Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitszeit von Postzustellern

 

Leitsatz (amtlich)

  • Legt ein mit dem Betriebsrat vereinbarter Dienstplan für Postzusteller das Ende der täglichen Arbeitszeit fest, so ist mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen, daß dieses Dienstende entsprechend den im Betrieb angewandten Arbeitszeitrichtlinien nur einen Durchschnittswert markiert. Die Überschreitung des dienstplanmäßigen Arbeitszeitendes ist von der mitbestimmten Arbeitszeitregelung gedeckt und stellt keine Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG dar.
  • Gegen eine solche Regelung bestehen keine Bedenken, wenn der Arbeitgeber nach den gewählten Verfahrensgrundsätzen das Ende der tatsächlichen Arbeitszeit nicht durch Veränderung der Zustellbezirke beliebig beeinflussen kann.
 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Nrn. 2-3; PostPersRG § 24; TVArb Bundespost § 5

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Beschluss vom 26.02.1998; Aktenzeichen 6 TaBV 65/97)

ArbG Köln (Beschluss vom 18.06.1997; Aktenzeichen 15 BV 207/96)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 26. Februar 1998 – 6 TaBV 65/97 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Überschreitung des dienstplanmäßig vorgesehenen Arbeitszeitendes durch Paketzusteller.

Die Arbeitgeberin ist ein Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost. Sie betreibt u.a. die Zustellung von Paketsendungen durch ihre Niederlassung Frachtpost in Köln, in der 1.596 Mitarbeiter beschäftigt sind. Der Antragsteller ist der dort gewählte Betriebsrat. Die Niederlassung ist in elf räumlich getrennte Zustellbasen aufgeteilt, von denen aus die Endverteilung durch Zusteller erfolgt. Diese stehen teils in einem Beamtenverhältnis, teils in einem Arbeitsverhältnis. Auf die Arbeitsverhältnisse finden die Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Post AG Anwendung.

Für die Arbeitszeit der im Beamtenverhältnis stehenden Zusteller gelten die Vorschriften der Arbeitszeitverordnung in der jeweiligen Fassung [vgl. § 1 der Verordnung zur Regelung der Arbeitszeit für die bei der Deutschen Post AG beschäftigten Beamten (Post-Arbeitszeitverordnung 1998 – Post-AZV 1998) vom 6. Oktober 1998 (BGBl. I, 3145), die die insoweit inhaltsgleiche Verordnung zur Regelung der Arbeitszeit der Beamten der Deutschen Bundespost (Postarbeitszeitverordnung – PostAZV) vom 9. Dezember 1993 (BGBl. I, 2035) ersetzt hat]. Auch die Arbeitszeit der im Arbeitsverhältnis stehenden Zusteller regelt sich gemäß § 5 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 des Tarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundespost vom 6. Januar 1955 (TV Arb) nach den für die Beamten der Deutschen Bundespost jeweils geltenden Vorschriften, soweit tariflich nichts anderes bestimmt ist.

Die aufgrund von § 72 Abs. 4 Bundesbeamtengesetz (BBG) erlassene Verordnung über die Arbeitszeit der Bundesbeamten (Arbeitszeitverordnung – AZV) vom 24. September 1974 (BGBl. I, 2357) bestimmt:

“§ 9 Ort und Zeit der Dienstleistung

Der Dienst ist grundsätzlich an der Dienststelle und innerhalb der regelmäßigen Dienststunden zu leisten, soweit nicht eine andere Regelung erforderlich oder zweckmäßig ist.”

Zur Arbeitszeitverordnung erließ die Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin für ihren Bereich Ausführungsbestimmungen:

“Ausführungsbestimmungen zu § 9 AZV:

  • Die Arbeitszeiten sind für alle Arbeitskräfte, die dem Geltungsbereich dieser VO (s. § 11) unterliegen, in einem Dienstplan nachzuweisen; lediglich für die Dienstvorgesetzten (Pr, Niederlassungsleiter) bedarf es eines solchen Nachweises nicht.
  • Die Arbeitszeit beginnt und endet grundsätzlich am Arbeitsplatz; Abweichungen von diesem Grundsatz werden gesondert geregelt.
  • Die Arbeitszeit eines Zustellers gilt an den einzelnen Tagen jeweils mit dem tatsächlichen Ende seiner Arbeit als beendet.”

Die Ausführungsbestimmungen für die Arbeitszeiten im Zustelldienst werden ergänzt durch eine Anlage 1, in der es auf Seite 6 heißt:

  • Überzeitarbeit in besonderen Fällen

    • bei durchschnittlichen Arbeitszeiten
    • im Zustelldienst
    • Allgemeines

    Das im Dienstplan angegebene Ende der täglichen Arbeitszeit gilt nur als Durchschnittswert. Überschreitungen dieses Durchschnittswerts sind deshalb nicht von vornherein als Überzeitarbeit anzuerkennen; insoweit gilt hier grundsätzlich nicht die Regelung, daß Überzeitarbeit bei der Überschreitung der dienstplanmäßigen täglichen Arbeitszeit entsteht (vgl. auch Einführungs-Vfg 322-2 8620-0 vom 23.10.1974 zu den TV Nr. 334/335).

    Überzeitarbeit im Zustelldienst (ausgenommen Eilzustelldienst) ergibt sich nur bei einem

    • zusätzlichen Zeitbedarf infolge überprüfungsbedürftiger Bemessung (s. Unter 2.2.1.3.2) oder
    • vorübergehenden zusätzlichen Zeitbedarf (s. unter 2.2.1.3.3).

Die konkrete Arbeitszeit der Zusteller wird durch Dienstpläne geregelt, die für jede Zustellbasis von Arbeitgeberin und Betriebsrat gemeinsam erstellt worden sind. Die Dienstpläne sehen ein sechswöchig rollierendes Ein-Schicht-System an wöchentlich sechs Arbeitstagen mit einem freien Tag vor. Der tägliche Dienstbeginn und das tägliche Dienstende sind im Dienstplan festgelegt. Dabei gehen die Betriebspartner für die Verteilung der Paketsendungen durch die einzelnen Zustellbasen von einem Arbeitszeitbedarf aus, der in einem an REFA angelehnten Verfahren ermittelt wird. Dieses wird regelmäßig aktualisiert.

Tatsächlich kehren die Zusteller in der Regel nicht pünktlich zu dem jeweils vorgesehenen Dienstende in die Zustellbasen zurück, sondern beenden die tägliche Zustelltour teils früher, teils später.

Der Betriebsrat meint, die tatsächliche Überschreitung des im Dienstplan vereinbarten Dienstendes sei gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Die Mitbestimmung sei weder durch gesetzliche noch durch tarifliche Regelungen beschränkt (§ 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG). Soweit die Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin die Arbeitszeit durch Ausführungsbestimmungen und weitere Anordnungen einseitig konkretisiert habe, seien diese nicht bindend und durch die Vereinbarung des Dienstplans als Betriebsvereinbarung verdrängt worden. Jedenfalls seien bestehende gesetzliche oder tarifliche Regelungen nicht abschließend, weil sie den Schutzzweck des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ignorierten.

Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß die Überschreitung der durch Dienstplan festgelegten Arbeitszeiten der Zustellerinnen und Zusteller der Niederlassung Frachtpost Köln der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt,

hilfsweise

festzustellen, daß die Überschreitung der durch Dienstplan festgelegten Arbeitszeiten der Zustellerinnen und Zusteller der Niederlassung Frachtpost Köln, die nicht im Beamtenverhältnis stehen, der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie hält die Anträge für unzulässig, weil sie zu unbestimmt seien und das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Jedenfalls seien sie unbegründet. Dem Betriebsrat stehe kein Mitbestimmungsrecht zu. Es fehle bereits an einem Regelungsspielraum der Betriebsparteien, weil das Ende der täglichen Dienstzeit der Zusteller durch gesetzliche bzw. tarifliche Bestimmungen abschließend geregelt sei (§ 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG). Nach Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen zu § 9 AZV gelte die Arbeitszeit eines Zustellers an den einzelnen Tagen jeweils mit dem tatsächlichen Ende seiner Arbeit als beendet. Das sei dann der Fall, wenn er sämtliche in seinem Zustellbezirk anfallenden Sendungen zugestellt oder wenigstens einen Zustellversuch unternommen habe. Der Dienstplan gebe lediglich die tägliche Durchschnittsarbeitsleistung eines Zustellers in seinem Zustellbezirk an. Das Arbeitsende des jeweiligen Zustellers lege er dagegen nicht fest.

Im übrigen habe der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht durch die Zustimmung zu den ungekündigten Dienstplanen tatsächlich ausgeübt. Der Dienstplan der jeweiligen Zustellbasis berücksichtige bereits Mehr- und Minderleistungen der Zusteller, weil er nur Durchschnittsarbeitsleistungen der Zusteller festlege. Als Überzeitarbeit seien allein die in den Teilziffern 2.2.1.3.2 und 2.2.1.3.3 der Anlage 1 der Ausführungsbestimmungen zur AZV genannten Fallgruppen anzusehen, die hier aber nicht streitig seien.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen zweitinstanzlichen Haupt- und Hilfsantrag weiter. Die Arbeitgeberin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Anträge im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die streitigen Überschreitungen der dienstplanmäßig festgelegten Arbeitszeiten sind durch die derzeit im Betrieb geltende Arbeitszeitregelung gedeckt. Insoweit hat der Antragsteller sein Mitbestimmungsrecht bereits ausgeübt.

  • Die Anträge sind zulässig.

    • Beide Anträge bedürfen allerdings der Auslegung. Sie erfassen nach ihrem Wortlaut jede tatsächliche Überschreitung des dienstplanmäßigen Arbeitsendes. Hierunter fallen auch die Sondertatbestände der Teilziffer 2.2.1.3.2 (zusätzlicher Zeitbedarf infolge überprüfungsbedürftiger Bemessung) sowie der Teilziffer 2.2.1.3.3 (vorübergehender zusätzlicher Zeitbedarf) der Anl. 1 der Ausführungsbestimmungen zur AZV. Diese Sonderfälle stehen zwischen den Beteiligten aber nicht im Streit. Umstritten sind allein die “regelmäßigen” Überschreitungen des festgelegten Arbeitsendes, die auf schwankendes Frachtaufkommen im Zustellbezirk und/oder individuelles Arbeitsverhalten der Zusteller zurückzuführen sind. Die Anträge sind ersichtlich auf diese Sachverhalte beschränkt.

      Mit der Feststellung seines Mitbestimmungsrechts bei derartigen regelmäßigen Überschreitungen geht es dem Betriebsrat nicht um die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Aus seiner Sicht liegt das regelmäßige Ende der Arbeitszeit fest. Der Betriebsrat berühmt sich vielmehr eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Er wertet die wiederholten Überschreitungen des im Dienstplan vorgesehenen Dienstendes als vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit. Dieses Verständnis gilt sowohl für den Hauptantrag wie für den Hilfsantrag. Der Hilfsantrag unterscheidet sich vom Hauptantrag nur dadurch, daß er das Feststellungsbegehren auf die angestellten Zusteller beschränkt. Dieses Antragsziel ist an sich schon im Hauptantrag enthalten.

      Mit dem so verstandenen Inhalt sind die Anträge bestimmt genug. Der Antragsteller hat auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse an der begehrten Feststellung. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann ein Streit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über Bestand und Inhalt eines Mitbestimmungsrechts im Wege eines allgemeinen Feststellungsverfahrens geklärt werden (z.B. Senatsbeschluß vom 16. Juni 1998 – 1 ABR 67/97 – AP Nr. 92 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung).

  • Haupt- und Hilfsantrag sind aber unbegründet. Der Betriebsrat hat das begehrte Mitbestimmungsrecht weder hinsichtlich der beamteten noch hinsichtlich der angestellten Zusteller.

    • Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Betriebsrat habe sein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG durch die gemeinsame Aufstellung der Dienstpläne bereits ausgeübt. Die nur faktische Überschreitung der im Dienstplan festgelegten Arbeitszeiten begründe kein weitergehendes Mitbestimmungsrecht. Die Aufstellung tagesaktueller Dienstpläne mit präzisem Arbeitsende des jeweiligen Zustellers sei aufgrund ständiger Schwankungen der Arbeitsmenge unmöglich. Deshalb fingiere Abs. 3 der Ausführungsbestimmungen zu § 9 AZV das Ende der Arbeitszeit abweichend vom Dienstplan. Für ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG fehle es an einer Anordnung oder Duldung von Überarbeit durch die Arbeitgeberin. Es gebe auch keinen mitbestimmungspflichtigen Regelungsspielraum. Nach Teilziffer 2.2.1.3.1 der Anlage 1 der Ausführungsbestimmungen zur AZV bezeichneten die Arbeitszeiten des Dienstplans nur Durchschnittswerte. Dies sei sachgerecht, weil sich die täglichen Unter- bzw. Überschreitungen des Dienstplanendes regelmäßig ausglichen. Als Überzeitarbeit werde dagegen der zusätzliche Zeitbedarf infolge überprüfungsbedürftiger Bemessung oder wegen vorübergehender Erhöhung der Arbeitsmenge behandelt.

      Dem ist im Ergebnis und teilweise auch in der Begründung zu folgen.

    • In der Rückkehr der Zusteller erst nach dem im Dienstplan festgelegten Dienstende liegt keine vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit gem. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Das festgelegte Dienstende markiert lediglich einen fiktiven Durchschnittswert. Das Ende der täglichen Regelarbeitszeit ergibt sich demgegenüber aus der tatsächlichen Beendigung der “normalen” Zustellung. Sie kann vor oder nach dem im Dienstplan festgelegten Zeitpunkt liegen. Dieser Arbeitszeitregelung hat der Betriebsrat durch die Genehmigung des Dienstplans gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zugestimmt. Da der Dienstplan (bzw. die jeweiligen Dienstpläne für die einzelnen Zustellbasen) nach den mit Verfahrensrügen nicht angefochtenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und eine Kündigung nicht behauptet worden ist, liegt eine mitbestimmte Regelung vor, die die hier streitige Frage erledigt.

      • Zugunsten des Antragstellers kann dabei davon ausgegangen werden, daß sein Mitbestimmungsrecht weder hinsichtlich der Beamten (vgl. § 24 Abs. 2 Post-PersRG) noch hinsichtlich der Angestellten durch eine gesetzliche oder tarifliche Regelung ausgeschlossen ist (§ 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG). Für diese Annahme spricht manches, auch wenn es im Streitfall einer letzten Klärung nicht bedarf. Hinsichtlich einer Bindung an gesetzliche Vorschriften ist zu berücksichtigen, daß die Sonderregelungen für Zusteller nicht in der Arbeitszeitverordnung selbst enthalten sind, sondern nur in den vom Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen erlassenen Ausführungsbestimmungen. Als innerbehördliche Verfügungen oder Erlasse wirken sie zwar gem. § 16 PostUmwG fort, bis sie durch die jetzt zuständige Stelle abgeändert werden (s. dazu Senatsbeschluß vom 23. März 1999 – 1 ABR 32/98 – n.v., zu B 2a bb der Gründe). Dies ist aber die Arbeitgeberin selbst, die nach § 1 Abs. 1 PostPersRG ermächtigt ist, die dem Dienstherrn Bund obliegenden Rechte und Pflichten gegenüber den bei ihr beschäftigten Beamten wahrzunehmen, soweit im einzelnen nichts anderes bestimmt ist; diese Kompetenz dürfte auch Ausführungsbestimmungen zur Arbeitszeitverordnung decken. Eine das Mitbestimmungsrecht ausschließende Bindung der Arbeitgeberin dürfte daher nicht gegeben sein.

        Die für die im Arbeitsverhältnis beschäftigten Zusteller geltenden tariflichen Arbeitszeitbestimmungen nehmen im wesentlichen nur auf die jeweiligen Arbeitszeitbestimmungen für Beamte Bezug (zur Zulässigkeit dieser Verweisung s. BAG Urteil vom 28. Juli 1988 – 6 AZR 349/87 – BAGE 59, 177, 182 f. = AP Nr. 1 zu § 5 TVArb Bundespost, zu II 1a und b der Gründe; BAG Urteil vom 10. November 1994 – 6 AZR 405/94 –, n.v., zu I 1a der Gründe). Die Arbeitgeberin kann aber die in Bezug genommenen Vorschriften für Beamte ändern und sich deshalb wohl insoweit gegenüber dem Betriebsrat nicht auf eine Bindung berufen, die das Mitbestimmungsrecht mangels verbleibenden Regelungsspielraums ausschließen würde. Es ist daher nicht einzusehen, warum sie sich dann auf eine tarifliche Bindung sollte berufen können, die zu ändern (durch Änderung der in Bezug genommenen Regelungen) sie gleichfalls in der Lage wäre. Eine solche Bindung wäre allenfalls bei einer statischen Verweisung anzunehmen, die hier aber gerade nicht vorliegt und auch nicht gewollt war. Sinn der tariflichen Regelung ist es vielmehr, eine einheitliche Arbeitszeitregelung für die unterschiedlichen Beschäftigungsgruppen zu erreichen.

      • Einer abschließenden Entscheidung der Frage bedarf es jedoch nicht. Selbst wenn man eine Bindung der Arbeitgeberin an gesetzliche oder tarifliche Vorgaben verneint, steht dem Betriebsrat das hier geltend gemachte Mitbestimmungsrecht nicht zu.

        Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte sind die für die jeweiligen Zustellbasen vereinbarten Dienstpläne dahin auszulegen, daß die Betriebspartner einen Dienstplan im Sinne der Ausführungsbestimmungen zu § 9 AZV und der dazu ergangenen Anlage festlegen wollten. Danach gilt aber das dienstplanmäßige Ende der Arbeitszeit im Zustelldienst nur als Durchschnittswert. Notwendiger Bestandteil dieser fiktiven Festlegung ist die in den Ausführungsbestimmungen enthaltene Regelung, daß die Arbeitszeit eines Zustellers mit dem tatsächlichen Ende der Arbeit als beendet gilt. Wenn der Antragsteller das anders gesehen hätte, wäre angesichts der langjährigen Praxis bei der Festlegung der Arbeitszeiten und angesichts der bestehenden Ausführungsbestimmungen zu erwarten gewesen, daß er dies bei Abschluß der Dienstpläne zum Ausdruck gebracht hätte. Dieses Auslegungsergebnis gilt unabhängig davon, ob man die Dienstpläne als formgültige Betriebsvereinbarungen (so offensichtlich der Antragsteller selbst) oder nur als Regelungsabreden betrachtet, mit denen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ausgeübt wurde.

        Daß das dienstplanmäßige Ende nicht zugleich das tatsächliche Ende der Arbeitszeit bestimmen sollte, wird dadurch bestätigt, daß selbst nach Auffassung des Antragstellers bei vorzeitiger Beendigung der Zustellung das Ende der Arbeitszeit mit dem tatsächlichen Arbeitsende zusammenfällt. Dies entspricht aber ebenfalls den Ausführungsbestimmungen.

      • Bedenken gegen die Wirksamkeit einer solchen Regelung bestehen nicht. Ein Betriebsrat kann zwar sein Mitbestimmungsrecht nicht in der Weise ausüben, daß er dem Arbeitgeber das alleinige Gestaltungsrecht über den mitbestimmungspflichtigen Tatbestand eröffnet (vgl. dazu zuletzt Senatsbeschluß vom 17. November 1998 – 1 ABR 12/98 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu B II 2a bb der Gründe). Dies ist aber bei der Arbeitgeberin auch nicht der Fall. Der das Ende der Arbeitszeit beeinflussende Arbeitsumfang kann dem Zusteller nicht nach Belieben zugewiesen werden, sondern wird in einem festgelegten Verfahren nach REFA-Grundsätzen ermittelt. Inwieweit dem Betriebsrat dabei Mitbestimmungsrechte (etwa nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 oder Nr. 11 BetrVG) zustehen, ist nicht Streitgegenstand. Die fiktive Festsetzung des Endes der Dienstzeit sichert die Zusteller zusätzlich gegen eine unkontrollierte einseitige Zuweisung von Arbeiten. Nach den für die Beamten geltenden Ausführungsbestimmungen können diese verlangen, daß die Bemessung der zugewiesenen Arbeiten überprüft wird. Für die Arbeitnehmer ist dies tariflich ausdrücklich festgelegt. Gemäß § 6 Abs. 4 TV Nr. 22 vom 25. April 1997 kann der Zusteller die Überprüfung auf Überlastung reklamieren, wenn die aufgezeichneten Rückkehrzeiten in den Monaten Januar bis Oktober die täglich ausgewiesenen Dienstplanenden an zwölf Tagen innerhalb von vier Wochen um mindestens eine Stunde überschreiten.

        Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben kann nicht gesagt werden, daß die Anbindung des Endes der täglichen Arbeitszeit an die Erledigung des jeweiligen Zustellaufkommens der Arbeitgeberin ein unbeschränktes einseitiges Gestaltungsrecht hinsichtlich der Arbeitszeit verschaffte. Eine solche Regelung ist auch sachlich gerechtfertigt. Angesichts des von der Arbeitgeberin nicht zu beeinflussenden schwankenden Arbeitsanfalls und angesichts der Unwägbarkeiten, die durch die Teilnahme der Zusteller am Straßenverkehr bedingt sind, läßt sich ein starres Ende der täglichen Arbeitszeit kaum festlegen – abgesehen davon, daß sich auch das individuelle Arbeitstempo der im Außendienst tätigen Zusteller nicht kontrollieren läßt. Schließlich liegt eine solche “offene” Regelung auch im Interesse der Arbeitnehmer selbst, da bei einer vor dem Dienstplanende liegenden Erledigung der Zustellungen die Arbeitszeit entsprechend früher beendet ist (was der Antragsteller auch nicht abschaffen will).

    • Die Überschreitung des dienstplanmäßig festgelegten Arbeitsendes verstößt demnach nicht gegen die mitbestimmte Arbeitszeitregelung. Sie ist vielmehr deren Bestandteil, indem diese das Ende der Arbeitszeit in zulässiger Weise an das tatsächliche Arbeitsende anbindet. Damit steht fest, daß hierin allein keine mitbestimmungspflichtige vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeiten im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG liegen kann. Dies gilt sowohl für die beamteten wie für die in einem Arbeitsverhältnis stehenden Zusteller; ein Unterschied zwischen den beiden Gruppen wird in den Dienstplänen nicht gemacht.
 

Unterschriften

Dieterich, Wißmann, Rost, Spiegelhalter, Lappe

 

Fundstellen

Haufe-Index 871677

BB 1999, 1930

BB 1999, 2674

BB 1999, 792

DB 1999, 746

ARST 1999, 142

FA 1999, 200

FA 1999, 335

NZA 1999, 1230

ZTR 1999, 527

AP, 0

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge