Entscheidungsstichwort (Thema)

Karitative Einrichtung der Kirche. Wohnungsbau-GmbH. Wohnungsbau- und -verwaltungsgesellschaft als karitative Einrichtung der Kirche. Selbstverwaltungsrecht der Kirche

 

Leitsatz (amtlich)

Eine in der Rechtsform einer GmbH betriebene Einrichtung der katholischen Kirche ist nach § 118 Abs. 2 BetrVG vom Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes ausgenommen, wenn sie karitative oder erzieherische Zwecke verfolgt. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach dem Selbstverständnis der Kirche.

 

Orientierungssatz

1. Nach § 118 Abs. 2 BetrVG sind Relgionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen vom Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes ausgenommen. Dies gilt unabhängig davon, in welcher Rechtsform die Einrichtung betrieben wird.

2. Ob eine in der Rechtsform einer GmbH betriebene Einrichtung der katholischen Kirche karitativ ist, bestimmt sich nach dem Selbstverständnis der katholischen Kirche und nicht nach demjenigen staatlicher Organe. Das beruht auf dem den Religionsgemeinschaften durch Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV garantierten Selbstverwaltungsrecht. Dieses bezieht sich auch auf die Entscheidung, in welcher Weise die Kirche in der Welt tätig werden will. Entscheidend ist, ob die Einrichtung auf Grund ihrer Aufgabenstellung und Zwecksetzung nach dem Verständnis der Kirche als karitativ anzusehen ist.

3. Eine unter bestimmendem Einfluß der katholischen Kirche stehende GmbH, die sich mit dem Bau und der Verwaltung und Vermietung von Wohnungen befaßt, kann danach eine karitative Einrichtung der katholischen Kirche sein, wenn ihre konkrete Betätigung dem kirchlichen Selbstverständnis von Caritas entspricht.

4. Die staatlichen Gerichte für Arbeitssachen sind nur befugt, den von der Religionsgemeinschaft festgelegten Inhalt von „karitativ” iSd. § 118 Abs. 2 BetrVG festzustellen und zu prüfen, ob die Betätigung der Einrichtung dem entspricht.

 

Normenkette

GG Art. 140; WRV Art. 137 Abs. 3; BetrVG § 118 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Beschluss vom 12.10.2001; Aktenzeichen 8 TaBV 1359/01)

ArbG Berlin (Beschluss vom 16.05.2001; Aktenzeichen 29 BV 36024/00)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Wahlvorstands wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 12. Oktober 2001 – 8 TaBV 1359/01 – aufgehoben.

Das Verfahren wird zur anderweiten Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die antragstellende Arbeitgeberin eine karitative Einrichtung der katholischen Kirche und deshalb nach § 118 Abs. 2 BetrVG vom Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes ausgenommen ist. Hilfsweise begehrt die Arbeitgeberin die Feststellung, daß der zu 2) beteiligte Wahlvorstand nicht ordnungsgemäß besetzt und die Wahl zum Wahlvorstand nichtig ist.

Die Arbeitgeberin ist eine in der Rechtsform einer GmbH betriebene katholische Wohnungsbau- und Siedlungsgesellschaft. Gegenstand des Unternehmens ist laut Eintragung im Handelsregister:

  1. „Eine sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung der breiten Schichten der Bevölkerung (kirchlich-sozialer Zweck). Die Gesellschaft nimmt damit teil an der Erfüllung des kirchlichen Auftrages.
  2. Die Gesellschaft errichtet, betreut, bewirtschaftet und verwaltet Bauten in allen Rechts- und Nutzungsformen, darunter Eigenheime und Eigentumswohnungen. Sie kann außerdem alle im Bereich der Wohnungswirtschaft, des Städtebaus, der Dorferneuerung und der Infrastruktur anfallenden Aufgaben übernehmen, Grundstücke erwerben, belasten und veräußern sowie Erbbaurechte ausgeben. Sie kann Gemeinschaftsanlagen und Folgeeinrichtungen, Läden und Gewerbebauten, soziale, wirtschaftliche, ökologische und kulturelle Einrichtungen und Dienstleistungen bereitstellen. Die Gesellschaft ist berechtigt, Zweigniederlassungen zu errichten, andere Unternehmen zu erwerben oder sich an solchen zu beteiligen.”

Gesellschafter der Arbeitgeberin sind die Erzbischöfliche Vermögensverwaltungs GmbH, eine 100%-ige Tochter des Erzbistums Berlin, und der Caritasverband Berlin e.V. Ihrem aus sechs Personen bestehenden Aufsichtsrat gehören ua. zwei Mitglieder der Caritas bzw. des Caritasverbands für das Erzbistum Berlin, ein Pfarrer, der Finanzdezernent des Erzbistums Berlin und der Geschäftsführer des Morus-Verlags, einer im Kirchenbesitz befindlichen Verlagsanstalt, an. Die Arbeitgeberin ist vor allem mit der Wohnungsvermietung und der Baubetreuung, vornehmlich für Kirchen und kirchennahe Einrichtungen, sowie dem Bau von Eigenheimen befaßt. Überwiegend verwaltet sie Wohnungen, die zu etwa 90 % zum öffentlich geförderten Wohnungsbau gehören.

Auf Einladung der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt fand für den Betrieb der Arbeitgeberin eine Betriebsversammlung statt. Daran nahmen ua. zwei Arbeitnehmer der Märkischen Grundstücks- und Wohnungsbaugesellschaft mbH (MGW) teil, die nach Auffassung des Wahlvorstands mit der Arbeitgeberin einen Gemeinschaftsbetrieb führen soll. Es wurde der zu 2) beteiligte Wahlvorstand zur Durchführung der Wahl eines Betriebsrats gewählt. Dem Wahlvorstand gehören ausschließlich Arbeiter an. Als Ersatzmitglieder wurden ua. zwei Mitarbeiter der MGW gewählt.

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, die Wahl des Wahlvorstands sei nichtig. Ihr Betrieb sei eine karitative Einrichtung der katholischen Kirche. Für ihn gelte deshalb das Betriebsverfassungsgesetz nicht. Außerdem sei der Wahlvorstand nicht ordnungsgemäß gewählt worden.

Die Arbeitgeberin hat beantragt

  1. festzustellen, daß die Antragstellerin karitative Einrichtung einer Religionsgemeinschaft iSd. § 118 Abs. 2 BetrVG ist,
  2. festzustellen, daß die Wahl eines Wahlvorstandes zur Vorbereitung und Durchführung von Betriebsratswahlen im Betrieb der Antragstellerin unzulässig ist,
  3. hilfsweise zu den Anträgen zu 1) und 2) festzustellen, daß der gebildete Wahlvorstand nicht ordnungsgemäß besetzt und wegen Verstoßes gegen § 16 Abs. 1 Satz 1 BetrVG die Wahlen zum Wahlvorstand nichtig sind.

Der Wahlvorstand hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Er hat geltend gemacht, die Arbeitgeberin sei keine karitative Einrichtung der katholischen Kirche iSv. § 118 Abs. 2 BetrVG, sondern ein reines Wirtschaftsunternehmen, das sich mit der Absicht der Gewinnerzielung am Markt betätige. Der Wahlvorstand sei ordnungsgemäß gewählt worden und besetzt.

Das Arbeitsgericht hat den Hauptanträgen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Wahlvorstands zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Wahlvorstand seinen Antrag auf Zurückweisung des Hauptantrags zu 1) und des Hilfsantrags weiter, nachdem die Arbeitgeberin den Hauptantrag zu 2) mit Zustimmung des Wahlvorstands in der mündlichen Anhörung vor dem Senat zurückgenommen hat. Die Arbeitgeberin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Landesarbeitsgericht. Nach den bisher getroffenen Tatsachenfeststellungen kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob die Arbeitgeberin eine karitative Einrichtung der katholischen Kirche iSv. § 118 Abs. 2 BetrVG und deshalb vom Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes ausgenommen ist. Eine Entscheidung über den Hilfsantrag ist dem Senat daher ebenfalls nicht möglich.

I. Der Hauptantrag ist zulässig. Insbesondere ist das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse gegeben.

1. Der Hauptantrag ist auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtet. Mit der Entscheidung über die Frage, ob die Arbeitgeberin eine karitative Einrichtung iSv. § 118 Abs. 2 BetrVG ist, wird das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen den Beteiligten geklärt. Ist die Arbeitgeberin eine karitative Einrichtung und deshalb vom Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes ausgenommen, ist die Wahl zum Wahlvorstand nichtig, so daß zwischen den Beteiligten ein Rechtsverhältnis nicht zur Entstehung gelangen konnte. Die Beteiligten haben ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Klärung dieser Frage.

2. Der Zulässigkeit des Hauptantrags steht nicht entgegen, daß die Arbeitgeberin die Wahl zum Wahlvorstand analog § 19 BetrVG anfechten kann. Die Arbeitgeberin hat unabhängig von einem Wahlanfechtungsverfahren ein rechtliches Interesse daran, ihren Status als karitative Einrichtung einer Religionsgemeinschaft gerichtlich feststellen zu lassen. Damit wird – im Gegensatz zur Wahlanfechtung, die sich nur auf eine ganz bestimmte Wahl bezieht – auch für die Zukunft geklärt, ob im Betrieb der Arbeitgeberin ein Betriebsrat gewählt werden darf oder nicht.

II. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob der Hauptantrag begründet ist. Die Arbeitgeberin ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht bereits deswegen als karitative Einrichtung der katholischen Kirche iSv. § 118 Abs. 2 BetrVG anzusehen, weil sie durch ihren Unternehmensgegenstand deutlich gemacht hat, durch ihre Betätigung die sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung breiter Schichten der Bevölkerung und damit einen nach ihrem Verständnis sozialen Zweck im Sinne einer karitativen Betätigung zu verfolgen. Zwar ist die Arbeitgeberin, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, eine Einrichtung einer Religionsgemeinschaft iSd. § 118 Abs. 2 BetrVG, nämlich der katholischen Kirche. Ob sie karitativ ist, hängt jedoch davon ab, ob der von der Arbeitgeberin verfolgte Zweck und die Art ihrer Betätigung nach dem Selbstverständnis der katholischen Kirche als karitativ anzusehen sind. Feststellungen dazu, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der Bau und die Verwaltung und Vermietung von Wohnungen nach dem Selbstverständnis der katholischen Kirche karitativ sind, hat das Landesarbeitsgericht bislang nicht getroffen. Diese Feststellungen sind nachzuholen. Erst dann kann geprüft werden, ob die Betätigung der Arbeitgeberin dem kirchlichen Selbstverständnis von Caritas entspricht.

1. Nach § 118 Abs. 2 BetrVG findet das Betriebsverfassungsgesetz keine Anwendung auf Religionsgemeinschaften und deren karitative und erzieherische Einrichtungen unbeschadet deren Rechtsform. Dies beruht auf dem den Religionsgemeinschaften durch Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV gewährleisteten Recht, ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze zu ordnen und zu verwalten (BVerfG 11. Oktober 1977 – 2 BvR 209/76 – BVerfGE 46, 73, 95 = AP GG Art. 140 Nr. 1). Der Gesetzgeber des Betriebsverfassungsgesetzes hat mit dieser Vorschrift dem den Religionsgemeinschaften verfassungsmäßig garantierten Freiheitsraum Rechnung getragen, der sie berechtigt, ihre Angelegenheiten selbst zu ordnen und zu verwalten. Zu diesen Angelegenheiten gehört nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts auch das Recht, Vertretungsorgane entsprechend dem Charakter der Religionsgemeinschaften für die bei ihr tätigen Arbeitnehmer einzurichten und zu gestalten (BVerfG 11. Oktober 1977 – 2 BvR 209/76 – aaO; BAG 6. Dezember 1977 – 1 ABR 28/77 – BAGE 29, 405 = AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 10, zu III 2 der Gründe). Das Betriebsverfassungsgesetz nimmt daher mit der Regelung in § 118 Abs. 2 BetrVG nach der ausdrücklich geäußerten Ansicht des Bundesverfassungsgerichts auf das verfassungsrechtliche Gebot aus Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV Rücksicht. Damit ist zugleich gesagt, daß die Ausklammerung der Religionsgemeinschaften und ihrer karitativen und erzieherischen Einrichtungen aus dem Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes nicht gegen Verfassungsgrundsätze und damit entgegen der beiläufig geäußerten Rechtsauffassung des Wahlvorstands auch nicht gegen das Sozialstaatsprinzip verstößt. An diese Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts sind die Gerichte gemäß Art. 31 Abs. 1 BVerfGG gebunden (BAG 6. Dezember 1977 – 1 ABR 28/77 – aaO, zu III 2 der Gründe).

2. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen bezieht sich nicht nur auf die organisierte Kirche und ihre rechtlich selbständigen Teile. Vielmehr sind alle der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform Objekte, bei deren Ordnung und Verwaltung die Kirche grundsätzlich frei ist, wenn die Einrichtung nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihren Aufgaben entsprechend berufen ist, ein Stück Auftrag der Kirche in dieser Welt wahrzunehmen und zu erfüllen (BVerfG 11. Oktober 1977 – 2 BvR 209/76 – aaO, zu B II 2 a der Gründe; BAG 24. Juli 1991 – 7 ABR 34/90 – BAGE 68, 170 = AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 48, zu B II 2 der Gründe). Die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der Kirche im Staat schließt es ein, daß sich die Kirche zur Erfüllung ihres Auftrags auch der Organisationsformen des staatlichen Rechts bedienen kann, ohne daß dadurch die Zugehörigkeit der auf dieser Rechtsgrundlage begründeten Einrichtungen zur Kirche aufgehoben würde (BAG 24. Juli 1991 – 7 ABR 34/90 – aaO mwN).

3. Für die Zuordnung einer rechtlich selbständigen Einrichtung zur Kirche ist allerdings nicht ausreichend, daß die Einrichtung ihrem Zweck nach auf die Verwirklichung eines kirchlichen Auftrags gerichtet ist. Hinzukommen muß ein Mindestmaß an Einflußmöglichkeiten der Kirche, um auf Dauer eine Übereinstimmung der religiösen Betätigung der Einrichtung mit kirchlichen Vorstellungen gewährleisten zu können. Dabei bedarf der ordnende Einfluß der Kirche zwar keiner satzungsmäßigen Absicherung. Die Kirche muß aber in der Lage sein, einen etwaigen Dissens in religiösen Angelegenheiten zwischen ihr und der Einrichtung zu unterbinden (st. Rspr., vgl. etwa BAG 30. April 1997 – 7 ABR 60/95 – AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 60 = EzA BetrVG 1972 § 118 Nr. 66, zu B 2 der Gründe mwN).

4. Ob die Arbeitgeberin nach diesen Grundsätzen eine karitative Einrichtung der katholischen Kirche ist und deshalb nach § 118 Abs. 2 BetrVG dem Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes nicht unterfällt, vermag der Senat auf Grund der bislang festgestellten Tatsachen nicht zu entscheiden.

a) Die katholische Kirche verfügt über das erforderliche Mindestmaß an Einflußmöglichkeiten, um die Übereinstimmung der Betätigung der Arbeitgeberin mit den Vorstellungen der Kirche gewährleisten zu können. Das ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Der Einfluß wird bereits durch die Gesellschafter der Arbeitgeberin sichergestellt. Die Erzbischöfliche Vermögensverwaltungs GmbH steht als 100%-ige Tochtergesellschaft des Erzbistums Berlin ihrerseits unter dem bestimmenden Einfluß der Amtskirche. Der Deutsche Caritasverband ist ein von den deutschen Bischöfen als legitime Vertretung der kirchlichen Liebestätigkeit anerkannter kirchlicher Verband. In den einzelnen Diözesan-Caritasverbänden stehen den jeweiligen Bischöfen Mitwirkungsrechte in wichtigen Angelegenheiten, meist in Form von Genehmigungsvorbehalten, zu (vgl. dazu Schmitz-Elsen in Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht Stichwort „Caritas”).Damit verfügt die Amtskirche über maßgebliche Einflußmöglichkeiten auf die Gesellschafter der Arbeitgeberin und über diese auf die Arbeitgeberin selbst.

b) Nach den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann jedoch nicht beurteilt werden, ob die Wohnungsbau betreibende Arbeitgeberin karitativ iSv. § 118 Abs. 2 BetrVG ist.

aa) Der Begriff der „karitativen Einrichtung” in § 118 Abs. 2 BetrVG ist nach dem Selbstverständnis der Kirche zu bestimmen. Dies folgt aus dem den Kirchen durch Art. 140 GG iVm. § 137 Abs. 3 WRV garantierten Selbstverwaltungsrecht. Dieses umfaßt auch die Befugnis der Kirche, selbst darüber zu entscheiden, durch welche Mittel und Einrichtungen sie ihren Auftrag in dieser Welt wahrnehmen und erfüllen will. Die Beurteilung, ob eine Betätigung „Caritas” ist, obliegt daher allein der Kirche. Eine Vorgabe staatlicher Organe, welche Art kirchlicher Betätigung karitativ ist, wäre ein unzulässiger Eingriff in das verfassungsrechtlich garantierte Selbstverwaltungsrecht der Kirche (BAG 6. Oktober 1977 – 1 ABR 28/77 – aaO, zu III 1 der Gründe; 24. November 1981 – 1 ABN 12/81 – AP ArbGG 1979 § 72 a Divergenz Nr. 10 = EzA ArbGG 1979 § 72 a Nr. 37; Richardi Arbeitsrecht in der Kirche 3. Aufl. § 3 Rn. 15; Beckers ZTR 2000, 63, 65; aA ErfK/Hanau/Kania 3. Aufl. § 118 BetrVG Rn. 32; Däubler/Kittner/Klebe BetrVG 8. Aufl. § 118 Rn. 7; GK-BetrVG-Fabricius/Weber 7. Aufl. § 118 Rn. 225).

bb) Die verfassungsrechtlich gebotene Respektierung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts hat allerdings nicht zur Folge, daß überhaupt keine Kontrolle der staatlichen Gerichte für Arbeitssachen darüber stattfinden kann, ob das Betriebsverfassungsgesetz Anwendung findet. Ihre Prüfungskompetenz erstreckt sich jedenfalls darauf festzustellen, welchen Inhalt die Religionsgemeinschaft dem Begriff „karitativ” iSd. § 118 Abs. 2 BetrVG gibt und ob die jeweilige Einrichtung diese Vorgaben bei ihrer Tätigkeit erfüllt. Dazu müssen die Tatsachengerichte im Rahmen der Untersuchungsmaxime die erforderlichen Tatsachen sowohl zum Inhalt von Caritas als auch zur konkreten Betätigung der Einrichtung feststellen. Das hat das Beschwerdegericht bisher nicht in dem erforderlichen Umfang getan, so daß das Verfahren zurückverwiesen werden muß.

cc) Das Landesarbeitsgericht wird in dem erneuten Beschwerdeverfahren zu ermitteln haben, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der Bau und die Verwaltung und Vermietung von Wohnungen und Eigenheimen nach den Grundsätzen der katholischen Kirche deren Verständnis von Caritas entspricht. Dafür spricht es, daß diese Art der Betätigung nach Auffassung der katholischen Kirche jedenfalls dann karitativ sein kann, wenn die Wohnungen bedürftigen Menschen zur Verfügung gestellt werden und mit dieser Tätigkeit keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt wird. Dies kann zB aus dem „Dekret über das Laienapostolat” des II. Vatikanischen Konzils geschlossen werden. Dort heißt es: „… Das caritative Tun kann und muß heute alle Menschen und Nöte umfassen. Wo immer Menschen leben, denen es an Speise und Trank, an Kleidung, Wohnung, Medikamenten, Arbeit, Unterweisung, notwendigen Mitteln zu einem menschenwürdigen Leben fehlt, … muß die christliche Hilfe sie suchen und finden, alle Sorgen für sie aufwenden, um sie zu trösten und mit tätiger Hilfe ihr Los zu erleichtern … Weder das Suchen des eigenen Vorteils noch Herrschsucht dürfen die Reinheit der Absicht beflecken” (zitiert nach Rinken Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland 1. Aufl. § 27 II 1).

Für ein solches Verständnis der katholischen Kirche von Caritas könnte auch das von der deutschen Bischofskonferenz anerkannte Leitbild des Deutschen Caritasverbandes sprechen. Danach ist „Caritas … konkrete Hilfe für Menschen in Not. Richtschnur ihrer Arbeit sind Weisung und Beispiel Jesu Christi. Die Hinwendung zu den Hilfsbedürftigen und Solidarität mit ihnen ist praktizierte Nächstenliebe. Sie ist Aufgabe und Verpflichtung eines jeden Christen. Sie ist zugleich Grundauftrag der Kirche. Aus christlicher Verantwortung leistet Caritas vielfältige Hilfe mit und für Menschen. Als Wohlfahrtsverband der katholischen Kirche wirkt der deutsche Caritasverband an der Gestaltung des kirchlichen und gesellschaftlichen Lebens mit. Maßgebend für seine Tätigkeit sind der Anspruch des Evangeliums und der Glaube der Kirche. Durch sein Wirken trägt er zur öffentlichen Beglaubigung der kirchlichen Verkündigung bei. Als Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege steht der deutsche Caritasverband in der Mitverantwortung für die sozialen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland. Er läßt sich vom Bild einer solidarischen und gerechten Gesellschaft leiten, in der auch Arme und Schwache einen Platz mit Lebensperspektiven finden können”. (zitiert nach Schmitz-Elsen in Wörterbuch für Kirchen- und Staatskirchenrecht, Stichwort „Caritas”). Caritas im kirchlichen Sinne besteht somit auch in der Fürsorge für sozial Schwache und wirtschaftlich Bedürftige. Dazu könnte auch die Versorgung solcher Menschen mit Wohnungen gehören. Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen dies nach dem Selbstverständnis der katholischen Kirche der Fall ist, hat das Landesarbeitsgericht aufzuklären. Dazu wird es den Beteiligten Gelegenheit zu entsprechendem Sachvortrag geben und ggf. Auskünfte bei der katholischen Kirche einholen müssen. Anschließend wird es zu prüfen haben, ob die Betätigung der Arbeitgeberin den so ermittelten kirchlichen Grundsätzen karitativen Wirkens entspricht.

III. Sollte die erneute Anhörung der Beteiligten vor dem Landesarbeitsgericht ergeben, daß die Arbeitgeberin keine karitative Einrichtung der katholischen Kirche iSv. § 118 Abs. 2 BetrVG ist, wird das Landesarbeitsgericht über den Hilfsantrag zu befinden haben. Von Hinweisen dazu sieht der Senat ab, da sich das Landesarbeitsgericht mit diesem Antrag bislang nicht befaßt und dazu weder Tatsachen festgestellt noch eine rechtliche Würdigung vorgenommen hat.

 

Unterschriften

Dörner, Gräfl, Pods, G. Güner, V. Ludwig

 

Fundstellen

BAGE 2004, 163

BB 2003, 1236

DB 2004, 1158

FA 2003, 217

NZA 2004, 334

SAE 2003, 276

ZTR 2003, 416

AP, 0

EzA-SD 2003, 20

EzA

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