Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung bei Versetzung in privatem Rundfunksender

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Rundfunkanstalt dient auch dann überwiegend Zwecken der Berichterstattung und Meinungsäußerung, wenn das Programm neben 10% Wortbeiträgen und 50% moderierten Musikbeiträgen auch 40% Musiksendungen enthält, für die - überwiegend in der Nachtzeit - die Mitarbeiter der Technik verantwortlich sind.

2. Bei der Versetzung von Tendenzträgern wird nach § 118 Abs 1 BetrVG das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs 1 BetrVG eingeschränkt: Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat über die personelle Einzelmaßnahme zu informieren, muß aber nicht dessen Zustimmung einholen; dies gilt in der Regel unabhängig davon, ob vom Betriebsrat sog. tendenzneutrale oder tendenzbezogene Zustimmungsverweigerungsgründe geltend gemacht werden (Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 8. Mai 1990 - 1 ABR 33/89 - AP Nr 46 zu § 118 BetrVG 1972).

 

Verfahrensgang

LAG Nürnberg (Entscheidung vom 13.01.1993; Aktenzeichen 3 TaBV 41/92)

ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 25.11.1991; Aktenzeichen 2 BV 51/91)

 

Gründe

A. Arbeitgeber und Betriebsrat streiten über die Verpflichtung des Arbeitgebers, die Bestellung des Arbeitnehmers Günther M zum "Koordinator Wortprogramm" aufzuheben.

Antragsteller ist der im Betrieb des Arbeitgebers gewählte Betriebsrat. Der Arbeitgeber betreibt einen privaten lokalen Radiosender namens "R ". Bei dem Arbeitgeber ist der Arbeitnehmer Günther M seit 1. August 1986 beschäftigt. Am 17. November 1989 wurde er zum "stellvertretenden Leiter Wortprogramm" ernannt. Der Leiter Wortprogramm, genannt "Koordinator Wort", ist nach der Aufgabenbeschreibung verantwortlich für die Gestaltung des täglichen Wortprogramms, den Einsatz von Mitarbeitern für Nachrichten und redaktionelle Wortbeiträge, die Entscheidung über Beitragsangebote freier Mitarbeiter und Korrespondenten, die Koordination der Wortbeiträge in Musiksendungen nach Absprache mit dem Bereichsleiter Musik, die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit aller von den Programm-Mitarbeitern zu erstellenden Sendeunterlagen und die Überwachung der Einhaltung der vorgegebenen Programmrichtlinien im täglichen Sendebetrieb. Der Umfang der tatsächlich ausgeübten Einflußnahme auf Wortbeiträge ist zwischen den Beteiligten streitig. In der Praxis sieht die Tätigkeit jedenfalls so aus, daß der "Koordinator Wort" u.a. die eingehende Post ordnet und entscheidet, über welche Veranstaltungen vor Ort und über welche lokalen Nachrichten auf jeden Fall berichtet werden soll. Er bestimmt auch, bei welchem Ereignis, welcher Veranstaltung auf jeden Fall ein Reporter oder ein freier Mitarbeiter anwesend zu sein hat. Er entscheidet außerdem, wer den jeweiligen Termin wahrnehmen soll. Daneben hat er die Verantwortung für die Dienstpläne im Wortbereich.

An normalen Sendetagen beträgt der Wortanteil der Sendungen im Verhältnis zu Musikbeiträgen etwa 10 %. Nach Aufnahme des Sendebetriebs in den Jahren 1986/87 hatte dieser Anteil bei bis zu 30 % gelegen. Die Ergebnisse der jährlichen Reichweitenuntersuchungen und die hierbei festgestellten Akzeptanzwerte des Programms hatten dann zur Reduzierung des Anteils der Wortbeiträge geführt. Das Programmschema eines normalen Werktages sieht Moderationsbereiche in den Zeiträumen 5.00 bis 12.00 Uhr ("Frankenwecker", "Plattenteller") und von 13.00 bis 23.00 Uhr vor ("Basar", "Ohrwurm", "Rendezvous"). In den restlichen Zeiten des rund um die Uhr ausstrahlenden Senders ist die Technik mit der Programmdurchführung betraut. Der Sendeplan zerfällt in verschiedene Teile, nämlich Nachrichten von 6.00 bis 8.00 Uhr, Nachrichten von 9.00 bis 16.00 Uhr, Nachrichten/vor Ort - im Beitrag "Vor Ort" werden stündlich lokale Nachrichten gesendet - von 13.00 bis 18.00 Uhr, Blickpunkt 18.45 bis 19.00 Uhr, die dargestellten Moderationsbereiche sowie die nicht moderierten Programmteile "Mittagsmelodie" von 12.00 bis 13.00 Uhr und "Nachtschicht" von 23.00 bis 5.00 Uhr.

Mit Schreiben vom 26. März 1991 teilte der Arbeitgeber dem Betriebsrat mit, daß er die am 7. März 1991 ausgeschriebene Stelle des "Koordinators Wort" mit dem Redakteur und bisherigen Stellvertreter der ausgeschiedenen "Koordinatorin Wort" besetzen wolle. Gleichzeitig setzte er dem Betriebsrat eine Äußerungsfrist bis zum 10. April 1991.

Der Betriebsrat beschloß in der Sitzung vom 8. April 1991, die Zustimmung zur geplanten Besetzung nach § 99 Abs. 2 Nr. 6 BetrVG zu verweigern und begründete dies im Schreiben vom 8. April 1991, dem Arbeitgeber innerhalb der gesetzten Frist übergeben. Das Zustimmungsverweigerungsschreiben enthält eine Fülle von Beispielen, aus denen der Betriebsrat entnimmt, die Bestellung des Arbeitnehmers Günther M zum "Koordinator Wort" stelle eine Gefährdung des Betriebsfriedens dar. Hierbei sah der Betriebsrat u.a. schon in kritischen Äußerungen des Arbeitnehmers M über Einsatz und Kompetenz von Mitarbeitern eine Gefahr für den Betriebsfrieden. Der Arbeitgeber teilte dem Betriebsrat mit Schreiben vom 11. April 1991 mit, daß die Zustimmungsverweigerung unbeachtlich sei, weil es sich bei der Stellenbesetzung um eine tendenzbedingte personelle Einzelmaßnahme handele. Am 18. April 1991 bestellte sie den Redakteur Günther M zum "Koordinator Wort" und teilte dies dem Betriebsrat sowie den Beschäftigten mit.

Mit seinem am 3. Mai 1991 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag begehrt der Betriebsrat die Aufhebung dieser Besetzung. Er ist der Auffassung, bei der Stellenbesetzung handele es sich um eine Versetzung im Sinne von § 99 BetrVG. Dieser habe er ordnungsgemäß im Sinne von § 99 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 6 BetrVG die Zustimmung verweigert, so daß der Arbeitgeber verpflichtet gewesen wäre, vor der Durchführung der Maßnahme das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG einzuleiten. Da er dies nicht getan und auch kein Verfahren nach § 100 BetrVG eingeleitet habe, sondern die Maßnahme einseitig durchgeführt habe, sei er verpflichtet, die Maßnahme aufzuheben.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Berufung des Arbeitgebers auf den Wegfall der Zustimmungspflicht aus Gründen des Tendenzschutzes sei nicht gerechtfertigt. Es handele sich bei dem Arbeitgeber nicht um ein Tendenzunternehmen im Sinne von § 118 BetrVG, bei dem Mitbestimmungsrechte eingeschränkt sein könnten. Bei der Tätigkeit des Arbeitgebers stünden vielmehr rein kommerzielle Gesichtspunkte im Vordergrund mit der Folge, daß eine ideelle Zielsetzung nicht gegeben sei. Unternehmen und Betrieb dienten nicht überwiegend Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung. Der vom Arbeitgeber betriebene Sender diene dem ausschließlichen Zweck, Werbung zu verkaufen. Die Musik- und Wortbeiträge seien nur Hilfsmittel oder Verpackung für den Inhalt "Werbung". Im übrigen trete der Wortanteil gegenüber den Musikbeiträgen völlig in den Hintergrund. Dies zeige schon der Werbeslogan des Arbeitgebers "Viel, viel mehr Musik". Nachrichtensendungen und sonstige Wortbeiträge erreichten regelmäßig nur eine Dauer von einer Minute und dreißig Sekunden bis zwei Minuten dreißig Sekunden. Von 1.440 Sendeminuten pro Tag entfielen nur etwa 100 auf Information, Berichterstattung und Service-Blöcke.

Im übrigen handele es sich bei dem Arbeitnehmer Günther M auch nicht um einen Tendenzträger. Dieser habe nämlich lediglich koordinierende Aufgaben und sei in allen wesentlichen Entscheidungen an die Vorgaben, Zustimmung oder Genehmigung der Geschäftsleitung gebunden. Allein wegen des sehr geringfügigen Anteils von Wortsendungen am Gesamtprogramm des Arbeitgebers sei dieser auch in der Praxis nicht derjenige, der Meldungen auswähle, umformuliere, Anweisungen gebe, das Programm repräsentiere. Diese Aufgaben nähmen die Nachrichtenredakteure bzw. die Moderatoren wahr.

Selbst wenn zugunsten des Arbeitgebers davon ausgegangen würde, der Rundfunksender "R " sei ein Tendenzbetrieb und der Arbeitnehmer M ein Tendenzträger, sei vorliegend das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht ausgeschlossen. Der Betriebsrat habe aus tendenzfreien Gründen die Zustimmung verweigert. Die Tendenz sei beim Zustimmungsverweigerungsgrund "Besorgnis der Gefährdung des Betriebsfriedens" in keiner Weise beeinträchtigt. Dies ergebe sich schon daraus, daß der Betriebsrat vom Arbeitgeber auch die Entfernung betriebsstörender Arbeitnehmer in Tendenzbetrieben verlangen könne; Betriebsfriedensstörungen hätten mit der Tendenzverwirklichung nichts zu tun.

Der Betriebsrat hat beantragt,

dem Arbeitgeber aufzugeben, die Bestellung des

Arbeitnehmers Günther M zum "Koordinator

Wortprogramm" aufzuheben.

Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Zur Begründung hat er vorgetragen, schon eine "Versetzung" im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG sei vorliegend beim Aufrücken vom Stellvertreter zum Leiter der "Koordination Wort" nicht gegeben. Der betroffene Arbeitnehmer sei zudem faktisch in der betreffenden Position schon seit 4. Februar 1991 tätig. Seine Vorgängerin habe die Position seit diesem Datum wegen Arbeitsunfähigkeit nicht mehr wahrgenommen.

Ohne Zweifel handele es sich bei ihm, dem Arbeitgeber, um ein Tendenzunternehmen im Sinne von § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG. Solche Unternehmen und Betriebe seien im Gegensatz zu den Abs. 1 Nr. 1 zuzurechnenden Einrichtungen schon nach dem Grundgesetz ungeachtet gleichzeitig vorhandener Gewinnerzielungsabsichten geschützt. Auf die Tendenzbezogenheit der Inhalte der Berichterstattung oder Meinungsäußerung komme es im einzelnen gar nicht an. Im übrigen sei auch die Musik der Meinungsäußerung zuzurechnen, weil die Musikbeiträge ausgewählt werden müßten und weil die Auswahl so getroffen werde, daß die Zielgruppe der Hörer auch mit den Wortbeiträgen erreicht würden. Berichterstattung und Meinungsäußerung gäben dem gesamten Unternehmen das Gepräge. Beides bilde über den gesamten Tag hinweg einen fortlaufenden Bestandteil des Programms. Der hohe Anteil der Musikausstrahlung sei deswegen notwendig, weil der Höreranteil von bloßen Wortprogrammen sehr niedrig sei und die Wortbeiträge allein aus finanziellen Gründen den Sender nicht tragen würden.

Bei dem mit dem Arbeitnehmer M besetzten Arbeitsplatz handele es sich auch um den eines Tendenzträgers. Dies sei schon aus der Aufgabenbeschreibung ersichtlich. Seine Aufgaben bestünden auch künftig darin, die Zielsetzung des Unternehmens, soweit sie durch Wort erfolge, zu koordinieren und umzusetzen - und zwar nicht nur durch Wahrnehmung seiner Verwaltungs- und Koordinationsaufgaben, sondern auch durch eigene Beiträge. Die Verantwortung umfasse im großen und ganzen den Ablauf und die Erstellung von Nachrichtensendungen. Es zähle auch zu seinen Aufgaben, einen Moderator oder Redakteur gegebenenfalls darauf hinzuweisen, daß dessen Beiträge nicht ins Konzept des Arbeitgebers passen würden oder nach seiner eigenen Auffassung ungeeignet seien. Der Koordinator nehme auch in der Praxis Einfluß auf die Nachrichtensendungen. Auf ihn sei beispielsweise zurückzuführen, daß die Struktur der Nachrichtensendungen abgeändert worden sei. Auch bei einer Zustimmungsverweigerung mit der Begründung, der Betriebsfrieden werde gestört, sei die Tendenz des Arbeitgebers berührt.

Der Betriebsrat hat hiergegen eingewendet, die Entscheidungsmöglichkeit des "Koordinators Wort" sei sehr begrenzt und komme in der Praxis kaum zum Tragen. Die Entscheidung über die Beitragsangebote freier Mitarbeiter und Korrespondenten sei auf eingehende Angebote beschränkt und umfasse nicht irgendwelche Zuspielungen, die von den einzelnen Moderatoren frei ausgewählt und verantwortet würden, auch nicht Beiträge für die einzelnen Nachrichtensendungen, die jeder Nachrichtenredakteur auswähle und verantworten müsse. Die Verantwortung des "Koordinators Wort" beziehe sich nach dem Organigramm auch nicht auf die Moderatoren, sondern allenfalls auf die Nachrichtenredakteure, werde auch dort in der Praxis aber nicht wahrgenommen. Bezüglich der Strukturänderungen der Nachrichtensendungen sei der Koordinator nur ausführendes Organ gewesen, die Geschäftsleitung habe die Änderung selbst beschlossen.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen, das Landesarbeitsgericht unter Bezugnahme auf den Beschluß des Arbeitsgerichts die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag weiter, während der Arbeitgeber beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist nicht begründet, weil das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat, der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet gewesen, die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Ernennung des Arbeitnehmers M zum Leiter des Wortprogramms durch das Arbeitsgericht ersetzen zu lassen.

I. Mögliche Anspruchsgrundlage für den Antrag ist § 101 BetrVG. Danach kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, die personelle Maßnahme aufzuheben, wenn dieser eine personelle Maßnahme im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ohne Zustimmung des Betriebsrats durchführt. Das Beteiligungsrecht des Betriebsrats wird aber durch § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BetrVG eingeschränkt, wonach auf Unternehmen und Betriebe, die unmittelbar und überwiegend Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung dienen, auf die Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Anwendung findet, die Vorschriften des BetrVG keine Anwendung finden, soweit die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs dem entgegensteht.

Dementsprechend kann der Antrag des Betriebsrats nur Erfolg haben, wenn es sich bei der Ernennung des Arbeitnehmers M zum "Koordinator Wortprogramm" um eine Versetzung handelt und das Beteiligungsrecht bei einer Versetzung nicht in der Weise eingeschränkt ist, daß der Arbeitgeber auch ohne Zustimmung des Betriebsrats die personelle Einzelmaßnahme hat durchführen dürfen.

II. Zu Recht hat das Arbeitsgericht angenommen, vorliegend handele es sich um eine das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG auslösende Versetzung. Nach § 95 Abs. 3 BetrVG ist Versetzung im Sinne des BetrVG die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet.

Dem Arbeitnehmer M ist vorliegend ein anderer Tätigkeitsbereich zugewiesen worden, so daß der Gegenstand der geschuldeten Arbeitsleistung, der Inhalt der Arbeitsaufgabe ein anderer geworden ist und sich das Gesamtbild der Tätigkeit geändert hat (BAG Beschluß vom 19. Februar 1991 - 1 ABR 36/90 - AP Nr. 26 zu § 95 BetrVG 1972). Der Arbeitgeber hat, worauf das Arbeitsgericht zu Recht hingewiesen hat, selbst erklärt, daß die Position des "Koordinators Wort" mit Leitungsaufgaben und Verantwortlichkeiten verbunden ist, die dem "normalen Redakteur" - auch dem stellvertretenden Koordinator außer im Falle des Vertretungsfalles - nicht zukommen. Dem Arbeitnehmer wird hierdurch, wie aus der Aufgabenbeschreibung ersichtlich, eine klar definierte andere Arbeitsaufgabe zugewiesen. Die Stellung des Arbeitnehmers M innerhalb der betrieblichen Organisation hat sich verändert. Auch das Gesamtbild seiner Tätigkeit unterscheidet sich von der bisherigen Tätigkeit durch die Einräumung zusätzlicher Leitungs- und Weisungsfunktionen entscheidend. Dementsprechend hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer M einen neuen Arbeitsbereich zugewiesen. Bei dieser Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs handelt es sich um eine Versetzung, da sie für länger als einen Monat, nämlich auf Dauer gedacht ist.

III. Das Beteiligungsrecht wird vorliegend aber durch § 118 Abs. 1 BetrVG eingeschränkt.

1. Bei dem lokalen Rundfunksender "R " handelt es sich um einen Tendenzbetrieb innerhalb eines Tendenzunternehmens.

a) § 118 Abs. 1 BetrVG enthält gegenüber § 81 BetrVG 1952 insofern eine Klarstellung, als nicht nur auf den Betrieb, sondern auch auf das Unternehmen abgestellt wird. Da der Betrieb im Rahmen seiner organisatorischen und technischen Zweckbestimmung lediglich einen arbeitstechnischen Zweck verfolgt, kann nur das Unternehmen eine geistig-ideelle Zielsetzung haben. Dementsprechend kann ein tendenzfreies Unternehmen keinen Tendenzbetrieb unterhalten, da der Betrieb als arbeitstechnische Teilorganisation keinen anderen Zweck verfolgen kann als das Unternehmen selbst. Andererseits kann die geistig-ideelle Zielsetzung eines Tendenzunternehmens mit mehreren Betrieben sich in einem oder einigen Betrieben niederschlagen, in anderen nicht.

Tendenzschutz besteht nur, wenn das Unternehmen und der jeweilige Betrieb unmittelbar und überwiegend den in § 118 Abs. 1 BetrVG genannten geistig-ideellen Zielsetzungen dienen (Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 118 Rz 7; Weber, NZA Beilage 3/1989, 2, 4; HwB AR-Weller, "Tendenzschutz" Rz 10).

b) Bei dem Arbeitgeber handelt es sich um ein Tendenzunternehmen, soweit er einen Rundfunksender betreibt. Der Rundfunksender "R " dient Zwecken der Berichterstattung und Meinungsäußerung unmittelbar. Nach dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG werden Rundfunk und Film zwar nur durch die Freiheit der Berichterstattung, nicht aber der Meinungsäußerung geschützt. "Die Rundfunkfreiheit ist primär eine der Freiheit der Meinungsbildung in ihren subjektiv- und objektiv-rechtlichen Elementen dienende Freiheit. Der Rundfunk ist Medium und Faktor des verfassungsrechtlich geschützten Prozesses freier Meinungsbildung" (Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 7. Aufl., Art. 5 Rz 11 a). Die Meinungsbildung kann aber auch durch Meinungsäußerung erfolgen. Dementsprechend unterscheidet sich nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 35, 202, 222) die Rundfunkfreiheit nicht von der Pressefreiheit. Dem folgend hat der Senat in der Entscheidung vom 11. Februar 1992 angenommen, ein privater Rundfunksender sei unabhängig davon, ob er überwiegend Zwecken der Berichterstattung dient, ein Tendenzbetrieb (Senatsbeschluß vom 11. Februar 1992 - 1 ABR 49/91 - AP Nr. 50 zu § 118 BetrVG 1972), eben weil er im übrigen Zwecken der Meinungsäußerung dient.

Der Anerkennung des Rundfunksenders "R " als Tendenzbetrieb steht nicht entgegen, daß der Arbeitgeber mit seinem Unternehmen auch einen Erwerbszweck verfolgt.

Ein Unternehmen kann einen Erwerbszweck verfolgen und gleichwohl einem geistig-ideellen Ziel dienen (BAG Beschluß vom 14. November 1975 - 1 ABR 107/74 - AP Nr. 5 zu § 118 BetrVG 1972). Es kommt auf den Gegenstand des Unternehmens und nicht auf die persönliche Einstellung des Unternehmers an (BAG Beschluß vom 14. November 1975, aaO).

c) Zu Recht hat das Arbeitsgericht angenommen, daß vorliegend der Rundfunksender "R " überwiegend Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung dient, auf die Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Anwendung findet. Unstreitig sendet "R " ein eigenes Programm, das - wie bei anderen Sendern auch - eine Mischung aus Wortbeiträgen, Werbung, moderierter Musik und nicht gestalteter Musik besteht.

Es kann dahinstehen, ob es sich um eine Meinungsäußerung handelt, die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützt ist, soweit der Sender - im wesentlichen in den Nachtstunden - nur Musikkonserven ablaufen läßt. Dies gilt aber auf jeden Fall für die Wortbeiträge und die moderierte Musik, die auch immer wieder durch Wortbeiträge unterbrochen wird. Diese Teile des Programms umfassen den überwiegenden Teil der Sendezeit, nämlich rund 1.000 von 1.440 Sendeminuten. Entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob ein Betrieb als Tendenzbetrieb anerkannt werden kann, ist aber eine rein quantitative Betrachtung. Dies ergibt sich daraus, daß nach § 118 Abs. 1 BetrVG der betreffende Betrieb überwiegend der geistig-ideellen Zielsetzung dienen muß. Damit hat der Gesetzgeber sich gegen die früher vom Bundesarbeitsgericht vertretene Geprägetheorie und für eine quantitative Betrachtung entschieden. Dementsprechend hat das Bundesarbeitsgericht - dies hat das Arbeitsgericht übersehen - seit Inkrafttreten des BetrVG 1972 jeweils seinen Entscheidungen eine quantitativ-numerische Betrachtungsweise zugrundegelegt (vgl. beispielsweise BAGE 62, 156 = AP Nr. 43 zu § 118 BetrVG 1972).

2. Das Landesarbeitsgericht hat durch Bezugnahme auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts auch ohne Rechtsfehler angenommen, daß es sich vorliegend um einen Tendenzträger handelt. Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer M Tätigkeiten übertragen, bei deren Ausführung er maßgebend auf die Verwirklichung der geistig-ideellen Zielsetzung, die in Berichterstattung und Meinungsäußerung besteht, Einfluß nimmt (vgl. zu der Frage, ob Redakteure Tendenzträger sind, zuletzt die Senatsentscheidungen vom 8. Mai 1990 - 1 ABR 33/89 - AP Nr. 46 zu § 118 BetrVG 1972 und vom 14. Januar 1992 - 1 ABR 35/91 - EzA § 118 BetrVG 1972 Nr. 59). Vorliegend war der Arbeitnehmer M bis zu seiner Ernennung zum Leiter des Wortprogramms Redakteur, wählte Beiträge aus, bearbeitete und sprach sie. Als "Koordinator Wortprogramm" hat er u.a. darüber zu entscheiden, welche Veranstaltungen von welchem Reporter zu besuchen sind. Damit nimmt er unmittelbar Einfluß darauf, welche Sendebeiträge eingereicht werden und mit welcher Tendenz diese gesendet werden können. Selbst die Berücksichtigung der von ihm eingeschätzten Qualität der Beiträge einzelner Reporter führt zu einer erheblichen Beeinflussung, auf welche Weise ein Sachverhalt für die notgedrungen knappe Sendezeit zusammengefaßt, welche Informationen ausgewählt und gesendet werden. Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch darauf hingewiesen, hinzu komme, daß der Koordinator die Verantwortung für die Auswahl hat, welche Beiträge freier Mitarbeiter ins Programm genommen werden sollen und welche nicht. Hinzu tritt auch nach der Ernennung zum "Koordinator Wortprogramm" die eigene redaktionelle Tätigkeit, da der Arbeitnehmer M auch jetzt noch weiterhin an Sendeteilen mitwirkt, also selber Beiträge auswählt, bearbeitet und spricht. Dementsprechend hat das Arbeitsgericht ohne Rechtsfehler angenommen, daß der Arbeitnehmer M ein Tendenzträger ist.

3. Auch für Tendenzträger werden die Mitbestimmungsrechte aber nur soweit ausgeschlossen, wie ihnen die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs entgegensteht. Dies ist nicht bei allen Maßnahmen der Fall, von denen Tendenzträger betroffen sind. Es muß sich jeweils um eine tendenzbezogene Maßnahme handeln. Die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs steht einem Beteiligungsrecht aber auch noch nicht schon immer dann entgegen, wenn die Regelung die geistig-ideelle Zielsetzung irgendwie berührt, sondern nur, wenn die Ausübung des Beteiligungsrechts die Tendenzverwirklichung ernstlich beeinträchtigen kann (vgl. BAGE 50, 241, 245 = AP Nr. 31 zu § 99 BetrVG 1972; BAG Beschluß vom 13. Januar 1987 - 1 ABR 49/85 - AP Nr. 33 zu § 118 BetrVG 1972, zu B II 2 c der Gründe; BAG Beschluß vom 13. Juni 1989 - 1 ABR 15/88 - AP Nr. 36 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit sowie BAGE 64, 103 = AP Nr. 44 zu § 118 BetrVG 1972). Einstellung und Versetzung von Tendenzträgern sind tendenzbezogene Maßnahmen. Es geht hier um die Freiheit des Arbeitgebers, Personen seines Vertrauens mit den Arbeiten zu beauftragen, die bestimmend (prägend) für die Verwirklichung der geistig-ideellen Zielsetzung sind. Würde hier der Betriebsrat nach § 99 Abs. 2 BetrVG die Zustimmung verweigern können, würde die geistig-ideelle Zielsetzung ernstlich gefährdet, weil damit verhindert werden könnte, daß der Arbeitgeber mit den Aufgaben des Tendenzträgers solche Personen beauftragt, die sein Vertrauen haben und die er für die vorgesehene Aufgabe für besonders qualifiziert hält. Dementsprechend hat der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß bei der Versetzung wie bei der Einstellung der Betriebsrat zwar vorher über die geplante personelle Einzelmaßnahme zu informieren ist, aber der Betriebsrat die Zustimmung nicht aus einem der in § 99 Abs. 2 Nr. 1 bis 6 BetrVG genannten Gründe verweigern kann, mit der Folge, daß der Arbeitgeber die Zustimmung ersetzen lassen müßte (vgl. zuletzt Senatsbeschluß vom 8. Mai 1990 - 1 ABR 33/89 - AP Nr. 46 zu § 118 BetrVG 1972).

Der vom LAG Düsseldorf (Beschluß vom 14. November 1990 - 4 TaBV 93/90 - LAGE § 118 BetrVG 1972 Nr. 15) im Anschluß an Fabricius (GK-BetrVG, 4. Aufl., § 118 Rz 654 ff.) vertretenen Auffassung, durch die Eigenartsklausel des § 118 Abs. 1 BetrVG sei auch das Beteiligungsrecht des § 99 Abs. 2 BetrVG nur soweit eingeschränkt, als es um tendenzbedingte Zustimmungsverweigerungsgründe gehe, kann nicht gefolgt werden. Bei dieser Differenzierung zwischen tendenzneutralen und tendenzbezogenen Zustimmungsverweigerungsgründen wird vernachlässigt, daß die personelle Einzelmaßnahme, die Einstellung bzw. die Versetzung, die tendenzbezogenen Maßnahmen sind. Unabhängig davon, ob es sich um einen tendenzbezogenen Zustimmungsverweigerungsgrund handelt, soll der Arbeitgeber frei sein in der Beschäftigung von Personen, die Aufgaben wahrnehmen sollen, die für die Durchsetzung der geistig-ideellen Zielsetzung prägend sind.

Handelt es sich aber bei dem Rundfunksender "R " um einen Tendenzbetrieb, ist der Arbeitnehmer M ein Tendenzträger, handelt es sich bei der Versetzung um eine tendenzbezogene Maßnahme und kann nicht zwischen tendenzneutralen und tendenzbezogenen Zustimmungsverweigerungsgründen unterschieden werden, so ergibt sich aus der Eigenartsklausel des § 118 Abs. 1 BetrVG, daß das Arbeitsgericht im Ergebnis und im wesentlichen auch in der Begründung zu Recht den Antrag des Betriebsrats abgewiesen hat. Dementsprechend war die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats zurückzuweisen.

Dr. Kissel Dr. Weller Dr. Rost

Muhr Bayer

 

Fundstellen

DB 1994, 2550 (LT1-2)

BetrVG, (9) (LT1-2)

JR 1994, 176

NZA 1994, 329

NZA 1994, 329-331 (LT1-2)

AP § 118 BetrVG 1972 (LT1-2), Nr 51

AR-Blattei, ES 1570 Nr 51 (LT1-2)

AfP 1994, 69

AfP 1994, 69-71 (ST1-3)

EzA § 118 BetrVG 1972, Nr 61 (LT1-2)

ZUM 1995, 345

ZUM 1995, 346-349 (LT1-2)

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