Entscheidungsstichwort (Thema)

Einladung der Beisitzer zur Einigungsstellensitzung

 

Leitsatz (amtlich)

  • Beisitzer einer Einigungsstelle sind in dieser Funktion keine Vertreter des Arbeitgebers oder des Betriebsrats. Sie üben ihr Amt höchstpersönlich aus. Daher können sie für ihre Tätigkeit in der Einigungsstelle keine Verfahrensvollmacht erteilen.
  • Werden Ort und Zeit einer Sitzung der Einigungsstelle nicht zwischen allen Mitgliedern abgesprochen, so hat der Vorsitzende für die Einladung der Beisitzer zu sorgen. Bedient er sich dazu einzelner Beisitzer und leiten diese die Einladung nicht weiter, so fehlt es an einer ordnungsgemäßen Einladung. Zwar kann vereinbart werden, daß ein Beisitzer als Ladungsbevollmächtigter eines anderen Beisitzers gelten soll, eine solche Ausnahmeregelung ist jedoch im Zweifel nicht anzunehmen.
  • Haben nicht alle Beisitzer an der Sitzung der Einigungsstelle teilgenommen, weil sie nicht ordungsgemäß eingeladen wurden, und ergeht dennoch ein Einigungsstellenspruch, so ist dieser unwirksam.
 

Normenkette

BetrVG § 76

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Beschluss vom 23.08.1994; Aktenzeichen 6 TaBV 3/94)

ArbG Hamburg (Beschluss vom 13.10.1993; Aktenzeichen 13 BV 6/93)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 23. August 1994 – 6 TaBV 3/94 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Einigungsstellenspruch wegen Verfahrensfehlern unwirksam ist.

Die Arbeitgeberin verlegte 1992 ihren Betrieb. Nachdem Verhandlungen der Beteiligten über einen Sozialplan ergebnislos geblieben waren, wurde unter dem Vorsitz eines Richters eine Einigungsstelle gebildet. Die Arbeitgeberin bestellte ihren Geschäftsführer Dr. L… sowie die Rechtsanwälte Dr. P… und B… zu Beisitzern, der Betriebsrat seinen Vorsitzenden E…, Rechtsanwalt G… und die Gewerkschaftssekretärin Es….

Zur ersten Sitzung der Einigungsstelle am 15. Dezember 1992 lud der Vorsitzende ein, indem er die Rechtsanwälte Dr. P… und G… telefonisch verständigte. Rechtsanwalt Dr. P… übermittelte die Einladung an die übrigen von der Arbeitgeberin bestellten Beisitzer, Rechtsanwalt G… an die vom Betriebsrat bestellten. An der Sitzung nahmen alle Mitglieder der Einigungsstelle teil. Ein von der Arbeitgeberseite vorgelegter Sozialplanentwurf wurde erörtert, ohne daß es zu einer Einigung gekommen wäre. Daraufhin wurde vereinbart, daß der Betriebsrat bis zum 31. Dezember 1992 einen eigenen Entwurf vorlegen und die nächste Sitzung am 14. Januar 1993 stattfinden sollte.

Der vorgesehene Termin wurde vom Vorsitzenden aufgehoben, da der Betriebsrat erst am 14. Januar 1993 seinen Sozialplanentwurf vorlegte. Rechtsanwalt G… schlug Rechtsanwalt B… als neuen Termin den 4. März 1993 vor. Nachdem der Termin auf Arbeitgeberseite und mit dem Vorsitzenden abgestimmt worden war, wurde er von Rechtsanwalt B… gegenüber Rechtsanwalt G… bestätigt. Mit Schreiben vom 23. Februar 1993 legte Rechtsanwalt Dr. P… der Einigungsstelle einen weiteren Sozialplanentwurf vor.

Der Betriebsratsvorsitzende E… befand sich vom 25. Januar bis zum 3. März 1993 auf Urlaub in Neuseeland. Von dem für die Sitzung der Einigungsstelle vorgesehenen Termin erfuhr er erst nach seiner Rückkehr. Am 4. März 1993 waren bei Sitzungsbeginn um 9.00 Uhr nur der Vorsitzende und die von der Arbeitgeberin bestellten Beisitzer anwesend. Auf telefonische Anfrage erklärte Rechtsanwalt G… dem Vorsitzenden, in seinem Kalender sei der 4. März gestrichen und stattdessen der 12. März 1993 für die Einigungsstelle notiert worden. Er sei verhindert, werde aber Rechtsanwalt Bi… als Vertreter entsenden. Etwa um 9.15 Uhr erschien der Betriebsratsvorsitzende E… und erklärte, er habe von der Sitzung erst jetzt erfahren. Darauf verließ er die Sitzung wieder. Später kam er erneut und teilte mit, der Betriebsrat tage gerade, um Ersatzmitglieder für die Einigungsstelle zu benennen. Rechtsanwalt Bi… werde in etwa 30 Minuten eintreffen.

Nachdem um 10.12 Uhr noch keiner der vom Betriebsrat bestellten Beisitzer erschienen war, beschloß die Einigungsstelle mit den Stimmen der von der Arbeitgeberin bestellten Beisitzer trotz rechtlicher Bedenken des Vorsitzenden, über den letzten Sozialplanentwurf der Arbeitgeberseite abzustimmen. Der Sozialplan wurde mit zwei Stimmen bei einer Enthaltung beschlossen. Um 10.15 Uhr wurde die Sitzung geschlossen.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, der Einigungsstellenspruch sei unwirksam. Zur Sitzung am 4. März 1993 sei nicht ordnungsgemäß eingeladen worden, da der Termin weder Herrn E… noch Frau Es… mitgeteilt worden sei. Die Kenntnis von Rechtsanwalt G… sei den anderen Beisitzern nicht zuzurechnen, weil diese keine entsprechende Vollmacht erteilt hätten. Rechtsanwalt G… sei auch nicht Verfahrensbevollmächtigter des Betriebsrats gewesen. Überdies habe die Einigungsstelle mit ihrem Beschluß gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen, weil sie das Eintreffen der angekündigten Ersatzmitglieder der Betriebsratsseite nicht abgewartet habe.

Der Betriebsrat hat beantragt

festzustellen, daß der Spruch der Einigungsstelle vom 4. März 1993 zur Erstellung eines Sozialplans unwirksam sei.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Nach ihrer Meinung ist der Spruch der Einigungsstelle wirksam. Zur Sitzung am 4. März 1993 sei ordnungsgemäß geladen worden. Rechtsanwalt G… sei faktisch Verfahrensbevollmächtigter des Betriebsrats und der von diesem bestellten Beisitzer gewesen. Das gleiche gelte für Rechtsanwalt Dr. P… als Bevollmächtigtem der übrigen Beisitzer. Da die Beisitzer zur Sitzung am 15. Dezember 1992 im allgemeinen Einvernehmen über diese beiden Rechtsanwälte geladen wurden, sei davon auszugehen, daß von allen Beteiligten ein solches Ladungsverfahren für die Einigungsstelle vereinbart worden sei. Überdies sei der stellvertretende Vorsitzende des Betriebsrats über den Termin unterrichtet gewesen. Da die Ladung ordnungsgemäß gewesen sei, habe die Einigungsstelle mit dem in § 76 Abs. 5 Satz 2 BetrVG ausdrücklich vorgesehenen “Säumnisspruch” nicht gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihren Abweisungsantrag weiter. Der Betriebsrat bittet, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, daß der Beschluß der Einigungsstelle wegen eines Verfahrensmangels unwirksam ist.

I. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß ein Spruch der Einigungsstelle nicht nur bezüglich seines Inhalts, sondern auch hinsichtlich der Beachtung des vorgeschriebenen Verfahrens gerichtlicher Kontrolle unterliegt (zuletzt Beschluß vom 18. Januar 1994 – 1 ABR 43/93 – AP Nr. 51 zu § 76 BetrVG 1972, zu B I der Gründe). Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht ferner angenommen, daß es hier nicht darauf ankommt, ob der Betriebsrat die Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs innerhalb von zwei Wochen nach dessen Zustellung gerichtlich geltend gemacht hat. Diese Frist gilt nach § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG nur insoweit, wie der Spruch der Einigungsstelle wegen Überschreitung der Grenzen des Ermessens angegriffen wird. Wird dagegen wie im vorliegenden Fall ein Verfahrensmangel und damit ein Rechtsfehler geltend gemacht, so ist die Rüge nach allgemeiner Meinung nicht an die Zwei-Wochen-Frist gebunden (z.B. Berg in Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, 4. Aufl., § 76 Rz 93; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 76 Rz 33c; Kreutz, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 76 Rz 119; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 4. Aufl., § 76 Rz 60, jeweils m.w.N.).

II. Der Spruch der Einigungsstelle ist unwirksam, weil elementare Verfahrensregeln verletzt wurden.

1. Allerdings enthält § 76 BetrVG für das Verfahren, das die Einigungsstelle zu beachten hat, keine umfassende Regelung. Vielmehr schreibt § 76 Abs. 3 BetrVG lediglich die mündliche Beratung, das Abstimmungsverfahren und die Niederlegung sowie Zuleitung der Beschlüsse vor; § 76 Abs. 4 BetrVG läßt ergänzende Verfahrensbestimmungen durch Betriebsvereinbarung zu. Damit gewährt das Betriebsverfassungsgesetz der Einigungsstelle im Interesse effektiver Schlichtung einen Freiraum. Dieser ist indessen nicht unbeschränkt, sondern durch ungeschriebene Verfahrensgrundsätze begrenzt. Solche Grundsätze entnimmt der Senat dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 GG und der Funktion der Einigungsstelle als eines normsetzenden Organs (Beschluß vom 18. Januar 1994 – 1 ABR 43/93  –AP Nr. 51 zu § 76 BetrVG 1972, zu B II 1 der Gründe; Beschluß vom 18. April 1989 – 1 ABR 2/88 – BAGE 61, 305, 312 = AP Nr. 34 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, zu B II 1b der Gründe). Zu den danach von der Einigungsstelle zu beachtenden Grundsätzen gehört, daß ihre Mitglieder rechtzeitig und ordnungsgemäß über Ort und Zeit der Sitzungen unterrichtet und mit den notwendigen Unterlagen versehen werden.

a) Das folgt allerdings nicht, wie das Landesarbeitsgericht unter Berufung auf den Beschluß des Senats vom 11. Februar 1992 (– 1 ABR 51/91 – AP Nr. 50 zu § 76 BetrVG 1972, zu B II 2b der Gründe) angenommen hat, aus einem Anspruch der Einigungsstellenmitglieder auf rechtliches Gehör. Zwar ist der Senat in diesem Beschluß davon ausgegangen, daß die vom Arbeitgeber und vom Betriebsrat bestellten Beisitzer deren Vertreter seien und daher Anspruch auf rechtliches Gehör hätten. An diesem Verständnis der Beisitzerrolle hat der Senat indessen nicht festgehalten. Er hat in der Folgezeit erkannt, daß die Beisitzer nicht verlängerte Arme der jeweiligen Betriebspartei seien, sondern frei von Weisungen und mit einer gewissen inneren Unabhängigkeit bei der Schlichtung des Regelungsstreits mitwirken sollen (Beschluß vom 18. Januar 1994 – 1 ABR 43/93 – AP Nr. 51 zu § 76 BetrVG 1972, zu B II 2c der Gründe).

Diese Auffassung hält der Senat nach erneuter Überprüfung weiterhin für zutreffend. Zwar ist die Nähe der Beisitzer zu derjenigen Betriebspartei, die sie jeweils bestellt hat, nicht zu verkennen und vom Gesetz auch gewollt. Dennoch können Beisitzer nicht mit Vertretern, z.B. Verfahrensbevollmächtigten einer Betriebspartei gleichgesetzt werden. Verfahrensbevollmächtigte können nur im Rahmen ihrer Vertretungsmacht handeln und sind an Weisungen gebunden, die ihnen möglicherweise erteilt worden sind. Beisitzer sind von solchen Weisungen frei. Das ergibt sich aus der Funktion der Einigungsstelle. Sie wird zur Beilegung einer Meinungsverschiedenheit gerade deshalb angerufen, weil die Betriebsparteien zur Konfliktlösung aus eigener Kraft nicht in der Lage sind. Voraussetzung der schlichtenden Tätigkeit ist, daß die Mitglieder der Einigungsstelle die streitige Regelungsfrage unabhängig von Festlegungen der Betriebsparteien und mit einer gewissen Distanz zu deren Positionen behandeln und entscheiden können. Anders lassen sich Lösungen im Kompromißweg nicht finden. Auf Kompromisse ist die Tätigkeit der Einigungsstelle aber in erster Linie angelegt. Dies zeigt auch § 76 Abs. 3 Satz 2 BetrVG, nach dem zunächst immer eine Beschlußfassung ohne Beteiligung des Vorsitzenden zu versuchen ist und sein Stichentscheid erst nach erneuter Beratung in Anspruch genommen werden darf.

b) Die Notwendigkeit, daß die Einigungsstellenmitglieder über Zeit und Ort der Sitzung entweder durch ordnungsgemäße Einladung oder aufgrund gemeinsamer Verabredung unterrichtet sind und außerdem über die zur Beratung und Beschlußfassung erforderlichen Unterlagen verfügen, ergibt sich aus der Funktion der Einigungsstelle als eines beschlußfassenden Gremiums. Werden Entscheidungsbefugnisse mehreren Personen gemeinsam zugewiesen, so geschieht dies, um zu ermöglichen, daß unterschiedliche Interessen und Auffassungen in den Entscheidungsprozeß einfließen. Dies gilt für die Einigungsstelle nicht anders als für den Betriebsrat, die Mitgliederversammlung eines Vereins oder den Aufsichtsrat einer Handelsgesellschaft. Der Zweck würde verfehlt, wenn ein Teil der Mitglieder des Beschlußkörpers von der gemeinsamen Meinungsbildung und Entscheidung ausgeschlossen und auf diese Weise ihre Mitwirkung unmöglich gemacht werden könnte.

2. Zumindest der Betriebsratsvorsitzende E… war als Mitglied der Einigungsstelle zu der Sitzung, in welcher der Sozialplan beschlossen wurde, nicht ordnungsgemäß eingeladen. Dieser Mangel ist auch nicht geheilt worden.

a) Herr E… ist darüber, daß die Einigungsstelle am 4. März 1993 um 9.00 Uhr tagen sollte, erst am Morgen dieses Tages unterrichtet worden. Auch der neue Sozialplanentwurf vom 23. Februar 1993 war ihm vorher nicht bekannt. Eine so späte Information ist nicht rechtzeitig, weil sie eine ordnungsgemäße Vorbereitung auf die Sitzung ausschließt. Insoweit besteht auch zwischen den Beteiligten kein Streit.

b) Ohne Erfolg macht die Arbeitgeberin geltend, daß Rechtsanwalt G… Kenntnis von dem für die Sitzung bestimmten Termin gehabt habe. Die Kenntnis von Rechtsanwalt G… kann die fehlende Unterrichtung von Herrn E… nicht ersetzen, weil sie diesem nicht zuzurechnen ist.

aa) Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin war Rechtsanwalt G… nicht Verfahrensbevollmächtigter der übrigen vom Betriebsrat berufenen Beisitzer. Einigungsstellenmitglieder können in dieser Funktion keine Verfahrensvollmacht erteilen. Sie haben ihr Amt höchstpersönlich auszuüben. Dies folgt aus der oben (B II 1a) beschriebenen Aufgabe der Einigungsstelle, unabhängig von Festlegungen der Betriebsparteien nach Kompromissen zu suchen. Hiermit wäre es nicht vereinbar, wenn die von einer Seite berufenen Beisitzer einen anderen Beisitzer zum Verfahrensbevollmächtigten bestellen könnten, um auf diese Weise mit nur einer Stimme zu sprechen.

bb) Diese Erwägungen schließen es allerdings nicht aus, daß ein Beisitzer von anderen ermächtigt wird, Einladungen zur Sitzung entgegenzunehmen. Durch eine solche Ladungsvollmacht werden die Einigungsstellenmitglieder in der Ausübung ihrer Rechte und der Erfüllung ihrer Pflichten nicht berührt. Herr E… hat Rechtsanwalt G… eine derartige Vollmacht indessen nicht erteilt.

(1) Zunächst ist der Vorsitzende der Einigungsstelle dafür verantwortlich, daß die Beisitzer rechtzeitig und in geeigneter Weise über die geplante Sitzung unterrichtet werden. Das folgt aus seiner Aufgabe, für den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens vor der Einigungsstelle zu sorgen. Werden Ort und Zeit der Sitzung zwischen allen Mitgliedern der Einigungsstelle abgesprochen, wie es hier zunächst in der Sitzung vom 15. Dezember 1992 geschehen war, so erübrigt sich eine Einladung. Fehlt es dagegen – wie im Fall der Sitzung vom 4. März 1993 – an einer solchen Absprache, so hat der Vorsitzende die Beisitzer einzuladen. Dabei kann er sich zwar zur Übermittlung anderer Personen bedienen, z.B. einzelner Beisitzer, dies ändert aber nichts an seiner Verantwortung für die Einladung, denn das Handeln dieser Personen ist ihm zuzurechnen. Erreicht die Einladung ihren Adressaten nicht, weil der Übermittler sie nicht weitergeleitet hat, so ist der betreffende Beisitzer nicht zur Sitzung eingeladen.

(2) Abweichend von dieser Regel gilt allerdings eine Einladung, die den Adressaten persönlich nicht erreicht, dennoch als bewirkt, wenn sie einer mit Ladungsvollmacht ausgestatteten Person zugegangen ist (§ 164 Abs. 3 BGB). Das Risiko, daß der Bevollmächtigte die Einladung nicht weiterreicht, liegt dann beim Vollmachtgeber. Mängel der Übermittlung vom Bevollmächtigten zum Vollmachtgeber sind dann unerheblich. Aber wegen dieser weitreichenden Folge sind an die Annahme, ein Beisitzer habe einem anderen Ladungsvollmacht erteilt, strenge Anforderungen zu stellen. Aus den Absprachen zwischen den Beteiligten und möglicherweise aus weiteren Umständen muß deutlich hervorgehen, daß ein Beisitzer das Risiko von Übermittlungsfehlern übernehmen wollte. Im Regelfall kann er daran kein Interesse haben.

An diesen Voraussetzungen fehlt es hier. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, daß zwischen den Mitgliedern der Einigungsstelle ausdrücklich eine entsprechende Absprache getroffen worden wäre. Soweit die Arbeitgeberin zweitinstanzlich vorgetragen hatte, in der Einigungsstelle sei die Ladung der Beisitzer über die Rechtsanwälte G… einerseits und Dr. P… andererseits vereinbart worden, hat sie in der Anhörung vor dem Senat klargestellt, daß damit eine ausdrückliche Vereinbarung nicht behauptet werden sollte. Diese Absprache sei vielmehr daraus zu schließen gewesen, daß zur Sitzung am 15. Dezember 1992 und auch anläßlich anderer Einigungsstellenverfahren in ihrem Betrieb auf dem Wege über die Rechtsanwälte eingeladen worden sei. Dieser Schluß geht indessen fehl. Das Vorgehen bei der Einladung zur Sitzung am 15. Dezember 1992 reicht nicht für die Annahme aus, sämtliche Einigungsstellenmitglieder hätten für die weiteren Sitzungen ein entsprechendes Ladungsverfahren verbindlich vereinbart. Es kommt hinzu, daß die widerspruchslose Entgegennahme der Einladung über die beiden Rechtsanwälte noch nicht besagt, daß die Beisitzer ihnen hätten Ladungsvollmacht erteilen und damit das Risiko von Übermittlungsfehlern hätten auf sich nehmen wollen. Darauf, wie andere Einigungsstellen im Betrieb der Arbeitgeberin die Einladung abgewickelt haben, kann es nicht ankommen, da jede Einigungsstelle insoweit nur ihr eigenes Verfahren regeln kann.

c) Auf die Behauptung der Arbeitgeberin, der stellvertretende Vorsitzende des Betriebsrats sei zur Sitzung eingeladen gewesen, kommt es nicht an. Die fehlende Einladung von Herrn E… kann nicht durch Einladung seines Stellvertreters ersetzt werden. Dessen Vertretungsbefugnis umfaßt nur den Vorsitz im Betriebsrat, erstreckt sich aber nicht auf das persönlich auszuübende Amt des Einigungsstellenbeisitzers.

d) Zwar können Mängel der Einladung dadurch geheilt werden, daß das betreffende Einigungsstellenmitglied rügelos an der Sitzung und an der Beschlußfassung teilnimmt. Das ist hier aber nicht geschehen. Herr E… erschien in der Sitzung nur kurz, um den Grund für seine Abwesenheit zu erläutern und die Teilnahme von Ersatzmitgliedern anzukündigen, die vom Betriebsrat noch bestellt werden sollten. An den Beratungen zur Sache und an den Abstimmungen hat er nicht teilgenommen.

3. Die fehlende Ladung von Herrn E… führt zur Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs. Verstößt die Einigungsstelle gegen Verfahrensgrundsätze, die für ihre Tätigkeit unabdingbar sind, so ist ihr Vorgehen nicht mehr von der im Betriebsverfassungsgesetz enthaltenen Ermächtigung gedeckt. Außerhalb dieser Ermächtigung kann ein Spruch der Einigungsstelle die im Gesetz vorgesehenen Wirkungen nicht erlangen. Dabei ist unerheblich, ob Herr E… durch Teilnahme an der Abstimmung den Beschluß der Einigungsstelle hätte verhindern können. Nach dem in § 76 Abs. 3 BetrVG für die Beschlußfassung vorgeschriebenen Verfahren soll die Entscheidung der Einigungsstelle möglichst das Ergebnis eines Willensbildungsprozesses sein, der auf gemeinsamer Beratung beruht. Dabei kommt es auf die Teilnahme jedes einzelnen Mitglieds an.

III. Das Landesarbeitsgericht meint, die Einigungsstelle habe auch dadurch gegen elementare Verfahrensregeln verstoßen, daß sie vor der Beschlußfassung über den Sozialplan das angekündigte Eintreffen der Einigungsstellenmitglieder nicht abgewartet hat. Das kann hier dahingestellt bleiben.

 

Unterschriften

Dieterich, Rost, Wißmann, Heisler, Wohlgemuth

 

Fundstellen

Haufe-Index 518989

BAGE, 222

BB 1995, 2581

NZA 1996, 161

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