Entscheidungsstichwort (Thema)

Äußere Form eines Zeugnisses

 

Leitsatz (amtlich)

Werden im Geschäftszweig des Arbeitgebers für schriftliche Äußerungen üblicherweise Firmenbögen verwendet und verwendet auch der Arbeitgeber solches Geschäftspapier, so ist ein Zeugnis nur dann ordnungsmäßig, wenn es auf Firmenpapier geschrieben ist.

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 26.02.1992; Aktenzeichen 7 Sa 1017/91)

ArbG Siegburg (Entscheidung vom 04.11.1991; Aktenzeichen 3/2 Ca 1825/91)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger beanspruchen kann, daß sein Arbeitszeugnis auf dem Firmenbogen des Beklagten und in einheitlicher Maschinenschrift niedergelegt wird.

Der Kläger war vom 1. September 1990 bis zum 31. Juli 1991 bei dem Beklagten, einem Steuerberater, als Steuerfachkraft beschäftigt. Als das Arbeitsverhältnis endete, hat der Beklagte den Kläger auf den Wunsch nach einem Zeugnis hin aufgefordert, ihm einen Zeugnisentwurf vorzulegen. Den auf weißem Schreibmaschinenpapier gefertigten Entwurf hat der Beklagte mit einer anderen Schreibmaschinenschrift um Ort und Datum ergänzt, unterschrieben und mit einem Stempel versehen. Der Kläger hat darauf von dem Beklagten gefordert, das Zeugnis in einheitlicher Maschinenschrift auf einem Geschäftsbogen zu erstellen. Das hat der Beklagte abgelehnt, obgleich er üblicherweise Geschäftspapier verwendet, das seinen akademischen Grad als Diplom-Volkswirt ebenso ausweist wie seine Tätigkeit als Steuerberater.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das bislang erteilte Zeugnis vermittle einen unseriösen Eindruck. Die Verkehrssitte erwarte bei einem Steuerberater die Benutzung eines entsprechenden Briefbogens. Wenn dann aber das Zeugnis des Arbeitnehmers auf einem weißen Schreibmaschinenpapier erstellt werde, müsse dies bei späteren Bewerbungen zwangsläufig Mißtrauen erregen. Der Argwohn werde zusätzlich gesteigert, da die Ortsangabe und das Datum mit einer anderen Schreibmaschinenschrift hinzugefügt seien. Darin komme eine Distanzierung des Arbeitgebers von dem Zeugnisinhalt zum Ausdruck.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger das in Kopie beigefügte Zeugnis vom 15. August 1991 neu zu erteilen und hierbei seinen Briefbogen zu verwenden sowie das Zeugnis in einer einheitlichen Maschinenschrift anzufertigen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, er habe dem Kläger ein ordnungsgemäßes Zeugnis erteilt. Es genüge, daß das Zeugnis auf einem weißen Bogen erstellt sei und durch die Beifügung des Stempels und der Unterschrift der Aussteller deutlich werde. Im übrigen hätte das Zeugnis einen anderen Inhalt gehabt, wenn er es selbst auf seinem Briefbogen geschrieben hätte.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte weiterhin seinen Antrag auf Klageabweisung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Der Anspruch des Klägers, ihm ein Zeugnis auf dem von dem Beklagten verwendeten Firmenbogen zu erteilen, ergibt sich aus § 630 BGB in Verbindung mit § 242 BGB.

1. Das Arbeitszeugnis spielt bei einer Bewerbung des Arbeitnehmers eine erste wesentliche Rolle. Es bescheinigt dem Arbeitnehmer die bei dem Arbeitgeber ausgeübte Tätigkeit und enthält als qualifiziertes Zeugnis (§ 630 Satz 2 BGB) eine Leistungsbeurteilung, die für den Arbeitnehmer von hohem persönlichen Wert ist. Das Zeugnis dient vor allem als Unterlage für eine Bewerbung um einen neuen Arbeitsplatz und stellt deshalb einen wichtigen Faktor im Arbeitsleben dar. Vor allem bei der Vorauswahl der Bewerber und der Frage, wer zu einem Vorstellungsgespräch zugelassen wird, spielt das Zeugnis eine wesentliche Rolle, da es zu diesem Zeitpunkt die einzige Informationsquelle darstellt, die nicht vom Bewerber selbst, sondern von einem Dritten stammt. Für den Arbeitnehmer ist das Zeugnis gleichsam die „Visitenkarte” für weitere Bewerbungen. Für den künftigen Arbeitgeber schafft es eine Unterlage für seine Entscheidung (vgl. BAGE 9, 289, 292 = AP Nr. 1 zu § 73 HGB; BAG Urteil vom 5. August 1976 - 3 AZR 491/75 - AP Nr. 10 zu § 630 BGB; BGH Urteil vom 26. November 1963 - VI ZR 221/62 - AP Nr. 10 zu § 826 BGB; BGH Urteil vom 15. Mai 1979 - VI ZR 230/76 - BB 1980, 779; Schleßmann, Das Arbeitszeugnis, 12. Aufl. 1992, S. 16 f.).

Das Zeugnis muß also einer zweiseitigen Zielsetzung gerecht werden. Hinsichtlich des Inhalts hat sich daher der gefestigte Grundsatz entwickelt, daß das Zeugnis der Wahrheit entsprechen (BAGE 9, 289, 292 = AP, aaO; BAG Urteil vom 5. August 1976 - 3 AZR 491/75 - AP Nr. 10 zu § 630 BGB; BAGE 24, 112, 114 = AP Nr. 7 zu § 630 BGB), gleichwohl aber von verständigem Wohlwollen gegenüber dem Arbeitnehmer getragen sein muß und ihm das weitere Fortkommen nicht ungerechtfertigt erschweren darf (BAGE 24, 112, 114 = AP Nr. 7 zu § 630 BGB; BGH Urteil vom 26. November 1963 - VI ZR 221/62 - AP Nr. 10 zu § 826 BGB; Staudinger/Neumann, BGB, 12. Aufl., § 630 Rz 25).

2. Seinem Zweck entsprechend, dem Arbeitnehmer als verbindliche Erklärung und Teil seiner Arbeitspapiere für künftige Bewerbungen zu dienen und sein Fortkommen nicht unnötig zu erschweren, muß das Arbeitszeugnis auch seiner äußeren Form nach gehörig sein. Hierzu wird im Schrifttum auf folgendes verwiesen: Es ist haltbares Papier von guter Qualität zu benutzen, das Zeugnis muß sauber und ordentlich geschrieben sein und darf keine Flecken, Radierungen, Verbesserungen, Durchstreichungen oder ähnliches enthalten (Schleßmann, Das Arbeitszeugnis, 12. Aufl. 1992, S. 79; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl., § 146 II, S. 1141; Schulz, Alles über Arbeitszeugnisse, 2. Aufl. 1990, S. 49 f.; Monjau, Das Zeugnis im Arbeitsrecht, 2. Aufl. 1969, S. 21; Stahlhacke, HzA, Stand Februar 1993, Rz 2114). Die äußere Form des Zeugnisses muß außerdem so gestaltet sein, daß es nicht einen seinem Wortlaut nach sinnentstellenden Inhalt gewinnt. Durch die äußere Form darf nicht der Eindruck erweckt werden, der ausstellende Arbeitgeber distanziere sich vom buchstäblichen Wortlaut seiner Erklärung (Staudinger/Neumann, BGB, 12. Aufl., § 630 Rz 23; MünchKomm-Schwerdtner, 2. Aufl., § 630 Rz 18; Stahlhacke, HzA, Stand Februar 1993, Rz 2114). Hierbei handelt es sich um einen in § 113 Abs. 3 GewO zum Ausdruck kommenden allgemeinen Grundsatz des Zeugnisrechts (Stahlhacke, HzA, Stand Februar 1993, Rz 2116). Diesem Erfordernis widerspricht auch das Weglassen eines in der Branche oder dem Gewerbe üblichen Merkmals oder Zusatzes ebenso wie die Benutzung sonst nicht üblicher Formulare.

3.a) Daraus folgt zunächst, daß ein Arbeitszeugnis in formeller Hinsicht die im Geschäftsleben üblichen Mindestanforderungen erfüllen muß. Dazu zählt jedenfalls, daß das Arbeitszeugnis mit einem ordnungsgemäßen Briefkopf ausgestaltet sein muß, aus dem der Name und die Anschrift des Ausstellers erkennbar sind. Dabei bestehen im Grundsatz keine Bedenken, wenn der Briefkopf mit Schreibmaschine oder Personalcomputer selbst gestaltet ist. Vorliegend hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, daß im Berufszweig des Beklagten üblicherweise im geschäftlichen Verkehr Firmenbögen verwandt werden und daß auch der Beklagte solche besitzt und benutzt. Unter diesen Umständen ist ein Zeugnis nicht ordnungsgemäß im vorbezeichneten Sinne ausgestellt, wenn es nur mit einem der Unterschrift beigefügten Firmenstempel versehen ist.

Ein so gestaltetes Zeugnis ist geeignet, bei einem Dritten den Eindruck zu erwecken, der Arbeitgeber habe lediglich einen Zeugnisentwurf des Arbeitnehmers unterzeichnet, ohne sich wirklich mit dem Inhalt der Erklärung zu identifizieren. Es kann gerade bei Bewerbungen innerhalb der Branche nicht ausgeschlossen werden, daß sich der Arbeitnehmer bei einem Arbeitgeber bewirbt, der die Gepflogenheiten des ausstellenden Arbeitgebers kennt. Ein Abweichen von der Übung entspricht daher nicht der Verkehrssitte und somit nicht Treu und Glauben (§ 242 BGB).

Da außerdem keine schützenswerten Interessen des Beklagten ersichtlich sind, kann der Kläger verlangen, daß sein Zeugnis auf einem Firmenbogen erstellt wird. Der Beklagte kann dagegen nicht erfolgreich geltend machen, wenn er das Zeugnis auf einem Geschäftsbogen geschrieben hätte, wäre es mit einem anderen Inhalt verfaßt worden. An den Wortlaut der Erklärung muß sich der Beklagte festhalten lassen. Als Wissenserklärung hätte er diese allenfalls widerrufen können, wenn er eine mögliche Unrichtigkeit zum Zeitpunkt der Unterzeichnung nicht gekannt hätte (vgl. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl., § 146 V, S. 1144). Die verbindlich abgegebene Wissenserklärung darf dann jedoch ihrer äußeren Form nach nicht in einer dem Inhalt der Erklärung widersprechenden Weise dargestellt werden.

b) Der Kläger kann auch beanspruchen, daß das Zeugnis in einheitlicher Maschinenschrift abgefaßt wird. Sofern Datum und Ortsangabe nicht ein einheitliches Ganzes mit der Gestaltung des Briefkopfes bilden, muß die Benutzung von zweierlei Maschinenschriften auf einen Dritten befremdlich wirken und zusätzlich den Eindruck erwecken, es handele sich um ein vom Arbeitnehmer vorformuliertes Zeugnis, dem der Arbeitgeber nur äußerlich als Aussteller beitritt.

 

Unterschriften

Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Rost, Heel, Arntzen

 

Fundstellen

Haufe-Index 60139

BB 1993, 1439

BB 1993, 1439-1440 (LT1)

DB 1993, 1624-1625 (LT1)

DStR 1993, 1417-1417 (K)

NJW 1993, 2197

NJW 1993, 2197-2198 (LT1)

BuW 1993, 564 (K)

EBE/BAG 1993, 118-120 (LT1)

DWiR 1993, 501-503 (LT)

JR 1993, 528

JR 1993, 528 (S)

NZA 1993, 219 (LT1)

NZA 1993, 697

ZAP, EN-Nr 1022/93 (S)

ZTR 1993, 385 (LT1)

AP, (LT1)

EzA, (LT1)

EzBAT, (LT1)

PersF 1993, 900 (T)

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