Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerspruch des Betriebsrats wegen zu hoher Eingruppierung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Betriebsrat kann nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG die Zustimmung zu einer Eingruppierung mit der Begründung verweigern, nur eine niedrigere als die vorgesehene Vergütungsgruppe sei zutreffend.

2. Wenn er das fristgerecht tut, so ist er nach Ablauf der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht gehindert, seine Zustimmungsverweigerung ergänzend auf rechtliche Argumente zu stützen, die er im Verweigerungsschreiben noch nicht angeführt hatte.

 

Normenkette

BetrVG § 99

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Zwischenurteil vom 12.08.1997; Aktenzeichen 13 TaBV 19/97)

ArbG Bielefeld (Zwischenurteil vom 10.12.1996; Aktenzeichen 5 BV 70/96)

 

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 12. August 1997 - 13 TaBV 19/97 - insoweit aufgehoben, als die Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung des Arbeitnehmers Peter J ersetzt worden ist.

2. Die Sache wird zur anderweiten Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten über die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Höhergruppierung eines Arbeitnehmers.

Die Arbeitgeberin beschäftigt 36 Arbeitnehmer. Sie ist Mitglied einer Tarifgemeinschaft. Der einschlägige Manteltarifvertrag sieht neben numerierten Vergütungsgruppen jeweils Zwischengruppen ("a-Gruppen") vor. Die Eingruppierung in eine Zwischengruppe setzt voraus, daß sich die Tätigkeit des Arbeitnehmers um mindestens 20% aus der zugrunde liegenden Vergütungsgruppe heraushebt, ohne jedoch überwiegend die Tätigkeitsmerkmale der nächsthöheren zu erfüllen.

Es besteht ein Betriebsrat. Unter dem 1. Juli 1996 beantragte die Arbeitgeberin dessen Zustimmung zur Höhergruppierung des Angestellten Peter J von Gruppe 6 a nach 7 a. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung mit folgender Begründung:

"...Die vorgesehene Eingruppierung ist gemäß gültigem Manteltarifvertrag nicht zulässig. Siehe § 11 Manteltarifvertrag.

Die Eingruppierung eines Arbeitnehmers in die Vergütungsgruppen richtet sich nach der überwiegend ausgeübten Tätigkeit. Eine Anlage "Eingruppierung nach Tätigkeitsmerkmalen" ist Bestandteil des Tarifvertrages. Vergütungsgruppen sind die Gruppen 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12.

Mit Wirkung vom 1. April 1993 sind Zwischengruppen (sog. a-Gruppen) eingeführt worden. Sie sind den Vergütungsgruppen eindeutig zugeordnet. Auszug aus der Mitteilung der LEG vom 6. April 1994 - Einführung von Zwischengruppen:

Angestellte, die sich durch ihre Tätigkeit wesentlich (mindestens 20 %) aus ihrer Vergütungsgruppe herausheben, ohne überwiegend die Tätigkeitsmerkmale der nächsthöheren Gruppe zu erfüllen, sind in die entsprechende Zwischengruppe einzuordnen.

Hiermit ist eindeutig festgelegt, daß eine Höhergruppierung nicht von Gruppe mit Zwischengruppe zur nächsten Gruppe mit Zwischengruppe, sondern von Gruppe zur nächst höheren Gruppe zu erfolgen hat. Die Zwischengruppen sind eindeutig den Vergütungsgruppen nachgeordnet und sind erst, nachdem ein Mitarbeiter in seiner Gruppe mindestens 20 % mehr leistet, zu gewähren. ..."

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, der Betriebsrat könne die Zustimmung nicht mit der Begründung verweigern, die vorgesehene Eingruppierung sei zu hoch. Das Beteiligungsrecht des Betriebsrats solle den betroffenen Arbeitnehmer lediglich vor einer zu niedrigen Eingruppierung schützen. Eine tarifwidrig zu hohe Eingruppierung, auf die sich der Betriebsrat vorliegend berufe, sei nicht denkbar, da Tarifverträge nur Mindestnormen setzten und Abweichungen zugunsten der Arbeitnehmer immer zuließen. So könne der Arbeitgeber übertarifliche Lohnbestandteile dadurch gewähren, daß er Arbeitnehmer nach einer Tarifgruppe vergüte, deren Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Im übrigen sei der Angestellte J aufgrund seiner Tätigkeit und seiner Qualifikation tarifgerecht in Vergütungsgruppe 7 a eingruppiert.

Die Arbeitgeberin hat, soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Interesse, beantragt,

die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Umgruppierung des Herrn Peter J von der Tarifgruppe 6 a in dieVergütungsgruppe 7 a des bei der Arbeitgeberin geltenden Manteltarifvertrages in der Fassung vom 8. Oktober 1992 zu ersetzen.

Der Betriebsrat hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Nach seiner Meinung kann die Zustimmungsverweigerung bei Eingruppierungen auch darauf gestützt werden, daß der Betriebsrat eine niedrigere als die vom Arbeitgeber vorgesehene Vergütungsgruppe für richtig hält. Das Mitbestimmungsrecht solle den betroffenen Arbeitnehmer nicht nur vor einer unzutreffend niedrigen Eingruppierung schützen, sondern generell gewährleisten, daß das im Betrieb maßgebliche Vergütungsgruppensystem richtig angewandt werde. Die Gewährung übertariflicher Gehaltsbestandteile sei dadurch nicht ausgeschlossen. Der Angestellte J erfülle nicht die Voraussetzungen der Tarifgruppe 7 a.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung in Gruppe 7 a ersetzt und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgt der Betriebsrat seinen Abweisungsantrag weiter. Die Arbeitgeberin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann dem Antrag der Arbeitgeberin nicht stattgegeben werden. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat allerdings nicht möglich, so daß die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen werden muß.

I. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung mit erheblicher Begründung verweigert. Eine Eingruppierung verstößt auch dann im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG gegen einen Tarifvertrag, wenn die vorgesehene Gruppe zu einer höheren als der tarifgerechten Vergütung führt. Das hat das Landesarbeitsgericht verkannt.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist das Mitbestimmungsrecht bei Eingruppierungen als Mitbeurteilungsrecht und nicht als Mitgestaltungsrecht zu verstehen. Die Eingruppierung des Arbeitnehmers in eine im Betrieb angewandte Lohn- oder Gehaltsgruppenordnung ist keine konstitutive Maßnahme, sondern Rechtsanwendung. Die Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG soll dazu beitragen, daß möglichst zutreffende Ergebnisse erzielt werden. Sie dient der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung der Vergütungsordnung in vergleichbaren Fällen und damit der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit sowie der Transparenz der betrieblichen Vergütungspraxis (z. B. Senatsbeschluß vom 2. April 1996 - 1 ABR 50/95 - AP Nr. 7 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung, zu B II 1 a der Gründe). Dabei ist es ohne Bedeutung, ob der Beurteilungsakt eine Eingruppierung oder eine Umgruppierung betrifft. Unter einer Umgruppierung im Sinne des § 99 BetrVG ist die Feststellung des Arbeitgebers zu verstehen, daß die Tätigkeit eines Arbeitnehmers nicht - oder nicht mehr - die Tätigkeitsmerkmale erfüllt, nach denen sie bisher beurteilt wurde. Anlaß für diese Feststellung kann eine Änderung der Tätigkeit sein, es kommen aber auch eine Änderung des Entgeltschemas oder aber eine veränderte Einschätzung der Rechtslage in Betracht (Senatsbeschluß, aaO).

Nach diesen Grundsätzen kann der Betriebsrat einer Eingruppierung auch mit der Begründung widersprechen, sie sei deshalb unzutreffend, weil der Arbeitnehmer geringerwertige Tätigkeiten ausübe (BAGE 72, 123, 137 f. = AP Nr. 101 zu§ 99 BetrVG 1972, zu B II 3 der Gründe; vgl. auch Senatsbeschluß vom 31. Oktober 1995 - 1 ABR 5/95 - AP Nr. 5 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung, zu B I 2 a der Gründe). Nur dieses Verständnis wird dem Zweck des Beteiligungsrechts bei Eingruppierungen nach § 99 BetrVG gerecht. Es soll nicht allein den betroffenen Arbeitnehmer schützen. Vielmehr dient es auch kollektiven Belangen, nämlich der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit sowie der Transparenz der betrieblichen Vergütungspraxis. Gerade die Verteilungsgerechtigkeit im Betrieb ist aber berührt, wenn einzelne Arbeitnehmer durch eine übertarifliche Eingruppierung bevorzugt werden.

2. Ohne Erfolg wendet die Arbeitgeberin hiergegen ein, der Tarifvertrag enthalte nach § 4 Abs. 3 TVG nur Mindestbedingungen, so daß es keinen Verstoß gegen die tarifliche Regelung darstellen könne, wenn übertarifliche Vergütung nach einer zu hohen Tarifgruppe gewährt werde.

Es trifft allerdings zu, daß dem Arbeitgeber unbenommen ist, einem Arbeitnehmer über das Tarifgehalt hinaus zusätzliches Entgelt zu zahlen. Das setzt indessen voraus, daß zunächst die Höhe des Tarifgehalts feststeht. Es ist also die zutreffende Eingruppierung zu beurteilen, denn sie ist die Grundlage für die Festlegung des übertariflichen Entgeltbestandteils (Richardi, BetrVG, 7. Aufl., § 99 Rz 65 f.). Dieser Beurteilungsvorgang löst das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG aus. Im Interesse der kollektiven Belange muß der Betriebsrat auch in solchen Fällen durchsetzen können, daß die tarifgerechte Eingruppierung zutreffend festgestellt und auf diese Weise Klarheit darüber geschaffen wird, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe übertarifliche Zulagen gewährt werden. Das berechtigte Interesse des Betriebsrats hieran ergibt sich schon daraus, daß hinsichtlich der übertariflichen Gehaltsbestandteile ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG in Betracht kommt (z. B. BAGE 77, 86, 90 f. = AP Nr. 69 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu B II 1 der Gründe).

Aus diesem Grund kann auch dann nichts anderes gelten, wenn lediglich ein Betrag als Gehalt vereinbart wird, der mit Sicherheit über dem Tarifgehalt liegt, ohne daß der Arbeitgeber eine Klärung der maßgebenden Tarifgruppe für nötig befunden hätte. Der Beteiligung nach § 99 BetrVG kann er auf diesem Wege nämlich nicht ausweichen. Der Betriebsrat kann auch hier verlangen, daß der Arbeitgeber die Eingruppierung in die für das Arbeitsverhältnis maßgebliche Entgeltgruppenordnung nachholt (BAGE 68, 104, 111 f. = AP Nr. 105 zu § 99 BetrVG 1972, zu B II 2 b, c und d der Gründe).

II. Die fehlerhafte Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Betriebsrat könne einer Eingruppierung nicht mit der Begründung widersprechen, eine niedrigere als die vom Arbeitgeber vorgesehene Tarifgruppe sei zutreffend, führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Ob der Betriebsrat seine Zustimmung zu Recht verweigert hat, kann vom Senat nicht abschließend beurteilt werden. Das Landesarbeitsgericht hat sich - aus seiner Sicht folgerichtig - mit dieser Frage nicht befaßt und insoweit keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen.

Bei seiner Entscheidung über die Berechtigung der Zustimmungsverweigerung kann sich das Landesarbeitsgericht nicht auf die im Schreiben des Betriebsrats ausdrücklich angesprochene Rechtsfrage beschränken, ob nach dem Manteltarifvertrag die Höhergruppierung von einer Zwischengruppe zu einer anderen möglich ist. Wenn diese Frage entgegen der Auffassung des Betriebsrats zu bejahen ist, bleibt weiterhin darüber zu entscheiden, ob der Angestellte J die Vorausset-zungen der Tarifgruppe 7 a erfüllt. Das hat der Betriebsrat nämlich bestritten.

Allerdings ist der Betriebsrat mit Widerspruchsgründen, die er dem Arbeitgeber nicht innerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG schriftlich mitgeteilt hat, im weiteren Verfahren ausgeschlossen (BAGE 51, 345, 355 = AP Nr. 36 zu § 99 BetrVG 1972, zu B II 3 der Gründe; BAGE 46, 158, 160 ff. = AP Nr. 20 zu § 99 BetrVG 1972, zu B 2 der Gründe). Dies gilt indessen nicht für rechtliche Argumente, sondern nur für Gründe tatsächlicher Art sowie für die Einführung anderer Widerspruchsgründe des § 99 Abs. 2 BetrVG. Der Arbeitgeber soll davor geschützt werden, sich im Zustimmungsersetzungsverfahren mit immer neuen Lebenssachverhalten auseinandersetzen zu müssen.

So lag dem erstgenannten Senatsbeschluß (BAGE 51, 345 = AP Nr. 36 aaO) ein Fall zugrunde, in dem der Betriebsrat einer Eingruppierung fristgemäß mit der Begründung widersprochen hatte, sein Beteiligungsrecht sei verletzt worden; außerdem werde der betroffene Arbeitnehmer im Hinblick auf die künftige Tarifentwicklung benachteiligt. Erst im Ersetzungsverfahren berief sich der Betriebsrat darauf, die vorgesehene Tarifgruppe sei unzutreffend. Das war verspätet. Im zweiten Fall (BAGE 46, 158 = AP Nr. 20 aaO) hatte der Betriebsrat einer Einstellung fristgerecht mit der Begründung widersprochen, die vorgesehene Tätigkeit werde vom einschlägigen Tarifvertrag ausgeschlossen. Erst später rügte der Betriebsrat auch Verstöße gegen das Erfordernis der Ausschreibung, ferner machte er geltend, für den fraglichen Bereich bestehe ein tarifliches Verbot, Arbeitnehmer ohne freie Planstelle einzustellen. Auch dieses Vorbringen war nicht mehr zu berücksichtigen.

Um derartige, einen neuen Lebenssachverhalt in das Verfahren einführende Gründe geht es jedoch hier nicht. Der Betriebsrat beanstandet, die fragliche Tätigkeit werde den Anforderungen der Tarifgruppe 7 a nicht gerecht, er rügt also falsche Rechtsanwendung. Bei dieser Sachlage ist ausreichend, wenn er geltend macht, daß der betreffende Arbeitnehmer nach dem Tarifvertrag nicht in die vom Arbeitgeber vorgesehene, sondern in eine andere Vergütungsgruppe gehöre. Der Betriebsrat muß nur den Rechtsfehler bezeichnen, den er dem Arbeitgeber vorwirft, muß sich hingegen nicht auch auf einzelne rechtliche Argumente festlegen lassen. Das Anhörungsverfahren ist nicht als Rechtsstreit konzipiert.

 

Unterschriften

Dieterich Rost Wißmann Münzer Peter Berg

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 28.04.1998 durch Klapp, Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 436316

BAGE, 309

BB 1998, 1057

BB 1998, 2059

DB 1998, 1919

DB 1998, 992

ARST 1998, 236

FA 1998, 224

FA 1998, 352

NZA 1999, 52

RdA 1998, 380

SAE 2000, 188

ZTR 1998, 521

ArbuR 1998, 246

AuA 1999, 94

MDR 1999, 43

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