Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung wegen Tätigkeit für das MfS. Falschbeantwortung

 

Normenkette

Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1; BGB § 626

 

Verfahrensgang

Thüringer LAG (Urteil vom 02.04.1996; Aktenzeichen 7/6 Sa 929/94)

ArbG Erfurt (Urteil vom 09.06.1994; Aktenzeichen 1 Ca 121/93)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 2. April 1996 – 7/6 Sa 929/94 – aufgehoben, soweit es die Klage abgewiesen hat.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 9. Juni 1994 – 1 Ca 121/93 – auch insoweit abgeändert.

Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 18. März 1993 nicht aufgelöst worden ist.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

VonRechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die der Beklagte auf Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 der Anlage I zum Einigungsvertrag (künftig: Abs. 4 Ziff. 1 EV) stützt.

Der im Jahre 1950 geborene Kläger war zuletzt Angestellter im Bürodienst bei der Bereitschaftspolizei Erfurt und für die Verwaltung der Bekleidungskammer verantwortlich. Im Jahre 1986 wurde er, damals Offizier für Bekleidung und Ausrüstung bei der 7. Volkspolizei-Bereitschaft Erfurt, auf eine Zusammenarbeit mit dem MfS angesprochen. Er willigte ein und verpflichtete sich handschriftlich. Sein Deckname war „R. M.”. Die Zusammenarbeit bestand darin, dem Führungsoffizier S. in unregelmäßigen Abständen den Schlüssel für einen Raum im Bereich der Bekleidungskammer auszuhändigen. Der Führungsoffizier traf sich dort mit dem Kläger nicht bekannten Personen. Mit dem Wechsel des Führungsoffiziers im Jahre 1988 endete die Zusammenarbeit.

Im Sommer 1990 erlitt der Kläger einen Schlaganfall. Er war deshalb bis zum 31. Dezember 1990 krankgeschrieben.

Am 2. Januar 1991 verneinte der Kläger in einem Fragebogen gegenüber dem Beklagten, mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) oder dem Amt für Nationale Sicherheit (AfNS) hauptamtlich/nebenamtlich gegen Vergütung/ohne Vergütung oder in sonstiger Weise zusammengearbeitet zu haben oder zur Mitarbeit angesprochen worden zu sein.

Mit Schreiben vom 30. März 1992 teilte der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (Gauck-Behörde) dem Beklagten mit, der Kläger sei seit dem 23. September 1986 als Inoffizieller Mitarbeiter zur Sicherung der Konspiration/Sonstiges (IMK/S) mit dem Decknamen RM beim MfS erfaßt. Den Kläger betreffendes Aktenmaterial liege nicht vor.

Bei seiner Anhörung am 21. Mai 1992 verneinte der Kläger zunächst die Frage nach einer Zusammenarbeit mit dem MfS. Nach Vorhalt der Gauck-Auskunft räumte er diese sodann ein. Er gab an, der MfS-Offizier S habe wegen brieflicher Westkontakte seiner Ehefrau mit Entlassung und damit gedroht, sein Sohn werde nicht zum Studium zugelassen. Zu Beginn der Anhörung habe er Angst gehabt, richtig zu antworten. Auch habe ihm der Führungsoffizier 1986 erklärt, von der Zusammenarbeit würden Dritte nichts erfahren.

Nachdem der Beklagte am 1. Februar 1993 von einem Antrag des Klägers auf Anerkennung als Schwerbehinderter erfahren hatte, beantragte er bei der Hauptfürsorgestelle mit Schreiben vom 8. Februar 1993 die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung. Die Hauptfürsorgestelle erteilte die Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung mit Bescheid vom 12. März 1993. Der Kläger hat hiergegen keinen Rechtsbehelf eingelegt.

Mit Schreiben vom 18. März 1993 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich. Das Landesarbeitsgericht hat rechtskräftig festgestellt, daß diese Kündigung frühestens zum 30. September 1993 wirkt. Nachdem der Kläger als Schwerbehinderter anerkannt worden ist, hat der Beklagte eine frühere Kündigung vom 4. Januar 1993 mit Zustimmung des Klägers zurückgenommen.

Mit der beim Arbeitsgericht am 31. März 1993 eingereichten Kündigungsschutzklage hat der Kläger geltend gemacht, die Kündigung vom 18. März 1993 sei rechtsunwirksam. Seine frühere Tätigkeit für das MfS mache eine Weiterbeschäftigung in der Kleiderkammer nicht unzumutbar. Das Leugnen dieser Tätigkeit könne in kündigungsrechtlicher Hinsicht nicht weiter führen als die Tätigkeit selbst. Im übrigen habe er sich zum Zeitpunkt der Abgabe des Fragebogens infolge des Schlaganfalles in einem psychisch äußerst instabilen Zustand befunden. Es sei menschlich und natürlich, daß er alles, was weitere Aufregung verursachen konnte, von sich geschoben habe. Der Personalrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Das Verfahren der Hauptfürsorgestelle sei fehlerhaft gewesen.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 18. März 1993 nicht aufgelöst worden sei.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe die gesetzlich vermutete Nichteignung wegen seiner Tätigkeit für das MfS nicht widerlegt. Die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung und die mangelnde persönliche Eignung würden noch dadurch erhärtet, daß der Kläger im Fragebogen falsche Angaben gemacht und seine IM-Tätigkeit erst nach Vorhalt der Gauck-Auskunft eingeräumt habe. Der Personalrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden.

Die Vorinstanzen haben die Rechtswirksamkeit der Kündigung bejaht. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision hält der Kläger an seinem Klagantrag fest.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit dieses die Klage abgewiesen hat, und zur antragsgemäßen Feststellung (§ 564 Abs. 1, § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

I. Wie das Landesarbeitsgericht zu Recht entschieden hat, ist die Kündigung nicht schon gem. § 15 SchwbG i.V.m. § 134 BGB rechtsunwirksam. Der Beklagte konnte die Zustimmung zur Kündigung vorsorglich einholen. Nachdem die Hauptfürsorgestelle die Zustimmung erteilt hatte, durfte die Kündigung erfolgen (§ 18 SchwbG). Etwaige Mängel des Verfahrens der Hauptfürsorgestelle haben für die Wirksamkeit der Kündigung unmittelbar keine Bedeutung.

II. Das Landesarbeitsgericht hat auch zutreffend angenommen, der Beklagte habe den Personalrat vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt. Die hiergegen gerichtete, auf Verletzung des materiellen Rechts gestützte Revisionsrüge des Klägers ist unbegründet. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat das für die Kündigung zuständige Innenministerium den zuständigen Hauptpersonalrat mit Schreiben vom 4. Februar 1993 im einzelnen über die Kündigungsabsicht und über die Kündigungsgründe, wie sie auch im Kündigungsschutzprozeß geltend gemacht werden, vollständig unterrichtet. Der Hauptpersonalrat hat einer ordentlichen Kündigung mit Schreiben vom 1. März 1993 zugestimmt. Die Anhörung der Personalvertretung konnte parallel zur Durchführung des Zustimmungsverfahrens bei der Hauptfürsorgestelle erfolgen (vgl. BAG Urteil vom 18. Mai 1994 – 2 AZR 626/93 – AP Nr. 3 zu § 108 BPersVG, zu B II 2 a der Gründe).

III. Die Kündigung ist nicht gem. Abs. 4 Ziff. 1 EV wegen mangelnder persönlicher Eignung des Klägers gerechtfertigt. Sie ist vielmehr sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG), da hinreichende Kündigungsgründe nicht vorliegen. Die gegenteilige Auffassung des Landesarbeitsgerichts hält der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die vom Kläger eingeräumte Tätigkeit für das MfS die Voraussetzungen des Abs. 5 Ziff. 2 EV erfülle. Die mangelnde persönliche Eignung des Klägers ergebe sich daraus, daß er die zulässige Frage nach einer Zusammenarbeit mit dem MfS vorsätzlich falsch beantwortet habe. Die Falschbeantwortung indiziere die mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV deshalb, weil sie Zweifel an der Ehrlichkeit und künftigen Loyalität des Arbeitnehmers gegen seinen Dienstherrn begründe. Zugunsten des Klägers sei davon auszugehen, daß ihm die Falschbeantwortung Anfang Januar 1991 aufgrund der damaligen psychischen und physischen Ausnahmesituation nicht vorgeworfen werden könne. Der Beklagte sei dem entsprechenden Vorbringen des Klägers nicht entgegengetreten und habe auch das ärztliche Attest vom 10. Dezember 1990 nicht in Frage gestellt. Der Kläger sei aber verpflichtet gewesen, die im Mai 1992 erneut gestellte Frage nach einer Zusammenarbeit mit dem MfS wahrheitsgemäß zu beantworten. Er habe sich nicht offenbart, sondern die Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter erst nach Vorhalt der Gauck-Auskunft eingeräumt. Er behaupte nicht, die krankheitsbedingte Drucksituation habe noch im Mai 1992 angedauert. Er habe auch nicht in einer Art Kurzschlußreaktion gehandelt, sondern um seine Falschangabe im Fragebogen gewußt. Er habe nahezu 1 1/2 Jahre Zeit gehabt, sein Verhalten zu überdenken und die Möglichkeit einer Richtigstellung zu erwägen, habe sich aber dazu entschieden, im Rahmen der erneuten Befragung bei der Unwahrheit zu bleiben. Die Indizwirkung der – erneuten – Falschbeantwortung werde nicht dadurch widerlegt, daß der Kläger seine Tätigkeit für das MfS nach Vorhalt der Gauck-Auskunft zugegeben habe. Die positive Prognose über die künftige Loyalität des Arbeitnehmers setze eine freiwillige und glaubwürdige Richtigstellung der Falschangabe voraus.

2. Das Landesarbeitsgericht geht zu Recht davon aus, daß auch eine ordentliche Kündigung wegen Tätigkeit für das MfS nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 5 Ziff. 2 EV gerechtfertigt war (BAG Urteil vom 26. August 1993 – 8 AZR 561/92BAGE 74, 120, 123 = AP Nr. 8 zu Art. 20 Einigungsvertrag, zu B II 2 der Gründe). Das Landesarbeitsgericht hat jedoch Abs. 5 Ziff. 2 EV nicht geprüft. Der Senat kann das selber nachholen, da die maßgebenden Tatsachen feststehen.

a) Der Kläger war für das MfS tätig. Das Bereitstellen eines Raumes für konspirative Zwecke stellt grundsätzlich eine Tätigkeit für das MfS dar (vgl. BAG Urteil vom 14. Dezember 1995 – 8 AZR 356/94 – AP Nr. 56 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, zu B II 2 der Gründe). Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Raum einer Privatwohnung oder ob ein Dienstzimmer zur Verfügung gestellt wurde. Durch das positive Tun des IMK wurde die Einhaltung der Konspiration gefördert.

b) Deswegen erscheint ein Festhalten am Arbeitsverhältnis des Klägers aber nicht unzumutbar. Der Kläger konnte über den Schlüssel für die Bekleidungskammer und die Räume nicht ähnlich wie über seine Privatwohnung frei verfügen; es handelte sich nicht um „seinen” Schlüssel und „seinen” Raum. Vielmehr war er den dienstlichen Anweisungen seiner Vorgesetzten unterworfen. Auch wenn der MfS-Offizier dem Kläger als Polizeioffizier nicht offiziell vorgesetzt war, lag doch eine Art „Amtshilfe” vor. Der dienstliche Charakter der Angelegenheit stand ganz im Vordergrund. Die persönliche Verstrickung des Klägers erscheint gering. Unstreitig hat der Kläger lediglich den Schlüssel in unregelmäßigen Abständen ausgehändigt und ist sonst für das MfS nicht tätig geworden. Angesichts seiner relativ untergeordneten Stellung und seiner Befassung mit interner Verwaltungstätigkeit kann von einer Beeinträchtigung des Vertrauens in die Integrität der Verwaltung keine Rede sein.

3. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, die mangelnde persönliche Eignung des Klägers nach Abs. 4 Ziff. 1 EV ergebe sich aus der vorsätzlichen Falschbeantwortung der Frage nach einer MfS-Zusammenarbeit, trifft nicht zu.

a) Die im Personalfragebogen gestellte Frage nach der MfS-Tätigkeit ist zulässig und vom Arbeitnehmer wahrheitsgemäß zu beantworten (BAG Urteil vom 26. August 1993, aaO, zu B II 5 der Gründe; BAG Urteil vom 7. September 1995 – 8 AZR 828/93BAGE 81, 15 = AP Nr. 24 zu § 242 BGB Auskunftspflicht). Die Ausübung des Fragerechts dient letztlich der Bereinigung des übernommenen öffentlichen Dienstes von vorbelastetem Personal und damit der Schaffung einer leistungsfähigen öffentlichen Verwaltung, einem überragend wichtigen Gemeinschaftsgut. Das MfS bildete den eigentlichen Repressionsapparat des SED-Staates. Wer aufgrund eigenen Willensentschlusses und ohne entschuldigenden Zwang eine Erklärung unterzeichnet hat, künftig für das MfS als Inoffizieller Mitarbeiter tätig zu werden, begründet bereits hierdurch erhebliche Zweifel an seiner persönlichen Eignung für eine Tätigkeit innerhalb des öffentlichen Dienstes.

b) Die Falschbeantwortung der Frage nach einer MfS-Tätigkeit offenbart darüber hinaus regelmäßig die mangelnde persönliche Eignung für eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst (BAG Urteil vom 26. August 1993, aaO). Die Beantwortung dieser Frage ist für den öffentlichen Arbeitgeber von besonderer Bedeutung. Wer hierzu falsche Angaben macht, mißbraucht das Vertrauen seines Dienstherrn gröblich. Die Falschbeantwortung belegt aber nicht zwangsläufig die mangelnde persönliche Eignung des Arbeitnehmers. Neben dem Maß individueller Schuld des Arbeitnehmers sind vielmehr alle sonstigen Umstände des Einzelfalls, die für oder gegen die persönliche Eignung des Arbeitnehmers sprechen, in die Beurteilung einzubeziehen (vgl. BAG Urteil vom 13. September 1995 – 2 AZR 862/94 – AP Nr. 53 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX; BAG Urteil vom 14. Dezember 1995, aaO, zu B III 2 der Gründe).

c) Das Landesarbeitsgericht hat die maßgeblichen Tatsachen nur teilweise und insoweit rechtsfehlerhaft gewürdigt.

aa) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Falschbeantwortung am 2. Januar 1991 könne dem Kläger nicht vorgeworfen werden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat weder diese Würdigung noch die ihr zugrundeliegenden Feststellungen des Berufungsurteils mit (Gegen-)Rügen angegriffen.

Das Landesarbeitsgericht hat maßgeblich darauf abgestellt, der Kläger habe am 21. Mai 1992 die MfS-Tätigkeit auf erneute Frage zunächst wieder geleugnet. Dabei ist unberücksichtigt geblieben, daß der Beklagte die Tätigkeit des Klägers zu diesem Zeitpunkt bereits kannte. Die Frage nach einer MfS-Tätigkeit dient dazu, dem Arbeitgeber Erkenntnisse über mögliche Belastungen des Arbeitnehmers zu verschaffen. Sie bezweckt nicht einen Test oder eine Prüfung der Wahrhaftigkeit des Arbeitnehmers in dem Sinne, dem Arbeitgeber einen nicht vorhandenen Kündigungsgrund erst zu verschaffen (Senatsurteile vom 7. September 1995, aaO, zu II 2, 3 der Gründe; vom 26. Juni 1997 – 8 AZR 449/96 – n.v., zu II 4 b der Gründe). Ein berechtigtes Interesse des Beklagten an der erneuten Fragestellung ist nicht ersichtlich. Der Beklagte hätte die Gauck-Auskunft dem Kläger am 21. Mai 1992 unmittelbar – ohne erneute Fragestellung – vorhalten können. Einen Nachteil hätte er dadurch nicht erlitten. Ebenso ist dem Beklagten durch die anfängliche Falschbeantwortung am 21. Mai 1992 kein Nachteil erwachsen (vgl. BVerfG Urteil vom 8. Juli 1997 – 1 BvR 2111/94 u.a. – BVerfGE 96, 171, 185 f. = AP Nr. 39 zu Art. 2 GG, zu C II 2 b bb der Gründe).

Der Kläger hat sich zwischen Januar 1991 und Mai 1992 gegenüber dem Beklagten nicht offenbart. Eine freiwillige Offenbarung in diesem Zeitraum hätte als positives Zeichen künftiger Loyalität zugunsten des Klägers gesprochen. Ihr Fehlen begründet aber keine negative Prognose. Es stellt einen erheblichen Unterschied dar, ob der Arbeitnehmer auf eine zulässige Frage vorwerfbar falsch antwortet oder ob er dem ohne vorwerfbares Verhalten eingetretenen Zustand der Fehlinformation nicht aktiv entgegentritt.

bb) Ist damit eine mangelnde persönliche Eignung des Klägers nicht durch Falschbeantwortung indiziert, bedarf es keiner weiteren Abwägung der Umstände des Einzelfalles. Insoweit wäre auch bei dem Verhalten des Klägers nach 1990 zu berücksichtigen, daß seine MfS-Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung war und schon zum Zeitpunkt der ersten Befragung im Januar 1991 nicht als Kündigungsgrund ausreichte. Der Kläger war kein typischer MfS-Spitzel (oben III 2 b). Sein Verschweigen der zwar inoffiziellen, gleichwohl vorwiegend dienstlichen Zusammenarbeit offenbart keinen so tiefgreifenden Persönlichkeitsmangel, daß darauf eine Kündigung wegen mangelnder persönlicher Eignung gestützt werden könnte.

cc) Auf die Verfahrensrüge des Klägers, mit der er geltend macht, die physische und psychische Ausnahmesituation habe noch im Mai 1992 bestanden, kommt es nicht mehr an.

4. Weitere Kündigungsgründe hat der Beklagte nicht vorgetragen. IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

 

Unterschriften

Ascheid, Müller-Glöge, Mikosch, Brückmann, Morsch

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1135802

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