Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung der Krankenvergütung im Freischichtenmodell

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 8 Nr 8 in Verbindung mit § 15 Nr 1 Buchst a Abs 2 des Manteltarifvertrages für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens vom 30. April 1980 unter Berücksichtigung des ÄnderungsTV vom 3. Juli 1984 ist die Zahl der bei Arbeitsunfähigkeit je Tag zu vergütenden Arbeitsstunden zu ermitteln aus den im Bezugszeitraum geleisteten Arbeitsstunden, die zu teilen sind durch die Zahl der aus der Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit sich ergebenden Arbeitstage.

2. Hat ein Arbeitnehmer bei festgelegter individueller regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit von 38,5 Stunden entsprechend der Betriebsnutzungszeit tatsächlich 40 Stunden gearbeitet, so sind diese Stunden bei der Ermittlung des regelmäßigen Arbeitsverdienstes gemäß den genannten tariflichen Bestimmungen zu berücksichtigen.

3. Die Zahl der geleisteten Stunden verringert sich, wenn in den Bezugszeitraum unbezahlte Freischichten fielen.

 

Normenkette

TVG § 1; GG Art. 3 Abs. 1; LFZG § 2 Abs. 3, § 1 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 18.03.1987; Aktenzeichen 6 (7) Sa 1734/86)

ArbG Oberhausen (Entscheidung vom 23.09.1986; Aktenzeichen 2 Ca 1331/86)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, in welcher Höhe die Beklagte Vergütung für Urlaubstage und Krankheitstage schuldet.

Die Parteien sind an die Tarifverträge für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens (MTV) gebunden. Durch den Tarifvertrag vom 3. Juli 1984 zur Änderung des Manteltarifvertrages vom 30. April 1980 sind mit Wirkung vom 1. April 1985 neue Regelungen über die Arbeitszeit in Kraft getreten. In § 2 MTV ist über die Dauer der regelmäßigen Arbeitszeit u. a. folgendes bestimmt:

"1. Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne

Pausen beträgt 38 1/2 Stunden.

Die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeits-

zeit kann zwischen 37 und 40 Stunden betragen

(Vollzeitbeschäftigte).

Die Spanne zwischen 37 und 40 Stunden soll ange-

messen ausgefüllt werden. Dabei sind die betrieb-

lichen Bedürfnisse zu berücksichtigen (§ 3).

2. Die regelmäßige wöchentliche Ausbildungszeit

beträgt 40 Stunden.

3. Wenn keine andere Regelung getroffen wird, be-

trägt die regelmäßige tägliche Arbeitszeit bis

zu 8 Stunden. ..."

Über die Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit verhält sich § 3 MTV u. a. wie folgt:

"1. Die Arbeitszeit im Betrieb wird im Rahmen des

Volumens, das sich aus der für den Betrieb nach

§ 2 Nr. 1 Abs. 1 festgelegten Arbeitszeit er-

gibt, durch Betriebsvereinbarung näher geregelt.

Dabei können für Teile des Betriebes, für ein-

zelne Arbeitnehmer oder für Gruppen von Arbeit-

nehmern unterschiedliche wöchentliche Arbeits-

zeiten zwischen 37 und 40 Stunden festgelegt

werden.

Der Durchschnitt der tariflichen wöchentlichen

Arbeitszeit im Betrieb wird monatlich erfaßt

und dem Betriebsrat mitgeteilt. Weicht der

Durchschnitt von 38 1/2 Stunden ab, so ist mit

dem Betriebsrat eine Anpassung unverzüglich zu

vereinbaren. ...

2. Die individuelle regelmäßige wöchentliche Ar-

beitszeit kann gleichmäßig oder ungleichmäßig

auf 5 Werktage in der Woche verteilt werden. Sie

muß im Durchschnitt von zwei Monaten erreicht

werden. ...

6. Aus Anlaß der Neufestlegung der Arbeitszeit

wird die Auslastung der betrieblichen Anlagen

und Einrichtungen nicht vermindert. Bei einer

Differenz zwischen Betriebsnutzungszeit und der

Arbeitszeit für die einzelnen Arbeitnehmer kann

der Zeitausgleich auch in Form von freien Tagen

erfolgen. Dabei muß zur Vermeidung von Störungen

im Betriebsablauf eine möglichst gleichmäßige

Anwesenheit der Arbeitnehmer gewährleistet sein.

Bei der Festlegung der freien Tage sind die

Wünsche der Arbeitnehmer zu berücksichtigen."

Auf der Grundlage dieser tariflichen Bestimmungen war für den Betrieb der Beklagten für die Zeit ab 1. April 1985 die Arbeitszeit durch den Spruch einer Einigungsstelle vom 23. März 1985 geregelt. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit war auf 38,5 Stunden festgelegt. Der als gewerblicher Arbeitnehmer tätige Kläger war jedoch - wie auch andere Arbeitnehmer - im Rahmen der möglichen Betriebsnutzungszeit weiterhin arbeitstäglich acht Stunden und wöchentlich 40 Stunden beschäftigt; die Differenz zu der individuellen Wochenarbeitszeit wurde durch unbezahlte freie Tage ausgeglichen.

Nach einem ursprünglich weitergehenden Klagebegehren hat der Kläger zuletzt noch Differenzbeträge für vier Urlaubstage im Mai 1986 und neun Krankheitstage im Juni 1986 gefordert. Die Beklagte hat ihm die Vergütung für die genannten neun Tage jeweils auf der Grundlage einer Arbeitszeit von 7,7 Stunden täglich gewährt. Der Kläger hat demgegenüber die Ansicht vertreten, er könne für die Urlaubs- und Krankheitstage Vergütung für jeweils acht Stunden verlangen.

Nach § 8 Nr. 8 MTV ist bei dem Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle der nach § 15 MTV zu berechnende "regelmäßige Arbeitsverdienst" zu zahlen. Entsprechendes gilt nach § 12 Nr. 1 a für die Urlaubsvergütung. § 15 MTV in der ab 1. April 1985 geltenden Fassung lautet wie folgt:

"§ 15 Berechnung des Arbeitsverdienstes

1. In allen Fällen, in denen dieser Tarifvertrag

Anspruch auf Zahlung des "regelmäßigen Arbeits-

verdienstes" regelt, wird für die Berechnung

des regelmäßigen Arbeitsverdienstes folgendes

zugrunde gelegt:

a) Gewerbliche Arbeitnehmer

Hinsichtlich der Lohnhöhe der durchschnitt-

liche Stundenverdienst in den letzten 3 ab-

gerechneten Monaten oder in den diesem Zeit-

raum annähernd entsprechenden Abrechnungs-

zeiträumen vor Beginn des Fortzahlungszeit-

raums (Gesamtverdienst des Arbeitnehmers in

dem betreffenden Zeitraum einschließlich

aller Zuschläge, jedoch ohne einmalige Zu-

wendungen sowie Leistungen, die Aufwendungs-

ersatz darstellen, z. B. Auslösungen, soweit

sie nicht Arbeitsentgelt sind, geteilt durch

die Zahl der bezahlten Arbeitsstunden);

hinsichtlich der Anzahl der Arbeitsstunden

je Tag, der zu vergüten ist, der Bruchteil,

der sich aus der Verteilung der individuellen

regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf

die einzelnen Wochentage nach dem Durchschnitt

der letzten 3 abgerechneten Monate ergibt, bei

Urlaub 1/5 der individuellen regelmäßigen

wöchentlichen Arbeitszeit des Arbeitnehmers

nach dem Durchschnitt der letzten 3 abgerech-

neten Monate (Gesamtzahl der in dem betref-

fenden Zeitraum geleisteten Stunden geteilt

durch die Zahl der Arbeitstage, die sich aus

der Verteilung der individuellen regelmäßigen

wöchentlichen Arbeitszeit ergeben).

....."

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, für die Auslegung des § 15 MTV sei auch der Klammerzusatz mit heranzuziehen, aus dem sich ergebe, daß die tatsächliche Arbeitszeit im Bezugszeitraum maßgebend sei. Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 84,12 DM

brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus

ergebenden Nettobetrag seit dem 9. September

1986 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Zahl der Arbeitsstunden sei zu ermitteln aufgrund der für den Kläger geltenden individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden. Eine andere Betrachtung würde im Verhältnis zu den Arbeitnehmern, die tatsächlich arbeitstäglich 7,7 Stunden arbeiten, zu einer Ungleichbehandlung führen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht ihr in dem zuletzt verfolgten Umfange stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage in vollem Umfange. Der Senat hat den Rechtsstreit hinsichtlich der Urlaubsvergütung abgetrennt und insoweit an den für Urlaubsfragen zuständigen Achten Senat abgegeben.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die für die Berechnung des Krankenlohns maßgebende Vorschrift des § 15 Abs. 1 Buchst. a Abs. 2 MTV zutreffend ausgelegt.

I. Nach § 8 Nr. 8 Abs. 1 MTV ist in Fällen unverschuldeter, mit Arbeitsunfähigkeit verbundener Krankheit der regelmäßige Arbeitsverdienst bis zur Dauer von sechs Wochen weiterzuzahlen. Gemäß Abs. 3 dieser tariflichen Bestimmung erfolgt die Berechnung des regelmäßigen Arbeitsverdienstes nach § 15 MTV. Von diesen tariflichen Vorschriften ist auszugehen, weil nach § 2 Abs. 3 Satz 1 LohnFG die Höhe des während der Arbeitsunfähigkeit fortzuzahlenden Arbeitsentgelts durch Tarifvertrag abweichend von § 2 Abs. 1 und 2 LohnFG bestimmt werden kann.

1. Der regelmäßige Arbeitsverdienst ist nach § 15 Nr. 1 Buchst. a) MTV zu ermitteln aus der Lohnhöhe und der Zahl der Arbeitsstunden je Tag, der zu vergüten ist. Hinsichtlich der Lohnhöhe, die für die hier streitigen Tage zugrunde zu legen ist, besteht zwischen den Parteien kein Streit. Soweit es um die Zahl der je Tag zu vergütenden Arbeitsstunden geht, hat das Landesarbeitsgericht seine Entscheidung zu Recht auf die Berechnung gestützt, die § 15 Nr. 1 Buchst. a) Abs. 2 im Klammerzusatz aufweist. Danach ist die Gesamtzahl der in dem betreffenden Zeitraum, d. h. nach dem vorhergehenden Satz: in den letzten drei abgerechneten Monaten geleisteten Stunden durch die Zahl der Arbeitstage zu teilen, die sich aus der Verteilung der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ergeben. Diese Vorschrift, die auf die in dem Bezugszeitraum geleisteten Stunden abstellt, erläutert und bestimmt näher, was der vorangehende Satz als allgemeinen Grundsatz beschreibt. Der Klammerzusatz gibt gleichsam eine Definition, von welcher Stundenzahl im Bezugszeitraum auszugehen und wie rechnerisch die Zahl der je Tag zu vergütenden Stunden zu ermitteln ist. Dabei ist wesentlich, daß es auf die Zahl der geleisteten Stunden und nicht auf eine nur rechnerisch vorgegebene Größe der Arbeitszeit ankommt.

Diese Wertung des Klammerzusatzes als entscheidender Bestimmung des Tarifvertrages wird durch eine systematische Betrachtung gestützt. § 15 a Nr. 1 Buchst. a) Abs. 1 enthält zur Frage der Lohnhöhe ebenfalls einen allgemeinen Satz, der besagt, daß der durchschnittliche Stundenverdienst in den letzten drei abgerechneten Monaten zugrunde zu legen ist. Dort ist in einem Klammerzusatz ebenfalls im einzelnen erläutert, wie der Stundenverdienst zu berechnen ist. Dabei wird beschrieben, welche dem Arbeitnehmer gewährten Leistungen zu berücksichtigen sind und welche Zuflüsse außer Betracht bleiben. Erst die in Klammern gesetzte Erläuterung ermöglicht, die Lohnhöhe gemäß dem Willen der Tarifvertragsparteien zu berechnen. Die Beschreibung, die zur Ermittlung der maßgebenden Stundenzahl sich in § 15 a Nr. 1 Buchst. a) Abs. 2 findet, hat bei systematischer Betrachtung die entsprechende Bedeutung und gibt die entscheidende Aussage für die hier strittige Frage.

2. Selbst wenn man den Klammerzusatz in § 15 Nr. 1 Buchst. a) Abs. 2 MTV nicht für sich allein als maßgebende Vorschrift wertet, sondern auch darauf abstellt, ob er mit dem vorangehenden allgemeinen Grundsatz übereinstimmt, führt das nicht zu der von der Beklagten in Anspruch genommenen Auslegung des Tarifvertrages.

a) Die Beklagte meint, wenn der der Klammer vorausgehende Satz auf die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit abstelle, so handele es sich um die für den Kläger durch den Spruch der Einigungsstelle auf 38,5 Stunden wöchentlich festgelegte Arbeitszeit. Demgemäß sei auch der Krankheitstag nur mit einem Fünftel dieser Arbeitszeit, also mit 7,7 Stunden zu vergüten. Wenn der Klammerzusatz auf die tatsächlich geleisteten Stunden abstelle, die der Kläger entsprechend der Betriebsnutzungszeit mit acht Stunden täglich erbringe, so müsse das entweder als unbeachtlich angesehen oder es müsse von einem Widerspruch ausgegangen werden, der zu einer Tariflücke führe, die im Sinne der Beklagten zu schließen sei.

b) Die Auslegung des Begriffs "individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit" durch die Beklagte ist zu eng. Individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Sinne von § 15 Nr. 1 Buchst. a) Abs. 2 ist nicht nur die Arbeitszeit, die durch betriebliche Regelung den Arbeitnehmern zugewiesen wurde, um das durch § 2 Abs. 1 MTV vorgegebene tarifliche Arbeitszeitvolumen insgesamt einzuhalten. Vielmehr ist als individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Sinne vorgenannter Bestimmung auch diejenige anzusehen, die sich aus einer Verteilung der Arbeitszeit nach § 3 Nr. 6 MTV ergibt. In dieser Bestimmung heißt es, aus Anlaß der Neufestlegung der Arbeitszeit werde die Auslastung der betrieblichen Anlagen und Einrichtungen nicht vermindert; bei einer Differenz zwischen Betriebsnutzungszeit und der Arbeitszeit für die einzelnen Arbeitnehmer könne der Zeitausgleich auch in Form von freien Tagen erfolgen. Dabei handelt es sich um das sogenannte Freischichtenmodell, das für den Kläger galt. Zwar war für ihn die im Rahmen der zulässigen tariflichen Gesamtarbeitszeit von 38,5 Stunden maßgebende wöchentliche Arbeitszeit auf diese Stundenzahl festgelegt. Im Sinne von § 15 Nr. 1 a Abs. 2 MTV muß jedoch als individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auch die Verteilung der Arbeitszeit auf acht Stunden täglich mit dem Ausgleich durch Freischichten angesehen werden.

Die Einfügung des Wortes "individuelle" in § 15 Nr. 1 a Abs. 2 MTV im Zusammenhang mit der tariflichen Arbeitszeitverkürzung und den durch den Manteltarifvertrag eingeführten vielfältigen Möglichkeiten über die flexible Gestaltung der Arbeitszeit sprechen dafür, daß jede der möglichen Gestaltungen als individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Sinne der erörterten Berechnungsbestimmung gemeint ist. Der Begriff "individuell" wurde notwendig, weil wegen der unterschiedlichen Regelungsmöglichkeiten nicht mehr ohne weiteres mit einer für den Betrieb allgemein geltenden regelmäßigen Arbeitszeit gerechnet werden konnte. Deshalb mußte es - und das führt dann zur Stimmigkeit mit dem Klammerzusatz - auf die Arbeitszeit ankommen, die für den Arbeitnehmer jeweils unter Einschluß aller zulässigen Möglichkeiten, auch des Freischichtenmodells, festgelegt war.

Auch in dieser Auslegung sieht sich der Senat durch eine systematische Betrachtung bestätigt. Nach § 4 Nr. 1 MTV in der ab 1. April 1985 geltenden Fassung sind Mehrarbeit die über die nach den §§ 2 und 3 festgelegte individuelle regelmäßige tägliche Arbeitszeit hinaus geleisteten Arbeitsstunden. Würde im Sinne der Beklagten die individuelle regelmäßige tägliche Arbeitszeit auch im Freischichtenmodell mit 7,7 Stunden anzusetzen sein, dann würde sich ergeben, daß nach § 4 Nr. 1 MTV die über den vorgenannten Umfang hinausgehende tägliche Arbeitszeit als Mehrarbeit zu bewerten und zu bezahlen wäre. Das entspricht ersichtlich jedoch nicht dem Sinn der Regelung, insbesondere der durch § 3 Nr. 6 ermöglichten Ausdehnung der Arbeitszeit auf acht Stunden täglich unter Erwerb von Freizeiten, die zu Freischichten zusammengefaßt werden. Die in § 15 Nr. 1 Buchst. a) Abs. 2 genannte individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit kann dann aber nur den gleichen Inhalt haben, weil sich sonst innerhalb des Tarifes Wertungswidersprüche ergeben würden.

3. Das Landesarbeitsgericht ist demgemäß zu Recht von den vom Kläger in den letzten drei Monaten vor seiner Arbeitsunfähigkeit geleisteten Arbeitsstunden ausgegangen. Hierzu ist unstreitig, daß der Kläger 40 Stunden wöchentlich und in den insgesamt drei Monaten 520 Stunden gearbeitet hat. Teilt man diese Zahl durch die Zahl der Arbeitstage, die sich aus der Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit ergeben, nämlich 13 x 5 Arbeitstage, so ergeben sich acht Arbeitsstunden je Tag, die zu berücksichtigen sind, wenn der regelmäßige Arbeitsverdienst, der während der Arbeitsunfähigkeit zu gewähren ist, ermittelt werden muß.

II. Die nach den vorstehenden Ausführungen gebotene Auslegung des § 15 Nr. 1 Buchst. a) Abs. 2 führt entgegen der Ansicht der Beklagten nicht dazu, daß die Arbeitnehmer, die durchgehend 38,5 Stunden wöchentlich arbeiten, in der Vergütungsfrage so benachteiligt werden, daß sich Bedenken aus Art. 3 Abs. 1 GG ergeben.

Die tarifliche Regelung in der hier vertretenen Auslegung verstößt einmal schon deshalb nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil sich die unterschiedliche Verteilung der Arbeitszeit (einerseits durchgehend 38,5 Stunden wöchentlich, andererseits 40 Stunden wöchentlich mit Freischichten) in der Höhe der fortzuzahlenden Krankenbezüge nicht notwendig verschieden auswirken muß. Nach § 15 Nr. 1 Buchst. a) Abs. 2 sind die in den letzten drei abgerechneten Monaten geleisteten Stunden durch die Zahl der Arbeitstage zu teilen, die sich aus der Verteilung der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ergeben. Wenn die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf fünf Tage verteilt ist, ist diese Zahl anzusetzen, ohne daß es dabei darauf ankommt, ob in dem Bezugszeitraum Freischichten angefallen waren oder nicht. Da aber in dem Bezugszeitraum unbezahlte Freischichten liegen können, ergibt sich dann eine geringere Zahl von geleisteten Arbeitsstunden. Darin wirkt sich aus, daß die Arbeitszeit tatsächlich nicht 40 Stunden wöchentlich beträgt, sondern der über 38,5 Stunden hinausgehende Teil der Arbeitszeit durch Freischichten auszugleichen ist. Auf diesen Gesichtspunkt hat der Achte Senat schon in seinem Urteil vom 7. Juli 1988 - 8 AZR 198/88 - (BB 1988, 2105, 2107) für die Berechnung der Urlaubsvergütung hingewiesen, wobei die dortige tarifliche Regelung vorsah, daß die Höhe des Durchschnittslohns dadurch beeinflußt sein konnte, daß Zeitausgleichstage, die nicht bezahlt wurden, in den Bezugszeitraum fallen.

Die vorstehenden Erwägungen sind zu ergänzen durch das, was der Achte Senat in dem vorbezeichneten Urteil im übrigen zur Frage einer Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG ausgeführt hat: Selbst wenn Ungleichheiten in der Höhe der Vergütungspflicht verbleiben, ist die Vergütungsregelung nicht willkürlich. Die Ungleichheiten ergeben sich aus den nach dem Manteltarifvertrag möglichen und zulässigen Arbeitsverteilungsregelungen. Der Arbeitgeber, der dem Freischichtenmodell zustimmt, nimmt hin, daß er Vergütungen für Krankheitstage so zahlen muß, wie es die tarifliche Bestimmung in der Auslegung des Senats vorsieht. Wenn es dabei in Einzelfällen zu Mehrleistungen im Verhältnis zu Arbeitnehmern kommt, die durchgehend 7,7 Stunden täglich arbeiten, so kann dies nicht als sachwidrig angesehen werden.

Dr. Thomas Dr. Olderog Dr. Wittek

ist durch Urlaub an der

Unterschrift verhindert

Dr. Thomas

Dr. Florack Buschmann

 

Fundstellen

Haufe-Index 440050

BAGE 60, 14-22 (LT1-3)

BAGE, 14

BB 1989, 426-427 (LT1-3)

DB 1989, 382-383 (LT1-3)

EEK, I/957 (LT1-3)

NZA 1988, 796

NZA 1989, 350-351 (LT1-3)

RdA 1989, 129

AP § 1 LohnFG (LT1-3), Nr 80

AR-Blattei, Arbeitszeit I Entsch 13 (LT1-3)

AR-Blattei, ES 240.1 Nr 13 (LT1-3)

EzA § 1 LohnFG, Nr 95 (LT1-3)

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