Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung, Sozialarbeiter/Sozialpädagogen, Erzieher

 

Orientierungssatz

Hinweise des Senats: "Eingruppierung von Betreuern in Behindertengruppen, deren Tätigkeit im Überschneidungsbereich der Berufsbilder von Erziehern und Sozialarbeitern/Sozialpädagogen liegt."

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Entscheidung vom 22.06.1993; Aktenzeichen 12 TaBV 3/93)

LAG Berlin (Entscheidung vom 22.06.1993; Aktenzeichen 12 TaBV 1/93)

ArbG Berlin (Entscheidung vom 09.02.1993; Aktenzeichen 63 BV 58/92)

 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten in der Rechtsbeschwerdeinstanz noch darüber, ob die bei dem Antragsteller mit der Betreuung von Behinderten beschäftigten Arbeitnehmerinnen G , V und W als Angestellte in der Tätigkeit von Erzieherinnen oder als Angestellte in der Tätigkeit von Sozialarbeiterinnen/Sozialpädagoginnen eingruppiert sind.

Der Arbeitgeber betreibt Einrichtungen zur Betreuung von Behinderten. Auf die Arbeitsverhältnisse der bei ihm beschäftigten Angestellten wendet er den BAT an. 1992 wurden Frau G , Frau V und Frau W eingestellt.

Frau G ist Tischlerin. Über eine pädagogische Ausbildung verfügt sie nicht. Sie betreut gemeinsam mit vier anderen Angestellten im kontinuierlichen Schichtdienst eine Wohngruppe von acht Erwachsenen mit schwerer geistiger Behinderung. Ihre Aufgabe im Umgang mit den Behinderten besteht in der Anleitung und Hilfestellung bei der Bewältigung des Lebensalltags, z.B. bei Nahrungsaufnahme, Körperpflege, Haushaltsführung, Freizeitaktivitäten und verordneten medizinischen Maßnahmen. Erforderlichenfalls leistet sie auch Hilfe bei epileptischen Anfällen. Ein geringer Teil ihrer Aufgaben ist fördernder Art, so die Vermittlung von Umwelterfahrung. Darüber hinaus obliegen ihr die Kontakte zu den Angehörigen der Behinderten sowie Tätigkeiten, die durch das Zusammenwirken mit anderen Angestellten im Betrieb bedingt sind, wie die Teilnahme an Dienstbesprechungen.

Frau V ist ausgebildete Heilerziehungspflegerin. Sie betreut in einer Tagesförderstätte gemeinsam mit drei weiteren Angestellten eine Gruppe von sechs bis neun geistig behinderten Erwachsenen. In erster Linie hat sie die Behinderten bei der Bewältigung des Lebensalltags zu unterstützen. Darüber hinaus hat sie auch Förderungsmaßnahmen musischer, sozialer und lebenspraktischer Art - z.B. Tätigkeiten mit verschiedenen Werkstoffen - zu planen und durchzuführen. Hinzu kommen wie bei Frau G die sich aus der Einbindung in die betriebliche Organisation ergebenden Aufgaben.

Frau W hat die erste Staatsprüfung für das Lehramt an Sonderschulen abgelegt. Als Lehrerin ist sie nicht tätig gewesen. Sie betreut im Schichtdienst (ohne Nachtschicht) gemeinsam mit zwei weiteren Angestellten eine Wohngemeinschaft, in der fünf geistig behinderte Erwachsene leben. Ihr obliegen neben der Unterstützung bei der Bewältigung des Lebensalltags, die den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit bildet, auch die Förderung der Behinderten im Sozialverhalten und in Partnerbeziehungen, die Hilfe bei der Suche nach einem Arbeitsplatz und bei dessen Erhaltung sowie Hilfestellungen im Verkehr mit Behörden und beim Umgang der Behinderten mit ihrem Geld. Auch Frau W hat daneben noch die Aufgaben, die sich aus ihrer organisatorischen Einbindung in das betriebliche Betreuungssystem ergeben.

Die drei Angestellten unterstehen Fachgebietsleitern, die jeweils über eine sozialpädagogische Ausbildung verfügen und vom Arbeitgeber entsprechende Vergütung erhalten. Diese Fachgebietsleiter sind, ebenso wie die im Betrieb beschäftigten Diplom-Psychologen, teilweise unmittelbar in den Behindertengruppen betreuend tätig.

Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat um Zustimmung zur Eingruppierung von Frau G in VergGr. VII Fallgruppe 3 und von Frau V sowie Frau W in VergGr. V c Fallgruppe 5 des Teils II G der Anlage 1 a zum BAT gebeten. Der Betriebsrat hat die Zustimmung mit der Begründung verweigert, richtig seien Frau G in VergGr. V c Fallgruppe 9 und Frau V sowie Frau W in VergGr. V b Fallgruppe 10 BAT eingruppiert.

Die einschlägigen Tarifbestimmungen lauten wie folgt:

§ 22

Eingruppierung

(1) Die Eingruppierung der Angestellten richtet

sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Ver-

gütungsordnung (Anlagen 1 a und 1 b). Der

Angestellte erhält Vergütung nach der Ver-

gütungsgruppe, in der er eingruppiert ist.

(2) Der Angestellte ist in der Vergütungsgruppe

eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die

gesamte von ihm nicht nur vorübergehend

auszuübende Tätigkeit entspricht.

Die gesamte auszuübende Tätigkeit ent-

spricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Ver-

gütungsgruppe, wenn zeitlich mindestens zur

Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für

sich genommen die Anforderungen eines Tä-

tigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeits-

merkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen.

...

Vergütungsgruppe V b

...

10. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatli-

cher Anerkennung und entsprechender Tätig-

keit sowie sonstige Angestellte, die auf-

grund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer

Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten aus-

üben.

...

Vergütungsgruppe V c

...

5. Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und

entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Ange-

stellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkei-

ten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätig-

keiten ausüben,

mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkei-

ten.

(Hierzu Protokollnotizen Nrn. 1, 6, 7, 8)

...

9. Angestellte in der Tätigkeit von Sozialarbei-

tern/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerken-

nung.

...

Vergütungsgruppe VII

...

3. Angestellte in der Tätigkeit von Erzieherinnen

mit staatlicher Anerkennung.

(Hierzu Protokollnotizen Nrn. 1 und 6)

...

Protokollnotizen

...

6. Als entsprechende Tätigkeit von Erzieherinnen

gilt auch die Betreuung von über 18jährigen

Personen (z.B. in Einrichtungen für Behinderte

im Sinne des § 39 BSHG oder für Obdachlose).

...

Der Arbeitgeber hat die Auffassung vertreten, die Tätigkeit der drei Angestellten sei diejenige von Erzieherinnen i.S. der angeführten tariflichen Tätigkeitsmerkmale. Er hat, soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Interesse, beantragt,

die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur

Eingruppierung der Arbeitnehmerin G in die

VergGr. VII Fallgruppe 3 sowie der Arbeitnehme-

rinnen V und W in die

VergGr. V c Fallgruppe 5 der Vergütungsordnung

zum BAT, Anlage 1 a Teil II G zu ersetzen.

Der Betriebsrat hat beantragt,

den Antrag des Arbeitgebers zurückzuweisen.

Nach seiner Meinung üben die drei Angestellten die Tätigkeit von Sozialarbeiterinnen/Sozialpädagoginnen aus. Sie seien nämlich nicht auf pflegerische Arbeiten, die Schaffung eines familienähnlichen Umfeldes und die Bewältigung der im Lebensalltag regelmäßig anfallenden Aufgaben beschränkt. Vielmehr sei ihre Tätigkeit darauf gerichtet, die Behinderten entsprechend deren individuellen Bedürfnissen und Möglichkeiten umfassend zu fördern und zu Selbständigkeit und Selbstverantwortung hinzuführen. Aufgrund dieser Einbindung der von den drei Angestellten geleisteten erzieherischen Tätigkeit in ein besonderes pädagogisches Konzept handele es sich bei den Gruppen, in denen die Betreuungsarbeit im vorliegenden Fall geleistet werde, um heilpädagogische Gruppen i.S. der bis Ende 1990 geltenden Fassung des Teils II G der Anlage 1 a zum BAT. Nach den damaligen Tarifbestimmungen seien Angestellte in der Tätigkeit von Erzieherinnen in solchen heilpädagogischen Gruppen ausdrücklich Sozialarbeiterinnen/Sozialpädagoginnen gleichgestellt und in VergGr. V b BAT eingruppiert gewesen. Dies habe sich aus folgenden Regelungen ergeben:

Vergütungsgruppe V b

1. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher

Anerkennung oder Jugendleiterinnen mit staat-

licher Prüfung

...

k) in geschlossenen (gesicherten) Gruppen oder

in Aufnahme-(Beobachtungs-)gruppen oder in

heilpädagogischen Gruppen

...

(Hierzu Protokollnotizen Nrn. 1, 2, 3, 4, 5, 6,

7, 9, 10 und 14)

...

Protokollnotizen:

...

Nr. 3

...

Angestellte in der Tätigkeit von Erziehern (Er-

zieherinnen), Kindergärtnerinnen oder Hortnerin-

nen mit abgeschlossener mindestens gleichwertiger

Fachausbildung werden nach diesem Tätigkeitsmerk-

mal eingruppiert, wenn sie am 1. April 1970 die

in dem Tätigkeitsmerkmal geforderte Tätigkeit

ausüben oder ihnen bis zum 31. Dezember 1990

diese Tätigkeit übertragen wird.

Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, daß die Tarifvertragsparteien mit der Neufassung des Teils II G der Anlage 1 a zum BAT an der bis dahin bestehenden Bewertung der Tätigkeit in heilpädagogischen Gruppen etwas hätten ändern wollen.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Arbeitgebers im jetzt noch im Streit befindlichen Teil stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Anschlußbeschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Betriebsrat weiterhin die Abweisung des Antrags des Arbeitgebers.

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist begründet. Mit der im angefochtenen Beschluß gegebenen Begründung läßt sich die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung der Angestellten G in VergGr. VII Fallgruppe 3 und der Angestellten V und W in VergGr. V c Fallgruppe 5 BAT nicht ersetzen. Der Senat ist aber an einer abschließenden Entscheidung in der Sache gehindert, weil es hierzu noch weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf.

I. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht ohne weiteres davon ausgegangen, daß dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG zustehen kann. Die karitative Tätigkeit des Arbeitgebers steht der Beteiligung des Betriebsrats bei der Eingruppierung nicht entgegen, ohne daß es hierfür noch auf die Prüfung ankäme, ob es sich bei dem Arbeitgeber um ein Tendenzunternehmen i.S. des § 118 BetrVG handelt.

Zwar sind nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG die Beteiligungsrechte des Betriebsrats in karitativen Unternehmen insoweit eingeschränkt, als durch ihre Ausübung die Freiheit des Unternehmers, über die Verwirklichung des karitativen Unternehmenszwecks zu entscheiden, ernsthaft beeinträchtigt würde. Eine solche Beschneidung der Freiheit des Unternehmers ist aber durch die Ausübung von Mitbestimmungsrechten bei einer vom Unternehmer selbst gewollten tariflichen Eingruppierung von Arbeitnehmern nicht zu befürchten. Denn soweit der Unternehmer eine tarifgerechte Eingruppierung erstrebt, leitet er aus dem Tendenzcharakter seines Unternehmens gerade keine Besonderheiten für sein Verhältnis zu den Arbeitnehmern ab. Hat die Eingruppierung aber nichts mit der Entscheidung des Unternehmers über die Verwirklichung der Unternehmenstendenz zu tun, dann muß er auch eine Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Eingruppierung hinnehmen (vgl. zuletzt Senatsbeschluß vom 9. Februar 1993 - 1 ABR 51/92 - AP Nr. 103 zu § 99 BetrVG 1972, zu B II 5 der Gründe).

II. Der angefochtene Beschluß war nicht deshalb aufzuheben, weil das Landesarbeitsgericht den nach § 22 Abs. 2 Unterabsatz 2 Satz 1 BAT für die Eingruppierung maßgeblichen Begriff des Arbeitsvorgangs verkannt hätte. Allerdings hängt nach dieser Bestimmung die Entscheidung davon ab, ob in den von den Angestellten ausgeübten Tätigkeiten mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, welche die Anforderungen der vom Betriebsrat für zutreffend gehaltenen Vergütungsgruppen erfüllen. Der angefochtene Beschluß enthält keine Ausführungen dazu, welche Arbeitsvorgänge bei den hier zu bewertenden Tätigkeiten anfallen. Das Landesarbeitsgericht ist aber offensichtlich davon ausgegangen, daß die Tätigkeit jeder der drei Angestellten in ihrer Gesamtheit jeweils einen einheitlichen Arbeitsvorgang darstellt. Dies ist nicht zu beanstanden. Insoweit herrscht auch zwischen den Beteiligten kein Streit.

Obwohl es sich bei dem Begriff des Arbeitsvorgangs um einen Rechtsbegriff handelt, dessen Vorliegen das Gericht selbst beurteilen muß, kann es doch insoweit nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts angesichts der übereinstimmenden rechtlichen Beurteilung durch die Verfahrensbeteiligten bei einer pauschalen Prüfung bewenden (vgl. BAG Urteil vom 4. August 1993 - 4 AZR 515/92 - AP Nr. 1 zu § 1 BAT, zu II 2 b der Gründe).

Diese Prüfung ergibt hier, daß die Tätigkeiten von Frau G , Frau V und Frau W jeweils einen einheitlichen Arbeitsvorgang bilden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist unter einem Arbeitsvorgang im Sinne des BAT die Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen, die unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung eine nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit darstellt und der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führt. (BAGE 51, 59, 65; 51, 282, 287; 51, 356, 360 = AP Nr. 115, 116 und 120 zu §§ 22, 23 BAT 1975, jeweils zu 1 der Gründe). Das von den hier einzugruppierenden Angestellten für den Zuschnitt der Arbeitsvorgänge maßgebliche Arbeitsergebnis liegt nicht in einzelnen Aufgabenbereichen wie der Hilfestellung bei der Nahrungsaufnahme, bei der Haushaltsführung oder bei Freizeitaktivitäten, sondern in der Anleitung und Hilfestellung bei der Bewältigung des Lebensalltags insgesamt (vgl. BAG Urteil vom 5. November 1986 - 4 AZR 639/85 - AP Nr. 127 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 4. Mai 1988 - 4 AZR 811/87 - AP Nr. 144 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Es umfaßt auch die hiermit verbundenen fördernden Elemente. Die Hilfe bei der Bewältigung des Lebensalltags und die Fördermaßnahmen gehen ineinander über, schon weil sich letztere im wesentlichen auf den lebenspraktischen Bereich beziehen.

III. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Würdigung, wonach die Angestellten G , V und W nicht die Tätigkeit von Sozialarbeiterinnen/Sozialpädagoginnen, sondern diejenige von Erzieherinnen ausüben, beruht teilweise auf Rechtsfehlern und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht allerdings erkannt, daß für die Subsumtion unter die im vorliegenden Fall streitigen Tätigkeitsmerkmale zunächst von den Berufsbildern der Sozialarbeiterinnen/Sozialpädagoginnen einerseits und der Erzieherinnen andererseits jeweils in der Ausprägung auszugehen ist, wie sie den einschlägigen Ausbildungsgängen zugrundeliegen. Dies ergibt sich schon daraus, daß diese Berufe in den tariflichen Tätigkeitsmerkmalen mit dem Zusatz "mit staatlicher Anerkennung" bezeichnet sind.

Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, daß abweichend von diesem Grundsatz die Betreuung von behinderten Erwachsenen nicht in erster Linie als Tätigkeit von Sozialarbeiterinnen/Sozialpädagoginnen im Tarifsinn anzusehen ist. Zwar ist das Berufsbild von Erziehern traditionell durch die Aufgabe geprägt, die persönliche und soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu fördern; erst in letzter Zeit werden sie in begrenztem Umfang auch in der Arbeit mit Erwachsenen eingesetzt (Blätter zur Berufskunde , 2-IV A 20, 6. Aufl. 1989, S. 2). Dagegen gehört die Betreuung benachteiligter Erwachsener zum klassischen Berufsbild der Sozialarbeiter/Sozialpädagogen (Blätter zur Berufskunde, 2-IV A 30, 5. Aufl. 1986, S. 7 ff.). Hieraus kann aber für die tarifliche Eingruppierung nichts gewonnen werden. Dies ergibt sich aus der Protokollnotiz Nr. 6 zu Teil II G der Anl. 1 a zum BAT, in der ausdrücklich auch die Betreuung von über 18-jährigen Personen der Erziehertätigkeit zugerechnet wird.

Der Senat stimmt dem Landesarbeitsgericht auch darin zu, daß es für die Eingruppierung im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung des Betriebsrats nicht darauf ankommt, ob die Angestellten G , V und W in heilpädagogischen Gruppen tätig sind. Zwar war die von Erziehern in heilpädagogischen Gruppen ausgeübte Tätigkeit nach der Protokollnotiz Nr. 3 zu Teil II G, Abschn. II der Anl. 1 a zum BAT in der bis zum 31. Dezember 1990 geltenden Fassung der Tätigkeit von Sozialarbeitern/Sozialpädagogen in solchen Gruppen gleichzuachten. Es kann offen bleiben, ob es sich bei den hier in Frage stehenden Behindertengruppen um heilpädagogische Gruppen im Sinn dieser Bestimmung handelt. Der Umstand, daß die Tätigkeit in einer heilpädagogischen Gruppe geleistet wird, hat nach der seit dem 1. Januar 1991 geltenden Fassung des Teils II G der Anl. 1 a zum BAT für die tarifliche Bewertung der Tätigkeit eines Angestellten im Sozial- und Erziehungsdienst keine Bedeutung mehr. Die Tätigkeitsmerkmale für diese Angestellten sind zum 1. Januar 1991 von Grund auf neu gestaltet worden, wobei das Tatbestandsmerkmal der heilpädagogischen Gruppe weggefallen ist. Hieraus muß geschlossen werden, daß die Tätigkeit in einer solchen Gruppe seit dem 1. Januar 1991 nicht mehr zur vergütungsrechtlichen Gleichsetzung von Erziehern mit Sozialarbeitern/Sozialpädagogen führen soll. Hätte die frühere Bewertung der Tätigkeit in einer heilpädagogischen Gruppe weiterhin Gültigkeit behalten sollen, so hätten die Tarifvertragsparteien entweder das entsprechende Tatbestandsmerkmal beibehalten oder auf andere Weise zum Ausdruck gebracht, daß die Eingruppierung außer von der Art der zu leistenden Tätigkeit nach wie vor auch von der organisatorischen Einbindung in eine heilpädagogische Gruppe abhängen soll. Hierfür enthält die Neufassung aber keinerlei Anhaltspunkte.

2.a) Die Berufsbilder des Erziehers und des Sozialarbeiters/Sozialpädagogen weisen weitreichende Gemeinsamkeiten auf und überschneiden sich in breiten Tätigkeitsfeldern. So besteht die Aufgabe des Sozialarbeiters/Sozialpädagogen in der Hilfe zur besseren Lebensbewältigung, was sich je nach Problemsituation und auslösender Lebenslage als Entwicklungs-, Erziehungs-, Reifungs-, oder Bildungshilfe verstehen läßt. Durch psychosoziale Mittel und Methoden sollen die als Bedürftigkeit, Abhängigkeit und Not bezeichneten Lebensumstände geändert werden (vgl. Blätter zur Berufskunde, 2-IV A 30, S. 2). Auch die Arbeit von Erziehern ist sozialpädagogischer Art und unterscheidet sich in vielen Aufgabenstellungen nicht wesentlich von derjenigen anderer sozialpädagogischer Berufe. Sie umfaßt die Bildung und Förderung sowohl von gesunden als auch von in ihrer Entwicklung gestörten Kindern und Jugendlichen sowie die Tätigkeit in heilpädagogischen Einrichtungen für Erwachsene (vgl. Blätter zur Berufskunde, 2-IV A 20, S. 2).

b) Diese Übereinstimmungen führen aber nicht dazu, daß zwischen den Tätigkeiten eines Erziehers und eines Sozialarbeiters/Sozialpädagogen keine für die Eingruppierung maßgeblichen Unterschiede mehr festgestellt werden könnten (BAG Urteil vom 20. Februar 1991 - 4 AZR 377/90 - ZTR 1991, 296 f.).

So ist die Tätigkeit der Sozialarbeiter/Sozialpädagogen stärker konzeptionell geprägt und hat ihren Schwerpunkt darin, daß durch die Veränderung des Menschen, seiner Lebenslage und Lebensqualität sowie der sie bedingenden gesellschaftlichen Strukturen Fehlentwicklungen bekämpft werden sollen (Blätter zur Berufskunde, 2-IV A 30, S. 8). Dagegen liegt bei der Tätigkeit des Erziehers stärkeres Gewicht auf ausführenden Aufgaben fürsorgerischer und bewahrender Natur (vgl. Blätter zur Berufskunde 2-IV A 20, S. 2).

Die zwischen den beiden Berufen bestehenden Unterschiede schlagen sich in den Ausbildungserfordernissen nieder, die für Sozialarbeiter/Sozialpädagogen anspruchsvoller sind. So setzt deren Ausbildung im Regelfall die Hochschulreife voraus und besteht aus einem sechs-semestrigen Fachhochschulstudium sowie einem daran anschließenden praktischen Jahr (vgl. im einzelnen Blätter zur Berufskunde 2-IV A 30, S. 25 ff.). Dagegen erfordert die Erzieherausbildung lediglich einen Realschulabschluß und besteht aus einer zweijährigen Fachschulausbildung und einem daran anschließenden praktischen Jahr (vgl. Blätter zur Berufskunde 2-IV A 20, S. 19 ff.).

Dem entspricht auch das hierarchische Verhältnis der beiden Berufe zueinander. Der Erzieher steht in sozialpädagogischen Einrichtungen zwischen dem Sozialarbeiter/Sozialpädagogen, der ihm übergeordnet ist, und sozialpädagogisch weniger qualifiziert ausgebildeten Hilfskräften wie z. B. Kinderpflegern (Blätter zur Berufskunde 2-IV A 20, S. 10 f.). In Übereinstimmung hiermit steht die tarifliche Bewertung im BAT, nach der für Erzieher mit staatlicher Anerkennung VergGr. VI b, für Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung dagegen VergGr. V b die Grund-Vergütungsgruppe darstellt.

3. Das Landesarbeitsgericht hat die dem Antrag des Arbeitgebers stattgebende Entscheidung auf die Annahme gestützt, gerade wegen der weitgehenden Überschneidung der Aufgaben von Erziehern und von Sozialarbeitern/Sozialpädagogen könne der sozialpädagogische Anteil an der Erziehertätigkeit nicht dazu führen, diese als Tätigkeit eines Sozialarbeiters/Sozialpädagogen zu qualifizieren. Die von einem Erzieher ausgeübte Betreuung könne nur dann die Qualität der Tätigkeit eines Sozialarbeiters/Sozialpädagogen erreichen, wenn aufgrund der Art der Betreuung Anforderungen an den Betreuer gestellt würden, die ein Erzieher nach seinem typischen Ausbildungsstand regelmäßig nicht erfüllen könne.

Diese Ansicht läuft für Tätigkeiten im Überschneidungsbereich der beiden Berufsbilder darauf hinaus, daß diese bei der tariflichen Eingruppierung ausschließlich als solche von Erziehern zu werten sind. Aus der teilweisen Übereinstimmung der Berufsbilder kann aber eine solche Folgerung nicht gezogen werden (BAG Urteil vom 20. Februar 1991, aaO). Der Umstand allein, daß eine Tätigkeit sowohl dem Beruf eines Erziehers als auch demjenigen eines Sozialarbeiters/Sozialpädagogen zugerechnet werden kann, läßt keinen Schluß darauf zu, welchem der beiden Berufe sie für die Eingruppierung zuzurechnen ist. Vielmehr bleibt zunächst die Möglichkeit, diese Tätigkeit sowohl als diejenige eines Erziehers als auch als diejenige eines Sozialarbeiters/Sozialpädagogen anzusehen, womit für die Entscheidung über die Eingruppierung nichts gewonnen ist. Daß der Lösungsansatz des Landesarbeitsgerichts nicht zutreffen kann, wird auch durch das Ergebnis bestätigt, zu dem er führen würde. Wenn sich die Tätigkeiten von Erziehern und Sozialarbeitern/Sozialpädagogen weithin überschneiden, kann es nicht richtig sein, als Tätigkeit von Sozialarbeitern/Sozialpädagogen nur diejenige in Betracht zu ziehen, welche die Qualifikation eines Erziehers übersteigt. Der Sozialarbeiter/Sozialpädagoge wird nicht dadurch zum Erzieher, daß er eine Tätigkeit im Überschneidungsbereich der beiden Berufe ausübt. Bei Tätigkeiten im Überschneidungsbereich ist vielmehr davon auszugehen, daß sie nicht in ihrer Gesamtheit nur einem dieser Berufe zugeordnet werden können.

Dieses aus dem allgemeinen Verständnis der beiden hier streitigen Berufsbilder abgeleitete Ergebnis ist auch für die tarifliche Eingruppierung maßgeblich. Die einschlägigen Bestimmungen des BAT enthalten keine Anhaltspunkte dafür, daß die Tarifvertragsparteien hiervon hätten abweichen und beispielsweise alle im Überschneidungsbereich ausgeübten Tätigkeiten als solche von Erziehern hätten bewerten wollen.

4.a) Muß demnach bei der tariflichen Eingruppierung zwischen den Tätigkeiten von Sozialarbeitern/Sozialpädagogen einerseits und von Erziehern andererseits auch in dem Bereich unterschieden werden, in dem sich die Berufsbilder überschneiden, so kann dies nur anhand der typischen Inhalte dieser Berufe geschehen. Insoweit kommt es darauf an, was regelmäßig zur Tätigkeit eines Sozialarbeiters/Sozialpädagogen gehört und was zu derjenigen eines Erziehers. Bei dieser Feststellung mag die Art und Intensität der jeweiligen Ausbildung eine wichtige Rolle spielen. Anhand der Schwerpunkte der beiden Berufsbilder läßt sich ermitteln, welche Tätigkeiten im Überschneidungsbereich vorrangig dem einen und erst in zweiter Linie dem anderen Beruf zuzuordnen sind. Von diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis ist mangels anderer Kriterien auch bei der hier vorzunehmenden tariflichen Eingruppierung auszugehen.

b) Für diese Bewertung reichen die bisher getroffenen tatsächliche Feststellungen nicht aus. Sie lassen nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, worin im einzelnen die typischen Inhalte der beiden Berufsbilder jeweils zu sehen sind. Die in den Blättern zur Berufskunde hierzu enthaltenen Angaben sind nicht genügend präzise. Sie lassen insbesondere nicht mit der erforderlichen Genauigkeit erkennen, worin im einzelnen die Schwerpunkte der beiden Berufsbilder liegen, wie die verschiedenen Tätigkeitsbereiche in ihrer Bedeutung für das jeweilige Berufsbild zu gewichten sind und welchem Beruf daher Tätigkeiten im Überschneidungsbereich jeweils in erster Linie zuzuordnen sind. Das Landesarbeitsgericht wird dies, erforderlichenfalls mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens, noch aufzuklären haben. Sodann wird das Landesarbeitsgericht die von den drei Angestellten ausgeübten Tätigkeiten danach zu bewerten haben, ob in ihnen die typischerweise einer Erziehertätigkeit oder die typischerweise der Tätigkeit eines Sozialarbeiters/Sozialpädagogen zuzuordnenden Elemente überwiegen. Auch insoweit können, je nach den bei der Ermittlung der Schwerpunkte der Berufsbilder gewonnenen Erkenntnissen, noch weitere tatsächliche Feststellungen zu den einzelnen Tätigkeiten und dazu erforderlich werden, welche Anforderungen diese im einzelnen an die Qualifikation der Betreuerinnen stellen.

Dr. Dieterich Dr. Rost Dr. Wißmann

Muhr Dr. Münzer

 

Fundstellen

Haufe-Index 436933

ZTR 1995, 364-365 (ST1)

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge