Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung bei Versetzungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die weniger als einen Monat dauernde Abordnung eines Arbeitnehmers in eine andere Filiale des Arbeitgebers bedarf nur dann der Zustimmung des Betriebsrats, wenn sie mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Der bloße Wechsel des Arbeitsortes sowie die Tatsache, daß der Arbeitnehmer unter einem anderen Vorgesetzten und mit anderen Arbeitskollegen zu arbeiten hat, stellt noch keine erhebliche Änderung der Arbeitsumstände dar.

2. Geht im Laufe eines Beschlußverfahrens der Betrieb des Arbeitgebers auf einen neuen Inhaber über, so wird der neue Betriebsinhaber anstelle des bisherigen Inhabers Beteiligter des anhängigen Verfahrens. Ein solcher Betriebsinhaberwechsel ist auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz von Amts wegen zu beachten.

3. Ein Betriebsinhaberwechsel läßt die Rechtsstellung des für den Betrieb gewählten Betriebsrats jedenfalls solange unberührt, als die Identität des Betriebes unter dem neuen Betriebsinhaber fortbesteht.

 

Normenkette

ArbGG §§ 10, 83 Abs. 3; BetrVG § 95 Abs. 3, § 23 Abs. 3, § 99 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Entscheidung vom 02.03.1987; Aktenzeichen 12 TaBV 3/86)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 16.09.1986; Aktenzeichen 2 BV 7/86)

 

Gründe

A. Die M oHG - im folgenden Arbeitgeber - betrieb in Berlin ein Lebensmittelfilialunternehmen mit etwa 90 über das gesamte Stadtgebiet verstreuten Filialen. Mehrere Filialen sind organisatorisch einem Bezirk zugeordnet, dem ein Bezirksleiter vorsteht. Dieser ist für den Einsatz der Arbeitnehmer in den jeweiligen Filialen zuständig. Die in diesen Filialen beschäftigten Arbeitnehmer haben einen Betriebsrat gewählt, den Antragsteller im vorliegenden Verfahren.

Betriebsrat und Arbeitgeber haben darüber gestritten, ob auch der kurzfristige Einsatz von Arbeitnehmern in einer anderen als ihrer Stammfiliale eine Versetzung darstellt und deshalb der Zustimmung des Betriebsrats bedarf. Der Arbeitgeber hat die Auffassung vertreten, daß die Entsendung eines Arbeitnehmers in eine andere als seine Stammfiliale, die voraussichtlich die Dauer eines Monats nicht überschreiten wird, nicht als Versetzung anzusehen ist. Er hat deshalb in der Vergangenheit in einer Mehrzahl von Fällen Arbeitnehmer kurzfristig in einer anderen als in ihrer Stammfiliale eingesetzt, ohne den Betriebsrat zu beteiligen. Der Betriebsrat hat dieses Verfahren wiederholt gegenüber dem Arbeitgeber gerügt, auf die Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte hingewiesen und um künftige Beachtung gebeten. Er ist der Ansicht, der Einsatz von Arbeitnehmern in einer anderen Filiale als in ihrer Stammfiliale bedürfe auch dann seiner Zustimmung, wenn er die Dauer von einem Monat nicht überschreite. Ein solcher Einsatz sei jedenfalls mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden, unter denen die Arbeit zu leisten sei. Die Arbeit in einer anderen Filiale sei in der Mehrzahl der Fälle mit weiteren Anfahrwegen der Arbeitnehmer und mit einer Veränderung der vertrauten Arbeitsumwelt verbunden, da die so eingesetzten Arbeitnehmer gezwungen seien, mit anderen Vorgesetzten, Mitarbeitern und Untergebenen zusammenzuarbeiten oder in anderer Funktion tätig zu werden. Im Verhalten des Arbeitgebers, der ihn bei solchen kurzfristigen Einsätzen nicht beteilige, liege ein grober Verstoß gegen dessen gesetzliche Pflichten.

Der Betriebsrat hat daher beantragt,

dem Arbeitgeber aufzugeben - unbeschadet

der Möglichkeit, vorläufige personelle

Maßnahmen durchzuführen - Arbeitnehmern

- auch nicht kurzfristig oder vorüberge-

hend - eine Tätigkeit in einer anderen

Filiale zuzuweisen, ohne vorher die Zu-

stimmung des Betriebsrats oder eine er-

setzende Entscheidung eingeholt zu haben,

hilfsweise

festzustellen, daß der Arbeitgeber - un-

beschadet der Möglichkeit, vorläufige per-

sonelle Maßnahmen durchzuführen - nicht

berechtigt ist, Arbeitnehmern kurzfristig

oder vorübergehend eine Tätigkeit in ei-

ner anderen Filiale zuzuweisen, ohne vor-

her die Zustimmung des Betriebsrats einzu-

holen oder durch eine gerichtliche Entschei-

dung ersetzen zu lassen.

Der Arbeitgeber hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Er ist der Ansicht, die vom Betriebsrat gestellten Anträge seien nicht hinreichend bestimmt und daher unzulässig, zumindest aber unbegründet. Der kurzfristige Wechsel eines Arbeitnehmers von seiner Stammfiliale in eine andere Filiale stelle grundsätzlich keine Versetzung dar, weil mit diesem Wechsel eine erhebliche Veränderung der Arbeitsumstände nicht verbunden sei.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Arbeitgebers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde hat der Arbeitgeber die Abweisung der Anträge des Betriebsrats beantragt.

Nach Einlegung der Rechtsbeschwerde ist der Betrieb des Arbeitgebers aufgrund eines Pachtvertrages mit Wirkung vom 1. Februar 1988 auf die C AG, K, - Absatzgebiet Berlin, Vertriebsbereich B - übergegangen. Die C AG ist vom Senat am Verfahren beteiligt worden. Sie hat ebenfalls die Abweisung der Anträge des Betriebsrats beantragt und vorgetragen, sie habe ihre Filialen des Verkaufsgebietes Berlin mit den Filialen des Arbeitgebers - der M oHG - zu einem neuen, organisatorisch selbständigen Betrieb zusammengeführt. Das Amt des Betriebsrats für die Filialen der M oHG sei daher erloschen. - Über diese Frage ist ein Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Berlin anhängig -. Zwischenzeitlich seien sowohl der Betriebsrat für die Filialen der M oHG als auch der Betriebsrat für die Filialen ihres Verkaufsgebietes Berlin zurückgetreten. Demnächst werde für alle Beschäftigten ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt.

B. Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers, fortgeführt durch die C AG, ist begründet. Der Betriebsrat kann nicht verlangen, daß der Arbeitgeber alle kurzfristigen und vorübergehenden Einsätze von Arbeitnehmern in einer anderen als ihrer Stammfiliale unterläßt, solange nicht die Zustimmung des Betriebsrats vorliegt oder durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt ist.

I. Die im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens eingetretenen Änderungen in der Inhaberschaft des Betriebes der M oHG und die behaupteten organisatorischen Änderungen in den Betrieben der C AG machen eine Entscheidung über den vom Betriebsrat gestellten Antrag nicht unzulässig.

1. Die noch vom Arbeitgeber, der M oHG, eingelegte Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts war zulässig. An die Stelle des Arbeitgebers, der M OHG, ist die C AG als Beteiligte des anhängigen Verfahrens getreten.

Der Betrieb der M oHG ist durch Pachtvertrag und damit durch Rechtsgeschäft auf die C AG übergegangen. Inhaber des Betriebes der M oHG ist daher die C AG geworden. Sie wurde damit gleichzeitig Beteiligte des zwischen dem Betriebsrat und der M oHG bis dahin anhängigen Verfahrens.

a) Beteiligter eines Beschlußverfahrens in Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes ist diejenige Person oder Stelle, die durch die vom Antragsteller begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen wird (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. Beschluß vom 13. März 1984 - 1 ABR 49/83 - AP Nr. 9 zu § 83 ArbGG 1979; Beschluß vom 25. September 1986 - 6 ABR 68/84 - BAGE 53, 119 = AP Nr. 7 zu § 1 BetrVG 1972). Die Beteiligung einer Person oder Stelle ergibt sich damit unmittelbar aus materiellem Recht, ohne daß es einer darauf gerichteten Handlung der Person oder Stelle oder des Gerichts bedarf. Dem entspricht es, daß nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die nach materiellem Recht Beteiligten von Amts wegen auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz am Verfahren zu beteiligen sind (Beschluß vom 20. Juli 1982 - 1 ABR 19/81 - AP Nr. 26 zu § 76 BetrVG 1952). Daraus folgt zwingend, daß neue Tatsachen, aus denen sich die Beteiligung einer Person oder Stelle an einem anhängigen Verfahren ergibt, auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz zu berücksichtigen sind.

b) Streitgegenstand des anhängigen Verfahrens ist nach dem Antrag des Betriebsrats die Verpflichtung des Arbeitgebers, den kurzfristigen Einsatz von Arbeitnehmern in einer anderen als in ihrer Stammfiliale zu unterlassen, wenn nicht zuvor die Zustimmung des Betriebsrats eingeholt oder durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt worden ist. Diese geltend gemachte, nur dem Betriebsrat gegenüber bestehende betriebsverfassungsrechtliche Pflicht kann nur den jeweiligen Inhaber des Betriebes als den "Arbeitgeber" im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes gleichsam als Organ der Betriebsverfassung treffen.

Tritt mit einem Betriebsinhaberwechsel der neue Inhaber in die betriebsverfassungsrechtliche Stellung des bisherigen Betriebsinhabers ein, so gilt dies in gleicher Weise für die verfahrensrechtliche Stellung des neuen Betriebsinhabers als Beteiligter eines anhängigen Beschlußverfahrens über betriebsverfassungsrechtliche Pflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat. Er wird durch eine Entscheidung über einen gegen den "Arbeitgeber" gerichteten Antrag des Betriebsrats in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen. Die C AG kann daher als Beteiligte des Verfahrens die vom bisherigen Betriebsinhaber eingelegte Rechtsbeschwerde weiterführen und die Abweisung der nunmehr gegen sie gerichteten Anträge des Betriebsrats beantragen. Daß sie das tut, hat sie ausdrücklich erklärt.

2. Der Betriebsrat ist als Antragsteller Beteiligter des anhängigen Verfahrens geblieben.

a) Der bloße Wechsel des Betriebsinhabers ist ohne Bedeutung für die Rechtsstellung des in diesem Betrieb gewählten Betriebsrats. Solange die Identität des Betriebes fortbesteht, behält der Betriebsrat das ihm durch seine Wahl übertragene Mandat zur Vertretung der Arbeitnehmerinteressen und zur Wahrnehmung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben. Er bleibt daher auch befugt, ein gegen den Inhaber des Betriebes als Arbeitgeber im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes anhängig gemachtes Verfahren gegen den neuen Betriebsinhaber, der in die Stellung des betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitgebers eingerückt ist, fortzuführen. Das gilt auch dann, wenn der Betriebsrat - wie von der C AG vorgetragen - zwischenzeitlich seinen Rücktritt erklärt haben sollte. Auch bei einem Rücktritt des Betriebsrats führt dieser nach § 22 BetrVG die Geschäfte weiter, bis ein neuer Betriebsrat gewählt und das Wahlergebnis bekanntgegeben ist. Ein neuer Betriebsrat ist für den oder die Betriebe der C AG noch nicht gewählt worden. Der Betriebsrat der ehemaligen M oHG ist damit noch existent.

b) Eine andere, davon zu unterscheidende Frage ist die, ob dem Betriebsrat der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Beachtung seines Mitbestimmungsrechts noch zusteht. Der Betriebsrat macht einen nach seiner Ansicht ihm zustehenden betriebsverfassungsrechtlichen Anspruch gegen den Arbeitgeber geltend. Sein Antrag wäre unbegründet, wenn er nicht mehr Gläubiger dieses Anspruchs wäre, ihm dieser Anspruch nicht mehr zustünde. Das könnte der Fall sein, wenn die Amtszeit des Betriebsrats dadurch ihr Ende gefunden hätte, daß im Zuge organisatorischer Maßnahmen die Identität des Betriebes der früheren M oHG kraft Gesetzes geendet hätte und in diesem Falle auch eine Fortführung der Geschäfte entsprechend § 22 BetrVG oder die Wahrnehmung eines Restmandates ausgeschlossen wäre. Ob dies der Fall ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Zugunsten des Betriebsrats kann der Senat davon ausgehen, daß das Amt des Betriebsrats noch nicht erloschen ist. Der geltend gemachte Anspruch steht dem Betriebsrat schon aus anderen Gründen nicht zu (s. im folgenden unter II).

II. Der Betriebsrat kann nicht verlangen, daß der Arbeitgeber a l l e kurzfristigen Einsätze von Arbeitnehmern in einer anderen als ihrer Stammfiliale unterläßt, solange nicht die Zustimmung des Betriebsrats vorliegt oder durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt ist.

1. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht seiner Entscheidung die Rechtsauffassung zugrunde gelegt, daß § 101 BetrVG einen Anspruch des Betriebsrats auf künftige Beachtung seiner Mitbestimmungsrechte nach § 23 Abs. 3 BetrVG nicht ausschließt. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats, wie sie im Beschluß vom 17. März 1987 (- 1 ABR 65/85 - AP Nr. 7 zu § 23 BetrVG 1972) näher begründet worden ist.

2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, eine kurzfristige nicht länger als einen Monat dauernde Zuweisung eines Arbeitnehmers von seiner Stammfiliale zu einer anderen Filiale des Arbeitgebers sei immer als Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG anzusehen und bedürfe daher stets der Zustimmung des Betriebsrats gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG. Allein in der Veränderung des Arbeitsortes liege die "Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs". Der kurzfristige Wechsel eines Arbeitnehmers von einer in eine andere Filiale sei auch stets mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden, unter denen er seine Arbeit zu leisten habe. Denn einmal bedeute für den Arbeitnehmer der Wechsel des Arbeitsortes eine erhebliche Veränderung des Weges zu seiner Arbeit; zum anderen empfinde es der Arbeitnehmer in der Regel als wesentliche Veränderung seiner Arbeitsbedingungen, wenn er mit gänzlich anderen Arbeitnehmern und unter anderen Vorgesetzten als bisher zu arbeiten habe. Die mit dem Wechsel der Filiale verbundene Veränderung des Arbeitsortes und die Eingliederung in eine andere Arbeitsgruppe führten jedenfalls zusammengenommen zu einer erheblichen Veränderung der Umstände, unter denen der Arbeitnehmer seine Arbeit zu leisten habe. Diese Bewertung beruhe auf einer generalisierenden Betrachtungsweise. Eine solche generalisierende Betrachtungsweise sei im Problembereich des § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG angebracht. Sie bringe für Filialbetriebe von der Art, wie sie der Arbeitgeber führe, ein größeres Maß an Rechtssicherheit mit sich, als wenn in jedem Einzelfall geprüft werden müßte, ob die örtliche Entfernung der Filialen voneinander bzw. die Gliederung der Filialen wesentlich voneinander abwichen.

3. Diesen Ausführungen kann in wesentlichen Teilen der Begründung und auch im Ergebnis nicht beigepflichtet werden.

a) Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ist die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs liegt dann vor, wenn dem Arbeitnehmer ein neuer Tätigkeitsbereich zugewiesen wird, so daß der Gegenstand der nunmehr geforderten Arbeitsleistung, der Inhalt der Arbeitsaufgabe ein anderer wird und sich das Gesamtbild der Tätigkeit des Arbeitnehmers ändert (BAG Beschluß vom 10. April 1984 - 1 ABR 67/82 - AP Nr. 4 zu § 95 BetrVG 1972; zuletzt Beschluß vom 26. Mai 1988 - 1 ABR 18/87 -, zu B 1 der Gründe, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Die "Abordnung" eines Arbeitnehmers aus seiner Stammfiliale in eine andere Filiale im Unternehmen des Arbeitgebers kann eine Versetzung sein. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 18. Februar 1986 (BAGE 51, 151 = AP Nr. 33 zu § 99 BetrVG 1972) ausgesprochen, daß eine Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG auch dann vorliegt, wenn dem Arbeitnehmer ein anderer Arbeitsort zugewiesen wird, ohne daß sich seine Arbeitsaufgabe ändert. Bei den hier streitigen "Abordnungen" kommt hinzu, daß der Arbeitnehmer dadurch in eine andere organisatorische Einheit eingegliedert wird. Diese Versetzung ist dann mitbestimmungspflichtig, wenn sie voraussichtlich die Dauer eines Monats überschreitet - um solche "Abordnungen" geht es in diesem Rechtsstreit nicht - oder wenn sie mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Ob das der Fall ist, läßt sich entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht für "alle" Abordnungen von einer Filiale in eine andere Filiale des Arbeitgebers einheitlich entscheiden. Die Arbeit an einem anderen Ort führt zwar stets zu einer Veränderung der Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Der Weg zum Arbeitsort und zurück wird ein anderer. Er kann länger sein und daher erheblich mehr Wegezeit in Anspruch nehmen und damit die Freizeit des Arbeitnehmers verkürzen. Ist das der Fall, wird man auch von einer erheblichen Veränderung der Umstände sprechen können, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Die Länge des Wegs allein ist jedoch nicht entscheidend. Es kommt auch darauf an, wo der betreffende Arbeitnehmer wohnt und welche Verkehrsverbindungen bestehen (Beschluß des Senats vom 16. Dezember 1986 - 1 ABR 52/85 - AP Nr. 40 zu § 99 BetrVG 1972). Die vom Landesarbeitsgericht befürwortete "generalisierende Betrachtungsweise" widerspricht der Regelung in § 95 Abs. 3 BetrVG und der Rechtsprechung des Senats. Danach ist jede "Abordnung" zwischen Filialen gesondert daraufhin zu untersuchen, ob die Veränderung der Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten ist, erheblich ist.

b) § 95 Abs. 3 BetrVG will die kurzfristige Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, wie sie insbesondere in Vertretungs- und Aushilfsfällen erforderlich wird, erleichtern. Sie soll nur dann zum Schutz des betroffenen Arbeitnehmers der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen, wenn sie mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Dabei muß es sich, wie aus dem Schutzzweck der Vorschrift folgt, um den Arbeitnehmer belastende Umstände handeln (Otto, SAE 1987, 154). Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches wird vielfach damit verbunden sein, daß die Arbeit an einem anderen Ort oder in einem anderen organisatorischen Bereich und damit auch im Zusammenwirken mit anderen Arbeitnehmern und in ungewohnter Arbeitsumgebung zu leisten ist. Wollte man allein darin schon eine erhebliche Veränderung der Umstände sehen, wäre eine kurzfristige Versetzung nur noch in Ausnahmefällen zustimmungsfrei. Die Zustimmungsfreiheit kurzfristiger Versetzungen soll aber nach der gesetzlichen Regelung gerade die Regel sein.

c) Auf den Beschluß des Senats vom 3. Dezember 1985 (BAGE 50, 226 = AP Nr. 8 zu § 95 BetrVG 1972), der ebenfalls den Betrieb des Arbeitgebers betraf, kann sich das Landesarbeitsgericht nicht stützen. Dieser Beschluß betraf die Zuweisung einer anderen Ausbildungsstätte und die Versetzung von Auszubildenden. In diesem Beschluß hat der Senat ausgesprochen, daß in einem Betrieb mit mehreren Filialen die Zuweisung einer anderen Ausbildungsstätte (Filiale oder Zentrale) mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Ausbildung zu leisten ist; diese Zuweisung sei eine Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, der Auszubildende müsse sich nicht nur an einem anderen Ort ausbilden lassen, er erhalte auch andere Ausbilder und werde Mitarbeiter in einer anderen Arbeitsgruppe. Unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Mitbestimmung bei Versetzungen, dem Schutz des Auszubildenden gegen eine unnötige Veränderung seiner ihm vertrauten näheren Arbeitsumwelt, handele es sich bei einem Wechsel der Betriebsstätte um eine erhebliche Änderung der Umstände, unter denen der Auszubildende ausgebildet werde. Im Hinblick auf die besondere Situation des Auszubildenden ist bei diesem auch eine generalisierende Betrachtungsweise angebracht. Für den Auszubildenden ist ein neuer kurzfristiger Wechsel des Vorgesetzten oder der Gruppe in der Regel psychisch belastender, als es bei einem erfahrenen Arbeitnehmer der Fall sein dürfte (Otto, SAE 1987, 154 f., unter II 2 b).

Auf den kurzfristigen Einsatz eines Arbeitnehmers in einer anderen als seiner Stammfiliale lassen sich diese Überlegungen nicht übertragen.

4. Bedürfen daher nicht alle kurzfristigen Einsätze von Arbeitnehmern in einer anderen als ihrer Stammfiliale der Zustimmung des Betriebsrats, sondern nur solche, die für den betroffenen Arbeitnehmer mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden sind, unter denen die Arbeit zu leisten ist, kann der Betriebsrat nicht verlangen, daß der Arbeitgeber alle diese Einsätze unterläßt, bis die Zustimmung des Betriebsrats erteilt oder durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt worden ist. Schon von daher ist der Antrag des Betriebsrats unbegründet. Darauf, ob der Arbeitgeber in der Vergangenheit grob gegen seine Pflichten verstoßen hat, den Betriebsrat in den zustimmungsbedürftigen Fällen zu beteiligen, kommt es nicht an. Entsprechende Feststellungen hat das Landesarbeitsgericht nicht getroffen. Aus den vom Betriebsrat vorgetragenen Beispielsfällen läßt sich ein solcher Vorwurf nicht begründen. Das Vorbringen des Betriebsrats enthält keine Darlegungen darüber, inwieweit sich jeweils die Arbeitsumstände für den betroffenen Arbeitnehmer erheblich geändert haben. Der Betriebsrat stellt ebenso wie das Landesarbeitsgericht allein darauf ab, daß die Arbeit in einer anderen Filiale unter einem anderen Vorgesetzten und mit anderen Arbeitskollegen geleistet werden muß.

Aus den dargelegten Gründen ist auch der Hilfsantrag des Betriebsrats unbegründet. Der Senat kann nicht die begehrte Feststellung treffen, daß der Betriebsrat bei a l l e n Einsätzen in einer anderen Filiale ein Mitbestimmungsrecht hat.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher aufzuheben. Der Antrag des Betriebsrats mußte abgewiesen werden.

Dr. Kissel Matthes Dr. Weller

Andersch Dr. Federlin

 

Fundstellen

Haufe-Index 436870

BAGE 59, 371-379 (LT1-3)

BAGE, 371

BB 1989, 286-288 (LT1-3)

DB 1989, 386-387 (LT1-3)

EBE/BAG 1988, 27-30 (LT1-3)

AiB 2012, 755

BetrR 1989, 72-75 (LT1-3)

ARST 1989, 84-85 (LT1)

NZA 1989, 188-190 (LT1-3)

RdA 1989, 72

SAE 1989, 149-152 (LT1-3)

AP § 99 BetrVG 1972 (LT1-3), Nr 55

AR-Blattei, Betriebsinhaberwechsel Entsch 79 (LT2)

AR-Blattei, Betriebsverfassung XIVC Entsch 116 (LT3)

AR-Blattei, ES 1700 Nr 10 (LT1)

AR-Blattei, ES 500 Nr 79 (LT2)

AR-Blattei, ES 530.14.3 Nr 116 (LT3)

AR-Blattei, Versetzung des Arbeitnehmers Entsch 10 (LT1)

EzA § 95 BetrVG 1972, Nr 14 (LT1-3)

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