Entscheidungsstichwort (Thema)

Senatsbesetzung bei Kostenbeschluß nach § 91 a ZPO

 

Leitsatz (amtlich)

Macht der Senat von der durch § 91 a Abs. 1 Satz 2 ZPO in der Fassung des Rechtspflegevereinfachungsgesetzes vom 17. Dezember 1990 eröffneten Möglichkeit Gebrauch, über die Kosten eines von den Parteien übereinstimmend für erledigt erklärten Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, so ergeht die Entscheidung ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter (§ 72 Abs. 6 in Verb. mit § 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG).

 

Normenkette

ArbGG § 53 Abs. 1, § 72 Abs. 6; ZPO § 91a

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 02.07.1998; Aktenzeichen 4 Sa 2086/94)

ArbG Iserlohn (Urteil vom 04.10.1994; Aktenzeichen 2 Ca 2179/92)

 

Tenor

Von den Kosten des ersten und zweiten Rechtszuges tragen der Kläger 3/4, die Beklagte 1/4, die Kosten der Revision werden gegeneinander aufgehoben.

 

Gründe

I. Die Parteien haben darüber gestritten, ob dem Kläger Vergütung aus der VergGr. V b BAT zusteht.

Der am 24. Dezember 1937 geborene Kläger, der über eine Ausbildung zum Koch und Bürokaufmann verfügt, ist seit dem 1. Oktober 1986, zunächst befristet, seit dem 1. Oktober 1987 unbefristet bei der Beklagten tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit und einzelvertraglicher Inbezugnahme der Bundes-Angestelltentarifvertrag in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände jeweils geltenden Fassung (BAT/VKA) mit seinen Vergütungsordnungen der Anlage 1 a Anwendung. Der Kläger ist als Sachbearbeiter für das Kassen- und Mahnwesen zuständig. Bei Einstellung erhielt er Vergütung nach VergGr. VII BAT. Mit Schreiben vom 25. April 1988 teilte die Beklagte ihm mit, er werde „rückwirkend ab 1.10.1987 in die Vergütungsgruppe VI b BAT höhergruppiert”. Mit Schreiben vom 1. Juli 1992 hat der Kläger Vergütung nach VergGr. V b (Fallgr. 1 b) gem. Anlage 1 a zum BAT (Angestellte in Versorgungsbetrieben) geltend gemacht.

Gegen eine vom Kläger erstellte Arbeitsplatzbeschreibung, Stand 1. Januar 1991, hat die Beklagte im Termin vor dem Arbeitsgericht am 8. Oktober 1992 ausdrücklich keine Einwände erhoben. Sie weist unter Nr. 2 einen Vorgang „Mahn- und Klageverfahren” aus, der einen Zeitanteil von 65 % der gesamten vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten ausmacht.

Der Kläger hat geltend gemacht, seine Tätigkeit erfülle die Anforderungen der VergGr. V b Fallgr. 1 b, zumindest aber der VergGr. V b Fallgr. 1 c. Die Tätigkeit im Mahn- und Klageverfahren werde in größeren Stadtwerken von Mitarbeitern nach VergGr. IV b oder sogar von Syndikusanwälten erledigt. Einen mit Schriftsatz vom 28. Dezember 1995 angekündigten Hilfsantrag bezüglich einer Vergütung nach VergGr. V c hat er in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger rückwirkend ab 1. Januar 1992 nach VergGr. V b Fallgr. 1 b des Tarifvertrages zur Änderung der Anlage 1 a zum BAT (Angestellte in Versorgungsbetrieben) zu vergüten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat eingewandt, die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit erfordere keine gründlichen, umfassenden Fachkenntnisse. Unter Hinweis auf das Senatsurteil vom 28. September 1994 (– 4 AZR 542/93 – AP Nr. 185 zu §§ 22, 23 BAT 1975) hat sie sogar das Vorliegen gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse in Abrede gestellt und gemeint, es fielen auch nicht mehr als 50 % selbständige Leistungen an. Angesichts der starken Formalisierung des Mahnverfahrens sei ein Spielraum für selbständige Leistungen nicht gegeben.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, u.a. mit dem Hinweis, daß die Tätigkeiten für Mahnverfahren und Klageverfahren nicht in einem Arbeitsvorgang zusammengefaßt werden könnten. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht – nach Durchführung eines Vorlageverfahrens zum Europäischen Gerichtshof – die Voraussetzungen der VergGr. V b Fallgr. 1 c für die Zeit ab 1. Januar 1994 als erfüllt angesehen und der Klage insoweit stattgegeben, im übrigen die Klage abgewiesen und die Kosten gegeneinander aufgehoben.

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision hat die Beklagte die Abweisung der Klage insgesamt begehrt. Im Laufe des Revisionsverfahrens haben die Parteien eine einvernehmliche außergerichtliche Regelung getroffen und den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Sie stellen wechselseitig Kostenanträge.

II. Gemäß § 91 a ZPO ist nach übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten des Rechtsstreits nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden.

1. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits war ohne die ehrenamtlichen Richter zu treffen.

Wird gemäß § 91 a Abs. 1 Satz 2 ZPO in der Fassung des Rechtspflegevereinfachungsgesetzes vom 17. Dezember 1990 über die Kosten des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung entschieden, so ist für diese Entscheidung der Senat ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter zuständig. Dies folgt aus § 72 Abs. 6 in Verb. mit § 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, wonach die nicht aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergehenden Beschlüsse, soweit nichts anderes bestimmt ist, ohne die ehrenamtlichen Richter erlassen werden (so bereits Beschluß vom 12. Mai 1992 – 7 AZR 239/91 – n.v.).

Nach § 91 a ZPO a.F. hatte die Kostenentscheidung im Fall der übereinstimmenden Erledigungserklärung zwar auch durch einen Beschluß zu ergehen. Hierfür war jedoch stets der gesamte Senat einschließlich der ehrenamtlichen Richter zuständig. Denn die Parteien konnten die Erledigung der Hauptsache grundsätzlich nur in mündlicher Verhandlung erklären (vgl. BGH Urteil vom 17. April 1984 – IX ZR 153/83 – NJW 1984, 1901, zu I 1 a der Gründe; Zöller/Vollkommer, ZPO, 16. Aufl., § 91 a Rz 10). Die Rechtslage ist durch das Rechtspflegevereinfachungsgesetz insoweit geändert worden, als nach der am 1. April 1991 in Kraft getretenen Neufassung des § 91 a Abs. 1 ZPO die Parteien die Erledigung der Hauptsache nicht nur in der mündlichen Verhandlung, sondern auch durch Einreichen eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklären können und die Kostenentscheidung fakultativ aufgrund freigestellter mündlicher Verhandlung oder ohne mündliche Verhandlung ergehen kann, auch wenn kein Fall des § 128 Abs. 2 oder 3 ZPO vorliegt (siehe Hansens, NJW 1991, 953).

Nach § 72 Abs. 6 ArbGG gilt auch in der Revisionsinstanz die Regelung des § 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, wonach die nicht aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergehenden Beschlüsse der Vorsitzende allein erläßt, soweit nichts anderes bestimmt ist. Die systematische Stellung des § 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG gebietet aber eine modifizierende Auslegung im Revisionsverfahren. § 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG schränkt nämlich lediglich den Grundsatz ein, daß die Spruchkörper in der Arbeitsgerichtsbarkeit unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter tätig werden (vgl. § 16 Abs. 2, § 35 Abs. 2, § 41 Abs. 2 ArbGG) und grenzt die Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter im Urteilsverfahren von der Tätigkeit der Berufsrichter ab (BAG Beschluß vom 2. Juni 1954 – 2 AZR 63/53 – BAGE 1, 13 = AP Nr. 1 zu § 53 ArbGG 1953). Eine darüber hinausgehende Stärkung der Stellung des Vorsitzenden des Spruchkörpers ist damit nicht bezweckt (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 3. Aufl., § 41 Rz 10).

Die Vorschrift des § 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG gilt auch für solche Beschlüsse, bei denen mündliche Verhandlung freigestellt ist, wenn das Gericht von der gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch macht, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden (Grunsky, ArbGG, 7. Aufl., § 53 Rz 4 und 5). Damit ist auch die Kostenentscheidung nach § 91 a Abs. 1 ZPO, wenn sie ohne mündliche Verhandlung ergeht, nur von den berufsrichterlichen Mitgliedern des Senats zu treffen (ebenso für die Entscheidung über die weitere sofortige Beschwerde gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 4 – 6 GVG: BAG Beschluß vom 10. Dezember 1992 – 8 AZB 6/92 – BAGE 72, 84 = AP Nr. 4 zu § 17 a GVG).

2. Die Kosten der Revision waren zwischen den Parteien gegeneinander aufzuheben. Das Gericht braucht in rechtlich oder tatsächlich schwierig gelagerten Fällen nicht jede für den Ausgang des Rechtsstreits bedeutsame Frage zu überprüfen, vielmehr kann das Kostenrisiko auf beide Parteien verteilt werden (BAG Urteil vom 12. Juni 1967 – 3 AZR 368/66 – AP Nr. 12 zu § 91 a ZPO).

Abweichend davon waren die Kosten des ersten und zweiten Rechtszuges anteilig zu teilen wie geschehen, § 92 Abs. 1 ZPO.

a) Die von der Beklagten eingelegte Revision war zulässig. Für die Entscheidung über ihre Begründetheit wären allerdings zahlreiche Rechtsfragen zu klären gewesen, deren Ausschlagen zugunsten oder zu Lasten der beiden Parteien im jetzigen Verfahrensstadium nicht endgültig abzuschätzen war. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Bildung des Arbeitsvorganges Nr. 2 „Mahn- und Klageverfahren” in Frage gestellt. In der Revision wäre dies auch ohne ausdrückliche Rüge von Amts wegen als Rechtsfrage zu überprüfen gewesen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats können nämlich auch bei äußerer Ähnlichkeit des Arbeitsablaufs tatsächlich trennbare Tätigkeiten, die tariflich unterschiedlich zu bewerten wären, nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammen gefaßt werden (Urteil vom 19. April 1978 – 4 AZR 721/76 – BAGE 30, 229 = AP Nr. 6 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Hinsichtlich der tariflichen Anforderungen ist dem Landesarbeitsgericht darin zuzustimmen, daß es für eine Eingruppierung in VergGr. V b Fallgr. 1 b am Erfordernis der gründlichen, umfassenden Fachkenntnisse fehlt. Ob es für die Bestimmung der Darlegungs- und Beweislast bezüglich der vom Landesarbeitsgericht bejahten Fallgr. 1 c der VergGr. V b auf Fragen der unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 2 Abs. 2 Buchst. c Ziff. i der Richtlinie 91/533/EWG ankommt, mag dahinstehen. Immerhin hat der Europäische Gerichtshof die entsprechende Anfrage des Landesarbeitsgerichts ausdrücklich unbeantwortet gelassen mit dem Hinweis, daß sich der deutsche Gesetzgeber im Nachweisgesetz für die Alternative der Ziff. ii entschieden habe.

Der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat mit Urteil vom 11. Juni 1997 (– 10 AZR 724/95 – AP Nr. 6 zu § 20 BMT-G II) verlangt, daß der Arbeitgeber im Rechtsstreit um die Wirksamkeit einer korrigierenden Rückgruppierung bei unveränderter Tätigkeit des Arbeitnehmers darlegen müsse, warum und inwieweit seine bisherige Bewertung der Tätigkeit fehlerhaft war und deshalb die Eingruppierung korrigiert werden muß. Dazu bedürfe es einer nachvollziehbaren Erläuterung der ursprünglichen und der jetzigen Stellenbewertung. Das Landesarbeitsgericht hat insofern zutreffend begründet, daß die von der Beklagten seit dem 1. Oktober 1987 an den Kläger gewährte Vergütung nach VergGr. VI b BAT die Bejahung gründlicher und vielseitiger Kenntnisse als „Normaltätigkeit” des mittleren Dienstes einschließt. Soweit die Beklagte meint, die Darlegung eines entsprechenden Bewertungsirrtums durch Hinweis auf die Entscheidung des Vierten Senats vom 28. September 1994 (– 4 AZR 542/93 – AP Nr. 185 zu §§ 22, 23 BAT 1975) ersetzen zu können, ist darauf zu verweisen, daß die Klage in jenem Fall am fehlenden hinreichend schlüssigen Sachvortrag des Klägers gescheitert ist. Das läßt einen zwingenden Schluß aus jener Entscheidung auf den voraussichtlichen Ausgang dieses Verfahrens nicht zu.

Auf die Frage der Darlegungslast stützt das Landesarbeitsgericht im übrigen lediglich die Ausführungen zu den Anforderungen gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse. Das Vorliegen selbständiger Leistungen hat das Landesarbeitsgericht anhand eigener Subsumtion bejaht. Die revisionsrechtliche Überprüfung wäre insofern darauf beschränkt, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff als solchen verkannt hat, ob ihm bei seiner Anwendung Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze unterlaufen sind und ob es alle entscheidungserheblichen Tatumstände berücksichtigt hat (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur BAGE 51, 282 = AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Der endgültige Prozeßausgang war daher bei der gebotenen summarischen Prüfung durch den Senat noch nicht abschätzbar.

b) In der Revision ist aber nur ein Teil des Streitgegenstandes angefallen, da der Kläger die teilweise Klageabweisung durch das Landesarbeitsgericht nicht angegriffen hat. Für den ersten und zweiten Rechtszug ist daher eine gesonderte Kostenquote unter Berücksichtigung der rechtskräftigen Teilentscheidung zu bilden.

Das Landesarbeitsgericht hatte den Kostenanteil des Kläger wegen der teilweisen Klageabweisung zutreffend auf 50 % festgesetzt. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus dem anteiligen Obsiegen und Unterliegen, gemessen an dem vom Streitgegenstand abhängigen Gebührenstreitwert (vgl. nur Zöller/Herget, ZPO, 21. Aufl., § 92 Rz 2). Der Streitwert für Eingruppierungsfeststellungsklagen bemißt sich pauschalierend höchstens auf den dreijährigen Unterschiedsbetrag gemäß § 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG; bis zur Klageerhebung entstandene Rückstände werden nicht hinzugerechnet. Die Klage ist am 2. September 1992 erhoben worden. Vom zeitlichen Rahmen des § 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG wird damit der Zeitraum bis August 1995 abgedeckt. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage für etwa den halben Zeitraum, nämlich vom 1. September 1992 bis zum 31. Dezember 1993 abgewiesen. Werden für die verbleibende Hälfte die Kosten wie in der Revision gegeneinander aufgehoben, ergibt sich insgesamt eine Kostenlast des Klägers von 3/4, der Beklagten von 1/4.

 

Unterschriften

Schliemann, Bott, Friedrich

 

Fundstellen

Haufe-Index 436174

BB 2000, 520

DB 2000, 152

EBE/BAG 2000, 2

FA 1999, 370

NZA 2000, 279

www.judicialis.de 1999

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