Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung eines Lehrers im Kirchendienst. Unterrichtung der Mitarbeitervertretung

 

Normenkette

Mitarbeitervertretungsordnung für das Bistum Münster vom 30. November 1986 § 30

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 23.10.1990; Aktenzeichen 7 Sa 1009/90)

ArbG Bocholt (Urteil vom 15.06.1990; Aktenzeichen 2 Ca 387/90)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 23. Oktober 1990 – 7 Sa 1009/90 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine ordentliche Kündigung des Klägers durch die Beklagte während der Probezeit.

Der Kläger ist Lehrer für Latein und katholische Religion, die Beklagte die Trägerin des S -Gymnasiums in C. Durch schriftlichen Arbeitsvertrag vom 8. August 1989 stellte sie den Kläger ab dem 7. August 1989 unbefristet am S -Gymnasium mit 23 Wochenstunden für ein Bruttomonatsentgelt von 4.442,20 DM für die Unterrichtsfächer Latein und katholische Religion ein.

Im Arbeitsvertrag heißt es u.a.:

㤠2

Im übrigen gelten für die Rechte und Pflichten des Herrn B sinngemäß die Grundsätze, die allgemein für entsprechende hauptberufliche Lehrer an vergleichbaren öffentlichen Schulen maßgebend sind, soweit diese Grundsätze nicht auf der Eigenart des öffentlichen Dienstes beruhen

§ 6

Der Schulträger und Herr B können diesen Vertrag zum 31. Juli jeden Jahres kündigen. Die Kündigungsfristen nach § 53 BAT gelten entsprechend.

§ 8 Die Zeit vom O7. 08. 1989 bis O6. O2. 1990 gilt als Probezeit.

…”

Mit Schreiben vom 12. Januar 1990, welches dem Kläger am 15. Januar 1990 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 6. Februar 1990. Die bei der Beklagten bestehende Mitarbeitervertretung, die aufgrund der (katholischen) Mitarbeitervertretungsordnung für das Bistum Münster (MAVO) vom 30. Dezember 1986 gebildet worden ist, wurde nach Ausspruch der Kündigung unterrichtet.

Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Er hat vorgetragen, er habe aufgrund von § 2 Abs. 3 des Arbeitsvertrages einen vertraglichen Gleichbehandlungsanspruch mit Lehrern an staatlichen Schulen. Aus diesem Anspruch folge, daß er auch kollektivrechtlich wie Lehrer an staatlichen Schulen behandelt werden müßte, also die Grundsätze des Landespersonalvertretungsgesetzes für Nordrhein-Westfalen gelten müßten. Danach wäre die Mitarbeitervertretung jedoch vor der Kündigung anzuhören gewesen. Die ohne entsprechende Anhörung der Mitarbeitervertretung ausgesprochene Kündigung sei daher unwirksam.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

  1. festzustellen, daß die Kündigung der Beklagten vom 12. Januar 1990 unwirksam sei, das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum 28. Februar 1990 aufgelöst sei, sondern über den 28. Februar 1990 hinaus fortbestehe;
  2. hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen wie im Arbeitsvertrag vom 8. August 1989 über den 28. Februar 1990 weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die Mitarbeitervertretung ordnungsgemäß unterrichtet zu haben. Weitergehende Rechte des Klägers hat sie verneint.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung der Klage insoweit stattgegeben, als das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 12. Januar 1990 erst zum 28. Februar 1990 beendet worden sei, im übrigen hat es die Klage abund die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers, um deren Zurückweisung die Beklagte bittet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung vom 12. Januar 1990 sei nicht wegen Verstoßes gegen § 30 Abs. 5 MAV0 unwirksam, ist zutreffend.

I. Die Arbeitsgerichte sind gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern aus dem Arbeitsverhältnis zuständig. Soweit sich die Kirchen der Privatautonomie zur Begründung von Arbeitsverhältnissen bedienen, findet das staatliche Arbeitsrecht Anwendung (vgl. Senatsurteil vom 21. Oktober 1982 – 2 AZR 591/80 – AP Nr. 14 zu Art. 140 GG; BAGE 45, 250 = AP Nr. 16 zu Art. 140 GG; BAGE 51, 238 = AP Nr. 25 zu Art. 140 GG). Macht dabei ein kirchlicher Arbeitnehmer geltend, daß eine Kündigung des kirchlichen Arbeitgebers unwirksam sei, weil er die kirchliche Mitarbeitervertretung nicht ordnungsgemäß beteiligt habe, so hat das Arbeitsgericht auch dies zu überprüfen (vgl. BAG Urteil vom 19. Januar 1983 – 7 AZR 60/81 – n. v.; LAG München Urteil vom 14. August 1986 – 5 Sa 1006/85 – AMBl. By. 1987, C 39 bis C 40; LAG Bremen Urteil vom 23. November 1984 – 1 Sa 87/84 – AR-Blattei Kirchenbedienstete, Entscheidung Nr. 27, zu B I 1 c der Gründe; Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 1984, § 14 IV 2, S. 193 f.; Duhnenkamp, Das Mitarbeitervertretungsrecht im Bereich der evangelischen Kirche, 1985, S. 36 f., m.w.N. in Fn. 108 bis 110; Dütz, Aktuelle kollektivrechtliche Fragen des kirchlichen Dienstes in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche, Bd. 18, S. 67, 105, m.w.N. in Fn. 236).

II.1. Die Kündigung vom 12. Januar 1990 kann nicht auf ihre soziale Rechtfertigung i. S. von § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG überprüft werden, denn der Kläger war zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs noch nicht länger als sechs Monate bei der Beklagten beschäftigt (§ 1 Abs. 1 KSchG).

2. Die Kündigung ist nicht deshalb unwirksam, weil die Beklagte etwa ihre Mitarbeitervertretung nicht ordnungsgemäß beteiligt hätte.

a) Die Beklagte hat vielmehr das mitbestimmungsrechtliche Verfahren der für das Arbeitsverhältnis des Klägers allein maßgeblichen MAVO eingehalten.

Gem. § 27 Abs. 2 MAVO ist der Dienstgeber bei einer innerhalb der Probezeit ausgesprochenen Kündigung lediglich dazu verpflichtet, die Mitarbeitervertretung über eine ausgesprochene Kündigung zu informieren. Bei einer ausdrücklich vereinbarten Probezeit genügt demzufolge die nachträgliche Unterrichtung der Mitarbeitervertretung, sofern die Kündigung innerhalb der Probezeit ausgesprochen wurde (vgl. Frey/Schmitz-Elsen/Coutelle, Kommentar zur Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung, 3. Aufl., § 27 Rz 19). Da die Parteien gem. § 8 des Einstellungsvertrages die Zeit vom 7. August 1989 bis zum 6. Februar 1990 ausdrücklich als Probezeit vereinbart haben, wurde die am 12. Januar 1990 ausgesprochene Kündigung auch noch innerhalb der vereinbarten Probezeit vollzogen.

b) Entgegen der Auffassung der Revision findet das staatliche Mitbestimmungsrecht auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung.

aa) Die Beklagte unterhält mit dem S -Gymnasium in C – feld eine erzieherische Einrichtung der katholischen Kirche. Den Religionsgemeinschaften bleibt hierbei die selbständige Ordnung eines Mitarbeitervertretungsrechts überlassen (§ 112 Halbs. 2 BPersVG). Die Ausgestaltung eines Mitarbeitervertretungsrechts ist Sache der Religionsgesellschaften und ihrer caritativen und erzieherischen Einrichtungen. Die Religionsgesellschaften entscheiden selbst darüber, ob solche Mitarbeitervertretungen errichtet werden sollen, wie sie zusammengesetzt sind und welche Befugnis sie haben. Das Betriebsverfassungsgesetz und auch die Personalvertretungsgesetze, die die Religionsgesellschaften und ihre Einrichtungen ausdrücklich vom Geltungsbereich ihrer Gesetze ausnehmen, sind daher keine „für alle geltenden Gesetze” i. S. von Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV. Sie nehmen vielmehr mit diesen Vorbehalten auf das verfassungsrechtlich Gebotene Rücksicht (vgl. BVerfGE 46, 73, 95 = AP Nr. 1 zu Art. 140 GG, zu B II 4 der Gründe; BAGE 29, 405, 411 = AP Nr. 10 zu § 118 BetrVG 1972, zu III 1 der Gründe; BAGE 51, 238, 244 = AP Nr. 25 zu Art. 140 GG, zu B 4 b der Gründe).

bb) Die Parteien haben in § 2 Abs. 3 des Arbeitsvertrages nicht die Geltung des staatlichen Mitbestimmungsrechts vereinbart, wobei es dahingestellt bleiben kann, inwieweit einer solchen Vereinbarung die Wirksamkeit zuzuerkennen wäre (vgl. für das Betriebsverfassungsgesetz nur LAG Hamm Urteil vom 27. Oktober 1975 – 5 Sa 755/75 –, ARSt 1978, 127; KR-Etzel, 3. Aufl., § 102 BetrVG Rz 243 a).

Der Senat kann die Auslegung von § 2 Abs. 3 des Arbeitsvertrages auch in der Revisionsinstanz nachprüfen, da es sich bei dem Arbeitsvertrag des Klägers um einen sog. typischen Vertrag handelt, nämlich um einen vom Kultusminister genehmigten Vertrag zwischen Privatschule und Lehrer (siehe dazu BAG Urteil vom 18. Oktober 1972 – 4 AZR 482/71 – AP Nr. 3 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer).

cc) Aus § 2 des Arbeitsvertrages ergibt sich, daß dem Kläger nur die individualrechtliche Gleichstellung mit an staatlichen Schulen beschäftigten Lehrern zugesichert wird. Die Vorschrift befaßt sich nicht mit kollektivrechtlichen Tatbeständen.

Entgegen der Auslegung durch das Berufungsgericht kommt es dabei nicht entscheidend auf das Wort „Grundsätze” an, sondern auf die Tatsache, daß „die Rechte und Pflichten des Herrn B” in ihnen geregelt sind.

Es bestehen auch nach dem Sinn des Vertrages schon keine Anhaltspunkte dafür, daß durch diesen Passus das gesamte staatliche kollektive Mitbestimmungsrecht vereinbart worden wäre und die Beklagte einzelvertraglich ihr gesamtes Mitarbeitervertretungsrecht abbedungen hätte. Dies hätte angesichts der von den kirchlichen Einrichtungen immer wieder betonten und von der Verfassung her garantierten Autonomie der Kirche und ihrer Einrichtungen (vgl. BVerfGE 42, 312, 332 = AP Nr. 5 zu Art. 140 GG, zu C I 2 b der Gründe; BVerfGE 53, 366, 400 f. = AP Nr. 6 zu Art. 140 GG, zu C I 2 d der Gründe; BVerfGE 57, 220, 244 = AP Nr. 9 zu Art. 140 GG, zu C II 2 der Gründe; BVerfGE 66, 1, 20 = AP Nr. 17 zu Art. 140 GG, zu C I 2 a der Gründe; BVerfGE 70, 138, 164 = AP Nr. 24 zu Art. 140 GG, zu B II 1 b der Gründe; BVerfGE 72, 278, 289 = AP Nr. 28 zu Art. 140 GG, zu C der Gründe; BAGE 30, 247, 256 = AP Nr. 2 zu Art. 140 GG, zu B I 3 der Gründe; BAGE 34, 195, 204 = AP Nr. 7 zu Art. 140 GG, zu B II 2 a der Gründe; Senatsurteil vom 21. Oktober 1982 – 2 AZR 591/80 – AP Nr. 14 zu Art. 140 GG, zu B II 2 a der Gründe; BAGE 45, 250, 254 f. = AP Nr. 16 zu Art. 140 GG, zu I 3 c bb der Gründe; BAGE 61, 376, 381 = AP Nr. 34 zu Art. 140 GG, zu 2 a der Gründe; BAG Urteil vom 18. November 1986 7 AZR 274/85 – AP Nr. 35 zu Art. 140 GG, zu II 1 der Gründe; BAG Urteil vom 25. Mai 1988 – 7 AZR 506/87 – AP Nr. 36 zu Art. 140 GG, zu I 2 b der Gründe; aus dem umfangreichen Schrifttum vgl. nur die Nachweise bei Dütz, Anm. zu BAG AP Nr. 25 zu Art. 140 GG, zu 2; Fitting/ Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 16. Aufl., § 118 Rz 48; Struck, NZA 1991, 249, 250 ff.; vgl. auch die Beiträge im Sonderheft ArbuR 1979, S. 1 ff.; NZA Beilage 1/1986, S. 3 ff.) dann eindeutig im Text angesprochen werden müssen.

c) Entgegen der Auffassung der Revision liegt auch kein Verstoß gegen § 37 Abs. 3 Buchst. d SchOG NRW oder gegen Art. 7 Abs. 4 Satz 4 GG vor.

aa) Gem. Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG bedarf die private Schule als Ersatz für öffentliche Schulen der Genehmigung des Staates und untersteht den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist gem. Art. 7 Abs. 4 Satz 4 GG zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist. Für die hier allein relevante rechtliche Sicherung der Lehrkräfte genügt im allgemeinen ein schriftlicher Anstellungsvertrag, der die Kündigungsbedingungen, die Pflichtstundenzahl, den Anspruch auf Urlaub sowie den Gehaltsanspruch nach Höhe und Fälligkeitsterminen eindeutig regelt und eine ausreichende Versorgungsanwartschaft begründet (vgl. nur Heckel, Deutsches Privatschulrecht, 1955, S. 286, 309; Peters in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Bd. IV/1, 1960, S. 436; v. Münch, GG, 3. Aufl., Art. 7 Rz 39; Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Stand Dezember 1989, Art. 7 Rz 78), also individualarbeitsrechtliche Sicherungen.

bb) § 37 Abs. 3 Buchst. d SchOG NRW konkretisiert als landesgesetzliche Regelung gem. Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG diesen grundgesetzlichen Genehmigungsvorbehalt (siehe schon Heckel, aaO, S. 285). Eine andere Auslegung wäre sachwidrig. Die Annahme des Klägers, § 37 Abs. 3 Buchst. d SchoG NRW ordne für Lehrer an Privatschulen – und somit auch an katholischen Privatschulen – die Anwendung des Landespersonalvertretungsgesetzes NRW an ist verfehlt, weil dann ein Verstoß gegen Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV vorliegt, indem damit die kirchliche Autonomie angetastet würde.

 

Unterschriften

Hillebrecht, Triebfürst, Dr. Ascheid, N. Holst, Wisskirchen

 

Fundstellen

Dokument-Index HI915993

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