Entscheidungsstichwort (Thema)

Übereinstimmend erklärte Erledigung der Hauptsache

 

Normenkette

ZPO § 91a; BGB §§ 133, 157; Berliner Bäder-Anstaltsgesetz vom 29. September 1995 (GVBl. Berlin 1995, 617) § 13; BAT § 12

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 19.03.1999; Aktenzeichen 6 Sa 126/98)

ArbG Berlin (Urteil vom 06.10.1998; Aktenzeichen 19 Ca 26648/98)

 

Tenor

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Tatbestand

I. Die Parteien haben darüber gestritten, an welchem Ort die Klägerin ihre Arbeitsleistung zu erbringen hatte. Die Klägerin schloß am 5. April 1990 mit dem Land Berlin – vertreten durch das Bezirksamt Kreuzberg von Berlin – einen schriftlichen, vorformulierten Arbeitsvertrag. Danach wurde sie “vom 1. April 1990 an im Bereich des Bezirksamtes Kreuzberg von Berlin auf unbestimmte Zeit für eine Beschäftigung als vollbeschäftigte Schwimmeistergehilfin eingestellt”. Auf das Arbeitsverhältnis fand auf Grund vertraglichen Einbezugs der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Die Klägerin wurde durchgehend im Spreewaldbad in Berlin-Kreuzberg eingesetzt.

Durch das Berliner Bäder-Anstaltsgesetz vom 29. September 1995 (GVBl. Berlin 1995, 617) wurde die Beklagte als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts gegründet. Nach § 13 des Gesetzes gingen die Arbeitsverhältnisse der in den Berliner Schwimmbädern beschäftigten Arbeitnehmer – darunter das der Klägerin – mit Wirkung vom 1. Januar 1996 auf die Beklagte über.

Im Jahr 1998 setzte die Beklagte die Klägerin mehrere Wochen in Schwimmbädern außerhalb des Bezirks Kreuzberg ein. Die Klägerin hielt dies für vertragswidrig und forderte die Beklagte auf zu erklären, daß sie solche Einsätze künftig unterlassen werde. Das lehnte die Beklagte ab.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin beantragt

festzustellen, daß die Beklagte nicht berechtigt ist, sie auf einen Arbeitsplatz außerhalb des Bereichs des Bezirksamtes Kreuzberg von Berlin umzusetzen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, arbeitsvertraglich sei mit der Klägerin nicht ausschließlich der Bereich des Bezirksamtes Kreuzberg als Einsatzort vereinbart worden. Ihre Versetzungsbefugnis ergebe sich aus § 12 BAT.

Das Arbeitsgericht hat der Klage ohne Einschränkung stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, daß die Klägerin nicht verpflichtet ist, ihre Arbeitsleistung dauerhaft außerhalb Kreuzbergs innerhalb Berlins zu erbringen; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht durch Beschluß vom 9. Dezember 1999 zugelassenen Revision hat die Beklagte ihren Antrag weiterverfolgt, die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist mittlerweile beendet. Im Hinblick darauf haben beide Parteien den Rechtsstreit mit widerstreitenden Kostenanträgen für erledigt erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

1. Nach beidseitiger Erledigungserklärung ist die Kostenentscheidung gemäß § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu treffen. Dafür ist der mutmaßliche Ausgang des Rechtsstreits maßgebend. Auf Grund des bisherigen Sach- und Streitstands wäre bei streitiger Entscheidung der zulässigen Revision stattzugeben gewesen.

2. Das Landesarbeitsgericht hat den Arbeitsvertrag der Parteien dahin ausgelegt, daß durch die Einstellung “im Bereich des Bezirksamtes Kreuzberg von Berlin” die möglichen Einsatzorte geographisch auf den Bezirk Kreuzberg beschränkt worden seien. Es könne auch nicht angenommen werden, daß mit der allgemeinen Versetzungsklausel des § 12 BAT die Festlegung des im Arbeitsvertrag konkret genannten Einsatzbereichs wieder vollständig habe aufgehoben werden sollen. Aus ihr folge daher nur, daß die Klägerin innerhalb Kreuzbergs dauerhaft in sämtlichen Schwimmbädern habe eingesetzt werden können und vorübergehend ihre Dienste auch in Schwimmbädern außerhalb Kreuzbergs habe erbringen müssen.

3. Mit Recht hat die Revision gerügt, das Landesarbeitsgericht habe den Arbeitsvertrag fehlerhaft ausgelegt. Ob die von der Revision dafür vorgebrachten Gründe zutreffen, ist ohne Bedeutung.

a) Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts konnte in der Revisionsinstanz ohne Einschränkung überprüft werden. Der Arbeitsvertrag der Parteien ist auf der Grundlage eines vom Land Berlin ständig in gleicher Weise formulierten Vertragsangebots zustandegekommen. Er enthält damit typische, nicht auf den Einzelfall bezogene Erklärungen. Unter dieser Voraussetzung ist das Revisionsgericht an der vollen Überprüfung der Auslegung durch das Berufungsgericht nicht gehindert (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG 19. Januar 2000 – 5 AZR 637/98 – BAGE 93, 212 mwN).

b) Mit der vertraglichen Vereinbarung, die Klägerin werde “im Bereich des Bezirksamtes Kreuzberg” eingestellt, haben die Parteien den möglichen Einsatzbereich für die Klägerin nicht ausschließlich auf Orte innerhalb des entsprechenden Verwaltungsbezirks von Berlin beschränkt. Das ergibt die Auslegung nach Maßgabe der §§ 133, 157 BGB.

Der Wortlaut läßt das Verständnis zu, daß die Klägerin im Bereich Kreuzberg lediglich “eingestellt” werde, ohne das damit über den Ort künftiger Verwendungen eine Vereinbarung getroffen worden wäre. Die Vertragsklausel kann ohne weiteres dahin aufgefaßt werden, daß sie lediglich die Einstellungskompetenzen des für das Land Berlin handelnden Bezirksamtes Kreuzberg wiedergibt, die darauf beschränkt sind, freistellen im eigenen Bezirk zu besetzen.

Im übrigen war Vertragspartner der Klägerin – auch für sie selbst klar erkennbar – (ursprünglich) das Land Berlin. Daß dieses sich mit der fraglichen Klausel seines weitreichenden tariflichen Direktionsrechts nach § 12 BAT begeben wollte, konnte die Klägerin nicht annehmen. Willenserklärungen sind aus der Sicht eines objektiven Empfängers auszulegen. Danach durfte die Klägerin nicht davon ausgehen, das Land habe sich vertraglich dauerhaft festlegen wollen, sie ausschließlichen innerhalb Kreuzbergs einzusetzen. Ein Bewerber um eine Stelle des öffentlichen Dienstes muß regelmäßig wissen, daß Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes grundsätzlich verpflichtet sind, jede ihnen zugewiesene Tätigkeit zu verrichten, die den Merkmalen ihrer Vergütungsgruppe entspricht, soweit ihnen diese Tätigkeit billigerweise zugemutet werden kann. Einen eingeschränkten Umfang hat das Direktionsrecht des öffentlichen Arbeitgebers nur dann, wenn abweichend von den im öffentlichen Dienst üblichen Musterverträgen der Arbeitnehmer nicht für einen allgemein umschriebenen Aufgabenbereich eingestellt und lediglich die Vergütungsgruppe festgelegt wird, sondern seine Tätigkeit sowohl der Art als auch der Arbeitsstelle nach genau bezeichnet wird (BAG 12. April 1973 – 2 AZR 291/72 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 24 = EzA BGB § 611 Nr. 12). Auch dabei muß außerdem feststehen, daß auf diese Weise nicht nur die erste Einsatzstelle genau angegeben, sondern diese unter Verzicht auf das tarifliche Direktionsrecht als dauerhafter, ausschließlicher zukünftiger Arbeitsort festgelegt werden sollte. Dazu bedarf es eindeutiger, klar auf diesen Gegenstand bezogener Zusagen oder Absprachen (BAG 29. Oktober 1997 – 5 AZR 573/96 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 51 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 19). Das wiederum setzt im Regelfall voraus, daß die Frage des dauerhaften Einsatzortes zwischen den Vertragspartnern offen thematisiert wurde. Das gilt insbesondere angesichts einer zugleich erfolgenden uneingeschränkten Inbezugnahme des BAT, bei der § 12 BAT gerade nicht ausgeschlossen wurde. Daß bei ihrer Einstellung oder später – Erklärungen dieser Art abgegeben worden wären, hat die Klägerin nicht behauptet.

c) An der Rechtslage hat sich durch den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte nichts geändert. Auch dieser standen die Befugnisse auf § 12 BAT uneingeschränkt zu.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Dr. Brühler

 

Fundstellen

Dokument-Index HI848021

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