Entscheidungsstichwort (Thema)

Versetzung eines Betriebsratsmitglieds in anderen Betrieb

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird der Antrag des Arbeitgebers, mit dem dieser die Ersetzung der Zustimmung zur Versetzung eines Betriebsratsmitglieds begehrt, durch Beschluß mit der Begründung abgewiesen, die Zustimmung des Betriebsrats des abgebenden Betriebes sei nicht erforderlich, so nehmen auch diese tragenden Gründe an der inneren Rechtskraft teil.

Der Inhalt dieses Beschlusses ist bei präjudizieller Abhängigkeit in einem neuen Verfahren zwischen denselben Beteiligten zugrunde zu legen.

2. per Senat erwägt, ob bei der auf Dauer gedachten Versetzung eines Betriebsratsmitglieds gegen seinen Willen von einem Betrieb des Unternehmens in einen anderen die, Zustimmung des Betriebsrats des abgebenden Betriebs analog § 103 BetrVG erforderlich ist.

 

Normenkette

BetrVG §§ 78, 24 Abs. 1 Nr. 3, § 99 Abs. 2, 3 S. 2, §§ 100, 103; ZPO §§ 322, 705; ArbGG § 2a Abs. 1 Nr. 1, § 80 Abs. 1, § 10

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Beschluss vom 11.01.1989; Aktenzeichen 3 TaBV 86/88)

ArbG Paderborn (Beschluss vom 18.05.1988; Aktenzeichen 2 BV 12/88)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Antragsteller gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. Januar 1989 – 3 TaBV 86/88 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. In dem beim Arbeitsgericht am 9. Mai 1988 eingeleiteten Verfahren streiten die Beteiligten darüber, ob der Arbeitgeber dem Antragsteller zu 2) gestatten muß, sein Betriebsgelände in W. zum Zwecke der Ausübung von Betriebsratstätigkeiten zu betreten.

Der Arbeitgeber hat seinen Hauptsitz in P.-S., wo er etwa 4.500 Arbeitnehmer beschäftigt. Er betreibt noch mehrere Zweigwerke, unter anderem in B. und W. In W. wurden zunächst Erzeugnisse der Klimatechnik, insbesondere Heizkörper, hergestellt. Diese Fertigung hat der Arbeitgeber zwischenzeitlich aufgegeben. Letzte Abwicklungsmaßnahme war die Schließung der Abteilung Verkauf des Bereichs Klimatechnik im Februar 1987. Zur Zeit der Einleitung dieses Verfahrens waren noch ca. 390 Arbeitnehmer mit der Fabrikation von Automobilzubehörteilen beschäftigt.

Der Antragsteller zu 1) ist der in dem Werk W. aus neun Mitgliedern bestehende Betriebsrat, der Antragsteller zu 2) ist dessen derzeitiger freigestellter Vorsitzender, Herr K., der bei der Betriebsratswahl am 19. Mai 1987 wiedergewählt worden ist.

Der Betriebsratsvorsitzende K. ist gelernter Textil-Einzelhandelskaufmann. Nach seinem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 7. März 1972 ist er in das Werk B. als Verkaufssachbearbeiter für die Produktionsgruppe Heizung-Klima eingestellt worden. Als die Verkaufsabteilung und Fertigung Heizung-Klima von B. in das Werk W. des Arbeitgebers verlegt wurde, wurde auch Herr K. am 18. November 1974 aufgrund folgender Arbeitsvertragsklausel unter Beibehaltung seiner Verkaufstätigkeit nach W. versetzt:

„Wir behalten uns vor, Sie im Rahmen unseres Unternehmens auch mit anderen, Ihrer Vorbildung und Ihren Fähigkeiten entsprechenden Aufgaben zu betrauen.”

Am 19. März 1987 schrieb der Arbeitgeber an den Betriebsrat des Werkes W.:

„Auflösung BKT-Verkauf

Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis mit Herrn Ulrich K.

Sehr geehrte Herren,

Herr K. wurde mit Vertrag vom 07.03.1972 als Verkaufssachbearbeiter für die Produktgruppe Heizung-Klima bei der Be. AG B., eingestellt und mit Schreiben vom 12.11.1974 in gleicher Funktion nach W. versetzt. Sein Anstellungsvertrag enthält eine Versetzungsklausel, nach der das Unternehmen ihn auch mit anderen, seiner Vorbildung und seinen Fähigkeiten entsprechenden Aufgaben betrauen kann.

Da der BKT-Verkauf in W. inzwischen vollkommen aufgelöst ist, fiel auch der Arbeitsplatz des Betriebsratsmitglieds K. weg. Wir haben Herrn K. wegen seiner Eigenschaft als Betriebsratsmitglied als letzten Arbeitnehmer dieser Abteilung bis jetzt geführt, also bis zum Zeitpunkt der endgültigen Aufgabe dieser Betriebsabteilung.

Da ein vergleichbarer, gleichwertiger Arbeitsplatz, wie ihn Herr K. innehatte, im Betrieb W. nicht existiert, und Herr K. ihm unterbreitete Arbeitsplatzangebote zur Ausübung als Verkaufssachbearbeiter oder Einkaufssachbearbeiter in einem anderen Betrieb unseres Unternehmens nicht angenommen hat, liegen Gründe für eine betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Herrn K. vor.

Wir können Herrn K. jedoch von uns aus in einer gleichwertigen und vergleichbaren Tätigkeit in einem anderen Betrieb unseres Unternehmens beschäftigen und möchten deshalb insoweit von unserem uns einseitig zustehenden Versetzungsrecht nach dem Vertrag vom 07.03.1972 vorrangig Gebrauch machen. Wir bitten Sie deshalb zu dieser Maßnahme um Ihre Zustimmung.

Da Herr K. jedoch bisher auch die Übernahme absolut vergleichbarer Tätigkeiten im Werk S. nicht angenommen hat, müssen wir damit rechnen, daß er die Versetzungsmaßnahme aus rechtlichen oder anderen Gründen angreifen wird. Wir möchten deshalb hilfsweise auch die ordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses gemäß § 15 Abs. 4 und 5 KSchG wegen des betriebsbedingten Wegfalls seines bisherigen Arbeitsplatzes aussprechen, wobei wir ihm noch einmal die schon mit ihm besprochenen beiden Angebote über Arbeitsstellen in unserem Betrieb S. unterbreiten.

Wir bitten Sie daher auch zu dieser beabsichtigten ordentlichen Kündigung um Ihre Stellungnahme.

Wir weisen Sie darauf hin, daß die augenblickliche Tätigkeit des Herrn K., nämlich freigestelltes Betriebsratsmitglied, nicht Inhalt seines Arbeitsverhältnisses mit uns sein kann, und die Möglichkeit besteht, daß auch eine Betriebsratstätigkeit oder die Freistellung jederzeit rechtlich beendet werden kann, so daß Herr K. in unserem Unternehmen auch bei einer unterstellten Fortsetzung seiner Tätigkeit als freigestelles Betriebsratsmitglied einen Arbeitsplatz, haben muß, ohne den er als Arbeitnehmer bei uns nicht beschäftigt werden kann.

Die bisher mit Herrn K. in dieser Angelegenheit geführte Korrespondenz legen wir unseren Anträgen bei.

Herr O. steht Ihnen darüber hinaus für Auskünfte und auch zur weiteren mündlichen Erläuterung der Anträge zur Verfügung.

Der Betriebsrat antwortete unter dem 23./24. März 1987:

„Der Kollers Ulrich K. ist seit dem 07.03.1972 als Mitarbeiter bei Be. beschäftigt. Seit Juli 1982 ist der Kollege Ulrich K. freigestelltes Betriebsratsmitglied auf Beschluß des Betriebsrats, Betriebsratsvorsitzender, Mitglied des Gesamtbetriebsrats, Mitglied des Wirtschaftsausschusses und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der Be. Betriebsräte. Der derzeitige Personalstand liegt bei ca. 390 Arbeitnehmern. Somit ist auf jeden Fall laut Betriebsverfassungsgesetz § 38 mindestens eine Freistellung sichergestellt.

In allen Verhandlungen 1986 über die Auflösung der Heizkörperfertigung/Vertrieb erscheint der Name Ulrich K., in den Aufstellungen des Arbeitgebers über geplante Versetzungen/Arbeitsplatzwechsel, nicht.

Deshalb ist es um so erstaunlicher, daß zum Zeitpunkt der Betriebsratswahl 1987 (Wahltag: 07.04.1987) ein Versetzungsantrag gestellt wird.

Eine Versetzung ist ferner nicht erforderlich, da der Kollege Ulrich K. derzeit als freigestelltes Betriebsratsmitglied fungiert und auch für die anstehende Betriebsratswahl wiederum kandidiert. Bei der vorgesehenen Versetzung liegt der Verdacht nahe, daß der Arbeitgeber Einfluß auf die laufende Betriebsratswahl 1987 nimmt. Der Betriebsrat wird diese Vorgänge noch näher prüfen.

Ferner ist eine vorgesehene Versetzung weder aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt.”

Der Arbeitgeber hat daraufhin am 6. April 1987 ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 BetrVG beim Arbeitsgericht eingeleitet. Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Arbeitgebers, die verweigerte Zustimmung zur Versetzung des Verkaufssachbearbeiters und derzeitigen amtierenden Betriebsratsvorsitzenden Ulrich K. als Verkaufssachbearbeiter in die Abteilung Verkauf nahtloser und geschweißter Präzisionsrohre, Verkauf Inland, in das Werk P.-S. zu ersetzen, als unbegründet abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat mit Beschluß vom 4. Mai 1988 (– 12 TaBV 85/87 –) die Beschwerde des Arbeitgebers zurückgewiesen. Es hat den Ersetzungsantrag als unbegründet angesehen, weil der Betriebsrat des Werkes W. an der strittigen personellen Einzelmaßnahme, nämlich der Versetzung des Betriebsratsvorsitzenden K. aus dem Werk W. in das Werk P.-S. des Arbeitgebers als Betriebsrat des abgebenden Betriebes nicht nach § 99 BetrVG zu beteiligen sei. Den in zweiter Instanz gestellten Hilfsantrag des Arbeitgebers, festzustellen, daß dem Betriebsrat des Werkes W. kein Beteiligungsrecht bei der Versetzung des Herrn K. in die genannte Abteilung in das Werk P.-S. zusteht, hat das Landesarbeitsgericht als unzulässig abgewiesen mit der Begründung, für diesen Hilfsantrag fehle das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, weil über die damit angesprochene Rechtsfrage bereits bei dem Hauptantrag zu entscheiden gewesen sei. Der Arbeitgeber hat gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts keine Rechtsbeschwerde eingelegt.

Mit Schreiben vom 5. Januar 1988 hatte inzwischen der Arbeitgeber mit gleicher Begründung den Betriebsrat des aufnehmenden Betriebes in P.-S. um Zustimmung zu der geplanten Versetzung des Herrn K. gebeten. Dessen Zustimmungsverweigerungserklärung ging dem Arbeitgeber am 14. Januar 1988 zu.

Mit Schreiben vom 5. Mai 1988 teilte der Arbeitgeber Herrn K. mit:

„Ihr Arbeitsverhältnis zu unserem Unternehmen

Sehr geehrter Herr K.,

wie wir erfahren haben, hat das Landesarbeitsgericht Hamm im Termin am 04.05.1988 unsere Beschwerde gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts P. vom 15.07.1987 zurückgewiesen, jedoch mit der Begründung, daß für Ihre beabsichtigte Versetzung vom Werk W. in das Werk P.-N. eine Zustimmung des Betriebsrats des Werks W. nicht erforderlich ist.

Der aufnehmende Betriebsrat wurde von uns mit Schreiben vom 05.01.1988 um Zustimmung zur Versetzung gebeten. Die Stellungnahme dieses Betriebsrats ging uns am 14.01.1988 zu. Sie ist damit verspätest. Nach § 99 Abs. 3 BetrVG gilt eine Verweigerung der Zustimmung, die nicht innerhalb der Frist schriftlich dem. Arbeitgeber mitgeteilt wird, als Zustimmung.

Damit ist die Voraussetzung für die Durchführung Ihrer Versetzung gegeben. Am 11.03.1987 hatten wir Ihnen schriftlich ein Angebot über zwei freie Arbeitsstellen zukommen lassen. Sie haben sich nicht dazu geäußert, welches Angebot Sie vorziehen. Wir haben daher den Betriebsrat zum Angebot des Arbeitsplatzes als Verkaufssachbearbeiter im Verkauf nahtlose und geschweißte Präzisionsrohre Werk S.-P. angehört. Nachdem die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats gewahrt sind, machen wir von unserem Versetzungsvorbehalt, wie im Vertrag der Be.-Werke mit Ihnen am 07.03.1972 vereinbart, Gebrauch und versetzen Sie in das Werk S.-P. auf den Arbeitsplatz Verkauf nahtlose und geschweißte Präzisionsrohre Inland. Der Klarstellung halber fügen wir einen geänderten Vertrag bei. Wir bitten Sie, ein Doppel dieses Vertrages mit Ihrer Unterschrift versehen an uns zurückzureichen.

Wir fordern Sie auf, Ihre Tätigkeit am Montag, den 09. Mai 1988, zu Dienstbeginn um 8.00 Uhr” im Werk P.-S. aufzunehmen.

Bitte, melden Sie sich bei Herrn O. Da Sie ab Montag Belegschaftsmitglied des Werkes P.-S. sind, und nicht mehr Arbeitnehmer des Betriebes W., endet Ihr Betriebsratsamt zu diesem Zeitpunkt. Wir bitten Sie, den Betriebsrat entsprechend zu unterrichten.

Ab 9. Mai 1988 verweigerte der Arbeitgeber Herrn K. den Zutritt zum Betriebsgelände in W.. Aufgrund einer erstinstanzlich erwirkten einstweiligen Verfügung (– 2 BV Ga 3/88 – ArbG Paderborn) gewährte der Arbeitgeber Herrn K. wieder den Zutritt ab 18. Mai 1988. Nachdem diese erstinstanzliche einstweilige Verfügung durch Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 2. November 1988 (– 3 TaBV 87/88 –) aufgehoben worden ist, arbeitet Herr K. im Werk P.-S..

Im vorliegenden Verfahren haben die Antragsteller geltend gemacht, Herr K. sei nach wie vor Arbeitnehmer des Betriebes W. und Vorsitzender des dort gebildeten Betriebsrats. Die Versetzung in das Werk P.-S. sei unwirksam.

Sei der Arbeitgeber kraft Direktionsrechts befugt, einen Arbeitnehmer von einem Betrieb in einen anderen Betrieb des Unternehmens zu versetzen, müsse der Betriebsrat des abgebenden Betriebes nach § 99 BetrVG beteiligt werden, damit auch die Interessen des betroffenen Arbeitnehmers gewahrt würden. Im übrigen schließe die Freistellung eines Betriebsratsmitglieds die grundsätzlich im Rahmen des Direktionsrechts mögliche Versetzung ans. Ein freigestelltes Betriebsratsmitglied sei von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung befreit und unterliege insoweit nicht dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. Da. die Versetzung unwirksam sei, sei der Antragsteller zu 2) weiterhin berechtigt, sein Betriebsratsamt auszuüben und zu diesem Zweck das Firmengelände des Arbeitgebers in W. zu betreten.

Die Antragsteller haben beantragt,

den Arbeitgeber bei Meidung eines für jeden Tag der Zuwiderhandlung mit 100.000,– DM festzusetzenden Ordnungsgelds zu verpflichten, dem Betriebsratsvorsitzenden Herrn Ulrich K. den Zutritt zum Firmengelände und die Ausübung des Betriebsratsamtes einschließlich der Einberufung und Durchführung von Betriebsratssitzungen auf dem Firmengelände des Arbeitgebers in W. zu gestatten.

Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, Herr K. sei nicht mehr Arbeitnehmer und Betriebsratsmitglied des Werkes W. und deshalb stehe ihm das verlangte Zutrittsrecht nicht zu. Als Arbeitgeber sei er arbeitsvertraglich befugt gewesen, Herrn K. in andere Betriebe des Unternehmens zu versetzen. Auch betriebsverfassungsrechtlich sei die Versetzung rechtswirksam erfolgt. Aufgrund des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts Hamm vom. 4. Mai 1988 – 12 TaBV 85/87 – stehe rechtskräftig fest, daß der Betriebsrat des abgebenden Betriebes W. an der personellen Einzelmassnahme nicht beteiligt zu werden brauche. Die Zustimmung des Betriebsrats des aufnehmenden Betriebs P.-S. gelte nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt, da die Zustimmungsverweigerung nicht innerhalb der Wochenfrist erfolgt sei.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag unter Festsetzung eines Ordnungsgeldes von 10.000,– DM stattgegeben. Auf die Beschwerde des Arbeitgebers hat das Landesarbeitsgericht den Antrag abgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehren die Antragsteller die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung, während der Arbeitgeber um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bittet.

 

Entscheidungsgründe

B. Die. Rechtsbeschwerde der Antragsteller ist nicht begründet.

I. Die Anträge des Betriebsrats und des Herrn K. sind zulässig.

1. Das Beschlußverfahren ist nach § 2 a Abs. 1 Nr. 1, § 80 Abs. 1 ArbGG die gebotene Verfahrensart, da über eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit, nämlich das aus § 78 BetrVG abzuleitende allgemeine Zutrittsrecht eines Betriebsratsmitglieds zum Betriebsgelände, zu entscheiden ist. Die praktische Bedeutung des Behinderungsverbotes des § 78 Satz 1 BetrVG liegt gerade auch darin, den Zutritt der einzelnen Organmitglieder zum Betrieb und insbesondere zu dem Ort, an dem die Sitzungen des betreffenden Organs stattfinden, zu sichern (Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 78 Rz 7; Löwisch, BetrVG, 2. Aufl., § 78 Rz 1 m.w.N.).

2. Die beiden Antragsteller sind auch beteiligungs- und antragsbefugt.

Mach materiellem Recht am Verfahren beteiligt sind diejenigen Personen und Stellen, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen werden können (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. Beschluß vom 13. März 1984 – 1 ABR 49/82 – AP Nr. 9 zu § 83 ArbGG 1979; zuletzt Beschluß vom 18. April 1989 – 1 ABR 97/87 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu B I der Gründe). Ob Herr K. Betriebsratsvorsitzender ist und als solcher ein Zutrittsrecht zum Betrieb hat, betrifft auch den Betriebsrat selbst in seiner Rechtsstellung unmittelbar.

Antragsbefugt im Beschlußverfahren ist jede natürliche oder juristische Person oder jede nach § 10 ArbGG beteiligtenfähige Stelle, die ausweislich ihres Antrags ein eigenes Recht geltend macht. Entscheidend ist, ob der Antragsteller durch die Entscheidung überhaupt in seiner Rechtsstellung betroffen wird, was immer dann der Fall ist, wenn er eigene Rechte geltend macht (Senatsbeschluß vom 23. Februar 1988 – 1 ABR 75/86 – AP Nr. 9 zu 81 ArbGG 1979, zu B I 1 der Gründe). Sowohl der Betriebsrat als auch Herr K. als Mitglied des Betriebsrats haben das Zutrittsrecht von Herrn K. als jeweils eigenes Recht geltend gemacht.

3. Der Antrag auf Gestattung des Zutritts zum Betrieb ist ein Leistungsantrag. Die Antragsteller müssen daher im Gegensatz zur Auffassung des Landesarbeitsgerichts kein besonderes Rechtsschutzinteresse darlegen (vgl. u.a. Senatsbeschluß vom 10. November 1987, BAGE 56, 313 = AP Kr. 24 zu § 77 BetrVG 1972, zu E I 2 der Gründe).

II. Der Antrag von Betriebsrat und Betriebsratsvorsitzendem K. ist nicht begründet, weil der Senat davon auszugehen hat, daß der Betriebsratsvorsitzende K. rechtswirksam in das Werk P.-S. versetzt worden und damit seine Mitgliedschaft im Betriebsrat des Betriebes W. erloschen ist (§ 24 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG).

1. Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Arbeitgeber sei aufgrund des Arbeitsvertrages befugt gewesen, Herrn K. einseitig eine Tätigkeit in dem Werk P.-S. zuzuweisen. Welche Tätigkeit der Arbeitgeber dem. Arbeitnehmer zuweisen kann, hängt vom Umfang des Direktionsrechts ab, der sich wiederum aus dem Arbeitsvertrag ergibt (vgl. z.B. Senatsurteil vom 26. Januar 1988 – 1 AZR 531/86 – BAGE 57, 242 = AP Nr. 50 zu § 99 BetrVG 1972, zu I 2 der Gründe). Der Arbeitgeber hat vorliegend Herrn K. langjährig seinem Arbeitsvertrag entsprechend als Verkaufssachbearbeiter beschäftigt. Auf der Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag vom 7. März 1972 hat der Arbeitgeber ihn vom Betrieb W. auf eine entsprechende Stelle des Werks P.-S. versetzt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Arbeitgeber in der Vergangenheit nicht zu erkennen gegeben, daß die Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag hinfällig sein solle. Vielmehr ergibt sich aus der Versetzung von Herrn K. von Bielefeld nach W. im Jahre 1974, daß der Arbeitgeber bei entsprechenden betrieblichen Notwendigkeiten die Vertragsbestimmung anwenden wollte.

2. Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht angenommen, vor der Versetzung habe der Arbeitgeber nach § 99 BetrVG den Betriebsrat des aufnehmenden Betriebes, also den Betriebsrat in P.-S., beteiligen müssen. Nach § 99 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen, wenn Arbeitnehmer anderer Zweigwerke im Werk P.-S. beschäftigt werden sollen.

Nach § 99 BetrVG bedürfen Einstellungen der Zustimmung des Betriebsrats. Der Senat versteht unter Einstellung i.S. von § 99 BetrVG einen Vorgang, durch den Personen für eine bestimmte Zeit in den Betrieb eingegliedert werden und dort genauso arbeiten wie jeder Arbeitnehmer dieses Betriebes. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei einer Einstellung soll in erster Linie die Interessen der im Betrieb schon vorhandenen Arbeitnehmer wahren (Senatsbeschluß vom 15. April 1986, BAGE 51, 337 = AP Nr. 35 zu § 99 BetrVG 1972). Der Betriebsrat hat daher immer dann mitzubestimmen, wenn Personen in den Betrieb eingegliedert werden, um zusammen mit den im Betrieb schon beschäftigten Arbeitnehmern den arbeitstechnischen Zweck des Betriebs durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen.

Es ist daher gleichgültig, ob die eingestellten Personen bereits in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen oder ob erst im Zusammenhang mit der Einstellung ein solches Arbeitsverhältnis begründet wird (Senatsbeschluß vom 16. Dezember 1986 – 1 ABR 52/85 – AP Nr. 40 zu § 99 BetrVG 1972, zu B II 1 a der Gründe).

Der Arbeitgeber hat auch den Betriebsrat des Werkes P.-S. über die beabsichtigte Einstellung des Betriebsratsvorsitzenden K. durch Schreiben vom 5. Januar 1988 nach § 99 Abs. 1 BetrVG unterrichtet. Die Zustimmung des aufnehmenden Betriebes gilt nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt, da dessen Zustimmungsverweigerungserklärung dem Arbeitgeber erst am 14. Januar 1988, also nicht innerhalb der Wochenfrist mitgeteilt worden ist.

3. Der Senat hat im vorliegenden Verfahren nicht mehr prüfen können, ob die auf Dauer beabsichtigte Versetzung eines Betriebsratsmitglieds gegen dessen Willen von einem Betrieb in einen anderen der Zustimmung des Betriebsrats des abgebenden Betriebs nach § 99 Abs. 2 BetrVG bedarf; ebensowenig hat der Senat der Frage nachgehen können, ob bei der Versetzung eines Betriebsratsmitglieds auf Dauer nicht § 103 BetrVG analog anzuwenden ist, weil die gleichen Gefahren für die Kontinuität der Betriebsratsarbeit und die unbefangene Amtsausübung bestehen wie bei der Kündigung. Aufgrund des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts vom 4. Kai 1988 (– 12 TaBV 85/87 –) steht rechtskräftig zwischen den Beteiligten fest, daß der Betriebsrat des Betriebes W. vor der Versetzung des Betriebsratsvorsitzenden K. nicht hat beteiligt werden müssen.

a) Das Landesarbeitsgericht hatte den Antrag, die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung zu ersetzen mit der Begründung abgewiesen, der Betriebsrat des Betriebes W. sei nicht zu beteiligen; den Hilfsantrag festzustellen, daß dem Betriebsrat des Betriebs W. kein Beteiligungsrecht bei der Versetzung des Betriebsratsvorsitzenden zustehe, hat das Beschwerdegericht als unzulässig abgewiesen.

Dabei hat das Landesarbeitsgericht übersehen, daß der Arbeitgeber mit dem Antrag, die Zustimmung des Betriebsrats zu einer personellen Einzelmaßnahme zu ersetzen, einer gesetzlichen Pflicht genügen will; wenn das Gericht zu der Überzeugung kommt, einer Zustimmung bedürfe es nicht, entweder weil sie als erteilt gilt oder – wie im vorliegenden Falle – nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts der Betriebsrat gar nicht zuständig sein soll, darf dies nicht zu Lasten des Arbeitgebers gehen (Senatsbeschluß vom 18. Oktober 1988 – 1 ABR 33/87 – AP Nr. 57 zu § 99 BetrVG 1972, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II der Gründe). Wenn der Arbeitgeber die Möglichkeit der fehlenden Zuständigkeit sieht und aus diesem Grunde einen entsprechenden Hilfsantrag stellt, hat das Gericht, das diese Auffassung des Arbeitgebers teilt, darauf hinzuwirken, daß der Hilfs- als Hauptantrag und der bisherige Hauptantrag als Hilfsantrag gestellt werden. Nur auf diese Weise kann das unverständliche Ergebnis vermieden werden, daß der eine Beteiligte formal und der andere materiell beschwert ist, so daß der formal Beschwerte kein Interesse an der Einlegung eines Rechtsmittels hat, der materiell Beschwerte aber es nicht einlegen kann.

b) Gerade dieses Ergebnis ist aber infolge des fehlerhaften Verfahrens in der Sache 12 TaBV 85/87 eingetreten.

Das Landesarbeitsgericht hat zwar gegen den Beschluß, mit dem es den Antrag des Arbeitgebers auf Ersetzung der Zustimmung zur Versetzung als unbegründet zurückgewiesen und den Hilfsantrag wegen mangelnden Rechtsschutzinteresses als unzulässig abgewiesen hatte, die Rechtsbeschwerde zugelassen. Der Arbeitgeber hat aber keine Rechtsbeschwerde eingelegt, da er zwar formal, nicht aber materiell beschwert war, denn das Landesarbeitsgericht hatte die Abweisung seines Antrages allein damit begründet, der Betriebsrat des Werkes W. sei nicht nach § 99 BetrVG zu beteiligen. Der Betriebsrat hat gegen diese Entscheidung kein Rechtsmittel eingelegt, weil er nicht formal beschwert war. Der Beschluß ist daher in formeller Rechtskraft erwachsen (§ 705 ZPO).

c) An der Prüfung, ob die Versetzung wegen fehlender Zustimmung des Betriebsrats des abgebenden Betriebes unwirksam ist, ist der Senat aufgrund der materiellen Rechtskraft der Entscheidung im Verfahren 12 TaBV 85/87 gehindert.

Gegenstand der materiellen Rechtskraft ist die gerichtliche Entscheidung. Sie ergeht über den prozessualen Anspruch. Worüber entschieden ist, welches der in Rechtskraft erwachsende Subsumtionsschluß ist, ist dem Tenor einer den Antrag abweisenden Entscheidung nicht anzusehen. Deshalb ist für die Auslegung einer abweisenden Entscheidung auf die tragenden Abweisungsgründe zurückzugreifen und auch für sie eine Bindungswirkung zu bejahen (BGHZ 35, 338, 340 f.; 37, 375, 377 f.; Dietrich, ZZP 1970, 201; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 14. Aufl., § 154 II; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 322 Anm. VII 2, X 4; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 47. Aufl., § 322 Anm. 2 A b; Schwab, Festschrift für Bötticher, 1969, 321, 326, 334 f.; Thomas/Putzo, ZPO, 15. Aufl., § 322 Anm. 5).

Vorliegend hat das Landesarbeitsgericht in dem Verfahren 12 TaBV 85/87 den Antrag des Arbeitgebers auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats des Werks W. zur Versetzung des Betriebsratsvorsitzenden K. ausschließlich mit der Begründung zurückgewiesen, der Betriebsrat des Betriebes W. sei als Betriebsrat des abgebenden Betriebes nicht nach § 99 BetrVO zu beteiligen gewesen, es habe keiner Zustimmung dieses Betriebsrats bedurft. Dieser Subsumtionsschluß ist in materieller Rechtskraft erwachsen.

d) Im vorliegenden Rechtsstreit beantragen Betriebsrat W. und Betriebsratsvorsitzender K., den Arbeitgeber zu verpflichten, Herrn K. den Zutritt zum Firmengelände und die Ausübung des Betriebsratsamtes einschließlich der Einberufung und Durchführung von Betriebsratssitzungen auf dem Firmengelände in W. zu gestatten. Dieser Antrag hätte nur Erfolg haben können, wenn Herr K. noch Mitglied des Betriebsrats des Werkes W. wäre. Davon könnte nur ausgegangen werden, wenn seine Versetzung rechtsunwirksam wäre. Als Rechtsgrund für die Unwirksamkeit der Versetzung käme nur die fehlende Zustimmung des Betriebsrats des abgebenden Betriebs W. in Betracht. Damit ist die Entscheidung im Vorverfahren, daß der Betriebsrat des abgebenden Betriebes vor der Versetzung eines Betriebsratsmitglieds auf Dauer nicht zu beteiligen sei, entscheidungserhebliche Vortrage für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens. Der Inhalt des Beschlusses vom 4. Mai 1988 in dem Verfahren 12 TaBV 85/87 ist daher wegen präjudizieller Abhängigkeit des vorliegenden Verfahrens diesem zugrundezulegen.

e) Die materielle Rechtskraft hat den Senat auch gehindert zu prüfen, ob die Zustimmung des Betriebsrats des abgebenden Betriebes bzw. deren Ersetzung durch die Gerichte für Arbeitssachen nach anderen Vorschriften als nach § 99 BetrVG erforderlich war.

Die Entscheidung im Vorverfahren, der Arbeitgeber benötige die Zustimmung des Betriebsrats des abgebenden Betriebes nicht, weil dieser bei der Versetzung auf Dauer kein Beteiligungsrecht habe, hat den gleichen Streitgegenstand wie die im vorliegenden Verfahren entscheidungserhebliche Vortrage, ob zur Wirksamkeit der Versetzung nicht (doch!) die Zustimmung des Betriebsrats des abgebenden Betriebes erforderlich gewesen wäre. Der Arbeitgeber hatte im Vorverfahren die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats des abgebenden Betriebes zur Versetzung des Betriebsratsvorsitzenden K. beantragt. Durch die rechtskräftige Entscheidung, daß es der Zustimmung wegen der fehlenden Zuständigkeit des Betriebsrats des abgebenden Betriebes nicht bedurfte, sind damit alle materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen erledigt, unter denen der Antrag des Arbeitgebers aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts zu prüfen war. Hat das Gericht eine der in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen übersehen, so mag die Entscheidung inhaltlich unrichtig sein, sie erwächst aber auch insoweit in Rechtskraft (BGH Urteil vom 15. Juni 1982 – VI ZR 179/80 – NJW 1982, 2257; Thomas/Putzo, aaO, § 322 Anm. 6 d). Dementsprechend ist vorliegend der Inhalt des Beschlusses in dem Verfahren 12 TaBV 85/87 wegen präjudizieller Abhängigkeit auch insoweit zugrunde zu legen.

Der Senat hat daher davon auszugehen, daß der Betriebsrat des abgebenden Betriebes nicht zu beteiligen war, deshalb der Betriebsratsvorsitzende K. rechtswirksam in das Werk P.-S. versetzt worden und damit sein Betriebsratsamt im Betrieb W. nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG erloschen ist (vgl. Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 15. Aufl., § 24 Rz 19; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 24 Rz 23; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 24 Rz 24; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., § 24 Rz 11). Eine Behinderung als Betriebsratsmitglied ist daher aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen, so daß der Antrag abzuweisen und damit die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen war.

f) Es ist vorliegend, nicht mehr entscheidungserheblich, ob die Rechtsprechung des Sechsten Senats (Beschluß vom 30. April 1981, BAGS 35, 228 = AP Nr. 12 zu § 99 BetrVG 1972), wonach bei einverständlicher Versetzung eines Arbeitnehmers auf Dauer von einem Betrieb eines Unternehmens in einen anderen auch auf Fälle übertragen werden kann, in denen der Arbeitnehmer seiner Versetzung widerspricht. Insoweit stellt der Senat zur Diskussion, ob nicht wenigstens bei Versetzungen von Betriebsratsmitgliedern – hier einem freigestellten – eine Ausnahme gelten muß. In Frage steht, ob bei einer Versetzung aufgrund des Direktionsrechts gegen den Willen eines Betriebsratsmitglieds die Rechtsordnung die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats und die Kontinuität seiner Amtsführung auch bei Versetzungen analog § 103 BetrVG schützen will oder nicht. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat im Urteil vom 1. April 1977 (– 3 Sa 181/77 – SzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 19 = BB 1977, 696, LS) darauf hingewiesen, daß, falls sich das Direktionsrecht des Arbeitgebers auch darauf erstreckt, den Arbeitnehmer in einen anderen Betrieb zu versetzen, mit dem Ausscheiden aus dem Betrieb auch sein betriebsverfassungsrechtliches Amt im Sinne des § 103 BetrVG endet; insoweit sei das Ausscheiden aus dem Betrieb einer außerordentlichen Kündigung vergleichbar, weil es durch eine einseitige Maßnahme des Arbeitgebers ohne zwingenden Grund herbeigeführt werden kann. Mit einer ohne Mitwirkung des Betriebsrats nach § 103 BetrVG zulässigen Versetzung in einen anderen Betrieb könne der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer einseitig aus einem betriebsverfassungsrechtlichen Amt drängen, ohne daß in jedem Falle ein Verstoß gegen § 78 BetrVG vorliegen müsse. Der Schutz des Betriebsratsmitglieds aufgrund eines unterstellten Beteiligungsrechts des Betriebsrats des abgebenden Betriebes nach § 99 BetrVG sei nur begrenzt, weil der Betriebsrat seine Zustimmung nur aus den in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Gründen verweigern könne, zu den Widerspruchsgründen aber gerade nicht die Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Betriebsratsarbeit gehöre. Außerdem könne der Arbeitgeber trotz Verweigerung der Zustimmung die Versetzung nach § 100 BetrVG vorläufig durchführen und damit zumindest für die Dauer des Zustimmungsersetzungsverfahrens auf die Tätigkeit des Betriebsrats und auf dessen Zusammensetzung Einfluß nehmen. Das Landesarbeitsgericht Hamm ist deshalb zu dem Ergebnis gelangt, § 103 BetrVG sei auf Versetzungen in einen anderen Betrieb, die der Arbeitgeber kraft seines Direktionsrechts anordne, entsprechend anzuwenden. Dabei ist es zutreffend davon ausgegangen, § 103 BetrVG habe eine doppelte Schutzfunktion, nämlich die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats und die Kontinuität seiner Amtsführung zu sichern (BAGE 37, 44, 50 = AP Nr. 14 zu § 103 BetrVG 1972, zu I 2 b der Gründe). Der Arbeitgeber solle von seinem Gestaltungsrecht, das Arbeitsverhältnis eines Betriebsratsmitglieds aus wichtigem Grunde fristlos kündigen zu können, erst Gebrauch machen dürfen, wenn die Zustimmung des Betriebsrats dazu erteilt oder von den Gerichten für Arbeitssachen ersetzt sei. Von dieser Schutzfunktion her sei es dann aber um so mehr gerechtfertigt, die Ausübung des arbeitsvertraglich eingeräumten Rechts des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer in einen anderen Betrieb zu versetzen, von der vorherigen Zustimmung des Betriebsrats abhängig zu machen. Dafür spreche auch, daß die Versetzung eines Betriebsratsmitglieds in einen anderen Betrieb dann der Zustimmung nach § 103 BetrVG bedürfe, wenn diese nur im Wege einer Änderungskündigung herbeigeführt werden könne. Es sei kein Grund ersichtlich, warum der Schutz des Betriebsrats gegen Eingriffe in die Zusammensetzung dieses Organs nur deswegen entfallen solle, weil der Inhalt des Arbeitsverhältnisses des betroffenen Betriebsratsmitgliedes durch eine solche Versetzung nicht geändert werde. Darauf hinzuweisen ist allerdings, daß eine Kündigung von Betriebsratsmitgliedern in den Fällen des § 15 Abs. 4 und 5 KSchG nicht der Zustimmung des Betriebsrats bedarf, so daß unter den gleichen Voraussetzungen auch eine Versetzung zustimmungsfrei wäre.

Im Schrifttum hat sich lediglich Etzel (KR-Etzel, 3. Aufl., § 103 BetrVG Rz 60) der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Hamm angeschlossen. Dagegen gehen die Kommentare zum BetrVG, ohne die Frage zu problematisieren, davon aus, daß eine Versetzung eines Betriebsratsmitglieds in einen anderen Betrieb des Unternehmens der Beteiligung nach Maßgabe des § 99 BetrVG unterliege (Dietz/Richardi, aaO, § 24 Rz 23; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 24 Rz 19 m.w.N.). Lediglich Kraft (GK-BetrVG, 3. Bearb., § 103 Rz 10) macht geltend, die vom Landesarbeitsgericht Hamm und von Etzel vertretene Auffassung widerspreche dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes. Dieser Einwand ist aber nicht schlüssig, weil die Analogie immer dort beginnt, wo der Wortlaut endet (vgl. dazu Hanau, Analogie und Restriktion im Betriebsverfassungsrecht, Festschrift für G. Müller, 1981, S. 169 ff.).

Eine analoge Anwendung von § 103 BetrVG wäre allerdings dann ausgeschlossen, wenn sich aus der Gesetzgebungsgeschichte des BetrVG 1972 ergeben würde, daß ein Schutz der Funktionsfähigkeit des Betriebsrats gegenüber Versetzungen nicht gewollt war.

 

Unterschriften

Dr. Kissel, Matthes, Dr. Weller, Dr. Giese, Dr. Wohlgemuth

 

Fundstellen

Haufe-Index 436839

BB 1990, 1628

BB 1990, 631

RdA 1990, 62

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