Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslandsdienstreisen als mitbestimmungspflichtige Versetzung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einer (Auslands-) Dienstreise kann nicht generell aus der Notwendigkeit einer auswärtigen Übernachtung auf eine erhebliche Änderung der Arbeitsumstände iSd. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG geschlossen werden. Ob eine mitbestimmungspflichtige Versetzung vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.

 

Normenkette

BetrVG §§ 95, 99-100, 118

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Zwischenurteil vom 04.05.1998; Aktenzeichen 6 TaBV 90/97)

ArbG Bonn (Zwischenurteil vom 08.10.1997; Aktenzeichen 2 BV 63/97)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 4. Mai 1998 – 6 TaBV 90/97 – wird zurückgewiesen.

 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Anordnung und Durchführung von Auslandsdienstreisen mit mindestens einer auswärtigen Übernachtung der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt.

Antragsteller (Beteiligter zu 1) ist der für den Betrieb des Arbeitgebers (Beteiligter zu 2) gebildete Betriebsrat. Der Arbeitgeber, ein eingetragener Verein, verfolgt das Ziel, die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Ausland zu festigen und das Verständnis für Deutschland im Ausland zu vertiefen (§ 2 der Satzung – siehe BAG 21. Juli 1998 – 1 ABR 2/98 – BAGE 89, 228). Zur Erfüllung der dabei anfallenden Aufgaben werden immer wieder Mitarbeiter auf Dienstreisen unterschiedlicher Dauer ins Ausland gesandt.

Der Arbeitgeber hat mit Schreiben vom 19. Dezember 1996 dem Betriebsrat mitgeteilt, daß der Angestellte Dr. B zugestimmt habe, eine viermonatige Dienstreise in die USA zu unternehmen, um die Bearbeitung eines Fernsehsprachkurses zu betreuen. Der Betriebsrat hat mit Schreiben vom 8. Januar 1997 darauf hingewiesen, daß es sich bei dieser Dienstreise um eine Versetzung gem. § 95 Abs. 3 BetrVG handle und um die „dazu notwendigen vollständigen Unterlagen” gebeten. Nachdem die Dienstreise dann von Herrn Dr. B ohne Zustimmung des Betriebsrats durchgeführt worden war, protestierte dieser beim Arbeitgeber mit Schreiben vom 28. Januar 1997.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, bei mehrtägigen Auslandsdienstreisen handle es sich um mitbestimmungspflichtige Versetzungen iSv. § 95 Abs. 3, § 99 Abs. 1 BetrVG. In der Zuweisung eines anderen Arbeitsortes liege in diesen Fällen auch bei sonst gleichbleibender Tätigkeit die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs iSv. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Angesichts der erheblichen Änderung der Umstände, die mit einem Ortswechsel ins Ausland verbunden seien, stellten auch Dienstreisen mit geringerer Dauer als einem Monat jedenfalls dann eine mitbestimmungspflichtige Versetzung in diesem Sinne dar, wenn sie mit mindestens einer Übernachtung im Ausland verbunden seien.

In der Beschwerdeinstanz hat der Betriebsrat zuletzt beantragt:

  1. festzustellen, daß die Anordnung und Durchführung von Auslandsdienstreisen von Mitarbeitern/innen mit mindestens einer auswärtigen Übernachtung seinem Mitbestimmungsrecht gemäß §§ 99, 100 BetrVG unterliegt,

    hilfsweise,

  2. festzustellen, daß die Anordnung und Durchführung von Auslandseinsätzen von Mitarbeitern/innen, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreiten, dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gemäß §§ 99, 100 BetrVG unterliegt.

Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

Er hat gemeint, eine Änderung des Arbeitsbereichs liege nicht vor. Mehrtägige Auslandsdienstreisen seien nach der Eigenart der Arbeitsverhältnisse von vornherein Bestandteil der Arbeitsverpflichtung der Mitarbeiter und damit für den Arbeitsbereich prägend. Jedenfalls führe nicht jede kurzfristige Reise notwendigerweise zu einer erheblichen Änderung der Arbeitsumstände. Insoweit könne der Globalantrag des Betriebsrats keinen Erfolg haben, da die Anordnung und Durchführung von Auslandsdienstreisen nicht in jeder denkbaren Fallgestaltung mitbestimmungspflichtig sei. Es komme ganz wesentlich auf die Umstände des Einzelfalles an. Die überwiegende Zahl der Dienstreisen beschränke sich aber auf Auslandsaufenthalte von zwei bis drei Tagen, bei denen es sich im Grunde um „Bagatellfälle” handle. Seinen zunächst erhobenen Einwand, sein Betrieb sei ein Tendenzbetrieb iS des § 118 Abs. 1 BetrVG, hat er nach der Entscheidung des Senats vom 21. Juli 1998 (– 1 ABR 2/98 – BAGE 89, 226) nicht mehr aufrechterhalten.

Das Arbeitsgericht hat dem – ursprünglich alle Auslandsdienstreisen umfassenden – Hauptantrag stattgegeben. Auf die Beschwerde des Arbeitgebers hat das Landesarbeitsgericht unter teilweiser Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts festgestellt, „daß die Anordnung und Durchführung von Auslandseinsätzen von Mitarbeitern/innen, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreiten, dem Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats gemäß den §§ 99, 100 BetrVG mit der Einschränkung nach § 118 Abs. 1 BetrVG unterliegt”, und die Beschwerde im übrigen zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen zuletzt in der Beschwerdeinstanz gestellten Hauptantrag weiter. Der Arbeitgeber beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

B. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, daß der Hauptantrag des Betriebsrats zwar zulässig, in seiner weiten Fassung aber unbegründet ist, weil nicht jede Anordnung und Durchführung von Auslandsdienstreisen mit mindestens einer auswärtigen Übernachtung dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach den §§ 99, 100 BetrVG unterliegt.

I. Der Antrag ist zulässig.

Streiten die Betriebsparteien über den Bestand, den Inhalt oder den Umfang eines Mitbestimmungsrechts, so kann dieser Streit im Wege eines allgemeinen Feststellungsverfahrens geklärt werden (Senatsbeschluß 15. Dezember 1998 – 1 ABR 9/98 – AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 56 = EzA BetrVG 1972 § 80 Nr. 43, zu B I 3 der Gründe; Senatsbeschluß 22. April 1997 – 1 ABR 77/96 – AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 88 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 60, zu B I der Gründe).

Für den Feststellungsantrag des Betriebsrats besteht auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Der Betriebsrat kann die Frage, ob bei personellen Einzelmaßnahmen im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG ein Beteiligungsrecht besteht, auch losgelöst vom Einzelfall klären lassen, wenn eine konkrete Maßnahme zwar abgeschlossen ist, aber für die Zukunft mit ähnlichen Streitfällen zu rechnen ist (BAG 1. August 1989 – 1 ABR 51/88 – AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 17 = EzA BetrVG 1972 § 95 Nr. 16, zu B I 2 der Gründe). Diese Voraussetzung liegt hier vor. Mehrtägige Auslandsdienstreisen von bis zu einem Monat fallen immer wieder an.

Bei dem Antrag des Betriebsrats handelt es sich um einen sog. Globalantrag, der eine Vielzahl von Fallgestaltungen umfaßt. Er unterliegt hinsichtlich seiner Bestimmtheit (§ 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO) keinen Bedenken (BAG 3. Mai 1994 – 1 ABR 24/93 – BAGE 76, 364, zu II A der Gründe; ErfK/Eisemann § 81 ArbGG Rn. 2). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Globalantrag jedoch unbegründet, wenn der geltend gemachte Anspruch nicht in jeder Fallgestaltung besteht.

II. Der Antrag des Betriebsrats ist nicht begründet. Bei den noch im Streit stehenden Maßnahmen „Anordnung und Durchführung von Auslandsdienstreisen/-einsätzen mit mindestens einer auswärtigen Übernachtung” mit zeitlicher Dauer bis zu einem Monat kann nicht in jedem Falle das Vorliegen einer Versetzung im Sinn von § 95 Abs. 3 BetrVG angenommen werden, bei der dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 Abs. 1 BetrVG zusteht.

1. Nach der Legaldefinition in § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG liegt eine Versetzung im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne vor bei der Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Für beide Fälle der Versetzung ist zunächst Voraussetzung, daß ein anderer Arbeitsbereich zugewiesen wird (Däubler/Kittner/Klebe BetrVG 6. Aufl. § 99 Rn. 90). Das BetrVG selbst sagt nicht, was unter einem Arbeitsbereich zu verstehen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats liegt die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs vor, wenn dem Arbeitnehmer ein neuer Tätigkeitsbereich zugewiesen wird, so daß der Gegenstand der geschuldeten Arbeitsleistung, der Inhalt der Arbeitsaufgabe, ein anderer wird und sich das Gesamtbild der Tätigkeit des Arbeitnehmers ändert (BAG 19. Februar 1991 – 1 ABR 21/90 – BAGE 67, 225, zu B II 2 der Gründe). Der Arbeitsbereich ist durch die Aufgaben und die Verantwortung sowie die Art der Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebes umschrieben (Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 19. Aufl., § 99 Rn. 94; Däubler/Kittner/Klebe aaO § 99 Rn. 90; Hess/Schlochauer/Glaubitz BetrVG 5. Aufl. § 99 Rn. 46). Unter Arbeitsbereich ist der konkrete Arbeitsplatz und seine Beziehungen zur betrieblichen Umgebung in räumlicher, technischer und organisatorischer Hinsicht zu verstehen (BAG 2. April 1996 – 1 AZR 743/95 – AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 34 = EzA BetrVG 1972 § 95 Nr. 29; BAG 23. November 1993 – 1 ABR 38/93 – BAGE 75, 97).

Daher ist die Zuweisung eines anderen Arbeitsorts auch bei ihrer Art nach gleichbleibender Tätigkeit als Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs im Sinne von § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG anzusehen (BAG 23. Juli 1996 – 1 ABR 17/96 – AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 26 = EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 55; 18. Oktober 1988 – 1 ABR 26/87 – AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 56 = EzA BetrVG 1972 § 95 Nr. 15; 1. August 1989 – 1 ABR 51/88 – aaO, und 8. August 1989 – 1 ABR 63/88 – BAGE 62, 314). Der Senat hat angenommen, daß bei einer Änderung des Arbeitsorts das Gesamtbild der Tätigkeit des Arbeitnehmers ein anderes wird (BAG 19. Februar 1991 – 1 ABR 21/90 – aaO, zu B II 2 der Gründe). Schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch liege in der Zuweisung eines anderen Dienst- oder Arbeitsortes eine Versetzung (BAG 18. Februar 1986 – 1 ABR 27/84 – BAGE 51, 151, zu B II 1 b der Gründe). Auch in der Literatur wird überwiegend angenommen, daß ein anderer Arbeitsort für sich betrachtet einen anderen Arbeitsbereich darstellt (Fitting/Kaiser/Heither/Engels aaO § 99 Rn. 112; Richardi BetrVG 7. Aufl. § 99 Rn. 98; Hess/Schlochauer/Glaubitz aaO § 99 Rn. 46; Stege/Weinspach BetrVG 8. Aufl. §§ 99 -- 101 Rn. 159; Däubler/Kittner/Klebe aaO § 99 Rn. 95; Schaub Arbeitsrechts-Handbuch 8. Aufl. § 241 II 3 a, mwN; aA Kraft, GK-BetrVG 6. Aufl. § 99 Rn. 64).

2. Nach diesen Grundsätzen, an denen der Senat festhält, ist in der Anordnung der hier streitigen Auslandsdienstreisen die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs zu sehen, denn es liegt jeweils ein nicht nur unbedeutender Ortswechsel vor.

Entgegen der Auffassung des Arbeitgebers wird diese Annahme auch nicht etwa durch § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG ausgeschlossen, wonach die Bestimmung des jeweiligen Arbeitsplatzes (Arbeitsortes) dann nicht als Versetzung gilt, wenn Arbeitnehmer nach der Eigenart ihres Arbeitsverhältnisses üblicherweise nicht ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt werden. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.

§ 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG erfaßt lediglich solche Arbeitsverhältnisse, für die der übliche und ständige Wechsel des Arbeitsplatzes typisch ist (Richardi aaO § 99 Rn. 112 ff.); der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers liegt nicht fest, sondern wechselt üblicherweise (BAG 18. Februar 1986 – 1 ABR 27/84 – aaO). Die Eigenart des Arbeitsverhältnisses selbst muß es mit sich bringen, daß der Arbeitnehmer üblicherweise nicht ständig an einen bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt wird (BAG 2. November 1993 – 1 ABR 36/93 – BAGE 75, 24 mwN). Als Beispiele werden Monteure, Außendienstangestellte, Arbeitnehmer des Baugewerbes, deren Beschäftigungsort mit der Baustelle wechselt, sog. Springer sowie Leiharbeitnehmer genannt, aber auch Auszubildende, soweit der planmäßige Ortswechsel des Arbeitsplatzes üblich und zur Erreichung des Ausbildungszieles erforderlich ist (Fitting/Kaiser/Heither/Engels aaO § 99 Rn. 122).

Dagegen kann nach dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 18. Februar 1986 (– 1 ABR 27/84 – aaO) von einem üblichen und ständigen Wechsel des Arbeitsplatzes dann nicht gesprochen werden, wenn einem Arbeitnehmer nur gelegentlich ein anderer Arbeitsplatz oder Arbeitsort zugewiesen wird. Wie die Aufstellung des Arbeitgebers über durchgeführte Dienstreisen zeigt, werden im Betrieb gelegentlich Auslands- wie auch Inlandsdienstreisen erforderlich. Solche Dienstreisen erfolgen stets nur für eine begrenzte Zeit, die ganz überwiegend kürzer als ein Monat ist. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür und wird auch vom Arbeitgeber nicht behauptet, daß Arbeitnehmer des Betriebs üblicherweise außerhalb ihres Dienstortes in Bonn eingesetzt werden. Vielmehr haben sie ihre zugewiesenen Arbeitsplätze am Betriebssitz des Arbeitgebers in Bonn.

3. Dennoch liegt bei den hier noch in Streit stehenden mehrtägigen und höchstens einen Monat dauernden Auslandsdienstreisen – für länger dauernde hat das Landesarbeitsgericht rechtskräftig ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bejaht – nicht in jedem Fall eine Versetzung iSv. § 95 Abs. 3 BetrVG vor. Nicht immer ist eine solche Auslandsdienstreise mit der nach § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG erforderlichen erheblichen Änderung der Arbeitsumstände verbunden.

a) Der bloße Wechsel des Arbeitsortes allein stellt noch keine erhebliche Änderung der Arbeitsumstände dar (BAG 28. September 1988 – 1 ABR 37/87 – BAGE 59, 371). Solche Umstände, deren erhebliche Änderung die Zuweisung eines anderen Arbeitsortes zu einer mitbestimmungspflichtigen Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 3 Satz 1 iVm. § 99 Abs. 1 BetrVG macht, sind zB längere Fahrzeiten, schwierige Verkehrsverbindungen, veränderte Arbeitszeiten oder stärkere physische und psychische Belastungen (Fitting/Kaiser/Heither/Engels aaO § 99 Rn. 114; Däubler/Kittner/Klebe aaO § 99 Rn. 1101; Hess/Schlochauer/Glaubitz aaO § 99 Rn. 53). Das Bundesarbeitsgericht (19. Februar 1991 – 1 ABR 36/90 – BAGE 67, 236) hat angenommen, daß durch den Zwang zu einer langen Anreise die Gestaltung der Freizeit eingeschränkt wird, so daß die Reise objektiv eine Belastung mit sich bringt.

Eine generalisierende Betrachtungsweise entspricht nicht der Regelung in § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG (BAG 28. September 1988 – 1 ABR 37/87 – aaO, zu B II 3 a der Gründe). Es ist vielmehr anhand des Einzelfalles zu prüfen, ob eine erhebliche Änderung der Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten ist, vorliegt. Dabei ist aus der Sicht eines neutralen Beobachters zu entscheiden, ob die Änderung erheblich ist (Richardi aaO § 99 Rn. 110; Kraft aaO § 99 Rn. 76; Hess/Schlochauer/Glaubitz aaO § 99 Rn. 54).

b) Danach kann der Hauptantrag des Betriebsrats, generell für alle Fälle der Anordnung und Durchführung von Auslandsdienstreisen/-einsätzen von Mitarbeitern des Arbeitgebers mit mindestens einer auswärtigen Übernachtung ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG festzustellen, keinen Erfolg haben. Allein aus der Notwendigkeit einer Übernachtung am auswärtigen Einsatzort kann eine erhebliche Änderung der Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten ist (§ 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG) nicht abgeleitet werden (aA Däubler/Kittner/Klebe aaO § 99 Rn. 101; LAG Brandenburg 7. November 1994 – 6 TaBV 11/94 – AiB 1996, 123). Zutreffend hat insoweit das Landesarbeitsgericht ausgeführt, daß die Auslandseinsätze der Mitarbeiter des Arbeitgebers nicht stets mit einer erheblichen Änderung der Arbeitsumstände verbunden sein müssen. Vielmehr kommen insbesondere bei kürzeren Reisen Fallgestaltungen in Betracht – zB nahes Ausland, deutscher Sprachraum, vertraute Unterkunftsmöglichkeit – bei denen die Belastungen durch den Ortswechsel gering sind. So ist beispielsweise für einen in Bonn beschäftigten Angestellten, dessen Tätigkeit Auslandsbezug hat, die mit einem zweitägigen Aufenthalt in Brüssel verbundene Änderung der Arbeitsumstände nicht erheblich.

Da der Hauptantrag des Betriebsrats somit auch Fälle von mitbestimmungsfreien Dienstreisen erfaßt, ist er als Globalantrag unbegründet und abzuweisen (BAG 18. Oktober 1988 – 1 ABR 26/87 – aaO, zu II B II b der Gründe; 3. Mai 1994 – 1 ABR 24/93 – BAGE 76, 364, zu II C 1 der Gründe).

[1]

 

Unterschriften

Wißmann, Rost, Hauck, Münzer, Brunner

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 21.09.1999 durch Klapp, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 436314

BB 1999, 2085

BB 2000, 1036

DB 1999, 2012

DB 2000, 928

DStR 2000, 603

ARST 2000, 21

ARST 2000, 210

FA 1999, 373

FA 2000, 197

NZA 2000, 781

SAE 2000, 167

AP, 0

AuA 1999, 514

[1] Vorinstanz-Aktenzeichen,

Verkündungsdatum

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