Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilzeitbeschäftigte. Berechnung des Urlaubsanspruchs

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für die Kürzung des Urlaubsanspruchs nach § 48 BAT kommt es nicht auf die Gesamtzahl der Arbeitstage im Jahr, sondern auf die sich für den Teilzeitbeschäftigten ergebenden zusätzlichen freien Arbeitstage an.

2. Wochenfeiertage sind nicht in diese Berechnung einzubeziehen.

 

Normenkette

TVG § 1; BAT § 48; BUrlG §§ 1, 3, 13

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Entscheidung vom 28.11.1985; Aktenzeichen 9 Sa 184/85)

ArbG Gießen (Entscheidung vom 14.12.1984; Aktenzeichen 3 Ca 650/84)

 

Tatbestand

Die Klägerin ist bei dem Beklagten als Krankenschwester im Schichtdienst teilzeitbeschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist der Bundes-Angestelltentarifvertrag anzuwenden.

§ 48 Abs. 4 BAT in der Fassung des 51. Änderungstarifver

trages vom 20. Juni 1983 lautet auszugsweise:

"Arbeitstage sind alle Kalendertage, an denen

der Angestellte dienstplanmäßig oder betriebsüblich

zu arbeiten hat oder zu arbeiten hätte,

mit Ausnahme der auf Arbeitstage fallenden gesetzlichen

Feiertage, für die kein Freizeitausgleich

gewährt wird. Endet eine Arbeitsschicht

nicht an dem Kalendertag, an dem sie begonnen

hat, gilt als Arbeitstag der Kalendertag, an

dem die Arbeitsschicht begonnen hat.

.....

Ist die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche

Arbeitszeit regelmäßig oder dienstplanmäßig im

Durchschnitt des Urlaubsjahres auf weniger als

fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt,

vermindert sich der Urlaub für jeden zusätzlichen

arbeitsfreien Tag im Urlaubsjahr um 1/250 des

Urlaubs nach Absatz 1 zuzüglich eines etwaigen

Zusatzurlaubs. Ein Zusatzurlaub nach § 48 a und

den entsprechenden Sonderregelungen hierzu, nach

dem Schwerbehindertengesetz und nach Vorschriften

für politisch Verfolgte bleibt dabei unberücksichtigt.

.....

Ergibt sich bei der Berechnung des Urlaubs nach

den Unterabsätzen 2 bis 4 ein Bruchteil eines

Urlaubstages, bleibt er unberücksichtigt."

Die Klägerin hat in vier Wochen acht Nachtdienste zu jeweils 10 Stunden zu leisten. Bei einer auf fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilten Arbeitszeit hätte die Klägerin nach § 48 Abs. 1 BAT einen Urlaubsanspruch von 28 Arbeitstagen.

Der Beklagte hatte den Urlaubsanspruch der Klägerin mit 10 Arbeitstagen zuzüglich einen Arbeitstag Zusatzurlaub nach § 48 a BAT berechnet und diesen Urlaub gewährt.

Mit ihrer am 26. Oktober 1984 dem Beklagten zugestellten Klage hat die Klägerin u. a. beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihr für das Urlaubsjahr 1984 einen weiteren Urlaubstag zu gewähren. Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Beide Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klagabweisungsantrag weiter. Die Klägerin bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist begründet. Der Klägerin steht für das Urlaubsjahr 1984 kein weiterer Urlaubstag zu.

1. Die Klägerin ist als Teilzeitbeschäftigte im Durchschnitt in der Kalenderwoche an zwei Arbeitstagen eingesetzt. Gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit auf fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt ist, arbeitet die Klägerin an drei Arbeitstagen der Woche nicht. Diese sind arbeitsfrei. Nach § 48 Abs. 4 Unterabs. 3 BAT vermindert sich der Urlaubsanspruch der Klägerin für jeden zusätzlichen arbeitsfreien Tag im Urlaubsjahr um 1/250 des Urlaubs nach § 48 Abs. 1 BAT. Zutreffend hat der Beklagte angenommen, daß für die Klägerin insgesamt 156 arbeitsfreie Tage anzusetzen sind, und damit der Urlaubsanspruch von 28 Tagen sich um 156/250, also um 17,47 Tage, vermindert. Wegen der Abrundungsregel in § 48 Abs. 4 Unterabs. 5 BAT hat der Klägerin für das Urlaubsjahr 1984 ein Urlaubsanspruch von 10 Arbeitstagen zugestanden, den der Beklagte erfüllt hat. Ein weiterer Urlaubstag steht der Klägerin nicht zu.

2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Zahl der "zusätzlichen arbeitsfreien Tage im Urlaubsjahr" i. S. von § 48 Abs. 4 Unterabs. 3 BAT sei abstrakt-generell unter pauschaler Berücksichtigung der Wochenfeiertage auf der Basis von 250 Arbeitstagen zu ermitteln. Dies folge aus Sinn und Zweck der tariflichen Regelung und entspreche dem aus der Gesamtregelung erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien.

3. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Das Landesarbeitsgericht hat nicht beachtet, daß für die Tarifauslegung in erster Linie auf den Tarifwortlaut abzustellen ist. Sinn und Zweck der tariflichen Regelung sind erst dann für die Auslegung heranzuziehen, wenn der Wortlaut der Tarifregelung nicht eindeutigen Aufschluß gibt. Dem Willen der Tarifvertragsparteien kommt nur Bedeutung zu, wenn er erkennbarer Inhalt der Bestimmung geworden ist (BAGE 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung).

Dem Tarifwortlaut ist nicht zu entnehmen, daß die Tarifvertragsparteien die Jahresarbeitszeit auf 250 Arbeitstage begrenzt hätten. Die Bestimmung enthält vielmehr lediglich eine Kürzungsregelung für Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern, deren durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf weniger als fünf Arbeitstage verteilt ist. Mit Hilfe dieser Berechnungsregelung sind zusätzliche arbeitsfreie Tage zu ermitteln, die sich aus einer anderen Verteilung der Arbeitszeit als der nach dem Tarifvertrag allgemein geregelten ergeben. Inhalt der Berechnungsregelung ist die Addition der zusätzlichen arbeitsfreien Tage, die sich im Durchschnitt des Urlaubsjahres aufgrund der anderen Verteilung der Arbeitszeit ergeben und die Kürzung des Urlaubsanspruchs mit dem Divisor 250 für die Gesamtzahl der pauschal für das Jahr zu bestimmenden zusätzlichen arbeitsfreien Tage.

Damit rechtfertigt sich die Auffassung des Beklagten, daß Wochenfeiertage bei der Berechnung nach § 48 Abs. 4 Unterabs. 3 BAT nicht von der vom Arbeitnehmer durchschnittlich zu leistenden Arbeitszeit abgezogen werden dürfen. Für die Berechnung muß von der in der Woche nach dem Dienstplan oder sonst regelmäßig durchschnittlich zu leistenden Zahl von Arbeitstagen ausgegangen werden, unabhängig davon, ob die Arbeit gegebenenfalls wegen eines Wochenfeiertags ausfällt. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, daß die Berechnungsregelung bundesweit gilt und sich schon aus diesem Grunde eine Berücksichtigung von Besonderheiten landesrechtlicher Feiertagsregelungen verbietet. Als arbeitsfreie Tage sind damit nach § 48 Abs. 4 Unterabs. 3 BAT nur die sich aus der jeweils für den Arbeitnehmer maßgeblichen anderen Verteilung der Arbeitszeit ergebenden Tage anzusetzen, an denen er anders als ein an fünf Tagen der Kalenderwoche tätiger Arbeitnehmer nicht arbeitet. Nicht jedoch können Tage berücksichtigt werden, die aufgrund anderer Umstände, etwa als Wochenfeiertage, arbeitsfrei sind. Dies entspricht der Regelung in § 48 Abs. 1 BAT, nach der der Urlaubsanspruch des in der Fünf-Tage-Woche tätigen Arbeitnehmers sich ebenfalls ohne Rücksicht auf Wochenfeiertage bestimmt.

4. Nach § 48 Abs. 4 BAT kommt es bei anderer Verteilung der Arbeitszeit als der nach § 48 Abs. 1 BAT vorausgesetzten Verteilung auf fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche nicht auf die Gesamtzahl der Arbeitstage im Jahr an, sondern auf die Gesamtzahl der arbeitsfreien Arbeitstage im Jahr.

Zu Unrecht meint dagegen das Landesarbeitsgericht, aus einer von ihm bestimmten Gesamtzahl von Jahresarbeitstagen auf die Zahl der arbeitsfreien Tage zurückschließen zu können. Dabei hat es unbeachtet gelassen, daß der Schluß aus dem von den Tarifvertragsparteien gewählten Divisor 250 auf die nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts zu berücksichtigenden Jahresarbeitstage schon deshalb nicht zwingend ist, weil im Geltungsbereich des Bundes-Angestelltentarifvertrags unterschiedlich viele Wochenfeiertage anfallen. Selbst wenn mit dem Landesarbeitsgericht von einem entsprechenden Willen der Tarifvertragsparteien ausgegangen werden könnte, daß die Zahl der Arbeitstage mit dem Divisor übereinstimmt, hätte es dafür eines Anhaltspunktes im Wortlaut des Tarifvertrags bedurft. Daran fehlt es.

5. Das Landesarbeitsgericht hat schließlich übersehen, daß seine Auffassung auch nicht im Einklang mit einer weiteren Bestimmung des Tarifvertrags steht. Nach § 48 Abs. 4 Unterabs. 1 BAT ist zwischen Arbeitstagen, also Kalendertagen, an denen der Angestellte dienstplanmäßig oder betriebsüblich zu arbeiten hat oder zu arbeiten hätte, und Wochenfeiertagen, also auf Arbeitstage fallende gesetzliche Feiertage, für die kein Freizeitausgleich gewährt wird, zu unterscheiden. Ist beides voneinander zu trennen, kann ein Wochenfeiertag nach § 48 Abs. 4 Unterabs. 3 BAT nicht mit einem Arbeitstag als arbeitsfreier Arbeitstag gleichgesetzt werden. Dies entspricht im übrigen der im Schrifttum einhellig vertretenen Auffassung (Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand: Mai 1987, § 48 Rz 24, § 48 a Rz 33; Crisolli/Ramdohr, BAT, Stand: 2. Juni 1987, § 48 Anm. 24, § 48 a Anm. 15; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand: Februar 1987, § 48 Anm. 10, § 48 a Anm. 18; Arndt/Baumgärtel, Recht der Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst, in: Fürst, Gesamtkommentar öffentliches Dienstrecht, Stand: 1983, § 48 Rz 21 (Berechnungsbeispiel); Uttlinger/Breier/Kiefer, BAT, Stand: Februar 1987, § 48 Erl. 6, § 48 a Erl. 14; Weber/Banse, Das Urlaubsrecht des öffentlichen Dienstes, Stand: 1986, Teil 2 § 48 BAT Anm. 6, S. 24 (Beispiel 2), § 48 a Anm. 17 a. E.).

6. Ob bei sehr kurzen regelmäßigen Beschäftigungszeiten gegen die Kürzungsregelung nach § 48 Abs. 4 Unterabs. 3 BAT Bedenken insoweit bestehen, als sie zu einem Eingriff in den gesetzlich garantierten Urlaubsanspruch führen kann, bedarf vorliegend keiner Erwägung des Senats.

7. Damit muß für die Klägerin für das Urlaubsjahr 1984 von 156 arbeitsfreien Arbeitstagen ausgegangen werden. Der Urlaubsanspruch von 28 Tagen nach § 48 Abs. 1 BAT vermindert sich somit um 156/250. Das sind 17,47 Tage, so daß als Urlaubsanspruch nach § 48 Abs. 4 Unterabs. 5 BAT ein Urlaubsanspruch von 10 Arbeitstagen verbleibt.

Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Freitag

Plenge Hannig

 

Fundstellen

Haufe-Index 441528

DB 1988, 762-762 (LT1-2)

DOK 1988, 582 (K)

RdA 1988, 60

SAE 1988, 214

USK, 8796 (ST1)

ZTR 1988, 106-106 (LT1-2)

AP § 48 BAT, Nr 4

AR-Blattei, ES 1640 Nr 299 (LT1-2)

AR-Blattei, Urlaub Entsch 299 (LT1-2)

EzBAT § 48 BAT, Nr 3

EzBAT § 48 BAT, Nr 3 (LT1-2)

SVFAng Nr 49, 21 (1988) (K)

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