Entscheidungsstichwort (Thema)

Postulationsfähigkeit eines Gewerkschaftsvertreters

 

Leitsatz (amtlich)

Ein rechtsfähiges Berufsbildungswerk einer Gewerkschaft kann sich vor dem Arbeits- und Landesarbeitsgericht jedenfalls dann nicht durch Rechtssekretäre dieser Gewerkschaft vertreten lassen, wenn bei ihm nach seiner Satzung nicht nur Mitglieder dieser Gewerkschaft Mitglied sein können.

 

Normenkette

ArbGG 1979 § 11 Abs. 1, 2 S. 2, § 87 Abs. 2, § 89 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Beschluss vom 06.12.1990; Aktenzeichen 10 TaBV 25/90)

ArbG Aachen (Beschluss vom 16.01.1990; Aktenzeichen 1 BV 2/89)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Dienststelle wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 6. Dezember 1990 – 10 TaBV 25/90 – aufgehoben.

Die Beschwerden des Antragstellers, der Betriebsvertretung und des beteiligten Betriebsvertretungsmitglieds gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Aachen vom 16. Januar 1990 – 1 BV 2/89 -werden als unzulässig verworfen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Antragsteller (Beteiligter zu 1) aus abgetretenem Recht ein Anspruch auf Erstattung von Schulungskosten gegen die Beteiligte zu 4) zusteht. Dabei geht es im Rechtsbeschwerdeverfahren vorrangig um die Frage, ob sich der Antragsteller, ein Bildungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins, in den Vorinstanzen durch Rechtssekretäre des DGB vertreten lassen durfte. Denn insbesondere die Beschwerdeschrift des Antragstellers ist von einer Rechtssekretärin des DGB als Verfahrensbevollmächtigter unterzeichnet worden.

Die Satzung des Antragstellers enthält u.a. folgende Bestimmungen:

“Satzung des Zentralen DGB-Bildungswerks, Gemeinnütziger eingetragener Verein

§ 1

Name und Sitz

  • Der Verein führt den Namen “Gemeinnütziges Bildungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes e.V.” – abgekürzt: “DGB-Bildungswerk e.V.”

    Der Sitz des Vereins ist Düsseldorf.

    Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts “Steuerbegünstigter Zwecke” der Abgabenordnung.

§ 2

Zweck

  • Der Zweck des Vereins ist die Förderung der Bildung. Der Satzungszweck wird insbesondere verwirklicht durch das Unterhalten von Einrichtungen sowie die Durchführung von Veranstaltungen, Tagungen, Projekten und Maßnahmen sonstiger Art, die der Bildung dienen.

§ 4

Mitgliedschaft

  • Mitglied des Vereins können natürliche und juristische Personen sowie Personenvereinigungen werden.
  • Über die Aufnahme neuer Mitglieder entscheidet der Vorstand.

§ 8

Vorstand

  • Der Vorstand besteht aus dem Vorsitzenden, seinem Stellvertreter und drei weiteren Mitgliedern.
  • Der/die Vorsitzende ist das jeweils für die gewerkschaftliche Bildungsarbeit zuständige Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstandes des DGB.

…”

Die Beteiligte zu 4) ist eine Dienststelle der Royal Air Force mit 365 zivilen Beschäftigten. Bei ihr ist gemäß Art. 56 Abs. 9 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut eine Betriebsvertretung (Beteiligte zu .2) gebildet, der neun Mitglieder angehören. Der Beteiligte zu 3) ist seit 1982 Mitglied dieser Betriebsvertretung und seit 1987 deren Vorsitzender. Aufgrund eines Beschlusses der Betriebsvertretung vom 25. August 1988 nahm er in der Zeit vom 2. Oktober 1988 bis 14. Oktober 1988 an dem vom Antragsteller durchgeführten Seminar “Arbeitsrecht I (A 1) Hauptlehrgang” teil. Die Beteiligte zu 4) bewilligte hierfür eine bezahlte Arbeitsfreistellung nach § 46 Abs. 7 BPersVG. Sie verweigerte jedoch die Erstattung der in unstreitiger Höhe von 960,- – DM entstandenen, Schulungskosten. nach § 44 Abs. 1 Satz 1 i. Verb. m. § 46 Abs. 6 BPersVG; seine diesbezügliche Forderung trat der Beteiligte zu 3) an die Antragstellerin ab.

Mit von einem Rechtssekretär des DGB unterzeichneten Schriftsatz vom 12. April 1989 hat der Antragsteller diese Forderung im vorliegenden Beschlußverfahren geltend gemacht. Er hat beantragt,

die beteiligte Dienststelle (Beteiligte zu 4) zu verpflichten, an den Antragsteller 960,- – DM zu zahlen.

Die beteiligte Dienststelle hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie hat u.a. die ordnungsgemäße Vertretung des Antragstellers gerügt und insoweit insbesondere bestritten, daß dem Antragsteller nur Gewerkschaftsmitglieder angehören.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag als unzulässig und überdies als unbegründet zurückgewiesen. Der Antrag sei bereits unzulässig, weil der Rechtssekretär, der den Antragsteller vertreten habe, gem. § 11 Abs. 1 ArbGG nicht postulationsfähig sei. Überdies sei der Antrag unbegründet, weil die Schulungsveranstaltung für den Beteiligten zu 3) schon angesichts seiner langjährigen Tätigkeit in der Betriebsvertretung nicht mehr erforderlich gewesen sei.

Gegen den am 6. April 1990 zugestellten Beschluß des Arbeitsgerichts hat der Antragsteller am 7. Mai 1990, einem Montag, Beschwerde eingelegt. Beschwerdeschrift und Beschwerdebegründungsschrift sind von der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers, einer DGB-Rechtssekretärin, eingereicht und unterzeichnet worden. Das Landesarbeitsgericht hat die erstinstanzlich nicht beteiligte Betriebsvertretung als Beteiligte zu 2) und deren Vorsitzenden als Beteiligten zu 3) am Verfahren beteiligt.

Dem im Anhörungstermin vom 9. August 1990 anwesenden Beteiligten zu 3) wurden beglaubigte Abschriften des erstinstanzlichen Beschlusses, der Beschwerdeschrift, der Beschwerdebegründungsschrift und der Beschwerdebeantwortung zum Zwecke der Zustellung an ihn und an die Betriebsvertretung ausgehändigt. Mit Schriftsatz vom 27. August 1990, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 30. August 1990, hat die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers auch im Namen der Betriebsvertretung und des Beteiligten zu 3) Beschwerde eingelegt und sich dem Antrag des Antragstellers angeschlossen.

Das Landesarbeitsgericht hat auf die Beschwerden der Beteiligten zu 1) bis 3) den Beschluß des Arbeitsgerichts abgeändert und die Arbeitgeberin verurteilt, an den Antragsteller 960,-- DM zu zahlen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Beteiligte zu 4) die Aufhebung des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts und die Zurückweisung der Anträge der Beteiligten zu 1) bis 3). Diese beantragen, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts und zur Verwerfung der Beschwerden der Beteiligten zu 1) bis 3) gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts war die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers nicht postulationsfähig, so daß sich dessen Beschwerde schon aus diesem Grunde als unzulässig erweist. Auch die Beschwerden der Beteiligten zu 2) und 3) sind, wenn auch aus anderen Gründen, nicht zulässig.

I. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts konnte sich der Antragsteller vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht nicht durch Rechtssekretäre des DGB vertreten lassen.

1. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit im wesentlichen ausgeführt, für die Anwendung der Abs. 1 und 2 des § 11 ArbGG komme es entscheidend darauf an, ob der Antragsteller mit dem Zusammenschluß der Gewerkschaften im DGB gleichzusetzen sei und jedenfalls seine sämtlichen Mitglieder zugleich Gewerkschaftsmitglieder seien. Der Vertreter einer Spitzenorganisation könne als Prozeßbevollmächtigter auch für ein Gebilde, das ein Zusammenschluß seiner gewerkschaftlichen Mitglieder sei, auftreten. Der Antragsteller sei nicht anders einzuordnen als eine rechtlich unselbständige Hauptabteilung des DGB unter der Führung des DGB-Bundesvorstandes. In dieser funktionalen Sicht diene er ausschließlich der Durchführung einer typisch gewerkschaftlichen Aufgabe, nämlich der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit; nur zu diesem Zwecke sei der Antragsteller gegründet worden. Dies ergebe sich aus § 2 Abs. 1 der Satzung des Antragstellers in Verbindung mit dem Vereinsnamen. Die rechtliche Selbständigkeit gegenüber dem DGB sei unschädlich, weil sämtliche Mitglieder des Antragstellers nicht nur dem DGB, sondern auch dem Geschäftsführenden Bundesvorstand des DGB angehörten. Das sei gerichtsbekannt. Außerdem werde gemäß § 8 Abs. 2 der Satzung Vorsitzender des Antragstellers stets automatisch das jeweils für die gewerkschaftliche Bildungsarbeit zuständige Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstandes des DGB. § 4 Abs. 1 der Satzung könne daher sinnvollerweise nicht dahin verstanden werden, Mitglied des Antragstellers könne jedermann sein. Vielmehr besage diese Satzungsbestimmung eindeutig nur, daß sowohl Einzelmitglieder als auch Korporationen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform die Mitgliedschaft erlangen könnten, wobei Voraussetzung sei, daß die Aufnahme des Mitglieds vom Vorstand des Antragstellers beschlossen werde (§ 4 Abs. 2 der Satzung). Die bei funktionaler Betrachtungsweise bestehende Postulationsfähigkeit des Verbandsvertreters sei auch mit Sinn und Zweck des § 11 Abs. 1 und 2 ArbGG zu vereinbaren.

2. Dieser Würdigung kann nicht gefolgt werden.

a) Die Zulässigkeit der Beschwerde ist auch noch vom Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu prüfen (vgl. BAG Beschluß vom 2. September 1980 – 6 ABR 37/78 – AP Nr. 1 zu § 89 ArbGG 1979). Nach § 89 Abs. 1 ArbGG muß die Beschwerdeschrift von einem Rechtsanwalt oder einer nach § 11 Abs. 2 Satz 2 ArbGG zur Vertretung befugten Person unterzeichnet sein. Die in § 11 ArbGG geregelte Postulationsfähigkeit ist eine Prozeßhandlungsvoraussetzung. Ihr Fehlen hat zur Folge, daß eine von einer nicht postulationsfähigen Person vorgenommene Rechtshandlung unwirksam ist (vgl. BAGE 58, 132, 133 = AP Nr. 10 zu § 11 ArbGG 1979 Prozeßvertreter, zu I 1 der Gründe; BAGE 42, 303, 307 = AP Nr. 2 zu § 9 ArbGG 1979, zu I 2 der Gründe). Da die Einlegung der Beschwerde Prozeßhandlung ist, kann sie wirksam nur durch eine postulationsfähige Person erfolgen.

b) Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 ArbGG sind die Vertreter von Gewerkschaften oder von Zusammenschlüssen von Gewerkschaften postulationsfähig, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluß, die Gewerkschaft oder deren Mitglieder Partei sind. Vertreter der Spitzenorganisationen können als Prozeßvertreter für die der Spitzenorganisation angeschlossenen Verbände und für deren Mitglieder auftreten (vgl. BAG Urteil vom 22. Dezember 1960 – 2 AZR 140/58 – AP Nr. 25 zu § 11 ArbGG 1953, zu II der Gründe). Verbandsvertreter dürfen auch Mitgliedern nur als solchen Rechtsschutz gewähren, d.h. wenn es sich um Angelegenheiten im Bereich der sonstigen satzungsmäßigen Aufgaben des Verbandes handelt (vgl. BAGE 51, 163, 166 = AP Nr. 8 zu § 11 ArbGG 1979 Prozeßvertreter, zu 3 der Gründe). Keine Vertretungsbefugnis steht einem Gewerkschaftsvertreter mithin für Parteien zu, die weder eine Gewerkschaft noch ein Zusammenschluß von Gewerkschaften noch deren Mitglieder sind (vgl. BAGE 27, 147, 149 = AP Nr. 35 zu § 11 ArbGG 1953, zu 1b der Gründe; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 11 Rz 82). Nach dem Wortlaut des § 11 Abs. 2 Satz 2 ArbGG war die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers deshalb nicht zu dessen Vertretung befugt, da es sich bei ihm nicht um eine im DGB organisierte Prozeßpartei handelt.

c) Auch eine entsprechende Anwendung des § 11 Abs. 2 Satz 2 ArbGG ist nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift hier nicht möglich. Der Gesetzgeber hat den Verbandsvertretern nach § 11 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 ArbGG für das arbeitsgerichtliche Verfahren eine den Rechtsanwälten ähnliche Rechtsstellung zugestanden und dadurch zum Ausdruck gebracht, daß sie zu einer interessen- und sachgerechten Vertretung ihrer Mitglieder in der Lage sind (vgl. BAGE 40, 228, 232 = AP Nr. 3 zu § 76 ArbGG 1979, zu A I 2b der Gründe; BAGE 63, 255, 258 = AP Nr. 11 zu § 11 ArbGG 1979 Prozeßvertreter, zu I 1 der Gründe). § 11 ArbGG will in dem dort vorgesehenen Rahmen eine erleichterte Vertretungsmöglichkeit für die an Arbeitsrechtsstreitigkeiten beteiligten Parteien gegenüber den Vorschriften der ZPO schaffen. Es soll die Möglichkeit gewährleistet sein, daß die Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberinteressen durch Vertreter der beiderseitigen Organisationen wahrgenommen werden können, ohne daß diese Vertreter der Beschränkung des § 157 Abs. 1 und 2 ZPO unterliegen.

Im Hinblick hierauf ist über den bloßen Wortlaut des § 11 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 ArbGG hinaus zwar die Vertretungsbefugnis eines Verbandsvertreters gegeben, der für ein Rechtsgebilde auftritt, das zwar selbst keine Gewerkschaft, aber ein Zusammenschluß gewerkschaftlich organisierter Mitglieder ist (vgl. BAG Urteil vom 22. Dezember 1960 – 2 AZR 140/58 – AP Nr. 25 zu § 11 ArbGG 1953, zu II der Gründe; LAG Bremen Beschluß vom 17. Januar 1984 – 4 TaBV 10/83 – AP Nr. 7 zu § 11 ArbGG 1979 Prozeßvertreter). Dem muß nicht notwendig entgegenstehen, daß der Zusammenschluß mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet ist. Denn für eine entsprechende Anwendung des § 11 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 ArbGG kann nicht nur die Rechtsform, sondern auch die rechtliche Funktion des Rechtsgebildes ein maßgeblicher Gesichtspunkt sein. Indessen kann dies hier dahinstehen. Auch wenn man insoweit mit dem Landesarbeitsgericht darauf abstellen wollte, der Antragsteller nehme typisch gewerkschaftliche Aufgaben wahr und stelle sich deshalb als funktionale Untergliederung des DGB dar, führt dies noch nicht dazu, daß der Antragsteller sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren durch einen Gewerkschaftsvertreter vertreten lassen kann. Nach der vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Entscheidung des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 7. November 1961 – 3 AZR 315/60 – AP Nr. 27 zu § 11 ArbGG 1953) kann die Postulationsfähigkeit eines Verbandsvertreters bei eigener Rechtspersönlichkeit der vertretenen Partei dann nicht ausgeschlossen werden, wenn sich die vertretene Partei als funktionale Untergliederung des Verbandsmitglieds darstellt und zwischen diesen nicht nur eine enge wirtschaftliche und personelle Verflechtung, sondern auch eine materiell- und prozeßrechtliche Verbindung besteht. Schon eine derartige materiell- und prozeßrechtliche Verbindung des Antragstellers und des DGB ist vorliegend nicht erkennbar, so daß insoweit auch dahingestellt bleiben kann, ob auch die weitere Voraussetzung der engen personellen und wirtschaftlichen Verflechtung erfüllt ist.

d) Angesichts der eigenen Rechtspersönlichkeit des Antragstellers kann jedenfalls seine bloße Nähe zum DGB die Postulationsfähigkeit von DGB-Vertretern schon deshalb nicht begründen, weil nach der eigenen Satzung des Antragstellers auch andere (natürliche oder juristische) Personen Mitglied sein können und damit durchaus auch wesentlichen Einfluß auf den Antragsteller gewinnen könnten.

aa) Die Vorschriften der Abs. 1 und 2 Satz 2 des § 11 ArbGG sind als Ausnahmen gegenüber den Regelungen der Zivilprozeßordnung nur begrenzt einer entsprechenden Anwendung zugänglich. Die Postulationsfähigkeit eines Gewerkschaftsvertreters ist daher nur dann gegeben, wenn es sich bei dem Antragsteller um einen Zusammenschluß gewerkschaftlich organisierter Mitglieder handelt. Hiervon geht im Grundsatz auch das Landesarbeitsgericht aus, wenn es entscheidend darauf abstellt, daß der Antragsteller mit dem Zusammenschluß der Gewerkschaften im DGB gleichzusetzen sei und jedenfalls seine sämtlichen Mitglieder zugleich Gewerkschaftsmitglieder seien. Denn das Landesarbeitsgericht erachtet für ausschlaggebend, daß sämtliche Mitglieder des Antragstellers nicht nur dem DGB, sondern auch dessen Geschäftsführenden Bundesvorstand angehören.

Auf die Verfahrensrüge der Rechtsbeschwerdeführerin gegen die diesbezügliche tatsächliche Feststellung des Landesarbeitsgerichts kommt es nicht an. Denn das Landesarbeitsgericht verkennt bereits, daß für die Frage, ob sich ein Verein vor den Arbeits- bzw. Landesarbeitsgerichten durch Gewerkschaftsvertreter vertreten lassen kann, nicht erheblich sein kann, ob gerade zu dem Zeitpunkt, in dem die Vertretung erfolgt, tatsächlich alle Vereinsmitglieder zugleich Gewerkschaftsmitglieder sind. Aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit kann die Vertretungsberechtigung nicht vom jeweiligen Mitgliederbestand und der Gewerkschaftszugehörigkeit der jeweiligen Mitglieder abhängen. Insbesondere die Frage der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer einzelnen Prozeßhandlung, die besonderer Rechtsklarheit bedarf, darf mit derartigen Zufälligkeiten nicht belastet werden. Eine entsprechende Anwendung des § 11 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 ArbGG kommt deshalb jedenfalls nur dann in Betracht, wenn die Verfassung des Zusammenschlusses der gewerkschaftlich organisierten Mitglieder auch rechtlich sicherstellt, daß nur Gewerkschaftsmitglieder zugleich auch Vereinsmitglieder sein können (vgl. auch LAG Bremen Beschluß vom 17. Januar 1984 – 4 TaBV 10/83 – AP Nr. 7 zu § 11 ArbGG 1979 Prozeßvertreter).

bb) Eine dahingehende Eingrenzung der Vereinsmitgliedschaft ist der Satzung des Antragstellers nicht zu entnehmen. Weder der Wortlaut der Satzung noch deren auch dem Rechtsbeschwerdegericht mögliche Auslegung (vgl. BGH Beschluß vom 11. November 1985 – II ZB 5/85 – BGHZ 96, 245, 250; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 73 Rz 13) ergeben hierfür hinreichende Anhaltspunkte. Vereinssatzungen sind allein aus ihrem Inhalt heraus auszulegen. Ausschlaggebend sind Wortlaut, Sinn und Zweck sowie der Gesamtzusammenhang der Regelung. Interessen der Gründer oder Umstände der späteren Vereinsentwicklung sind hierfür grundsätzlich nicht zu verwerten (vgl. BGH Beschluß vom 11. November 1985 – II ZB 5/85 – BGHZ 96, 245, 250; Soergel/Hadding, BGB, 12. Aufl., § 25 Rz 32).

Nach § 4 Abs. 1 der Satzung des Antragstellers können Mitglieder des Vereins natürliche und juristische Personen sowie Personenvereinigungen werden. Eine Begrenzung der Mitgliedschaft auf Gewerkschaftsmitglieder oder gewerkschaftliche Organisationen enthält diese Bestimmung nicht. Eine dahingehende Beschränkung ergibt sich auch nicht aus dem Regelungszusammenhang der Satzung. Lediglich hinsichtlich des Vereinsvorsitzenden enthält § 8 Abs. 2 die Bestimmung, daß Vorsitzender jeweils das für die gewerkschaftliche Bildungsarbeit zuständige Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstandes des DGB ist. § 4 der Satzung enthält demgegenüber eine Begrenzung der möglichen Vereinsmitglieder gerade nicht. Trifft das Vorbringen des Antragstellers zu, Vereinsmitglieder seien stets nur die Mitglieder des Geschäftsführenden Bundesvorstandes des DGB gewesen, und dies sei nach der Satzung auch so gewollt, so hätte es nahegelegen, § 4 Abs. 1 der Satzung ähnlich wie § 8 Abs. 2 der Satzung zu formulieren. Der eindeutige Wortlaut des § 4 Abs. 1 der Satzung trägt eine dahingehende Auslegung nicht. Denn in diesem Fall wäre die Bestimmung, daß auch juristische Personen sowie Personenvereinigungen Mitglied des Vereins werden können, funktionslos.

Auch der in § 2 der Satzung genannte Vereinszweck läßt keinen Schluß darauf zu, daß nur Gewerkschaftsmitglieder Vereinsmitglieder werden könnten. Der vom Antragsteller verfolgte Zweck, die Förderung der Bildung, setzt dies nicht notwendig voraus. Eine Begrenzung der Vereinsmitgliedschaft auf Gewerkschaftsmitglieder ergibt sich auch nicht aus § 4 Abs. 2 der Satzung, wonach über die Aufnahme neuer Mitglieder der Vorstand entscheidet. Die Notwendigkeit einer derartigen Entscheidung ergibt sich bereits daraus, daß die Vereinsmitgliedschaft einen Aufnahmevertrag zwischen Bewerber und Verein erfordert und deshalb eine Annahmeerklärung des Aufnahmeantrages notwendig ist (vgl. BGH Urteil vom 29. Juni 1987 – II ZR 295/86 – BGHZ 101, 193, 196).

Es kann deshalb auch dahinstehen, ob – wie der Antragsteller vorbringt – eine ständige Übung des Antragstellers besteht, lediglich Mitglieder des DGB-Bundesvorstandes aufzunehmen, und sich hieraus ein für die Auslegung der Satzung maßgebliches Gewohnheitsrecht entwickelt haben könnte. Die tatsächlichen Voraussetzungen der Bildung eines dahingehenden Gewohnheitsrechts bestehen jedenfalls nicht allein in einer bloßen tatsächlichen Handhabung. Hinzukommen muß zumindest, daß auch ein dahingehender rechtlich bindender Wille der Vereinsmitglieder vorhanden ist, entgegen dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 nur Mitglieder des Geschäftsführenden Bundesvorstandes des DGB aufzunehmen. Dies hat der Antragsteller jedoch nicht dargetan. Es kann deshalb dahinstehen, ob eine dahingehende Abänderung des § 4 Abs. 1 der Satzung ohne einen formalen Beschluß überhaupt wirksam sein kann.

cc) Ergibt die Satzung des Antragstellers demnach keine zwingende rechtliche Begrenzung der Vereinsmitgliedschaft auf Gewerkschaftsmitglieder oder gewerkschaftliche Organisationen, so fehlt es an einer rechtlich bindenden Festlegung, daß es sich bei dem Antragsteller um einen Zusammenschluß von Gewerkschaftsmitgliedern handelt. Eine entsprechende Anwendung des § 11 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 ArbGG muß deshalb ausscheiden. Die von der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers eingereichte und unterzeichnete Beschwerde erweist sich damit mangels Postulationsfähigkeit der Prozeßbevollmächtigten als nicht ordnungsgemäß, so daß die Beschwerde des Antragstellers als unzulässig zu verwerfen ist.

II. Auch die Beschwerden der Beteiligten zu 2) und 3) sind unzulässig.

1. Zwar kann zugunsten der Beteiligten zu 2) und 3) von der Postulationsfähigkeit der Rechtssekretärin des DGB ausgegangen werden. Die oben angeführten Gründe, die ihre Postulationsfähigkeit in Bezug auf den Antragsteller ausschließen, gelten nicht hinsichtlich einer Vertretung der Beteiligten zu 2) und 3).

2. Indessen sind die Beteiligten zu 2) und 3) durch die Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht beschwert. Die ihre Beteiligtenstellung begründende personalvertretungsrechtliche Rechtsstellung wird von dem rechtskraftfähigen Inhalt dieser Entscheidung nicht berührt.

a) Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels setzt voraus, daß der Rechtsmittelführer durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist und er mit seinem Rechtsmittel gerade die Beseitigung dieser Beschwer begehrt (vgl. Zöller/Schneider, ZPO, 17. Aufl., vor § 511 Rz 8; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 50. Aufl., Grundzüge § 511 Anm. 3 A; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 20. Aufl., Bd. III; Allgem. Einl. Rz 47, 52 ff.). Die Beschwer eines Beteiligten besteht, wenn er durch die angegriffene Entscheidung nach ihrem materiellen Inhalt in seiner Rechtsstellung, die seine Beteiligungsbefugnis begründet, in irgendeiner Weise beeinträchtigt wird (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 89 Rz 8). Da der dem Tenor und den Entscheidungsgründen zu entnehmende rechtskraftfähige Inhalt der Entscheidung für das Vorliegen der Beschwer maßgebend ist, kann sie nicht allein der nicht in Rechtskraft erwachsenden Begründung entnommen werden (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 17. Aufl., Vorbem. § 511 Anm. IV 2 b; Stein/Jonas/Grunsky, aaO, Allgem. Einl. Rz 55). Rechtskraftfähiger Inhalt der Entscheidung des Arbeitsgerichts war die Zurückweisung des Antrags als unzulässig wegen der fehlenden Postulationsfähigkeit des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers. Da eine Sachentscheidung voraussetzt, daß das Verfahren zulässig ist, erwachsen die vom Arbeitsgericht in den Gründen seiner Entscheidung ausgeführten Erwägungen zur Unbegründetheit des Antrags nicht in Rechtskraft. Da der Antrag als unzulässig abgewiesen wurde, gelten die Ausführungen zur Begründetheit des Antrags als nicht geschrieben (vgl. Thomas/Putzo, aaO, Vorbem. § 253 Anm. III; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, Grundzüge § 253 Anm. 3Ac).

b) Die zur Zulässigkeit des Antrags gemachten Ausführungen des Arbeitsgerichts sind für die Beteiligten zu 2) und 3) in keiner Weise nachteilig. Es ist nicht ersichtlich, in welcher personalvertretungsrechtlichen Rechtsposition sie hierdurch nachteilig berührt oder betroffen werden. Durch den rechtskraftfähigen objektiven Entscheidungsinhalt sind sie nicht beschwert.

c) Eine Beschwer der Beteiligten zu 2) und 3) ergibt sich auch nicht bereits daraus, daß sie in dem Verfahren der ersten Instanz nicht beteiligt wurden. Dies kann zwar ihre Beschwerdebefugnis begründen, beinhaltet jedoch nicht zugleich auch die weitere Voraussetzung des Vorliegens einer Beschwer. Zwar entspricht es prozessualen Grundsätzen, daß ein Beteiligter, dessen Verfahrensbeteiligung streitig ist, im Verfahren hierüber, nämlich soweit das Verfahren diese Streitfrage betrifft, als Beteiligter gelten muß (vgl. BAGE 32, 350, 354 = AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu B I 1 der Gründe). Die Beteiligungsbefugnis der Beteiligten zu 2) und 3) war jedoch nicht Gegenstand des Verfahrens und objektiver Inhalt der Entscheidung des Arbeitsgerichts. Alleine aus ihrer fehlenden Beteiligung erwächst ihnen keine Beschwer, da der Inhalt der angefochtenen Entscheidung diese Frage überhaupt nicht betrifft. Mangels Beschwer sind daher die Beschwerden der Beteiligten zu 2) und 3) unzulässig.

3. Überdies sind die Beschwerden der Beteiligten zu 2) und 3) entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch nicht ordnungsgemäß begründet. Nach § 89 Abs. 2 Satz 2 ArbGG muß die Beschwerdebegründung angeben, auf welche im einzelnen anzuführenden Beschwerdegründe sowie auf welche neuen Tatsachen die Beschwerde gestützt wird. Die gesetzliche Bestimmung fordert eine Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 89 Rz 30). Eine diesen Anforderungen genügende Beschwerdebegründung haben die Beteiligten zu 2) und 3) nicht eingereicht. Ihre Beschwerdeschrift enthält nur die Erklärung, daß sie Beschwerde einlegen und sich dem Antrag des Antragstellers anschließen. Dies läßt schon nicht hinreichend deutlich erkennen, ob die Beteiligten zu 2) und 3) einen eigenen Antrag stellen wollten oder ob sie dadurch nur das Begehren des Antragstellers unterstützen. Eine Bezugnahme auf die Beschwerdebegründung des Antragstellers ist nicht erfolgt. Zwar ist eine Bezugnahme nicht ausdrücklich erforderlich, sondern kann sich auch aus den Begleitumständen und dem Zusammenhang ergeben. Es muß dann jedoch eindeutig erkennbar sein, welche Ausführungen zur Rechtfertigung der Beschwerde gemacht werden sollen (vgl. BGH Beschluß vom 9. November 1988 – IVb ZB 154/88 – NJW-RR 1989, 184). Da auch eine ausdrückliche Bezugnahme nur in engen Grenzen zulässig ist (vgl. Thomas/Putzo, aaO, § 519 Anm. 3a), kann erst recht eine dahingehende Auslegung nur dann erfolgen, wenn eindeutig erkennbar ist, welches Vorbringen der Beschwerdeführer zum Inhalt seines Vortrags machen will (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, § 519 Anm. 3Ca).

An dieser Erkennbarkeit fehlt es hier. Auch kann im Entscheidungsfall nicht zugunsten der Beteiligten zu 2) und 3) unterstellt werden, sie hätten sich das gesamte Beschwerdevorbringen des Antragstellers zu eigen gemacht. Denn es kann insbesondere nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß die Beteiligten zu 2) und 3) auch die Ausführungen des Arbeitsgerichts angreifen wollten, durch die sie – wie oben dargestellt – nicht beschwert sind.

 

Unterschriften

Kremhelmer, Schliemann, Dr. Steckhan, Kordus, Prof. Dr. Knapp

 

Fundstellen

NZA 1993, 379

RdA 1992, 399

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