Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristung wegen zeitlich begrenzter Haushaltsmittel

 

Normenkette

BGB § 620

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 11.07.1996; Aktenzeichen 11 Sa 168/95)

ArbG Freiburg i. Br. (Urteil vom 30.03.1995; Aktenzeichen 3 Ca 604/94)

 

Tenor

Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 11. Juli 1996 – 11 Sa 168/95 – aufgehoben.

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 30. März 1995 – 3 Ca 604/94 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Befristungsvereinbarung.

Der Kläger ist Volljurist. Er wurde aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrags vom 20. Juli 1992 mit Wirkung vom 1. August 1992 befristet bis zum 31. Dezember 1994 beim Regierungspräsidium F. beschäftigt. Im Arbeitsvertrag war u.a. bestimmt, daß der Kläger als „Zeitangestellter” auf bestimmte Zeit nach SR 2y BAT eingestellt werde und sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden Tarifverträgen bestimmen sollte.

Die Einstellung des Klägers erfolgte im Rahmen des Sonderprogramms „Naturschutzgebietsausweisung” der Naturschutzverwaltung des beklagten Landes. Mit dem Sonderprogramm sollten über die regelmäßige Schutzgebietsausweisung hinaus naturnahe und damit besonders schutzwürdige Biotope mit überregionaler Bedeutung als Naturschutzgebiete ausgewiesen werden. Für dieses Sonderprogramm waren im Nachtrag zum Staatshaushalt 1989/1990 sowie im Doppelhaushalt 1991/1992 besondere Haushaltsmittel ausgewiesen. In den Erläuterungen zu diesen Haushaltsplänen hieß es jeweils, die zusätzlich eingestellten Mittel seien zur Durchführung des Sonderprogramms für den Personalaufwand von acht Angestellten mit bis längstens zum 31. Dezember 1994 befristeten Arbeitsverträgen bestimmt. Im nachfolgenden Doppelhaushalt 1993/1994 wurden wiederum Mittel für das Sonderprogramm „Naturschutzgebietsausweisung” ausgewiesen. Ausweislich der Erläuterungen wurden diese Mittel für den Personalaufwand von 12 befristet beschäftigten Angestellten bis zur Dauer von fünf Jahren veranschlagt.

Mit der vorliegenden, im November 1994 eingereichten Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung seines Arbeitsvertrags geltend gemacht. Im Gütetermin schlossen die Parteien einen Teilvergleich, in dem sich das beklagte Land verpflichtete, den Kläger ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bis zum erstinstanzlichen Abschluß des Rechtsstreits weiterzubeschäftigen. Am 6. März 1995 kündigte das beklagte Land „das durch den gerichtlichen Teilvergleich begründete Arbeitsverhältnis” und „gleichzeitig das durch den Arbeitsvertrag vom 20. Juli 1992 begründete Arbeitsverhältnis für den Fall seines Fortbestehens” fristlos, hilfsweise zum 30. Juni 1995. Gegen diese Kündigung hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben (Arbeitsgericht F. – 3 Ca 156/95 –). Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 20. Juli 1995 rechtskräftig festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche, hilfsweise ordentliche, Kündigung vom 6. März 1995 nicht aufgelöst worden ist. Mit der Befristung des Arbeitsvertrags hat sich das Arbeitsgericht nicht befaßt.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger die Auffassung vertreten, aufgrund des rechtskräftigen Urteils im Kündigungsschutzprozeß stehe zwischen den Parteien fest, daß zwischen ihnen über den 31. Dezember 1994 hinaus ein Arbeitsverhältnis bestanden habe; das beklagte Land könne sich daher nicht mehr darauf berufen, das Arbeitsverhältnis habe bereits am 31. Dezember 1994 geendet. Im übrigen sei die Befristung des Arbeitsvertrags unwirksam, da ein sachlicher Grund nicht vorliege. Das beklagte Land habe bei Vertragsabschluß nicht davon ausgehen dürfen, das Sonderprogramm „Naturschutzgebietsausweisung” werde am 31. Dezember 1994 eingestellt werden.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Befristungsabrede vom 20. Juli 1992 mit Ablauf des 31. Dezember 1994 geendet hat,

fürsorglich festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 31. Dezember 1994 hinaus fortbesteht.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Befristung wegen der haushaltsrechtlichen Vorgaben für sachlich gerechtfertigt gehalten. Mit einer Verlängerung des Sonderprogramms habe im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht gerechnet werden können.

Das Arbeitsgericht hat nach dem Hauptantrag des Klägers erkannt; das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt das beklagte Land weiterhin die Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage. Das mit Vertrag vom 20. Juli 1992 begründete Arbeitsverhältnis hat aufgrund rechtswirksamer Befristung mit dem 31. Dezember 1994 geendet.

I. Das Landesarbeitsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß die Rechtskraft des Urteils des Arbeitsgerichts F. … vom 20. Juli 1995 im Kündigungsschutzverfahren 3 Ca 156/95 das beklagte Land nicht daran hindert, im vorliegenden Rechtsstreit die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der zum 31. Dezember 1994 vereinbarten Befristung geltend zu machen. Denn über die Wirksamkeit dieser Befristung ist im Verfahren 3 Ca 156/95 nicht entschieden worden; diese Frage war nicht Prozeßstoff und damit auch nicht Gegenstand der materiellen Rechtskraft.

Der Umfang der materiellen Rechtskraft eines Urteils wird nicht ausschließlich durch den Tenor, sondern auch durch die von den Parteien gestellten Anträge und deren Begründungen bestimmt. Inwieweit das Gericht über den Streitgegenstand entschieden hat, ist unter Berücksichtigung des Tatbestandes, der Entscheidungsgründe und des in Bezug genommenen Parteivortrags durch Auslegung der Urteilsformel zu ermitteln (BAG Urteil vom 21. Januar 1994 – 2 AZR 484/93 – AP Nr. 28 zu § 4 KSchG 1969, zu B II 2 a der Gründe, m.w.N.). Regelmäßig steht zwar mit der Rechtskraft des einer Kündigungsschutzklage stattgebenden Urteils fest, daß im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat (BAG Beschluß vom 28. Februar 1995 – 5 AZB 24/94 – AP Nr. 17 zu § 17 a GVG, zu B II 2 a der Gründe, m.w.N.). Etwas anderes gilt jedoch, wenn sich das Gericht erkennbar mit der Frage des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt des Kündigungszugangs nicht befaßt, sondern diese Frage bewußt offengelassen hat (BAG Urteil vom 12. Juni 1986 – 2 AZR 426/85 – AP Nr. 17 zu § 4 KSchG 1969, zu C der Gründe, m.w.N.). Im Entscheidungsfall hat das Landesarbeitsgericht das Vorliegen dieser Voraussetzungen zutreffend u.a. daraus hergeleitet, daß dem Arbeitsgericht F. im Kündigungsschutzverfahren bekannt war, daß über die Frage der Wirksamkeit der Befristung bereits ein anderer Rechtsstreit zwischen den Parteien anhängig war, und es deshalb diese Frage nicht behandelte.

II. Das Landesarbeitsgericht hat auch zutreffend erkannt, daß der vom beklagten Land geltend gemachte Befristungsgrund, die zeitlich begrenzte Verfügbarkeit der für die Beschäftigung des Klägers vorgesehenen Haushaltsmittel, der im Arbeitsvertrag bezeichneten Befristungsgrundform „Zeitangestellter” gemäß Nrn. 1a, 2 Abs. 2 SR 2y BAT zuzuordnen ist. Dem Landesarbeitsgericht kann jedoch nicht darin gefolgt werden, dieser Befristungsgrund habe nicht vorgelegen bzw. sei nicht geeignet, die vereinbarte Befristung sachlich zu rechtfertigen.

1. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit im wesentlichen ausgeführt, für das beklagte Land sei im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht abzusehen gewesen, wie lange es das Sonderprogramm „Naturschutzgebietsausweisung” betreiben werde. Dies ergebe sich schon daraus, daß das Programm auch heute noch nicht beendet sei. Der Haushaltsgesetzgeber habe hierfür auch noch im Haushaltsplan 1993/1994 Mittel zur Verfügung gestellt und dort befristete Arbeitsverträge bis zur Dauer von fünf Jahren vorgesehen. Dies bedeute, daß 1993 bis in das Jahr 1998 hineinreichende Arbeitsverträge abgeschlossen werden durften. Auch aus einer Verwaltungsvorschrift des Umweltministeriums vom 18. März 1996 folge, daß ein Ende der Naturschutzgebietsausweisung noch immer nicht abzusehen sei. Die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltende Vorgabe des Haushaltsgesetzgebers, die Arbeitsverträge bis zum 31. Dezember 1994 zu befristen, habe nicht, wie es erforderlich gewesen wäre, auf einer begrenzten „sachlichen” Zielsetzung des Sonderprogramms, sondern offensichtlich allein auf einer allgemeinen Unsicherheit darüber beruht, ob auch künftig Mittel zur Verfügung gestellt werden könnten. Dies könne eine Befristung jedoch sachlich nicht rechtfertigen.

2. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil das Landesarbeitsgericht bei der Würdigung der Prognose des beklagten Landes, bei Vertragsabschluß sei mit dem Auslaufen des Sonderprogramms zum 31. Dezember 1994 zu rechnen gewesen, entscheidend auf erst nach dem Vertragsabschluß eingetretene Umstände abstellt. Das Landesarbeitsgericht geht zwar im Ansatz zutreffend von einer im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses anzustellenden Prognose aus; es berücksichtigt dann aber erst später eingetretene Entwicklungen, ohne dabei darzulegen, aufgrund welcher konkreten Umstände bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit diesen Entwicklungen zu rechnen gewesen sei.

3. Dem Landesarbeitsgericht kann auch nicht gefolgt werden, wenn es neben einer haushaltsrechtlichen Vorgabe, Mittel nur begrenzt zur Verfügung zu stellen, eine begrenzte „sachliche” Zielsetzung des Sonderprogramms verlangt haben sollte. Das beklagte Land beruft sich als Sachgrund für die Befristung des Arbeitsvertrages nicht auf das Vorliegen einer Aufgabe von begrenzter Dauer, sondern darauf, daß es im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses davon habe ausgehen müssen, zur Finanzierung dieser Sonderaufgabe würden nur für einen begrenzten Zeitraum Haushaltsmittel zur Verfügung stehen. Im öffentlichen Dienst hat sich die Entscheidung des Arbeitgebers, wie lange eine Aufgabe wahrgenommen werden kann, in erster Linie nicht daran zu orientieren, wann diese Aufgabe inhaltlich erledigt sein wird, sondern daran, ob für ihre Wahrnehmung Haushaltsmittel zur Verfügung stehen; der öffentliche Arbeitgeber darf, auch wenn er sie sachlich für geboten hält, keine Verpflichtungen eingehen, die nicht haushaltsrechtlich gedeckt sind. Im Gegensatz zur Privatwirtschaft erfolgt deshalb im öffentlichen Dienst die unternehmerische Entscheidung, welche Aufgaben in welchem Zeitraum und in welchem Umfang durch die Beschäftigung von Arbeitnehmern erfüllt werden sollen, nicht unmittelbar aufgrund der Feststellung eines Bedürfnisses an der Verrichtung bestimmter Arbeiten. Sie erfolgt durch das Haushaltsrecht. Dadurch werden die für die Durchführung der Aufgaben erforderlichen Haushaltsmittel unter Beachtung der tariflichen Vorgaben und deren tariflichen Zuordnung bereitgestellt (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BAG Urteil vom 27. Januar 1988 – 7 AZR 292/87 – AP Nr. 116 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu I 3 b aa der Gründe, m.w.N.). Für die Prognose des Arbeitgebers, für die Beschäftigung eines einzustellenden Arbeitnehmers bestehe nur ein vorübergehender Bedarf, genügt daher grundsätzlich die auf konkreten Tatsachen beruhende Erwartung, daß für die Beschäftigung dieses Arbeitnehmers Haushaltsmittel nur zeitlich begrenzt zur Verfügung stehen und daß aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte mit dem alsbaldigen Wegfall dieser Haushaltsmittel zu rechnen ist.

4. Daher mußte das beklagte Land im allein maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses aufgrund der Vorgabe im damals geltenden Staatshaushaltsplan 1991/1992, in dem Mittel für das Sonderprogramm lediglich für bis zum 31. Dezember 1994 befristete Arbeitsverträge zur Verfügung gestellt wurden, davon ausgehen, daß nach diesem Zeitpunkt für eine Weiterführung des Sonderprogramms und damit für eine Beschäftigung des Klägers keine Haushaltsmittel mehr vorhanden sein würden. Es handelte sich gerade nicht nur um bloße Unsicherheitsfaktoren, wie z.B. die zeitliche Begrenzung des Haushaltsplans durch das Haushaltsjahr, eine zu erwartende allgemeine Mittelkürzung oder die haushaltsrechtliche Anordnung allgemeiner Einsparungen, die nach der angeführten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Befristung eines Arbeitsvertrages nicht sachlich rechtfertigen können. Vielmehr handelte es sich um die denkbar klarste und damit bindende Festlegung des Haushaltsgesetzgebers, daß derartige Mittel nach dem 31. Dezember 1994 nicht mehr zur Verfügung gestellt werden. Dies reicht als konkrete tatsächliche Grundlage für die vom beklagten Land erstellte Prognose aus. Erst wenn der Kläger seinerseits schlüssige Anhaltspunkte dafür vorgetragen hätte, bereits bei Vertragsabschluß sei mit einer Weiterbewilligung der Mittel für das Sonderprogramm zu rechnen gewesen, hätte vom beklagten Land eine weitere Darlegung der tatsächlichen Grundlagen seiner Prognose verlangt werden können. Das hat der Kläger jedoch versäumt.

III. Die vom Senat ausgesprochene Klageabweisung erfaßt auch den im Berufungsverfahren fürsorglich gestellten Antrag des Klägers. Da der Kläger ihn wegen der vom beklagten Land in der Berufungsbegründung vorgebrachten Bedenken gegen die Zulässigkeit des damaligen Antrags zusätzlich gestellt hat, handelt es sich inhaltlich um den gleichen Antrag. Ihm kommt neben dem Hauptantrag keine eigenständige Bedeutung zu. Aber auch wenn der Kläger durch diesen zusätzlichen Antrag festgestellt wissen wollte, daß das durch den Teilvergleich vom 12. Dezember 1994 begründete und dann möglicherweise stillschweigend fortgesetzte Beschäftigungsverhältnis fortbestehe, ist der Antrag unbegründet. Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils wurde der Kläger jedenfalls bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht (11. Juli 1996) vom beklagten Land weiterbeschäftigt. Mangels abweichenden Parteivortrags muß der Senat davon ausgehen, daß es sich hierbei lediglich um eine auflösend bedingte Zwischenbeschäftigung bis zum Abschluß des Rechtsstreits handelte. Diese Bedingung ist spätestens mit der Rechtskraft des vorliegenden Urteils eingetreten.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

 

Unterschriften

Dörner, Steckhan, Schmidt, Wilke, U. Zachert

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1127012

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