Entscheidungsstichwort (Thema)

sachliche Zuständigkeit. außerordentliche Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

Ergibt sich aus dem Klagevorbringen, daß für eine Klage gegen eine außerordentliche Kündigung – sei es im Arbeitsverhältnis, sei es im freien Dienstverhältnis – nicht nur eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte, sondern auch eine solche der ordentlichen Gerichte in Betracht kommt, so dürfen die Arbeitsgerichte ihre sachliche Zuständigkeit nicht nur aufgrund einer einseitigen Schlüssigkeitsprüfung annehmen, sondern müssen gegebenenfalls über die Frage des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses Beweis erheben.

 

Normenkette

ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1; BGB § 626; GVG § 17a

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Beschluss vom 08.03.1993; Aktenzeichen 13 Ta 18/93)

ArbG Bonn (Beschluss vom 04.12.1992; Aktenzeichen 4 Ca 2398/92)

 

Tenor

Auf die weitere sofortige Beschwerde der Beklagten zu 1) wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 8. März 1993 – 13 Ta 18/93 – aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I. Der Kläger, Vortragender Legationsrat I. Klasse im Ruhestand, ist Anwalt und seit Oktober 1988 als Dozent an der Aus- und Fortbildungsstätte des Auswärtigen Amtes aufgrund von Lehraufträgen tätig. Die Parteien vereinbarten für die Zeiträume Oktober 1988 bis 30. April 1989, 2. Oktober 1989 bis 3. April 1990, 1. Oktober 1990 bis 28. April 1991 und vom 1. Oktober 1991 bis zum 30. April 1992 auf Honorarbasis die Durchführung von Lehrveranstaltungen zu den Themen: “Das politische System der Bundesrepublik Deutschland und Verfassungsgeschichte”, “Allgemeine Staatslehre” und “Völkerrecht”, und zwar in einer bestimmten Stundenzahl pro Kurs. Die Beklagten bestätigten dem Kläger nachfolgende Lehraufträge: mit Schreiben vom 31. Oktober 1988 für das Unterrichtsfach “Das politische System der Bundesrepublik Deutschland und Verfassungsgeschichte” mit 30 Stunden pro Kurs, mit Schreiben vom 17. Oktober 1989 für das Unterrichtsfach “Völkerrecht” mit 14 Stunden pro Kurs, mit Schreiben vom 11. September 1990 für das Unterrichtsfach “Das politische System der Bundesrepublik Deutschland und Verfassungsgeschichte” mit 24 Stunden Vorlesung und sechs Stunden pro Kurs und mit Schreiben vom 11. November 1991 für das Unterrichtsfach “Völkerrecht” mit 14 Stunden.

Im September 1992 legten die Beklagten den Unterricht des Klägers nach Umfang, Zeit und Räumlichkeiten für den Monat Oktober des Wintersemesters 1992/93 schriftlich fest und übersandten dem Kläger die Terminierungen. Für spätere Vorlesungen und Seminare verabredeten die Parteien nach dem 20. Oktober 1992 die weiteren konkreten Festlegungen. Im August 1992 und am 14. September 1992 fanden Gespräche mit der Ausbildungsleiterin über die Gestaltung der Veranstaltungen des Klägers für das Wintersemester statt. Für Anfang Oktober 1992 waren weitere drei Gespräche geplant.

Am 5. Oktober 1992 erhielt der Kläger ein Schreiben mit nachfolgendem Inhalt:

“Sehr geehrter Herr Dr. S…, … ich bedauere Ihnen mitteilen zu müssen, daß die Aus- und Fortbildungsstätte Ihnen aus organisatorischen Gründen im kommenden Grundstudium der Konsulatssekretäre/Anwärter des Jahrgangs 1992 keinen Lehrauftrag für das Studienfach Politisches System der Bundesrepublik Deutschland und Verfassungsgeschichte/Völkerrecht erteilen kann.

Alle bisherigen Absprachen bitte ich als gegenstandslos zu betrachten.

Für Ihre langjährige Tätigkeit bei der Ausbildung der Anwärter des gehobenen Dienstes danke ich Ihnen.”

Der Kläger hat beim Arbeitsgericht Bonn am 21. Oktober 1992 Kündigungsschutzklage gegen die Bundesrepublik Deutschland (Beklagte zu 1) und die Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung (Beklagte zu 2) erhoben und geltend gemacht, zwischen den Parteien bestehe ein Arbeitsverhältnis. Er habe als persönlich abhängiger, weisungsgebundener Arbeitnehmer auf Honorarbasis für die Beklagten gearbeitet.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 5. Oktober 1992 nicht beendet worden ist.

Die Beklagten haben zu ihrem Klageabweisungsantrag bereits in der ersten Instanz vorweg die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen gerügt. Sie haben vorgetragen, der Kläger sei weder Arbeitnehmer noch arbeitnehmerähnliche Person. Mit ihm seien auf Stundenhonorarbasis Gastdozentenverträge abgeschlossen worden. Der Kläger habe nur im beschränkten Umfang auf die organisatorischen Belange der Hochschule Rücksicht nehmen müssen. Festlegungen von Lehrveranstaltungen und eine unmittelbare Einflußnahme auf Lehrinhalte habe es nicht gegeben. Es seien lediglich methodisch-didaktische Hinweise zu Lehrveranstaltungen gegeben worden. Auf Initiative des Klägers habe man über seine Skripten Besprechungen durchgeführt. Der Kläger sei ihrem organisatorischen Regime nicht unterworfen worden. Man habe Ort und Uhrzeit für Vorlesungen und Seminare gemeinsam vereinbart und habe wegen der Anwaltstätigkeit des Klägers auf seine Belange Rücksicht genommen. Der Schutz des Klägers als Arbeitnehmer sei wegen seiner sozialen Absicherung als Vortragender Legationsrat I. Klasse im Ruhestand in Verbindung mit seinem Arbeitseinkommen als Rechtsanwalt nicht geboten. Aus der früheren Dozententätigkeit des Klägers lasse sich keine Verpflichtung ableiten, einen weiteren Dozentenvertrag mit dem Kläger für das Wintersemester 1992/93 abzuschließen. Allenfalls könne man einen Ersatzanspruch wegen der Vorverhandlung für die Gestaltung des Wintersemesters in Betracht ziehen.

Der Kläger hat erwidert, die Beklagten hätten ihm Vorstellungen über den Unterrichtsstoff mitgeteilt. Er habe nicht frei über Unterrichtsvorbereitung und Gestaltung bestimmen können. Vor Erteilung eines Lehrauftrages habe er Skripten vorlegen müssen. Nach der inhaltlichen Überprüfung habe er den Hinweisen der Beklagten entsprochen und Abänderungen in den Skripten vorgenommen. Darüber hinaus seien Umfang, Zeitpunkt und Örtlichkeiten der Lehrveranstaltungen bestimmt worden.

Das Arbeitsgericht Bonn hat mit Beschluß vom 4. Dezember 1992 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das zuständige Landgericht in Bonn verwiesen. Auf die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers hat das Landesarbeitsgericht Köln mit Beschluß vom 8. März 1993 – ohne mündliche Verhandlung – den Beschluß des Arbeitsgerichts Bonn vom 4. Dezember 1992 aufgehoben und festgestellt, daß der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen zulässig sei. Dagegen richtet sich die vom Landesarbeitsgericht zugelassene weitere sofortige Beschwerde der Beklagten zu 1).

II. Über die weitere sofortige Beschwerde entscheidet gemäß § 17a Abs. 4 Satz 4 und 5 GVG der Senat ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergeht und folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 72 Abs. 6 i.V.m. § 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG (vgl. BAG Beschluß vom 10. Dezember 1992 – 8 AZB 6/92 –, auch zur Veröffentlichung vorgesehen, zu II der Gründe).

 

Entscheidungsgründe

III. Die weitere Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht.

1. Die sofortige Beschwerde ist rechtzeitig eingelegt worden. Zwar ist die Zustellung des angefochtenen Beschlusses mangels Zustellungsnachweises ungewiß. Da der Beschluß ausweislich der Akten am 16. März 1993 abgesandt, die Beschwerde aber bereits am 25. März 1993 eingegangen ist, ist die 2 Wochenfrist in jedem Fall gewahrt. Bei unterbliebener, wirkungsloser oder nicht datierter Zustellung wären im übrigen die §§ 516, 552 ZPO analog anzuwenden, so daß die Beschwerdefrist spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Beschlusses zu laufen beginnt (vgl. Zöller, ZPO, 18. Aufl., § 577 Anm. 10). Die Beklagte zu 1) hat vor Ablauf dieser Frist ihre Beschwerde beim Landesarbeitsgericht Köln eingereicht.

2. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitsrechtssachen sei zulässig, ohne daß es auf die Frage ankomme, ob der Kläger mit seiner Rechtsbehauptung Arbeitnehmer zu sein, Recht habe. Eine auf das Kündigungsschutzgesetz gestützte Klage mit einem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG erfülle die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 3b ArbGG auch, wenn zwischen den Parteien das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses streitig sei. Die bloße, im Falle des Bestreitens zu substantiierende Rechtsbehauptung des Klägers genüge für die Rechtswegzuständigkeit. Diese Besonderheit der Kündigungsschutzklage beruhe nicht etwa auf dem Zusammenfallen der zuständigkeits- und anspruchsbegründenden Tatsachen, sondern auf der insoweit gegenüber den ordentlichen Gerichten erweiterten Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen. Der Gesetzgeber habe den Negativ-Fall (“über das … Nicht bestehen eines Arbeitsverhältnisses”) den Gerichten für Arbeitssachen zugewiesen. Nur sie seien berechtigt über die Abgrenzung zwischen Arbeitsverhältnis und Nicht-Arbeitsverhältnis zu entscheiden. Die Eingangsvoraussetzung (“zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern”) brauche nicht an die objektiven Verhältnisse anzuknüpfen, denn wenn das Arbeitsgericht über das Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses entscheide, stehe damit gleichzeitig fest, daß es sich objektiv gar nicht um den Streit eines Arbeitnehmers mit seinem Arbeitgeber gehandelt haben könne.

3. Der Rechtsansicht des Landesarbeitsgerichts kann nicht beigetreten werden.

Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitsrechtssachen ist in §§ 2 bis 5 ArbGG zwingend festgelegt. Bei Rechtsstreitigkeiten über die Beendigung eines Vertragsverhältnisses ist der Rechtsweg nach § 2 Abs. 1 Nr. 3b ArbGG nur dann eröffnet, wenn es sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses handelt.

a) Nach dieser Vorschrift muß die vom Kläger mit der Kündigungsschutzklage angegriffene Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG ausgesprochen worden sein. Zur Begründung des Rechtsweges reicht die bloße Rechtsbehauptung des Klägers, Arbeitnehmer zu sein, jedenfalls im vorliegenden Rechtsstreit, in dem es nicht nur um die Feststellung des Arbeitnehmerstatus geht, nicht aus: Er muß zu den Beklagten tatsächlich in einem Arbeitsverhältnis gestanden haben (vgl. dazu u. a. Grunsky, ArbGG, 6. Aufl., § 2 Rz 84, 85).

aa) Für die Zulässigkeit des Rechtsweges ist der jeweilige Streitgegenstand maßgeblich (vgl. BAG Urteil vom 24. August 1972 – 2 AZR 437/71 – AP Nr. 2 zu § 611 BGB Gemischter Vertrag). Den Streitgegenstand bestimmt ausschließlich die klagende Partei (BAG Beschluß vom 4. April 1960 – 2 AZR 448/59 – AP Nr. 5 zu § 3 ZPO; Urteil vom 24. August 1972 – 2 AZR 437/71 – AP, aaO; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 51. Aufl., § 2 Rz 2; Dietz/Nikisch, ArbGG, § 2 Rz 34). Das Klagebegehren ergibt sich aus dem Klageantrag in Verbindung mit der Klagebegründung, § 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO (vgl. u. a. Senatsurteil vom 24. August 1972 – 2 AZR 437/71 – AP, aaO, zu 2 der Gründe). Der Klageantrag geht vorliegend dahin festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 5. Dezember 1992 nicht beendet worden ist. Nach herrschender Meinung ist der Streitgegenstand dieses Feststellungsantrages nach § 4 Satz 1 KSchG die Frage, ob ein Arbeitsverhältnis aus Anlaß einer ganz bestimmten Kündigung zu dem von dieser Kündigung gewollten Termin aufgelöst ist oder nicht (ständige Rechtsprechung des BAG seit BAGE 7, 36 = AP Nr. 17 zu § 3 KSchG, zu II 3 der Gründe; u. a. BAG Urteile vom 10. Dezember 1970 – 2 AZR 82/70 – AP Nr. 40 zu § 3 KSchG; vom 10. August 1977 – 5 AZR 394/76 – AP Nr. 2 zu § 81 ZPO, zu I 1 aa der Gründe; vom 12. Januar 1977 – 5 AZR 593/75 – AP Nr. 3 zu § 4 KSchG 1969, zu 2 der Gründe; Senatsurteile vom 31. Mai 1979 – 2 AZR 423/77 – AP Nr. 50 zu § 256 ZPO, zu II 1a der Gründe; vom 1. April 1982 – 2 AZR 1091/87 – n. v., zu II 3 der Gründe und vom 12. Juni 1986 – 2 AZR 426/85 – AP Nr. 17 zu § 4 KSchG 1969, zu B I der Gründe, m.w.N.). Nach der Klagebegründung macht der Kläger geltend, er sei weisungsgebundener Arbeitnehmer der Beklagten gewesen, die ihn grundlos “rausgeschmissen” hätten; irgendwelche rechtfertigenden Gründe stünden den Beklagten nicht zur Seite; ohne Nennung der wahren Gründe sei die Annahme willkürlichen Verhaltens geboten.

Im Rahmen einer Kündigungsschutzklage können die Parteien neben der Frage der Wirksamkeit der Kündigung auch darüber streiten, ob überhaupt ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Das ergibt sich aus der – gleichsam vorausgesetzten – Erweiterung des Streitgegenstandes auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses (vgl. dazu BAG Urteil vom 12. Januar 1977 – 5 AZR 593/75 – AP Nr. 3 zu § 4 KSchG 1969, mit Anm. von Grunsky; Senatsurteil vom 12. Juni 1986 – 2 AZR 426/85 – AP Nr. 17 zu § 4 KSchG 1969, zu B II 2 der Gründe).

bb) Für einen solchen Fall will das Landesarbeitsgericht wegen der Teilidentität des Streitgegenstandes einer allgemeinen Status- bzw. Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO und einer Kündigungsschutzklage die bloße Behauptung des Klägers, Arbeitnehmer zu sein, für die Zuständigkeitsprüfung genügen lassen. Dem ist nicht zu folgen.

Die Gerichte für Arbeitssachen sind hier nur und zwar ausschließlich zuständig, wenn es sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitverhältnisses i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG handelt. Ob der Kläger Arbeitnehmer war, wie er behauptet, ist ebenso streitig wie die Berechtigung seines fristlosen “Rausschmisses”. Der Kläger macht vorliegend gerade nicht nur die Frage seiner angeblichen Arbeitnehmereigenschaft zum Streitgegenstand (vgl. oben zu II 3a, aa) sondern auch die Frage der Berechtigung seines “Rausschmisses”, den er ausdrücklich als willkürlich bezeichnet. Damit kommt aufgrund des Klagebegehrens nicht nur eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte, sondern auch eine solche der ordentlichen Gerichte in Betracht. Denn auch ein freier Dienstvertrag kann nicht willkürlich (§§ 138, 242 BGB), oder wenigstens ohne wichtigen Grund (§ 626 BGB) aufgekündigt werden. Gerade auch für das Begehren des Klägers, die Gründe für seinen “Rausschmiß” zu nennen, dient § 626 Abs. 2 Satz 3 BGB als Anspruchsgrundlage, worüber im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses die Arbeitsgerichte, im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses indessen die ordentlichen Gerichte zu entscheiden hätten. Folgte man der Auffassung des Landesarbeitsgerichts, würde gegebenenfalls ohne tatsächliches Vorliegen einer Streitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Arbeitsgerichtsbarkeit, nachdem sie lediglich aufgrund einer Schlüssigkeitsprüfung ihre sachliche Zuständigkeit geprüft und angenommen hat, über die aufgezeigten zivilrechtlichen Fragen entscheiden.

Das läßt sich auch nicht – wie das Landesarbeitsgericht meint – damit begründen, der Gesetzgeber habe im Falle eines Konfliktes der Zuständigkeit beider genannter Gerichtsbarkeiten den Streit über das “Nichtbestehen” eines Arbeitsverhältnisses zugunsten der Arbeitsgerichte entschieden.

Der Passus “über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses” ist im Entwurf zum Arbeitsgerichtsgesetz 1926 in den Ausschußberatungen des Reichstages lediglich eingefügt worden, um außer Zweifel zu stellen, daß Streitigkeiten bürgerlich-rechtlicher Art zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern auch dann vor die Arbeitsgerichte gehören, wenn nicht aus dem unbestritten vorhandenen Arbeits- oder Lehrverhältnis geklagt wird, sondern auch wenn gerade das Vorhandensein des Arbeits- oder Lehrverhältnisses streitig ist (vgl. Dersch/Volkmar, ArbGG, 1927, § 2 Anm. 13, Held/Lieb/Gift, ArbGG, 1927, § 2 Anm. 11). Eine die Zuständigkeit erweiternde Bedeutung, wie sie das Landesarbeitsgericht praktiziert, kommt dieser Passage deshalb nicht zu. Daraus folgt, daß alle bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten, die durch das Arbeitsverhältnis bestimmt werden, prozessual im Rahmen des Arbeitsgerichtsverfahrens erfaßt werden und solche, die durch ein anders geartetes Vertragsverhältnis (freier Dienstvertrag, Gesellschaftsvertrag usw.) bestimmt werden, vor die ordentlichen Gerichte gehören. Abgrenzungskriterium ist dabei, ob es sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern handelt (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 Eingangssatz ArbGG). Dabei erfordert es die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung und die Respektierung der Nachbargerichtsbarkeit, daß die zunächst angerufenen Gerichte für Arbeitssachen vorab in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht prüfen, ob wirklich ein Arbeitsverhältnis vorliegt. Weder genügt eine dahingehende Rechtsansicht des Klägers noch auch ein entsprechender Tatsachenvortrag, wenn er – wie hier – von der Gegenseite bestritten wird. Der Kläger muß vielmehr notfalls beweisen, daß er Arbeitnehmer ist. Sonst könnte eine Partei gegen den Willen der anderen sich eine ihr nicht zukommende sachliche Zuständigkeit verschaffen. Die wirklich bestehende Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ist Voraussetzung für ein Sachurteil (vgl. die BAG-Urteile BAGE 6, 160, 163 f. = AP Nr. 2 zu § 2 ArbGG 1953 Zuständigkeitsprüfung, zu II 3 der Gründe; vom 15. Juli 1961 – 5 AZR 472/60 – AP Nr. 1 zu § 92a HGB und vom 19. Juni 1963 – 5 AZR 314/62 – AP Nr. 1 zu § 92 HGB für die Frage Arbeitnehmer oder Handels- bzw. Versicherungsvertreter; vom 16. November 1959 – 2 AZR 616/57 – AP Nr. 13 zu § 276 ZPO für das Verhältnis Arbeitsvertrag und Gesellschaftsvertrag und BAGE 9, 313, 317 = AP Nr. 8 zu § 5 ArbGG 1953 zur Konkurrenz zwischen Arbeitsvertrag und unabhängigem Dienstvertrag; vom 13. März 1964 – 5 AZR 144/63 – AP Nr. 26 zu § 2 ArbGG 1953 Zuständigkeitsprüfung; vgl. zum Ganzen auch Grunsky, aaO, § 2 Rz 22 f.).

Kommt das angerufene Arbeitsgericht im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung zu dem Ergebnis, daß das vorgetragene Vertragsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist, dann ist das Gericht sachlich zuständig und hat in der Sache selbst abschließend zu erkennen. Ergibt sich dagegen, unter Umständen auf Grund einer Beweisaufnahme, daß das behauptete Vertragsverhältnis jedenfalls kein Arbeitsverhältnis ist, dann sind die Gerichte für Arbeitssachen nicht zuständig und demzufolge gehindert, in der Sache selbst zu entscheiden.

cc) Anders mag die Rechtslage zu beurteilen sein, wenn der Kläger nach dem Streitgegenstand nur und allein die Arbeitsgerichtsbarkeit in Anspruch nehmen will, z. B. zur Entscheidung der Statusfrage mit der Behauptung, es liege ein Arbeitsverhältnis vor (vgl. die Fallgestaltung in BAG Urteil vom 21. September 1977 – 5 AZR 373/76 – AP Nr. 24 zu § 611 BGB Abhängigkeit, wo eine solche Klage als unbegründet abgewiesen worden ist). Hier erfordert es die Respektierung der Nachbargerichtsbarkeit nicht, schon im Vorfeld der Zuständigkeitsfrage die anspruchs- sowie klagebegründend identische Kernfrage zu klären. Denn im Falle der Verneinung dieser Frage kommt die Begründung einer anderen Zuständigkeit nicht mehr in Frage. Noch klarer wird dies in dem Fall, in dem der Kläger ein Arbeitsverhältnis behauptet, der Beklagte aber jegliches Rechtsverhältnis bestreitet; eine Verzögerung kommt hier nicht in Betracht, wenn die Beweisaufnahme den Sachvortrag des Beklagten bestätigt. In einer der vorliegenden Fallgestaltung vergleichbaren Situation war dagegen schon im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung die Statusfrage zu klären, und wurde der Rechtsstreit wegen einer eventuell unwirksamen außerordentlichen Kündigung eines Intendantenvertrages an die Nachbargerichtsbarkeit verwiesen (BAG Urteil vom 16. August 1977 – 5 AZR 290/76 – AP Nr. 23 zu § 611 BGB Abhängigkeit, mit Anm. von Herschel).

dd) An dieser Rechtsprechung ist nach der Änderung des § 48 ArbGG aufgrund Art. 6 des 4. VwGOÄndG festzuhalten. Die Rechtswegfragen sind nach der gemäß § 48 Abs. 1 ArbGG n. F. auch für das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren geltenden Neuregelung der §§ 17 ff. GVG vor der Entscheidung zur Hauptsache zu klären. Dadurch soll diese Frage zu einem möglichst frühen Zeitpunkt des Verfahrens abschließend geklärt und das weitere Verfahren nicht mehr mit dem Risiko eines später erkannten Mangels des gewählten Rechtsweges belastet werden (vgl. Senatsurteil vom 26. März 1992 – 2 AZR 443/91 – AP Nr. 7 zu § 48 ArbGG 1979, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Bei Unzulässigkeit des Rechtsweges kann und darf das Arbeitsgericht nicht mehr in der Sache entscheiden (vgl. Kissel NJW 1991, 945, 949), sondern muß verweisen (§§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17a Abs. 2 GVG).

b) Die Gerichte für Arbeitssachen sind für Rechtsstreitigkeiten nach § 2 Abs. 1 Ziff. 3b ArbGG ausschließlich zuständig, womit ausgeschlossen ist, daß andere Gerichte über diese Arbeitssachen entscheiden. Darin liegt jedoch keine erweiterte Zuständigkeit.

Damit läßt sich das Klagebegehren nicht unter den Rechtswegzuständigkeitstatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 3b ArbGG “Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses” einordnen. Die Gerichte für Arbeitssachen entscheiden nicht aus einer Statuskompetenz heraus, sondern deshalb über das Klagebegehren, weil der in § 2 Abs. 1 Nr. 3b ArbGG genannte Zuständigkeitstatbestand “Bendigung des Arbeitsverhältnisses” in Rede steht. Ob das der Fall ist, muß festgestellt werden und kann nicht dahingestellt bleiben.

c) Auch die vom Beschwerdegericht angeführten Überlegungen zu anderen Klagearten (Statusklage, Zwischenfeststellungsklage), die belegen sollen, daß mit der Formulierung “zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber” im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG nicht auf objektive Verhältnisse abgestellt werden soll, führen zu keinem anderen Ergebnis. Richtig ist, daß man bei der reinen Statusklage bisher in der Rechtsprechung (vgl. BAG Urteile vom 21. August 1961 – 5 AZR 263/59 – AP Nr. 24 zu § 2 ArbGG 1953 Zuständigkeitsprüfung; vom 21. September 1977 – 5 AZR 373/76 – AP Nr. 24 zu § 611 BGB Abhängigkeit; vgl. auch Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG § 2 Rz 191, 192) allein vom tatsächlichen Vorbringen des Klägers ausging, weil anspruchs- und zuständigkeitsbegründende Tatsachen in diesem Fall zusammenfielen (war das nicht der Fall, galt aber auch hier eine andere Rechtsfolge – vgl. oben zu II 3a, cc). Haben sich die klägerischen Behauptungen nicht bestätigt, war die Klage durch ein Sachurteil abzuweisen. Ob an dieser Rechtsprechung nach dem 4. VwGOÄndG festzuhalten ist, hat der Senat nicht zu entscheiden. Im Schrifttum wird die Beibehaltung dieser Rechtsprechung abgelehnt (vgl. Gift/Bauer, Das Urteilsverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen, C Rz 249 ff.).

Für die Zwischenfeststellungsklage gilt im übrigen nichts anderes als für eine allgemeine Feststellungsklage, insbesondere muß für sie ebenso und nach den gleichen Kriterien die sachliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben sein (vgl. Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 51. Aufl., § 256 Rz 112, 113). Sie wäre im übrigen unzulässig, wenn – wie vorliegend – die in der Hauptsache ergehende Entscheidung die Rechtsbeziehungen erschöpfend klarstellt (BAGE 18, 29 = AP Nr. 11 zu § 565 ZPO, mit Anm. von Bötticher; BGHZ 69, 37, 43).

4. Da das Landesarbeitsgericht allein von der bloßen Rechtsbehauptung des Klägers ohne weitergehende Prüfung der Arbeitnehmereigenschaft ausgegangen ist, dies aber – wie ausgeführt – zur Begründung des Rechtsweges nicht ausreicht, muß das Beschwerdegericht aufklären, ob der Kläger tatsächlich in einem den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitsrechtssachen begründenden Rechtsverhältnis zu den Beklagten gestanden hat.

a) Der Kläger hat unter Beweisantritt behauptet, er habe als persönlich abhängiger, weisungsgebundener Arbeitnehmer auf Honorarbasis für die Beklagten gearbeitet, was in der Einflußnahme der Beklagten in Unterrichtsvorbereitung und Gestaltung, in der inhaltlichen Einflußnahme auf Skripten und den unregelmäßigen Kontrollen der Lehrveranstaltungen seinen Ausdruck finde. Damit hat der Kläger das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses schlüssig vorgetragen.

b) Demgegenüber haben die Beklagten substantiiert die Arbeitnehmereigenschaft bestritten und vorgetragen, der Kläger habe wie jeder Gastdozent für seine Vorlesungen und Seminare auf organisatorische Vorgaben der Hochschule Rücksicht nehmen müssen. Weitere Festlegungen zum behandelten Stoff oder eine Einflußnahme auf die Lehrinhalte habe es nicht gegeben. Über die Skripten des Klägers habe man mit Vertretern der Fachhochschule diskutiert, nachdem er selbst um die Erörterung seiner Ausführungen gebeten habe. Die Besuche in den Unterrichtsstunden hätten in erster Linie nicht einer Kontrolle dienen sollen, sondern die Ausbildungsleitung habe sich einen Eindruck über die Studenten verschaffen wollen. Die Termine der Lehrveranstaltungen habe man mit dem Kläger frei vereinbart, dergleichen Ersatztermine bei Verhinderungen. Aufgrund des Inhalts und der Durchführung des bestehenden Vertrages könne von einer Weisungsgebundenheit und damit von einer persönlichen Abhängigkeit des Klägers keine Rede sein.

c) Die tatsächlichen Umstände, die die Rechtswegzuständigkeit begründen könnten, sind also zwischen den Parteien streitig. Sie müssen in der Vorabentscheidung geklärt werden, was nach dem Akteninhalt nur nach einer Beweisaufnahme möglich ist.

Da das Landesarbeitsgericht unterlassen hat, über die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers Beweis zu erheben, und damit die Rechtswegzuständigkeit unzutreffend angenommen hat, muß der Beschluß des Landesarbeitsgerichts aufgehoben werden. Für das weitere Verfahren gilt folgendes:

Kommt das Landesarbeitgericht zu dem Ergebnis, daß das vorgetragene Vertragsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist, dann bejaht es die Zuständigkeit des Rechtsweges gemäß § 17a Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 3 GVG n.F. durch Beschluß.

Hält das Landesarbeitsgericht nach Beweisaufnahme wie die Vorinstanz den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht für gegeben, so hat es dies gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 GVG n.F., § 78 Abs. 1 ArbGG n.F. auszusprechen und die Beschwerde zurückzuweisen. Läßt das Berufungsgericht gegen seinen Beschluß die weitere Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung oder Divergenz gemäß § 17a Abs. 4 Satz 4 und 5 GVG n. F. an das Bundesarbeitsgericht nicht zu, so ist der Beschluß rechtskräftig und dann für das Gericht, an das verwiesen wurde, hinsichtlich des Rechtsweges bindend (§ 17a Abs. 2 Satz 3 GVG n.F.).

 

Unterschriften

Hillebrecht, Bitter, Bröhl

 

Fundstellen

Haufe-Index 848121

NJW 1994, 604

JR 1994, 220

NZA 1994, 141

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