Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung wegen Konkurrenztätigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Auch bei einer außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB wegen einer unerlaubten Konkurrenztätigkeit trifft den Kündigenden die Darlegungs- und Beweislast für diejenigen Tatsachen, die die vom Gekündigten behauptete Rechtfertigung durch Einwilligung ausschließen (Bestätigung des Urteils des erkennenden Senats vom 24. November 1983 - 2 AZR 327/82 = AP Nr 76 zu § 626 BGB unter Aufgabe des Urteils des Dritten Senats vom 16. Juni 1976 - 3 AZR 73/75 = AP Nr 8 zu § 611 BGB Treuepflicht).

2. Der Arbeitnehmer hat allerdings substantiiert die Tatsachen vorzutragen, aus denen sich die behauptete und bestrittene Einwilligung des Arbeitgebers ergeben soll.

 

Normenkette

HGB § 60; BGB § 626

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 19.02.1987; Aktenzeichen 9 Sa 661/86)

ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 05.06.1986; Aktenzeichen 2 Ca 349/86)

 

Tatbestand

Der Kläger war zunächst als Steuergehilfe bei einem Steuerberater R R (Steuerberatungsbüro R) tätig. Ab 1. April 1982 erhielt er die Stellung eines Büroleiters, sein Grundgehalt betrug ab Juli 1983 monatlich brutto 3.430,-- DM, außerdem erhielt er jährlich eine einmalige Sonderzahlung in Höhe von 1.000,-- DM als Ersatz für notwendige Aufwendungen. Nach Ziff. 0 5 des mit Wirkung vom 1. April 1982 geltenden Anstellungsvertrages vom 28. Mai 1982 ist die nebenberufliche Erwerbstätigkeit wie folgt geregelt:

5.1. Freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeiten

dürfen im Interessenbereich des Steuerbüros

nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung

durchgeführt werden.

5.2. Vorträge oder Veröffentlichungen, die das Geschäftsgebiet

des Steuerbüros betreffen, bedürfen der vorherigen

schriftlichen Einwilligung durch Herrn

R ."

Änderungen und Ergänzungen des Anstellungsvertrages bedürfen nach dessen § 9 der Schriftform.

1982 wurde das Steuerberatungsbüro R von der Beklagten, einer Steuerberatungs-GmbH, übernommen. In einem Vertrag vom 13. November 1982 vereinbarten der Steuerberater R, der Kläger und die Beklagte außerdem ausdrücklich, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Wirkung vom 15. November 1982 ohne förmliche Kündigung und Neuanstellung - und zwar ohne Abänderung der bisherigen Bezüge, sonstigen Zahlungen und unter Beibehaltung sämtlicher Ansprüche, die sich aus dem Umfang und der Dauer des Dienstverhältnisses beim bisherigen Arbeitgeber ergeben haben - von der Beklagten weitergeführt werde.

Bis 1985 war der Steuerberater R Geschäftsführer der Beklagten. Nach seiner Abberufung kündigte der Kläger mit Schreiben vom 27. Januar 1986 sein Arbeitsverhältnis zur Beklagten ordentlich zum 30. Juni 1986. Die Beklagte beurlaubte ihn hierauf mit sofortiger Wirkung, er sollte sich aber jederzeit innerhalb der Dienstzeit für die Beklagte erreichbar halten.

Neben seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit bei R erledigte der Kläger, teilweise gegen Bezahlung, einige Buchhaltungsarbeiten für Dritte sowie Steuererklärungen im Bekanntenkreis. Zumindest von zwei Fällen der Buchhaltung und deren mündlicher Genehmigung durch R hatte die Beklagte Kenntnis. Mit Schreiben vom 28. Februar 1986 kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis fristlos mit dem Hinweis, der Kläger habe eine Schwarzpraxis unterhalten und auf eigene Rechnung Steuererklärungen, Buchhaltungen und Bilanzen angefertigt.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage. Er hat vorgetragen: Der Vorwurf einer unerlaubten Schwarzpraxis sei unzutreffend. Der Steuerberater R habe ihm die Übernahme von Buchhaltungsarbeiten und kleineren Lohn- und Einkommenssteuererklärungen mündlich genehmigt. Zunächst seien diese Arbeiten auch über das Steuerberatungsbüro abgewickelt worden. Nachdem es jedoch zu lohnsteuerrechtlichen Problemen gekommen sei, habe man diese Arbeiten aus dem Betrieb des Steuerbüros R ausgegliedert. Alle von der Beklagten angeführten Buchhaltungstätigkeiten seien vor der Übernahme des Steuerbüros durch die Beklagte angefallen und durch seinen früheren Arbeitgeber R genehmigt gewesen. Auch die meisten Steuererklärungen seien bereits z. Zt. des Steuerbüros R abgewickelt worden. Im übrigen handele es sich insoweit zumeist um unentgeltliche Gefälligkeitstätigkeiten im Bekanntenkreis. Die Buchhaltungstätigkeiten seien außerdem im Zeitpunkt der fristlosen Kündigung bis auf die Buchhaltung E abgeschlossen gewesen. Die jetzige Geschäftsführerin der Beklagten müsse von der genehmigten Nebentätigkeit unterrichtet gewesen sein, nicht zuletzt, weil sie die Verlobte des früheren Büroinhabers und Geschäftsführers R gewesen sei. Unstreitig habe die Beklagte auch von den Buchhaltungen E und S Kenntnis gehabt und hiergegen keine Einwände erhoben. 1985 habe er die Geschäftsführerin der Beklagten in einem Gespräch nochmals ausdrücklich auf diese beiden Buchhaltungen und auf einige weitere Steuererklärungen im Bekanntenkreis, die er in Nebentätigkeit ausführe, hingewiesen.

Die fehlende Schriftform der Genehmigung ändere an ihrer Wirksamkeit nichts, denn auch in den Fällen S und E sei die Erlaubnis entgegen dem Wortlaut des Vertrages nur mündlich erteilt worden.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis

durch die außerordentliche Kündigung der

Beklagten vom 28. Februar 1986 nicht aufgelöst

worden sei.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Außerdem hat die Beklagte im Wege der Widerklage eine Stufenklage auf Auskunfterteilung über die vom Kläger getätigten Konkurrenzgeschäfte, auf Rechnungslegung sowie auf Zahlung der festzustellenden Einnahmen an sie erhoben.

Die Beklagte hat vorgetragen, von den zahlreichen Verstößen des Klägers gegen das schriftlich vereinbarte Nebentätigkeitsverbot habe sie erst kurz vor Ausspruch der Kündigung Kenntnis erhalten. Auf den Hinweis einer Klientin am 31. Januar 1986 habe sie Erkundigungen bei ihren Mitarbeitern angestellt und daraufhin die unerlaubte Konkurrenztätigkeit des Klägers im einzelnen aufgedeckt. Erlaubt gewesen seien nur die Buchhaltungsarbeiten S und E , von weiteren Tätigkeiten des Klägers habe sie nichts gewußt. Auch sei sie nicht vom früheren Arbeitgeber R über weitere Ausnahmen informiert worden. Im übrigen sei eine eventuelle frühere mündliche Absprache zwischen dem Kläger und R unverbindlich, da im Arbeitsvertrag für die Erlaubniserteilung Schriftform vorgesehen sei.

Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage des Klägers mit Teilurteil stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat am 24. September 1986 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 10. Dezember 1986 anberaumt. Am 28. Oktober 1986 hat es die Parteien durch prozeßleitende Verfügung auf die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Juni 1976 - 2 AZR 73/75 -, 12. August 1976 - 2 AZR 237/75 -, 24. November 1983 - 2 AZR 327/82 - und 27. Februar 1985 -7 AZR 525/83 - hingewiesen. In einem am 8. Dezember 1986 eingereichten Schriftsatz hat sich die Beklagte vorsorglich auf das Zeugnis des Steuerberaters R zur Nichtgenehmigung der Nebentätigkeit des Klägers berufen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 1986 die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiter, der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht hat den Beweisantritt der Beklagten zur Verletzung des Wettbewerbsverbotes zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die von der Beklagten behauptete Wettbewerbstätigkeit des Klägers könne die außerordentliche Kündigung nicht rechtfertigen. Der Kläger habe zwar einem Wettbewerbsverbot unterlegen, er habe jedoch substantiiert dargelegt, sein an sich tatbestandsmäßig verbotenes Handeln sei durch die Einwilligung des Arbeitgebers gerechtfertigt gewesen. Die Darlegungs- und Beweislast für das Nichtvorliegen des Rechtfertigungsgrundes der Einwilligung treffe die Beklagte. Diese habe zwar mit Schriftsatz vom 5. Dezember 1986 vorsorglich Beweis für das Nichtvorliegen der Genehmigung durch Benennung des Steuerberaters R als Zeugen angeboten. Dieser Beweisantritt sei jedoch gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz ArbGG zurückzuweisen gewesen. Da der Schriftsatz erst am 8. Dezember 1986 um 15.30 Uhr vorgelegt worden sei, sei eine Zeugenladung nicht mehr rechtzeitig vor dem Verhandlungstermin am 10. Dezember 1986 möglich gewesen. Die Beklagte habe die Verspätung ihres Beweisangebotes auch nicht entschuldigt.

II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Darlegungs- und Beweislast halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hätte jedoch unter Zugrundelegung seiner insoweit zutreffenden Rechtsauffassung den Beweisantritt der Beklagten nicht nach § 67 Abs. 2 ArbGG als verspätet zurückweisen dürfen.

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Es handelt sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden kann, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 626 BGB Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen die außerordentliche Kündigung sprechen, beachtet hat.

Im Rahmen dieses eingeschränkten Überprüfungsmaßstabes ist zunächst mit dem Landesarbeitsgericht davon auszugehen, daß es dem Kläger aufgrund der arbeitsvertraglichen Konkurrenzklausel sowie aufgrund der für alle Arbeitnehmer geltenden Treuepflicht untersagt gewesen ist, während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses eine unerlaubte Konkurrenztätigkeit aufzunehmen (vgl. BAG Urteile vom 26. März 1965 - 3 AZR 248/63 - AP Nr. 1 zu § 306 BGB, zu I 5 der Gründe; vom 17. Oktober 1969 - 3 AZR 442/68 - AP Nr. 7 zu § 611 BGB Treuepflicht, zu III 3 a der Gründe; vom 16. Januar 1975 - 3 AZR 72/74 - AP Nr. 8 zu § 60 HGB, zu I 2 der Gründe; vom 22. Februar 1980 - 7 AZR 236/78 - n. v., zu I 2 c der Gründe). Ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, die Verletzung eines für die Dauer des Arbeitsverhältnisses bestehenden Wettbewerbsverbotes könne an sich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Das gilt allerdings dann nicht, wenn besondere Umstände eine andere Beurteilung zugunsten des Arbeitnehmers erfordern (BAGE 14, 72, 78 = AP Nr. 50 zu § 626 BGB; KR-Hillebrecht, 2. Aufl. § 626 BGB Rz 341).

Auch ist das Landesarbeitsgericht zu Recht weiter davon ausgegangen, der Beklagten als Arbeitgeberin obliege die Darlegungs- und Beweislast für das Nichtvorliegen einer Einwilligung durch den Steuerberater R .

a) Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision, die sich vor allem auf die Entscheidung des Dritten Senats vom 16. Juni 1976 - 3 AZR 73/75 - AP Nr. 8 zu § 611 BGB Treuepflicht) stützen, überzeugen nicht.

Ebenso wie bei der ordentlichen Kündigung trifft den Kündigenden auch bei der außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB die Darlegungs- und Beweislast für diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund ausschließen (BAG Urteil vom 24. November 1983 - 2 AZR 327/82 - AP Nr. 76 zu § 626 BGB; Urteil vom 27. Juni 1985 - 7 AZR 525/83 - n. v.). Derjenige, der eine außerordentliche Kündigung ausspricht und damit ein Gestaltungsrecht ausübt, ist darlegungs- und beweisbelastet für alle Umstände, die als wichtige Gründe geeignet sein können, die Grundlage für seine Rechtsausübung darzustellen (BAGE 2, 333; KR-Hillebrecht, aa0, § 626 BGB Rz 275, m.w.N.; MünchnKomm Schwerdtner, § 626 BGB Rz 110; Stahlhacke, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 5. Aufl., Rz 335 - 336). Die Darlegungs- und Beweislast ist nicht so aufzuteilen, daß der Kündigende nur die objektiven Merkmale für einen Kündigungsgrund und die bei der Interessenabwägung für den Gekündigten ungünstigen Umstände und der Gekündigte seinerseits Rechtfertigungsgründe und für ihn entlastende Umstände vorzutragen und zu beweisen hätte (KR-Hillebrecht, aa0, m.w.N.). Die gegenteilige Auffassung des Dritten Senats im Urteil vom 16. Juni 1976 (aa0), wonach der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen und den Umfang der Gestattung trägt, wenn streitig bleibt, ob und in welchem Umfange der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Konkurrenztätigkeit gestattet hat, wird von dem nunmehr allein zuständigen erkennenden Senat insoweit aufgegeben, als sie sich auf die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung bezieht. Aus § 60 HGB läßt sich - abweichend von den vom Senat aufgestellten allgemeinen Beweisgrundsätzen zur außerordentlichen Kündigung - im Hinblick auf die Beweislastverteilung keine klare gesetzliche Regelung des Inhalts entnehmen, der Arbeitnehmer sei für die Erlaubnis des Arbeitgebers beweispflichtig. Eine Konkurrenztätigkeit ist nicht überhaupt verboten, sondern nur, wenn sie ohne Einwilligung erfolgt. Auch ein Regel-/Ausnahmeverhältnis bezüglich eines möglichen Verhaltens des Arbeitgebers läßt sich der Norm nicht entnehmen, da es jeweils eine Frage des konkreten Einzelfalles ist, ob der konkrete Arbeitgeber einer Nebentätigkeit zustimmt oder nicht. Die Tatsache einer solchen Tätigkeit indiziert damit noch kein vertragswidriges Verhalten.

b) Wie der Senat bereits im Urteil vom 24. November 1983 (aa0) dargelegt hat, muß allerdings eine Überforderung der mit der Darlegungs- und Beweislast belasteten Partei im Rahmen der konkreten Beweisführungslast vermieden werden. Der Arbeitgeber braucht nicht von vornherein alle nur erdenkbaren Rechtfertigungsgründe des Arbeitnehmers zu widerlegen, der Umfang der konkreten Darlegungs- und Beweisführungslast richtet sich vielmehr danach, wie substantiiert sich der gekündigte Arbeitnehmer auf die Kündigungsgründe einläßt. Im vorliegenden Fall hat der Kläger substantiiert unter Beweisantritt zur Einwilligung vorgetragen.

c) Etwas anderes gilt im vorliegenden Fall auch nicht deshalb, weil die Parteien in § 5 des Anstellungsvertrages, in den die Beklagte eingetreten ist, im Hinblick auf die Konkurrenztätigkeit ausdrücklich vereinbart haben, gewerbliche Nebentätigkeiten dürften nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung durchgeführt werden und weil eine solche schriftliche Zustimmung unstreitig nicht vorliegt. Das Berufungsgericht ist insoweit zutreffend davon ausgegangen, daß eine Berufung auf die Schriftform dann unzulässig ist, wenn die Arbeitsvertragsparteien einvernehmlich konkludent das Schriftformerfordernis abbedungen haben (BAG Urteil vom 4. Juni 1963 - 5 AZR 16/63 - AP Nr. 1 zu § 127 BGB). Das war in den Fällen S und E unstreitig der Fall. Der Vortrag des Klägers, ihm sei auch in den anderen Fällen seiner Nebentätigkeit die Genehmigung dazu mündlich erteilt worden, ist daher erheblich und war von der Beklagten zu widerlegen.

3. Das Landesarbeitsgericht ist jedoch zu Unrecht davon ausgegangen, das Beweisangebot der Beklagten auf Vernehmung des Steuerberaters R als Zeugen sei nach § 67 Abs. 2 Satz 2 ArbGG verspätet.

a) § 67 Abs. 2 ArbGG befaßt sich ausschließlich mit dem Vorbringen neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel in der Berufungsinstanz und verlangt, daß der Berufungskläger sie - sofern sie bereits entstanden sind - in der Berufungsbegründung vorzubringen hat, soweit das Vorbringen nach § 67 Abs. 1 ArbGG überhaupt noch zulässig ist. Die Beklagte als Berufungsklägerin hat sich zwar erst nach Einreichung der Berufungsbegründung für ihr Vorbringen auf das Zeugnis des Steuerberaters R berufen. Dieses verspätete Vorbringen beruhte jedoch nicht auf ihrem Verschulden (§ 67 Abs. 2 Satz 2 letzte Alternative ArbGG), auch war das neue Vorbringen nach § 67 Abs. 1 ArbGG noch zulässig.

b) Wie bereits dargelegt, hatte der Dritte Senat in der Entscheidung vom 16. Juni 1976 (aa0) nicht nur für den Fall der Geltendmachung einer Schadenersatzforderung, sondern auch im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung ausgeführt, der Arbeitnehmer trage die Darlegungs- und Beweislast für den Umfang der gestatteten Nebentätigkeit. Den Entscheidungen des Zweiten Senats vom 12. August 1976 (aa0 - ordentliche Kündigung -) und 24. November 1983 (aa0 - außerordentliche Kündigung -) war noch nicht deutlich genug zu entnehmen, daß auch für den speziellen Fall der unerlaubten Wettbewerbstätigkeit abweichend von der Rechtsprechung des Dritten Senats der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für das unerlaubte Tun des Arbeitnehmers trage. Die Beklagte konnte daher ohne Nachlässigkeit und demgemäß schuldlos davon ausgehen, die Instanzgerichte folgten der auf den speziellen Fall bezogenen Rechtsauffassung des Dritten Senats. Ein beabsichtigtes Abweichen von dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung hätte den Parteien jedenfalls rechtzeitig durch einen klaren Hinweis verdeutlicht werden müssen. Es ist nämlich weder grob nachlässig noch schuldhaft, wenn eine Partei ihr Vorbringen der höchstrichterlichen Rechtsprechung anpaßt und das Gericht trotz beabsichtigter Abweichung einen Hinweis nach §§ 139, 278 ZPO nicht gibt (BGH NJW 1975, 1744; Thomas/Putzo, ZPO, 13. Aufl., § 296 Anm. 3 c).

c) Das Arbeitsgericht hatte vor Urteilserlaß keinen gezielten Hinweis auf die Darlegungs- und Beweislast gegeben. Es hat die Klage dann mit der Hauptbegründung abgewiesen, die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht dargetan. Es hat zwar weiter in einer Hilfsbegründung ausgeführt, die Beklagte sei ihrer Beweispflicht nicht nachgekommen, es hat aber nicht klargestellt, daß es damit von der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Dritten Senats, die der vorliegenden Fallgestaltung (Kündigung wegen unerlaubter Nebentätigkeit) entsprach, abweichen wolle. Es hat diese divergierende Entscheidung überhaupt nicht behandelt. Die Beklagte konnte daher ohne Nachlässigkeit und Verschulden in der Berufungsbegründung noch von einem Beweisantritt absehen, da nicht ersichtlich war, ob die erstinstanzliche Entscheidung in Verkennung oder durch gewollte Korrektur der höchstrichterlichen Rechtsprechung zustandegekommen war.

Auch der Hinweis des Berufungsgerichts vom 28. September 1986 brauchte die Beklagte nicht zu veranlassen, vor der mündlichen Verhandlung vorsorglich Beweis anzutreten. Nach § 64 Abs. 7, § 56 ArbGG hat der Vorsitzende die mündliche Verhandlung so vorzubereiten, daß sie möglichst in einem Termin zu Ende geführt werden kann, insbesondere kann er Fristen zur Ergänzung und Erweiterung der vorbereiteten Schriftsätze setzen. Dies ist im Hinblick auf die Beklagte nicht geschehen. Zwar ist der Kläger aufgefordert worden, sich binnen 3 Wochen zum Vortrag der Beklagten betreffend die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist zu äußern, bezüglich der Darlegungs- und Beweislast hat das Berufungsgericht jedoch die Parteien, nicht etwa nur die Beklagte, kommentarlos auf die unterschiedliche Rechtsprechung hingewiesen. Die Beklagte konnte aufgrund dieses Hinweises nicht annehmen, die Kammer wolle von der Rechtsprechung des Dritten Senats abweichen.

III.Das Berufungsgericht wird daher in der aufgrund des Rechtsfehlers erforderlichen weiteren Verhandlung dem Beweisantritt der Beklagten nachzugehen haben.

Hillebrecht Dr. Weller Ascheid

Nipperdey Walter

 

Fundstellen

Haufe-Index 437640

DB 1988, 451-452 (LT1-2)

NJW 1988, 438

NJW 1988, 438-439 (LT1-2)

AiB 1988, 91-91 (LT1-2)

Stbg 1988, 339-339 (T)

JR 1988, 220

RdA 1988, 58

RzK, I 10h Nr 14 (LT1-2)

AP § 626 BGB (LT1-2), Nr 97

AR-Blattei, ES 1830 Nr 151 (LT1-2)

AR-Blattei, Wettbewerbsverbot Entsch 151 (LT1-2)

EzA § 626 nF BGB, Nr 109 (LT1-2)

JZ 1988, 263

JZ 1988, 263-264 (LT1-2)

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