit, Nr 26 (LT1-3)

EzBAT § 53 BAT Krankheit, Nr 19 (LT1-3)

Mitt KAV NW 1990, 16-21 (LT1-3)

VR 1990, 215-216 (K)

VR 1990, 358 (K)

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