Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung bei Zeitgutschrift für Betriebsausflug

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Betriebsausflug ist keine Sozialeinrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG.

2. Besteht im Betrieb ein System der gleitenden Arbeitszeit, in dessen Rahmen die Arbeitnehmer freie Tage ansparen können, so besteht kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 BetrVG hinsichtlich des durch die Teilnahme an einem Betriebsausflug bedingten und möglicherweise durch Vor- oder Nacharbeit auszugleichenden Arbeitsausfalls.

3. Will der Arbeitgeber die Regelung über eine Zeitgutschrift ändern, so kann ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt der betrieblichen Lohngestaltung ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG in Betracht kommen, wenn mit der Gutschrift der Zweck einer Erfolgsprämie verfolgt wird.

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Nrn. 2-3, 8, 10; ArbGG § 83

 

Verfahrensgang

LAG München (Zwischenurteil vom 20.03.1997; Aktenzeichen 4 TaBV 12/96)

ArbG München (Zwischenurteil vom 08.11.1995; Aktenzeichen 14 BV 152/95)

 

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts München vom 20. März 1997 - 4 TaBV 12/96 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur anderweiten Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Entscheidung der Arbeitgeber, die für eine Teilnahme am Betriebsausflug gewährte Zeitgutschrift zu kürzen, mitbestimmungspflichtig ist.

Die beteiligten Arbeitgeber führen gemeinsam einen Betrieb mit rund 2.100 Arbeitnehmern, für den der beteiligte Betriebsrat gewählt ist. Es besteht eine Betriebsvereinbarung von 1987, nach der die regelmäßige betriebsübliche Arbeitszeit als gleitende Arbeitszeit geregelt ist. Zeitguthaben und Zeitdefizite können nach dieser Betriebsvereinbarung im Umfang von höchstens 15 Stunden jeweils auf den Folgemonat übertragen werden. Höhere Guthaben verfallen am Monatsende, höhere Defizite "können arbeitsrechtliche Folgen haben" (Nr. 3.5 der Betriebsvereinbarung). Jeder Arbeitnehmer kann, sofern er im zulässigen Rahmen seines Gleitzeitkontos bleibt, einmal monatlich einen ganzen oder zwei halbe Arbeitstage freinehmen (Nr. 3.6).

Unter dem 17. Oktober 1990 richtete der Generalsekretär des Beteiligten zu 2 ein Schreiben an alle Arbeitnehmer, in dem es u.a. hieß:

"in diesem Monat begrüßt der A das millionste Mitglied- eine Zahl, auf die wir alle stolz sein können.

...

In Gesprächen mit der Geschäftsführung haben der Betriebsrat und einzelne Mitarbeiter ihren Wunsch zum Ausdruck gebracht, anläßlich des millionsten Mitglieds eine Sonderzahlung zu erhalten. Der Wunsch nach mehr Geld ist einerseits sehr verständlich - wer möchte nicht mehr davon haben?, - andererseits passen Prämienzahlungen beim A anläßlich der Tatsache, daß eine bestimmte Anzahl Mitglieder ihren Weg zu uns gefunden haben, schlecht in die Optik. ... Um die gravierenden Nachteile der Besteuerung für den A und für die Mitarbeiter zu vermeiden, hat sich die Geschäftsführung, in Abstimmung mit dem Präsidium, dafür entschieden, den A -Mitarbeitern der Zentrale und der S Sonderleistungen auf Dauer zugute kommen zu lassen, die dann auch für die in Zukunft jeweils noch schneller kommenden Sprünge um 1 Million Mehrmitglieder als Anlaß weiterer Sonderleistungen ersetzen.

Aus Anlaß des millionsten Mitglieds beim A werden ein Sozialfond für Härtefälle in der S geschaffen, der Sp verdoppelt und der jährliche Betriebsausflug für die Mitarbeiter der Zentrale wieder eingeführt.

...

Der Betriebsausflug wird zukünftig wieder jedes Jahr stattfinden und zwar an vier Terminen. Alles weitere erfahren Sie demnächst aus der Mitarbeiter-Zeitschrift.

..."

In den Jahren 1991, 1992 und 1993 fanden ganztägige Betriebsausflüge statt. Den Teilnehmern wurden auf dem Gleitzeitkonto jeweils 7 Std. 36 Min. gutgeschrieben, was einem vollen Arbeitstag entspricht.

1994 erstellten die Arbeitgeber eine neue Konzeption, nach der künftig jeder Geschäftsbereich den Betriebsausflug in eigener Verantwortung als Abend-, Halbtags-, Ganztags- oder Mehrtagesveranstaltung organisieren soll. Die Zeitgutschrift für die Teilnahme soll in allen Fällen einheitlich nur noch 3 Std. 48 Min. betragen, was einem halben Arbeitstag entspricht. Für Betriebsausflüge während der Arbeitszeit soll Urlaub oder ein "Gleitzeittag" genommen werden. Der Betriebsrat stimmte dieser Konzeption nicht zu. Dennoch verfahren die Arbeitgeber seit 1994 entsprechend.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, damit verletzten sie sein Mitbestimmungsrecht bei der Arbeitszeitgestaltung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG. Durch die Neuregelung des Zeitausgleichs werde die Arbeitszeit am Tag des Betriebsausflugs verkürzt und dafür an den Tagen verlängert, an denen das Gleitzeitkonto durch Nacharbeit entsprechend aufgefüllt werden müsse. Außerdem verstoße die neue Handhabung gegen § 75 BetrVG, denn durch die unterschiedslose Gewährung einer halbtägigen Zeitgutschrift würden Vollzeitkräfte gegenüber Teilzeitbeschäftigten benachteiligt. Schließlich stehe der Neuregelung der individualrechtliche Anspruch der Arbeitnehmer auf Gutschrift eines vollen Arbeitstages entgegen. Dieser Anspruch ergebe sich aus der im Schreiben vom 17. Oktober 1990 enthaltenen Gesamtzusage.

Der Betriebsrat hat beantragt,

dem Arbeitgeber aufzugeben, im Rahmen der Durchführung des jährlichen ganztägigen Betriebsausflugs es zu unterlassen ohne Zustimmung des Betriebsrats für die jeweiligen Teilnehmer des ganztägigen Betriebsausflugs

a) deren tägliche Arbeitszeit von 7 Std. 36 Min. an diesem Tag um 3 Std. 48 Min. zu kürzen, ohne das jeweilige Monatsstundensoll entsprechend zu kürzen und/oder

b) denjenigen Teilnehmern des ganztägigen Betriebs-ausflugs von ihrem Gleitzeitkonto eine Arbeitszeit von 3 Std. 48 Min. mit jeweiligen Überstunden zu verrechnen bzw. abzuziehen.

Der Beteiligte zu 2 hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Nach seiner Meinung hat der Betriebsrat hinsichtlich der Zeitgutschrift für den Betriebsausflug nicht mitzubestimmen. Die Lage der Arbeitszeit werde nicht geregelt, da jeder Arbeitnehmer selbst über eine Teilnahme am Betriebsausflug und den Zeitpunkt einer etwa erforderlichen Nacharbeit entscheide. Eine mögliche Veränderung des Gesamtvolumens der Arbeitszeit sei nicht mitbestimmungspflichtig. Sollten Teilzeitbeschäftigte als gleichheitswidrig bevorzugt gelten, so sei er bereit, deren Zeitgutschriften anteilig zu kürzen. Eine Gesamtzusage bezüglich der Gutschrift liege nicht vor.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihm auf die Beschwerde des Betriebsrats stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beteiligte zu 2 seinen Abweisungsantrag weiter. Der Betriebsrat bittet um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

B. Die Rechtsbeschwerde ist erfolgreich.

I. Der angefochtene Beschluß war allerdings nicht deshalb aufzuheben, weil die Vorinstanzen zu Unrecht die Arbeitgeberinnen zu 3 bis 10 nicht beteiligt haben.

Auch diese Arbeitgeberinnen sind am Verfahren zu beteiligen. Der streitbefangene Betrieb wird von ihnen gemeinsam mit dem schon bisher am Verfahren beteiligten Arbeitgeber zu 2 geführt. Das haben die Arbeitgeber in Übereinstimmung mit dem Betriebsrat in der mündlichen Anhörung vor dem Senat klargestellt. Hieraus ergibt sich die Beteiligtenstellung sämtlicher Arbeitgeber, denn diese folgt nach ständiger Rechtsprechung aus der materiellen betriebsverfassungsrechtlichen Betroffenheit (Senatsbeschluß vom 25. September 1996 - 1 ABR 25/96 - AP Nr. 4 zu § 97 ArbGG 1979, zu B I der Gründe). Hier geht es um ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Entscheidungen, welche von allen Arbeitgebern gemeinsam für den gesamten Betrieb getroffen werden.

Das Unterbleiben der Beteiligung ist mangels einer entsprechenden Rüge für die Überprüfung des angefochtenen Beschlusses ohne Bedeutung (BAGE 31, 58, 63 = AP Nr. 3 zu § 47 BetrVG 1972, zu II 3 e der Gründe). Die Beteiligung war aber noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz von Amts wegen zu berücksichtigen (BAG, aaO). Dies ist geschehen.

II. Der angefochtene Beschluß erweist sich indessen als fehlerhaft, weil die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung die angefochtene Entscheidung nicht trägt. Der Senat kann allerdings noch nicht abschließend beurteilen, ob der Betriebsrat bei der Verminderung der Zeitgutschrift für die Teilnahme am Betriebsausflug mitzubestimmen hat. Hierzu bedarf es noch weiterer tatsächlicher Feststellungen.

1. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats im wesentlichen mit der Begründung stattgegeben, er habe bei der Festlegung des Umfangs der Zeitgutschrift nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitzubestimmen. Es liege eine Regelung der Lage der Arbeitszeit vor, denn durch die Teilnahme an einem ganztägigen Betriebsausflug werde in die Kernzeit eingegriffen und zugleich die Notwendigkeit geschaffen, den von der halbtägigen Zeitgutschrift nicht abgedeckten Teil der Arbeitszeit an anderen Tagen nachzuarbeiten. Gegen die Verletzung seines Mitbestimmungsrechts könne sich der Betriebsrat mit einem Unterlassungsantrag wehren.

Mit diesem Gedankengang läßt sich die Mitbestimmungspflichtigkeit der streitigen Maßnahme nicht begründen.

2. Der Betriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.

a) Die Halbierung der Zeitgutschrift durch die Arbeitgeber ist nicht als abweichende Verteilung der Arbeitszeit im Sinne dieser Vorschrift anzusehen.

Was einen möglichen Eingriff in die Kernarbeitszeit am Tag des Betriebsausflugs angeht, so zieht das Landesarbeitsgericht zu Unrecht eine Parallele zu dem nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitbestimmungspflichtigen Fall, daß der Arbeitgeber wegen einer Betriebsfeier Arbeitszeit ausfallen läßt und die ausgefallene Zeit auf andere Tage verlegt (dazu Neumann, AR-Blattei, SD 490 Rz 26, m.w.N.). Um eine solche Fallgestaltung geht es hier nicht. Über den Ausfall von Arbeitszeit am Tag des Betriebsausflugs entscheidet hier nicht der Arbeitgeber, sondern jeder Arbeitnehmer für sich, indem er teilnimmt oder arbeitet. Beteiligt er sich an einem ganztägigen Betriebsausflug, so setzt er hierfür einen Urlaubs- oder "Gleitzeittag" ein. Ein Eingriff in die Kernarbeitszeit wird auf diese Weise vermieden.

Auch soweit die Teilnahme an einem ganztägigen Betriebsausflug zum Ausgleich Vor- oder Nacharbeit erfordert, wird hierdurch nicht das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ausgelöst. Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG setzt immer eine mögliche Entscheidung des Arbeitgebers voraus, an welcher der Betriebsrat teilhaben kann. Hier wird die zeitliche Lage der Nacharbeit aber nicht von den Arbeitgebern festgelegt. Da im Betrieb ein System der gleitenden Arbeitszeit besteht, stellt sich die Frage, wann das Gleitzeitkonto aufgefüllt wird, nicht als kollektives Regelungsproblem, sondern als individuelle Anwendung der bestehenden Regelung. Jeder Arbeitnehmer entscheidet dabei nur für sich.

b) Soweit durch die streitige Zeitgutschrift die Dauer der insgesamt geschuldeten Arbeitszeit berührt wird, weil im Umfang von 3 Std. 48 Min. die Erfüllung dieser Schuld fingiert wird, vermag dies ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nicht zu begründen. Über die Dauer der regelmäßigen Arbeitszeit hat der Betriebsrat nach ständiger Rechtsprechung nicht mitzubestimmen (BAGE 73, 291, 303 = AP Nr. 22 zu § 23 BetrVG 1972, zu B III 2 c aa der Gründe).

3. Eine auf der Zeitgutschrift beruhende Verkürzung - oder eine aus der Halbierung der Gutschrift resultierende Verlängerung - der Arbeitszeit ist auch nicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Nach dieser Vorschrift hat der Betriebsrat bei der Verkürzung oder Verlängerung der Arbeitszeit nur dann mitzubestimmen, wenn sie vorübergehend erfolgt. Es muß sich um eine Abweichung von dem allgemein geltenden Zeitvolumen mit anschließender Rückkehr zur betriebsüblichen Dauer der Arbeitszeit handeln. Daran fehlt es hier. Die Regelung über die Zeitgutschrift modifiziert auf unbestimmte Zeit den Umfang der jährlich insgesamt geschuldeten Arbeitszeit.

4. Auch ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG ist zu verneinen. Ein Betriebsausflug ist nach allgemeiner Meinung keine Sozialeinrichtung im Sinne dieser Vorschrift, denn ihm fehlt die auf Dauer angelegte Organisation (vgl. z.B. Klebe in Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 5. Aufl., § 87 Rz 207, 227; Neumann, AR-Blattei, SD 490 Rz 25).

5. Vorliegend kommt jedoch ein Mitbestimmungsrecht bei der betrieblichen Lohngestaltung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG in Betracht.

a) Allerdings bezieht sich die streitige Gutschrift unmittelbar nur auf die Arbeitszeit. Auch kann sie sich auf die absolute Höhe der Vergütung nicht einmal mittelbar auswirken, weil nach der im Betrieb bestehenden Regelung über die gleitende Arbeitszeit weder Zeitguthaben in Vergütung umgewandelt noch Zeitdefizite durch Verzicht auf Vergütung ausgeglichen werden können. Der Umstand, daß die Gutschrift einer Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich entspricht, durch die sich der auf die verbleibende Arbeitszeit entfallende Entgeltbetrag pro Zeiteinheit erhöht, verleiht ihr zwar vergütungsrechtliche Relevanz. Dies allein kann indessen die Annahme nicht begründen, die Regelung der Gutschrift betreffe auch Fragen der betrieblichen Lohngestaltung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Andernfalls wären auf die Arbeitszeit und auf die Vergütung bezogene Regelungen für die Anwendung des § 87 Abs. 1 BetrVG weitgehend austauschbar, was mit der Systematik dieser Vorschrift nicht vereinbar wäre. Für beide Bereiche in Nr. 2 und 3 einerseits und in Nr. 10 und 11 andererseits enthält das Gesetz unterschiedliche Regelungen.

Dennoch hat die Zeitgutschrift unter den besonderen Bedingungen des vorliegenden Falles auch Vergütungscharakter. Dieser ergibt sich aus ihrem Zweck. Der Betriebsausflug mit vollem Lohnausgleich wurde aus Anlaß eines besonderen Unternehmenserfolges wieder eingeführt. Die Arbeitgeber wollten den Arbeitnehmern Zusatzleistungen zukommen lassen, nachdem der Mitgliedsbestand die Marke von Millionen erreicht hatte. Der Zweck der Gewährung eines Betriebsausflugs mit Zeitgutschrift entsprach demjenigen einer Erfolgsprämie. Geldwerte Vorteile, die der Arbeitgeber zu einem solchen Zweck gewährt, können das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG auslösen (vgl. Senatsbeschluß vom 30. März 1982 - 1 ABR 55/80 - AP Nr. 10 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu I der Gründe). Insoweit stellt sich hier eine Frage der Verteilungsgerechtigkeit, die der kollektiven Regelung bedarf. Hinsichtlich der Zeitgutschrift sind, worauf der Betriebsrat zutreffend hingewiesen hat, nicht nur für alle Arbeitnehmer einheitliche, sondern auch solche Lösungen möglich, die z.B. nach der Dauer der Arbeitszeit oder nach dem mit dem Betriebsausflug verbundenen Zeitaufwand differenzieren.

b) Ob vorliegend auch die Halbierung der Zeitgutschrift mitbestimmungspflichtig ist, läßt sich indessen noch nicht abschließend beurteilen. Insoweit kommt es auf die - vom Landesarbeitsgericht aus seiner Sicht folgerichtig offengelassene - Frage an, ob sich die Arbeitgeber durch eine Gesamtzusage gebunden haben.

aa) Nach dem Beschluß des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 3. Dezember 1991 (BAGE 69, 134, 168 = AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu C III 6 b bb der Gründe), dem der Senat in ständiger Rechtsprechung folgt (zuletzt Beschluß vom 22. April 1997 - 1 ABR 77/96 - AP Nr. 88 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu B II 2 c aa der Gründe), findet das Mitbestimmungsrecht bei der Anrechnung von Tariferhöhungen auf übertarifliche Zulagen da seine Grenze, wo der Arbeitgeber für eine anderweitige Anrechnung keinen Regelungsspielraum hat. Ein solches rechtliches Hindernis kann sich beispielsweise auch daraus ergeben, daß die Arbeitsverträge nur die vom Arbeitgeber gewählte Regelung zulassen. Dieser Grundsatz gilt für alle einseitigen Formen der Vertragsgestaltung.

Hieraus folgt allerdings nicht, daß individualrechtliche Bindungen des Arbeitgebers, die hinsichtlich eines Regelungsgegenstandes bestehen, insoweit eine abweichende Gestaltung und damit ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG schlechthin ausschließen würden. Das mitbestimmungspflichtige Vorgehen des Arbeitgebers kann gerade darin liegen, daß er die einzelvertragliche Regelung insoweit ändern will. So kann er versuchen, durch einvernehmliche Vertragsänderung oder durch Änderungskündigung vertragliche Neuregelungen zu schaffen, zu denen er der Zustimmung des Betriebsrats bedarf, weil ihr Gegenstand von § 87 Abs. 1 BetrVG erfaßt wird. Auch kann der Arbeitgeber, soweit ablösende Betriebsvereinbarungen zulässig sind, mit Hilfe des Betriebsrats individualrechtliche Hindernisse überwinden, die auf einer Gesamtzusage beruhen (BAGE 53, 42, 68 f. = AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972, zu C II 4 f der Gründe). Um solche Regelungsformen geht es aber im vorliegenden Fall nicht.

bb) Sollten sich die Arbeitgeber hier tatsächlich individualrechtlich dahin gebunden haben, daß den Arbeitnehmern für die Teilnahme am Betriebsausflug eine Zeitgutschrift von 7 Std. 36 Min. zusteht, so fehlte ihnen der Gestaltungsspielraum für eine einseitige Kürzung. Nur diesen Weg haben sie aber hier beschritten und nur darauf bezieht sich der Streit um das Mitbestimmungsrecht.

Maßgebend ist insoweit der Inhalt der von den Arbeitgebern beabsichtigten Regelung. Es ging ihnen hier nicht darum, durch Änderungsverträge mit den einzelnen Arbeitnehmern (notfalls mit Hilfe von Änderungskündigungen) individualrechtliche Positionen neu zu gestalten. Für die Absicht, diesen umständlichen und unzweckmäßigen Weg zu gehen, liegen keine Anhaltspunkte vor. Auch die teilweise Ablösung eines einheitsvertraglichen Anspruchs der Arbeitnehmer auf die Zeitgutschrift durch Betriebsvereinbarung kam hier nicht in Betracht. Eine solche Betriebsvereinbarung könnte in keinem Fall den hierfür erforderlichen kollektiven Günstigkeitsvergleich bestehen, denn die Neuregelung zielte insgesamt auf eine Verminderung des Gutschriftvolumens und mußte sich daher unabhängig von ihrer Ausgestaltung im einzelnen gegenüber einer Zeitgutschrift von 7 Std. 36 Min. immer als ungünstiger erweisen.

Der Inhalt der hier von den Arbeitgebern ergriffenen Maßnahme war ein anderer. Es ging ihnen allein um die Ausübung einer einseitigen Regelungsbefugnis, der, wie sie unverändert annehmen, individualvertragliche Rechtspositionen der Arbeitnehmer nicht entgegenstehen. Insoweit unterscheidet sich die Situation nicht von derjenigen bei der Anrechnung von Tariferhöhungen auf übertarifliche Zulagen, bei der nach der oben (aa) angeführten Rechtsprechung des Großen Senats einzelvertragliche Begrenzungen den Regelungsspielraum des Arbeitgebers und damit das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ausschließen.

cc) Das Landesarbeitsgericht wird danach aufzuklären haben, ob die Arbeitnehmer des gemeinsamen Betriebes einen vertraglichen Anspruch auf die umstrittenen Zeitgutschriften für Betriebsausflüge erworben hatten, der nicht mehr durch einseitige Neuregelung der Arbeitgeber geschmälert werden konnte. Wenn das der Fall sein sollte, besteht der Regelungsspielraum nicht, an dessen Ausfüllung der Betriebsrat beteiligt werden will. Der Unterlassungsanspruch ist dann unbegründet. Hingegen hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht und zu dessen Sicherung auch den geltend gemachten Unterlassungsanspruch, wenn die Arbeitgeber tatsächlich entsprechend ihrem Vortrag berechtigt sein sollten, die Regelung der Zeitgutschriften einseitig umzugestalten und nach ihrem Belieben auch zu kürzen.

 

Unterschriften

Dieterich Rost Wißmann Bayer Rose

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 27.01.1998 durch Klapp, als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 436313

BB 1998, 1419

DB 1998, 1819

FA 1998, 287

NZA 1998, 835

RdA 1998, 316

SAE 1999, 39

ArbuR 1998, 287

AuA 1998, 400

AuA 1999, 333

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