Entscheidungsstichwort (Thema)

Altersteilzeit. Betriebsvereinbarung. Nachwirkung

 

Orientierungssatz

1. In §§ 2, 3 TV ATZ Einzelhandel BY haben die Tarifvertragsparteien es dem Arbeitgeber überlassen, selbst zu entscheiden, ob er Altersteilzeit in seinem Betrieb oder seinem Unternehmen einführt. Nach Ablauf der in § 3 Nr. 1 Abs. 3 Satz 2 TV ATZ Einzelhandel BY geregelten Bindungsfrist von einem Jahr kann der Arbeitgeber frei entscheiden, ob er danach die Altersteilzeit fortführt oder neue Anträge auf Abschluss von Altersteilzeitarbeitsverträgen ablehnt.

2. Trifft der Arbeitgeber entsprechend § 3 Nr. 1 TV ATZ Einzelhandel BY die Entscheidung, Altersteilzeit beginnend mit dem 1. März 2000 in seinem Unternehmen einzuführen und werden dazu ergänzend entsprechend § 16 Abs. 2 TV ATZ Einzelhandel BY in einer Betriebsvereinbarung Regelungen über die Behandlung von Anträgen auf Teilnahme an der Altersteilzeit getroffen, so ist der Arbeitgeber bis zur Beendigung dieser Betriebsvereinbarung daran gebunden. Nach Ablauf der Kündigungsfrist entfaltet diese freiwillige Betriebsvereinbarung keine Nachwirkung iSv. § 77 Abs. 6 BetrVG.

3. Will ein Arbeitnehmer einen die Betriebsvereinbarung ausgestaltenden Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags geltend machen, müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:

– Der Antrag muss innerhalb der Laufzeit der Betriebsvereinbarung gestellt werden und

– der gewünschte Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses muss vor Ablauf der Betriebsvereinbarung liegen.

 

Normenkette

AltTZG §§ 2, 4; SGB VI § 237; BetrVG § 77 Abs. 6

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 26.04.2006; Aktenzeichen 9 Sa 761/05)

ArbG Mainz (Urteil vom 03.08.2005; Aktenzeichen 10 Ca 2778/04)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. April 2006 – 9 Sa 761/05 – aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 3. August 2005 – 10 Ca 2778/04 – wird zurückgewiesen.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte zum Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags mit dem Kläger verpflichtet ist.

Der am 25. Januar 1949 geborene Kläger ist seit dem 1. Juli 1987 bei der Beklagten als Bereichsleiter in deren Baumarkt in B… beschäftigt. Die Parteien wenden auf ihr Arbeitsverhältnis den Tarifvertrag zur Förderung der Altersteilzeit zwischen dem Landesverband des Bayerischen Einzelhandels e. V. und der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, Landesbezirksleitung Bayern, vom 9. März 2001 (TV ATZ Einzelhandel BY) an.

Der TV ATZ Einzelhandel BY lautet auszugsweise:

“§ 2 Voraussetzungen der Altersteilzeitarbeit

Arbeitnehmer/innen, die das 55. Lebensjahr vollendet haben und in den letzten fünf Jahren vor Beginn der Altersteilzeitarbeit innerhalb der gesetzlichen Rahmenfrist von zur Zeit mindestens 1.080 Kalendertagen in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem SGB III gestanden haben, können mit dem Arbeitgeber Altersteilzeitarbeit nach Maßgabe des Altersteilzeitgesetzes und der nachfolgenden tariflichen Bestimmungen vereinbaren.

§ 3 Einführung/Vereinbarung von Altersteilzeit

1. Arbeitgeber und Betriebsrat – soweit ein solcher besteht – beraten über die Möglichkeit der Einführung von Altersteilzeitarbeitsverhältnissen.

Im Anschluss daran entscheidet der Arbeitgeber, ob er Altersteilzeit nach diesem Tarifvertrag in seinem Betrieb/Unternehmen einführt. An diese Entscheidung ist er mindestens ein Kalenderjahr, bei abweichendem Geschäftsjahr zwölf Monate gebunden.

2. Der Antrag auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ist beim Arbeitgeber spätestens zwei Monate vor dem von dem/der Arbeitnehmer/in angestrebten Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses formlos schriftlich zu stellen. Der/die Arbeitnehmer/in ist an seinen/ihren Antrag bis zu einer Entscheidung gebunden.

Wird im Rahmen des Entscheidungsprozesses der Antrag vom Arbeitgeber oder Betriebsrat abgelehnt, kommt der Altersteilzeitarbeitsvertrag nicht zustande. …

3. Der Arbeitgeber hat dem/der Arbeitnehmer/in innerhalb einer Frist von zwei Monaten seit Eingang des Antrages schriftlich begründet mitzuteilen, ob und ab wann er dem Antrag entspricht.

§ 16 Beteiligung des Betriebsrates

In Betrieben mit Betriebsrat können ergänzende Regelungen durch freiwillige (Gesamt-) Betriebsvereinbarungen geregelt werden.”

Im Unternehmen der Beklagten bestand seit dem 1. April 2000 eine Betriebsvereinbarung (“Gesamtbetriebsvereinbarung”) zur Förderung der Altersteilzeit vom 30. August 2000 (BV-Altersteilzeit).

Dort heißt es auszugsweise:

“§ 1 Präambel

Ziel dieser Vereinbarung ist es, die Bestimmungen der Tarifverträge zur Förderung der Altersteilzeit und die dort enthaltenen Rechte und Pflichten der Beschäftigten auszugestalten.

§ 3 Einführung der Altersteilzeit

Grundlage dieser Gesamtbetriebsvereinbarung ist die Entscheidung der Arbeitgeberin, im Unternehmen Altersteilzeit gemäß den derzeit geltenden Tarifverträgen Altersteilzeit für den Zeitraum von 01.03.2000 einzuführen.

§ 4 Entscheidung über einen Antrag

Sollte keine Einigkeit über den Antrag oder auch über die zu vereinbarende Dauer des einzelnen Altersteilzeitarbeitsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Altersteilzeitarbeitnehmer hergestellt werden können, werden diese strittigen Fälle in einer gemeinsamen Altersteilzeitkommission auf Unternehmensebene zwischen dem GBR und der Unternehmensleitung unverzüglich entschieden.

§ 11 Arbeitsvertrag

Die Arbeitgeberin verpflichtet sich mit jedem/jeder Altersteilzeitarbeitnehmer/in schriftlich einen Altersteilzeitarbeitsvertrag zu vereinbaren. …

Vor Abschluß des Altersteilzeitarbeitsvertrages erhält der/die Arbeitnehmer/in eine Berechnung seines Entgeltes während der Altersteilzeit für Monate ohne und mit den wiederkehrenden Einmalzahlungen (Urlaubsgeld und Sonderzahlung).

§ 14 Inkrafttreten und Laufzeit

Diese Betriebsvereinbarung tritt am 01.04.2000 in Kraft.

Diese Gesamtbetriebsvereinbarung kann mit einer Frist von 6 Monaten, frühestens zum 31.12.2001, gekündigt werden. Für Beschäftigte, für die innerhalb der Laufzeit dieser Gesamtbetriebsvereinbarung wirksam ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis begründet worden ist, gelten diese Bestimmungen bis zum Ende ihres Altersteilzeitarbeitsverhältnisses weiter.

…”

Die Beklagte kündigte die BV-Altersteilzeit gegenüber dem Gesamtbetriebsrat mit Schreiben vom 17. November 2003. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2003 beantragte der Kläger gegenüber der Beklagten den Abschluss einer Vereinbarung über Altersteilzeit für die Zeit vom 1. Februar 2006 bis 31. Januar 2012 im Blockmodell. Mit Schreiben vom 28. Januar 2004 teilte die Personalabteilung der Beklagten dem Kläger mit, die M… habe zum Ende des Jahres 2003 festgelegt, dass alle Vertriebslinien ab sofort keine neuen Altersteilzeitarbeitsverträge abschließen sollten. Es heißt dort weiter:

“…

Mit dem Auslaufen der Gesamtbetriebsvereinbarung Altersteilzeit zum 31. Mai 2004 wird r daher keine neuen Altersteilzeitverträge nach Mai 2004 mehr abschließen. …”

Mit Schreiben vom 24. März 2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass “… Ihr oben genannter Antrag einer Kommission übergeben worden …” sei. Diese Kommission habe am 15. März 2004 über den Antrag entschieden. Die erforderliche Mehrheit sei für den Antrag nicht zustande gekommen, so dass ein Altersteilzeitarbeitsvertrag nicht zustande gekommen sei. Mit Schreiben vom 24. März 2004 beantragte der Kläger gegenüber der Beklagten den Abschluss einer Vereinbarung über Altersteilzeit für die Zeit vom 1. Mai 2004 bis 1. Mai 2010. Die Beklagte teilte dem Kläger darauf mit Schreiben vom 27. April 2004 mit, dass seinem erneuten Antrag vom 24. März 2004 nicht entsprochen werden könne. Unter dem 21. Mai 2004 bat der Kläger die Beklagte um erneute Prüfung. Es heißt dort:

“…

am 16.12.2003 stellte ich einen Antrag auf Altersteilzeit ab 01.02.2006 bis 31.01.2012. Er wurde mit der Begründung abgelehnt, dass ‘mit dem Auslaufen der Gesamtbetriebsvereinbarung Altersteilzeit zum 31.05.2004 r keine neuen Altersteilzeitverträge nach Mai 2004 mehr abschließt’ …

Also stellte ich einen Änderungsantrag mit der Bereitschaft zum sofortigen Teilzeitbeginn. Daraufhin bekam ich wieder eine Absage. …”

Die Beklagte erläuterte dem Kläger mit Schreiben vom 21. Juni 2004 nochmals ihre Ablehnungsgründe.

Mit seiner im Oktober 2004 erhobenen Klage hat der Kläger zunächst die Verpflichtung der Beklagten auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags für die Zeit vom 1. Mai 2004 bis 30. April 2010 und hilfsweise für die Zeit vom 1. Februar 2005 bis 31. Januar 2011 geltend gemacht. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat im Berufungsverfahren zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, mit ihm einen Altersteilzeitvertrag entsprechend der Gesamtbetriebsvereinbarung zur Förderung von Altersteilzeit gemäß Antrag auf Altersteilzeit vom 16. Dezember 2003 zu schließen, mit der Maßgabe, dass der Kläger seine Arbeitsleistung vom 1. Februar 2006 bis 31. Januar 2009 vollschichtig erbringen wird und das Arbeitsverhältnis vom 1. Februar 2009 bis 31. Januar 2012 ohne Arbeitsleistungserbringung ausläuft,

hilfsweise

die Beklagte zu verurteilen, mit ihm einen Altersteilzeitvertrag entsprechend der Gesamtbetriebsvereinbarung zur Förderung von Altersteilzeit zu schließen, mit der Maßgabe, dass der Kläger seine Arbeitsleistung vom 1. Mai 2004 bis 30. April 2007 vollschichtig erbringen wird und das Arbeitsverhältnis vom 1. Mai 2007 bis 30. April 2010 ohne Arbeitsleistungserbringung ausläuft.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte auf die Berufung des Klägers verurteilt, mit dem Kläger einen Altersteilzeitarbeitsvertrag für die Zeit vom 1. Februar 2006 bis 31. Januar 2012 zu schließen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

A. Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Kläger hat weder Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags für die Zeit vom 1. Februar 2006 bis zum 31. Januar 2012 noch entsprechend seinem Hilfsantrag für die Zeit vom 1. Mai 2004 bis zum 30. April 2010.

I. Die Klage ist zulässig. Die Klageanträge sind hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger erstrebt die Verurteilung der Beklagten zum Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags für die Zeit vom 1. Februar 2006 bis zum 31. Januar 2012, hilfsweise für die Zeit vom 1. Mai 2004 bis zum 30. April 2010. Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis soll im Blockmodell nach den Bedingungen des TV ATZ Einzelhandel BY und der BV-Altersteilzeit geführt werden. Die bisher vom Kläger geschuldete regelmäßige Arbeitszeit soll halbiert und insgesamt in der ersten Hälfte des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses erbracht werden. Hieran soll sich die Freistellungsphase anschließen. Mit Rechtskraft eines obsiegenden Urteils soll der Altersteilzeitarbeitsvertrag zustande kommen (§ 894 ZPO).

II. Die Klage ist unbegründet.

1. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, mit dem Kläger für die Zeit vom 1. Februar 2006 bis zum 31. Januar 2012 einen Altersteilzeitarbeitsvertrag zu schließen. Hierfür besteht keine Anspruchsgrundlage.

a) Als Anspruchsgrundlage für den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags kommt allein der TV ATZ Einzelhandel BY in Verbindung mit den ihn ergänzenden Regelungen der BV-Altersteilzeit in Betracht. Da die BV-Altersteilzeit zum 31. Mai 2004 ausgelaufen ist, kann dem Kläger kein Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags zustehen, der erst nach dem 31. Mai 2004 beginnen sollte.

aa) Das Landesarbeitsgericht geht zutreffend davon aus, dass der von den Parteien in Bezug genommene TV ATZ Einzelhandel BY keinen unmittelbaren Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags begründet.

Nach § 3 Nr. 1 Abs. 3 Satz 1 TV ATZ Einzelhandel BY entscheidet der Arbeitgeber im Anschluss an die Erörterungen mit dem Betriebsrat, ob er Altersteilzeit nach diesem Tarifvertrag einführt. Er entscheidet deshalb zunächst allein über das “Ob” der Einführung von Altersteilzeit (vgl. zu den wortgleichen Regelungen im Tarifvertrag zur Förderung der Altersteilzeit für den Einzelhandel Saarland vom 1. April 1999: Senat 10. Februar 2004 – 9 AZR 89/03 – Rn. 65, AP ATG § 2 Nr. 6 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 10). Diese Entscheidung hat die Beklagte mit Abschluss der BV-Altersteilzeit zu Gunsten der Einführung von Altersteilzeitarbeit getroffen. Nach § 3 BV-Altersteilzeit ist die Entscheidung der Arbeitgeberin, im Unternehmen Altersteilzeit einzuführen, Grundlage dieser BV. Anspruchsgrundlage für den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags ist deshalb der TV ATZ Einzelhandel BY in Verbindung mit der BV-Altersteilzeit.

bb) Die BV-Altersteilzeit endete ohne Nachwirkung mit Ablauf des 31. Mai 2004.

(1) Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 16. Dezember 2003 hatte die Beklagte die BV-Altersteilzeit bereits zum 31. Mai 2004 gekündigt. Die BV-Altersteilzeit trat am 1. April 2000 in Kraft. Sie war gemäß ihrem § 14 Abs. 2 Satz 1 mit einer Frist von sechs Monaten erstmals zum 31. Dezember 2001 kündbar. Der Wirksamkeit dieser Kündigung steht der TV ATZ Einzelhandel BY nicht entgegen. Die Beklagte hat von ihrer tariflich eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, nach Ablauf der Mindestbindungsdauer des § 3 Nr. 1 Abs. 3 Satz 2 TV ATZ Einzelhandel BY die Altersteilzeitarbeit in ihrem Unternehmen ab dem 1. Juni 2004 nicht fortzuführen. Nach § 3 Nr. 1 Abs. 3 Satz 2 TV ATZ Einzelhandel BY ist der Arbeitgeber an seine Entscheidung zur Einführung von Altersteilzeit mindestens ein Kalenderjahr, bei abweichenden Geschäftsjahren zwölf Monate gebunden. Diese Mindestdauer hat die Beklagte eingehalten. Weitere Wirksamkeitsvoraussetzungen bestehen für die Kündigung nicht. Das Schweigen des Tarifvertrags, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber nach Ablauf der Mindestdauer des § 3 Nr. 1 Abs. 3 Satz 2 TV ATZ Einzelhandel BY Altersteilzeit beenden kann, macht deutlich, dass er mit Ablauf der Frist hierüber frei entscheiden kann (vgl. Senat 10. Februar 2004 – 9 AZR 89/03 – Rn. 65, AP ATG § 2 Nr. 6 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 10). Deshalb hat die Beklagte ihre Verpflichtung zum Abschluss von Altersteilzeitarbeitsverträgen wirksam zum 31. Mai 2004 beendet.

(2) Die BV-Altersteilzeit wirkt nicht über den 31. Mai 2004 hinaus nach. Gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG tritt eine Nachwirkung nur für solche Regelungen einer Betriebsvereinbarung ein, in denen der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann. So wie der Arbeitgeber allein darüber entscheidet, ob er freiwillige Leistungen überhaupt erbringt, kann er mitbestimmungsfrei über ihre vollständige Einstellung befinden. Er kann mit den Mitteln des Betriebsverfassungsrechts nicht gezwungen werden, eine freiwillige Leistung länger zu erbringen, als er auf Grund der in der Betriebsvereinbarung selbst eingegangenen Bindung verpflichtet ist. Fällt die Leistungsverpflichtung des Arbeitgebers infolge der Kündigung der Betriebsvereinbarung weg, scheidet eine Nachwirkung aus (BAG 21. August 1990 – 1 ABR 73/89 – Rn. 24, BAGE 66, 8).

So ist es hier. Die Fortführung der Altersteilzeit nach dem TV ATZ Einzelhandel BY ist im Einigungsstellenverfahren nicht erzwingbar. Wie bereits ausgeführt, entscheidet der Arbeitgeber nach § 3 Nr. 1 Abs. 3 Satz 1 TV ATZ Einzelhandel BY frei darüber, ob er Altersteilzeit einführt und über die Mindestdauer des § 3 Nr. 1 Abs. 3 Satz 2 TV ATZ Einzelhandel BY hinaus fortsetzt. Bei solchen freiwilligen Leistungen tritt keine Nachwirkung ein, wenn der Arbeitgeber mit seiner Kündigung beabsichtigt, die Leistungen gänzlich einzustellen. Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 28. Januar 2004 deutlich gemacht, mit dem Auslaufen der BVAltersteilzeit ab sofort keine neuen Altersteilzeitarbeitsverträge nach Mai 2004 mehr abschließen zu wollen. Dieses Ergebnis wird durch § 14 Abs. 2 Satz 2 BV-Altersteilzeit bestätigt. Danach sollen ihre Bestimmungen nach Kündigung nur für die Beschäftigten weitergelten, für die innerhalb der Laufzeit der BV-Altersteilzeit wirksam ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis begründet worden ist. Das war beim Kläger nicht der Fall.

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts reicht es für die weitere Anwendung der BV-Altersteilzeit nicht aus, dass der Kläger seinen Antrag am 16. Dezember 2003 und damit vor Ablauf der BV-Altersteilzeit am 31. Mai 2004 gestellt hatte. Es wäre vielmehr erforderlich gewesen, dass das beantragte Altersteilzeitarbeitsverhältnis noch innerhalb der Geltungsdauer der BV-Altersteilzeit beginnen sollte. Die Umwandlung eines Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis muss innerhalb der Laufzeit der BV-Altersteilzeit bewirkt werden. Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis des Klägers sollte dagegen erst am 1. Februar 2006 beginnen.

aa) Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts widerspricht der tariflichen Befugnis des Arbeitgebers, nach Ablauf der Mindestbindungsdauer frei darüber zu entscheiden, ob er Altersteilzeit fortführen will oder nicht. Die Beklagte wäre verpflichtet, trotz dieser tariflichen “Abschaffungsbefugnis” Altersteilzeitarbeitsverhältnisse für einen Zeitraum zu vereinbaren, in dem sie Altersteilzeitarbeit nicht mehr fortführen will.

bb) Betriebsvereinbarungen verlieren mit ihrem nachwirkungslosen Ablauf grundsätzlich jegliche Geltung. Sie können nur Grundlage für in ihr geregelte Ansprüche sein, soweit diese bei ihrem Ablauf schon entstanden waren (vgl. BAG 19. September 2006 – 1 ABR 58/05 – Rn. 21, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 29 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 16). Ein Anspruch auf Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses für die Zeit nach Beendigung der Betriebsvereinbarung war niemals entstanden.

cc) Dies gilt um so mehr, als am 16. Dezember 2003, zum Zeitpunkt des Angebots auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags, die Kündigung der BV-Altersteilzeit bereits erfolgt war. Es stand damit zu diesem Zeitpunkt bereits fest, dass die Beklagte nicht mehr verpflichtet war, für den Zeitraum nach dem 31. Mai 2004 Altersteilzeitarbeitsverhältnisse zu begründen.

2. Der Hilfsantrag des Klägers auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags für die Zeit vom 1. Mai 2004 bis 30. April 2010 ist ebenfalls unbegründet.

Nach § 2 TV ATZ Einzelhandel BY besteht nur ein Anspruch auf Altersteilzeitarbeit nach Maßgabe der tariflichen Bestimmungen sowie des AltTZG. Mit seinem Hilfsantrag begehrt der Kläger den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags außerhalb der zwingenden Mindesterfordernisse des AltTZG. Hierzu ist die Beklagte nicht verpflichtet.

a) Gemäß § 2 TV ATZ Einzelhandel BY können Arbeitnehmer, die das 55. Lebensjahr vollendet und in den letzten fünf Jahren vor Beginn der Altersteilzeitarbeit innerhalb der gesetzlichen Rahmenfrist von zur Zeit mindestens 1.080 Kalendertagen in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem SGB III gestanden haben, mit dem Arbeitgeber Altersteilzeitarbeit nach Maßgabe des AltTZG und der tariflichen Bestimmungen vereinbaren. Damit wird der tarifliche Anspruch auf Abschluss solcher Altersteilzeitarbeitsverhältnisse auf diese beschränkt, die die Voraussetzungen des AltTZG erfüllen. Nur so wird gewährleistet, dass der Arbeitgeber Leistungen nach § 4 AltTZG beanspruchen kann.

b) Das vom Kläger beantragte Altersteilzeitarbeitsverhältnis soll zum 30. April 2010 enden. Damit erfüllt es nicht die Voraussetzungen des AltTZG.

aa) § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 AltTZG enthält die arbeitnehmerbezogene Legaldefinition der Altersteilzeit (Rittweger in Rittweger/Petri/Schweigert Altersteilzeit 2. Aufl. § 2 Rn. 2). Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG muss sich die Vereinbarung über Altersteilzeitarbeit zumindest auf die Zeit erstrecken, bis eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann. Eine solche Rente kann der Kläger vor dem 25. Januar 2012 nicht beanspruchen.

bb) Ein früherer Rentenbeginn des Klägers vor dem Erreichen des 65. Lebensjahres wäre nur nach § 237 SGB VI möglich, allerdings erst mit Vollendung des 63. Lebensjahres. Nach § 237 Abs. 3 Satz 3 SGB VI iVm. Anlage 19 ist ab 1. Januar 2006 die Altersgrenze für die abschlagsgeminderte Altersrente nach Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit für alle Versicherten, die nach dem 31. Dezember 1945 geboren sind, angehoben worden. Von dieser Anhebung ausgenommen bleiben aus Vertrauensschutzgründen nur diejenigen Versicherten, die vor dem 1. Januar 1952 geboren sind und vor dem 1. Januar 2004 (§ 237 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 SGB VI) rechtsverbindlich einen Vertrag über Altersteilzeitarbeit abgeschlossen haben. Wird das Altersteilzeitarbeitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2003 vereinbart und ist der Arbeitnehmer nach dem 31. Dezember 1945 geboren, wird die frühestmögliche Altersgrenze ab dem 1. Januar 2006 in Monatsschritten von 60 auf 63 Jahre angehoben, ab dem Jahrgang 1949 auf 63 Jahre. Deshalb ist für die Jahrgänge 1949 bis 1951 der frühestmögliche Renteneintritt erst mit Vollendung des 63. Lebensjahres gemäß der Anlage 19 zu § 237 SGB VI möglich (vgl. auch Birk NZA 2007, 244, 245). Der Kläger ist am 30. April 2010 aber erst 61 Jahre alt.

B. Der Kläger hat nach § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Unterschriften

Düwell, Reinecke, Krasshöfer, Ropertz, Gosch

 

Fundstellen

Haufe-Index 1818891

FA 2007, 389

NZA 2008, 1264

AP, 0

EzA-SD 2007, 14

EzA

ArbRB 2008, 47

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