Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestandsstreitigkeit zwischen einer ausländischen Konsulatsangestellten und dem ausländischen Staat. deutsche Gerichtsbarkeit?

 

Leitsatz (amtlich)

Ein ausländischer Staat ist hinsichtlich arbeitsrechtlicher Bestandsstreitigkeiten mit Konsulatsangestellten, die nach dem Inhalt ihres Arbeitsverhältnisses originär konsularische (hoheitliche) Aufgaben wahrzunehmen haben, grundsätzlich nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen.

 

Normenkette

GVG § 20 Abs. 2; GG Art. 100 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 10.05.1995; Aktenzeichen 2 (11) Sa 182/95)

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 15.12.1994; Aktenzeichen 2 Ca 7679/92)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. Mai 1995 – 2 (11) Sa 182/95 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die am 24. Februar 1926 geborene Klägerin ist argentinische Staatsangehörige und war vom 1. März 1964 bis 28. Februar 1991 zu einem monatlichen Entgelt von zuletzt 3.500,-- DM als Angehörige des Verwaltungs- und technischen Personals des Generalkonsulats der Beklagten in Düsseldorf beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehörten u.a. die Neuerstellung und Verlängerung von argentinischen Reisepässen, die Visa-Bearbeitung und Beglaubigungen.

Die Klägerin, die seit 1. Januar 1992 eine Rente der BfA bezieht, hat die Auffassung vertreten, für eine Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 28. Februar 1991 fehle es an einem Auflösungstatbestand. Immunität könne die Beklagte nicht einwenden, denn inländische Ortskräfte der Botschaften würden durch einfachen Arbeitsvertrag angestellt und nicht hoheitlich berufen. Die Eingehung eines Arbeitsvertrages gehöre nicht zu den konsularischen Aufgaben; insoweit sei die Beklagte wie eine Privatperson tätig geworden. Eine besondere Vertrauensposition, die eine andere Beurteilung gebieten könnte, habe sie, die Klägerin, nicht gehabt. Daher sei für die Entscheidung der Bestandsstreitigkeit die deutsche Arbeitsgerichtsbarkeit zuständig und es sei deutsches Arbeitsrecht maßgebend.

Die Klägerin hat beantragt,

  • festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch über den 28. Februar 1991 hinaus bis zum 31. Dezember 1991 zu unveränderten Bedingungen bestanden hat,
  • die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 35.000,-- DM plus 4 % Zinsen seit dem 1. Januar 1992 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage als unzulässig abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Klägerin habe zunächst, wie bei ihren Konsulatsangestellten üblich, ohne Festanstellung gearbeitet. Erst unter dem 7. Juni 1966 habe der damalige Konsul seiner Regierung die Festeinstellung vorgeschlagen. Dem sei sie mit Resolution Nr. 427 vom 7. Dezember 1971 gefolgt. Für die Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit komme es nicht darauf an, mit welchen konkreten Tätigkeiten die Klägerin innerhalb des Konsulats betraut worden sei. Vielmehr führe jegliche Unterwerfung der beklagten Republik unter die deutsche Gerichtsbarkeit dazu, daß die Organisationsgewalt von dem Entsendestaat des Konsulats auf den Aufnahmestaat, also die Bundesrepublik, übergehe, was unzulässig sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre oben genannten Anträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht die deutsche Gerichtsbarkeit verneint (§ 20 Abs. 2 GVG).

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, als ausländischer Staat sei die Beklagte nach allgemeinem Völkergewohnheitsrecht der inländischen Gerichtsbarkeit insoweit nicht unterworfen, als der Gegenstand des Rechtsstreits die hoheitliche Tätigkeit der Beklagten betreffe. Sei der Inhalt eines Arbeitsverhältnisses die unmittelbare Wahrnehmung von Aufgaben, die in den Bereich der Staatsgewalt im engeren und eigentlichen Sinne fallen, müßten Streitfragen im Zusammenhang mit Begründung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses der inländischen Gerichtsbarkeit entzogen sein, weil der Bezug zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben des ausländischen Staates gegenüber dem grundsätzlich privatrechtlichen Charakter der Begründung und Beendigung eines Arbeitsverhältnisses überwiege. So liege der Fall hier, da die Klägerin mit konsularischen Aufgaben im engeren Sinne befaßt gewesen sei. Es komme deshalb auch nicht darauf an, ob das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch hoheitlichen Akt begründet worden sei.

II. Dem folgt der Senat sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung.

1. Ob und inwieweit die Beklagte als ausländischer Staat der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen ist, richtet sich mangels völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts (§ 20 Abs. 2 GVG). Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß zwar Staaten nach allgemeinem Völkergewohnheitsrecht der Gerichtsbarkeit anderer Staaten insoweit nicht unterworfen sind, als der Gegenstand des Rechtsstreits ihre hoheitliche Tätigkeit betrifft, daß andererseits aber keine Regel des Völkerrechts, die gemäß Art. 25 GG Bestandteil des Bundesrechts wäre, die inländische Gerichtsbarkeit für Klagen gegen einen ausländischen Staat in Bezug auf seine nicht hoheitliche Betätigung ausschließt (BVerfG Beschluß vom 30. April 1963 – 2 BvM 1/62 – BVerfGE 16, 27). Maßgebend für die Unterscheidung zwischen hoheitlicher und nicht hoheitlicher Staatstätigkeit ist nicht deren Motiv oder Zweck, sondern die Natur der umstrittenen staatlichen Handlung bzw. des streitigen Rechtsverhältnisses, wobei grundsätzlich die Qualifikation mangels völkerrechtlicher Abgrenzungskriterien nach nationalem Recht vorzunehmen ist (BVerfGE 16, 27, 61 f.). Dabei sind allerdings der Qualifikation der Staatstätigkeit bzw. des streitigen Rechtsverhältnisses als nicht-hoheitlich völkerrechtliche Schranken gezogen. Das nationale Recht darf für die Unterscheidung nur mit der Maßgabe herangezogen werden, daß vom hoheitlichen Bereich und damit von der Immunität nicht solche staatlichen Betätigungen oder durch sie bestimmte Rechtsverhältnisse ausgenommen werden dürfen, die nach der von den Staaten überwiegend vertretenen Auffassung zum Bereich der Staatsgewalt im engeren und eigentlichen Sinn gehören. Ausnahmsweise kann es also völkerrechtlich geboten sein, die Betätigung eines ausländischen Staates, weil sie dem Kernbereich der Staatsgewalt zuzurechnen ist, als Akt iure imperii zu qualifizieren, obwohl sie nach nationalem Recht als privatrechtliche und nicht als öffentlich-rechtliche Betätigung anzusehen wäre (BVerfGE 16, 27, 63 f.).

Ob das vorliegend streitige Rechtsverhältnis, wie bei Arbeitsverhältnissen nach deutschem Recht selbstverständlich, durch privatrechtliche Willenserklärungen oder durch einen Hoheitsakt, wie ihn eventuell die Resolucion Nr. 427 vom 7. Dezember 1971 darstellen könnte, begründet wurde, kann dahinstehen. Ein Rechtsverhältnis, das zur Erfüllung von Aufgaben verpflichtet, die zur Betätigung der auswärtigen Gewalt, der Polizeigewalt und der Rechtspflege zu rechnen sind (vgl. auch BVerfGE 16, 27, 63, m.w.N.), kann unabhängig von der Art seiner Begründung regelmäßig nicht ohne Verletzung der Immunität des ausländischen Staates zum Gegenstand eines Bestandsstreits vor inländischen Gerichten gemacht werden. Die Revision rügt insoweit zu Unrecht, das Landesarbeitsgericht habe sich mit den von der Klägerin im Konsulat der Beklagten zu verrichtenden Aufgaben nicht konkret befaßt. Vielmehr hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, zu den Aufgaben der Klägerin im Konsulat der Beklagten habe u.a. die Neuausstellung und Verlängerung von argentinischen Reisepässen, die Visa-Bearbeitung und die Vornahme von Beglaubigungen gehört, was im übrigen unstreitig ist. Dabei handelt es sich um originär konsularische Aufgaben gemäß Art. 5d) und f) des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963 (BGBl. 1969 II, 1585, 1587, 1595). Auch wenn die Klägerin insoweit weisungsgebunden tätig wurde, gehören die genannten Aufgaben entgegen der Ansicht der Revision zum Kernbereich der hoheitlichen Betätigung der Beklagten (vgl. LAG Hamburg Urteil vom 30. Januar 1978 – 2 Sa 119/77 – IPRspr. 78 Nr. 132 S. 314; Seidl-Hohenveldern, ZfRV 1990, 302, 305; vgl. auch BVerfG Beschluß vom 13. Dezember 1977 – 2 BvM 1/76 – BVerfGE 46, 342, 397 = AP Nr. 4 zu Art. 25 GG), weshalb die Beklagte im Hinblick auf das streitige Rechtsverhältnis und seine Beendigung von der deutschen Gerichtsbarkeit auszunehmen ist (vgl. LAG Hamburg, aaO; Geimer, Internationales Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., Rz 582; Seidl-Hohenveldern, aaO, S. 304; ders. RIW 1993, 238 f.; weitergehend Steinmann, MDR 1965, 795 f.; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 1 Rz 11; Kissel, GVG, 2. Aufl., § 20 Rz 5).

Die Gegenmeinung (Gamillscheg, Internationales Arbeitsrecht, S. 401 f.; MünchKomm-Wolf, ZPO, § 20 GVG Rz 13; von Schönfeld, NJW 1986, 2980, 2984) hält der Senat für nicht überzeugend. Neben dem Respekt vor fremder Souveränität liegt der Staatenimmunität im Erkenntnisverfahren das Prinzip der Nichteinmischung in die Ausübung hoheitlicher Befugnisse des ausländischen Staates zugrunde (Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rz 148). Wird ein Arbeitnehmer für einen ausländischen Staat hoheitlich tätig, so würde die Überprüfung seiner Entlassung durch die nationalen Gerichte mit dem Grundsatz in Konflikt kommen, daß die diplomatischen bzw. konsularischen Beziehungen nicht behindert werden dürfen (“ne impediatur legatio”, vgl. BVerfGE 46, 342, 397 ff.; Seidl-Hohenveldern, ZfRV 1990, 302 f. und RIW 1993, 239). In diesem Falle könnte nämlich die Überprüfung eine Burteilung des hoheitlichen Handelns erfordern mit der Folge, daß die ungehinderte Erfüllung der Aufgaben der Botschaft bzw. des Konsulats beeinträchtigt wäre (so mit Recht LAG Hamburg, aaO, S. 317).

Ob etwas anderes dann gelten würde, wenn die Klägerin ihre konsularischen Aufgaben ohne jeglichen Handlungsspielraum nur nach konkreten Weisungen im Einzelfall zu erfüllen gehabt hätte, kann dahinstehen. Dies hat die Klägerin, die für die Voraussetzungen der deutschen Gerichtsbarkeit beweispflichtig ist (vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 15. Aufl., § 19, S. 91; Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 20. Aufl., Einl. Rz 679, 323; zweifelnd von Schönfeld, aaO, S. 2982), nicht, jedenfalls nicht ausreichend substantiiert, dargelegt. Da die Beklagte auf ihre Immunität auch nicht verzichtet hat, wurde die Klage mit Recht als unzulässig abgewiesen.

2. Der Senat hält die Immunität ausländischer Staaten bei Bestandsstreitigkeiten über Rechtsverhältnisse, die zur Erfüllung originär konsularisch-hoheitlicher Aufgaben verpflichten, für eindeutig gegeben. Das Bestehen der eingangs genannten Regel des Völkerrechts ist durch die zitierte Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt, ihre Tragweite gibt aus den vorstehend unter 1. dargelegten Gründen nicht zu Zweifeln Anlaß, die eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 2 GG gebieten würden (vgl. insoweit BVerfG Beschluß vom 30. Oktober 1962 – 2 BvM 1/60 – BVerfGE 15, 25; LAG Hamburg, aaO, S. 318 f.; MünchKomm-Wolf, ZPO, § 20 GVG Rz 8).

 

Unterschriften

Etzel, Bitter, Fischermeier, Hayser, Bensinger

 

Fundstellen

Haufe-Index 875284

BAGE, 262

NJW 1997, 678

JR 1997, 220

NZA 1996, 1229

SAE 1998, 118

IPRspr. 1996, 134

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