Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechte des Betriebsrats im Entleiherbetrieb für Leiharbeitnehmer

 

Leitsatz (amtlich)

Dem Betriebsrat des Entleiherbetriebs steht das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG auch für Leiharbeitnehmer zu.

 

Normenkette

AÜG Art. 1 § 14; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2; ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Beschluss vom 17.03.1992; Aktenzeichen 5 TaBV 147/91)

ArbG Darmstadt (Beschluss vom 07.08.1991; Aktenzeichen 5 BV 6/91)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 17. März 1992 – 5 TaBV 147/91 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Arbeitgeber und Betriebsrat haben im wesentlichen darüber gestritten, ob der antragstellende Betriebsrat (des Entleihers) ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bei der Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der bei dem Arbeitgeber arbeitenden Leiharbeitnehmer hat und ob die bisher abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen, die die Arbeitszeit betreffen, auf diese Arbeitnehmer anzuwenden sind.

Die Beteiligten haben die Betriebsvereinbarung “Arbeitszeit und Überstundenregelung” vom 27. Oktober 1980, die Betriebsvereinbarung “Gleitende Arbeitszeit” vom 27. Oktober 1980 sowie eine “Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeitverkürzung ab 1.4.1989 bzw. 1.4.1990” abgeschlossen.

Der Betriebsrat hat vorgetragen, er sei in der Vergangenheit stets davon ausgegangen, daß die Betriebsvereinbarungen über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit ebenso für die Leiharbeitnehmer wie für die eigenen Mitarbeiter gelten. Er habe daher keinerlei Anlaß gehabt, diese Personengruppe in den Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zu erwähnen oder getrennte Betriebsvereinbarungen für sie abzuschließen. Erst im Monatsgespräch vom 8. März 1991 zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat habe er von der abweichenden Auffassung der Geschäftsleitung erfahren, daß keine der erwähnten Betriebsvereinbarungen auf Leiharbeitnehmer nach dem AÜG Anwendung finde.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Leiharbeitnehmer seien Mitarbeiter der “GSI”, zu den Arbeitnehmern eines Betriebes gehörten nämlich auch die Personen, die durch Mittelspersonen eingestellt würden, wenn sie dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterlägen. Dies sei bei den Leiharbeitnehmern der Fall. Im übrigen sei in der Vergangenheit auch vom Arbeitgeber ein Mitbestimmungsrecht bezüglich dieser Personengruppe angenommen worden. Die Aufzählung der in Art. 1 § 14 AÜG enthaltenen Normen des Betriebsverfassungsgesetzes sei nicht abschließend. Zu berücksichtigen sei die faktische Arbeitgeberstellung des Entleihers zumindest bezüglich des Weisungsrechts. Daraus folge zumindest eine teilweise Geltung von § 87 BetrVG, sonst entstünden zwei Klassen von Arbeitnehmern, wobei diejenigen des Verleihers keinen betriebsverfassungsrechtlichen Schutz hätten. In der Begründung des Gesetzes sei ausdrücklich ausgeführt worden, daß die Feststellung weiterer Beteiligungsrechte des Betriebsrats durch die Rechtsprechung unberührt bleibe. Zum Beispiel in Fragen der Ordnung des Betriebes, des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung sei die betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung der Leiharbeitnehmer zum Entleiherbetrieb anzuerkennen. Der Betriebsrat des Verleiherbetriebes könne weder tatsächlich noch rechtlich die Leiharbeitnehmer in diesen Fragen vertreten. Dies gelte auch für die Arbeitszeit. Immer dann, wenn es um die Eingliederung der Arbeitnehmer in den Betrieb gehe, entstünden die Mitbestimmungsrechte, die sich darauf bezögen.

Der Betriebsrat hat beantragt,

  • dem Arbeitgeber aufzugeben, die Betriebsvereinbarungen

    • “Arbeitszeit und Überstundenregelung” vom 27. Oktober 1980
    • “Gleitende Arbeitszeit” vom 27. Oktober 1980 und
    • “Arbeitszeitverkürzung ab 1.4.1989 bzw. 1.4.1990” vom 27. April 1989

    auch bezüglich des Beginns und Ende der täglichen Arbeitszeit der beim Arbeitgeber arbeitenden Leiharbeitnehmer nach AÜG durchzuführen;

  • dem Arbeitgeber anzudrohen, ihn bei jeder Zuwiderhandlung gegen diese Verpflichtung zu einem Ordnungsgeld in Höhe von 500,-- DM zu verurteilen;

hilfsweise

festzustellen, daß sich bis zum Abschluß einer anderslautenden Regelung Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der beim Arbeitgeber arbeitenden Leiharbeitnehmer nach AÜG nach den Vorschriften der Betriebsvereinbarungen

  • “Arbeitszeit und Überstundenregelung” vom 27. Oktober 1980,
  • “Gleitende Arbeitszeit” vom 27. Oktober 1980 und
  • “Arbeitszeitverkürzung ab 1.4.1989 bzw. 1.4.1990” vom 27. April 1989

richten;

hilfsweise

festzustellen, daß der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht im Sinne des § 87 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG bei der Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der beim Arbeitgeber arbeitenden Leiharbeitnehmer nach dem AÜG hat.

Der Arbeitgeber hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen.

Zur Begründung hat er vorgetragen, die Betriebsvereinbarungen bezüglich der Arbeitszeit seien auf die Leiharbeitnehmer schon deshalb nicht anwendbar, weil diese nach dem in § 5 BetrVG definierten Arbeitnehmerbegriff eben nicht Arbeitnehmer des Betriebs seien. Nach § 77 BetrVG könnten die Betriebsparteien auch nur Regelungen für die Arbeitnehmer in diesem Sinne treffen. Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 und § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG stelle eindeutig ein Hindernis für die Regelungsbefugnis durch den Betriebsrat des Entleiherbetriebes dar. Der Wortlaut des Art. 1 § 14 Abs. 2 und 3 AÜG verbiete eine Anwendung des § 87 BetrVG. Weisungsrechte des Entleihers oder eine bisher geübte betriebliche Praxis könnten ein Mitbestimmungsrecht nicht begründen. Die stillschweigende Annahme der Erweiterung eines Geltungsbereichs sei nicht möglich. In der Vergangenheit habe es deshalb keine Konflikte gegeben, weil der in den Betriebsvereinbarungen festgelegte Geltungsbereich weder ausdrücklich noch stillschweigend erkennbar in Zweifel gezogen worden sei. Soweit in der Kommentarliteratur anderweitige Ansichten vertreten würden, sei dem nicht zu folgen. Becker/Wulfgramm (AÜG, § 14 Rz 19) würden zutreffenderweise darauf hinweisen, daß der Gesetzgeber von einer prinzipiellen betriebsverfassungsrechtlichen Zugehörigkeit des Leiharbeitnehmers zu dem Verleiherbetrieb ausgehe. Eine echte doppelte betriebsverfassungsrechtliche Zugehörigkeit des Leiharbeitnehmers sowohl zum Verleiher als auch zum Entleiherbetrieb könne nicht mehr angenommen werden. Selbst wenn alle Vorschriften des BetrVG anwendbar seien, die keinen rechtlichen Bestand eines Arbeitsverhältnisses zum Betriebsinhaber voraussetzten, könne dies nur bedeuten, daß Betriebsvereinbarungen über die Festlegung der Arbeitszeit nicht für Leiharbeitnehmer gälten. Diese setzten nämlich ein Arbeitsverhältnis zu dem Arbeitgeber voraus. Arbeitszeitregelungen gingen von dem bestehenden Arbeitsvertrag auf der Grundlage des BAT aus und verwiesen z.B. bei der Überstundenregelung auf § 17 BAT, bei der gleitenden Arbeitszeit auf die Normalarbeitszeit des BAT, bei der Freistellung auf § 52 BAT und auf die tarifübliche Arbeitszeit im öffentlichen Dienst. Nach dem AÜG sei bei erlaubter erwerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung eindeutig der Verleiher zur Tragung des spezifischen Arbeitgeberrisikos verpflichtet. Es sei folgerichtig, auch im Betriebsverfassungsrecht den Schwerpunkt der betriebsverfassungsrechtlichen Beziehungen des Leiharbeitnehmers im Verleiherbetrieb zu sehen.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats abgewiesen. Auf die Beschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht dem zweiten Hilfsantrag stattgegeben und im übrigen die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Arbeitgeber die Wiederherstellung des Beschlusses des Arbeitsgerichts, während der Betriebsrat beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers ist nicht begründet.

I. Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist allein noch die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den zweiten Hilfsantrag, mit dem der Betriebsrat die Feststellung begehrt, daß er auch für die Leiharbeitnehmer ein Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung von Beginn und Ende der Arbeitszeit hat.

Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß der zweite Hilfsantrag des Betriebsrats zulässig ist. Die Voraussetzungen von § 256 Abs. 1 ZPO liegen vor: Der Betriebsrat begehrt die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, nämlich eines Mitbestimmungsrechts gegenüber dem Arbeitgeber bezüglich der Festlegung von Arbeitsbeginn und -ende für die Leiharbeitnehmer. Es kann dahinstehen, ob von Anfang an für diesen Antrag ein Feststellungsinteresse vorgelegen hat. Noch mit Schreiben vom 23. April 1991 hat der Arbeitgeber bestätigt, daß auch seiner Meinung nach der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hat, jedoch die Betriebsvereinbarungen nicht auf die Leiharbeitnehmer anzuwenden seien. Erst im Verlaufe des Beschlußverfahrens, noch in der ersten Tatsacheninstanz, hat der Arbeitgeber sich dann auf den Standpunkt gestellt, ein solches Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestehe nicht. Von diesem Zeitpunkt an hat auch ein Feststellungsinteresse für diesen Antrag bestanden, weil seitdem zwischen den Beteiligten Streit über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts besteht.

II. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dieser Antrag des Betriebsrats sei begründet, dementsprechend war die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

1.a) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend bei seiner Entscheidung von Art. 1 § 14 AÜG ausgegangen. Nach § 14 Abs. 1 AÜG bleiben Leiharbeitnehmer auch während der Zeit ihrer Arbeitsleistung bei einem Entleiher Angehörige des entsendenden Betriebs des Verleihers. Nach § 14 Abs. 2 AÜG sind Leiharbeitnehmer bei der Wahl der betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretungen im Entleiherbetrieb weder wahlberechtigt noch wählbar. Sie sind dagegen berechtigt, die Sprechstunden der Arbeitnehmervertretungen aufzusuchen und an den Betriebs- und Jugendversammlungen im Entleiherbetrieb teilzunehmen. Die §§ 81, 82 Abs. 1 und §§ 84 bis 86 des BetrVG gelten im Entleiherbetrieb auch in Bezug auf die dort tätigen Leiharbeitnehmer. Nach § 14 Abs. 3 AÜG ist vor der Übernahme eines Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung der Betriebsrat des Entleiherbetriebs nach § 99 BetrVG zu beteiligen.

b) Aus dem Wortlaut ergibt sich nicht, daß § 14 Abs. 1 bis 3 AÜG eine abschließende betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung der Leiharbeitnehmer zum Verleiher- bzw. Entleiherbetrieb enthält. § 14 Abs. 1 AÜG stellt nur klar, daß die Leiharbeitnehmer auch während der Arbeitsleistung beim Entleiher individualrechtlich Arbeitnehmer des Verleihers bleiben. Die Konsequenz daraus ist, daß der Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb weder aktives noch passives Wahlrecht zu den betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretungen hat. Damit ist gleichzeitig geregelt, daß Leiharbeitnehmer in betriebsverfassungsrechtlicher Hinsicht grundsätzlich dem Verleiherbetrieb zugeordnet sind. Zugleich ist § 14 Abs. 2 Satz 2 AÜG zu entnehmen, daß Rechte und Pflichten, die sich für Arbeitgeber und Betriebsrat aus der Eingliederung eines Arbeitnehmers in den Betrieb ergeben, beim Leiharbeitnehmer der Arbeitgeber und Betriebsrat des Entleiherbetriebs wahrnehmen. So wird durch die Verweisung auf die §§ 81, 82 Abs. 1, §§ 84 bis 86 BetrVG klargestellt, daß der Arbeitgeber des Entleiherbetriebs den Leiharbeitnehmer einzuweisen hat, dieser das Recht hat, in betrieblichen Angelegenheiten, die seine Person betreffen, Vorschläge beim Arbeitgeber des Entleiherbetriebs zu machen und sich gegebenenfalls bei diesem zu beschweren. Nach § 14 Abs. 3 AÜG ist der Betriebsrat des Entleiherbetriebes vor der Übernahme eines Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung nach § 99 BetrVG zu beteiligen. Auch hiermit trägt der Gesetzgeber der Tatsache Rechnung, daß das Beteiligungsrecht bei der Einstellung nur von dem Betriebsrat des Betriebes wahrgenommen werden kann, in dem der Leiharbeitnehmer beschäftigt werden soll. Ob im übrigen Beteiligungsrechte, die – wenn überhaupt – nur vom Betriebsrat des Entleiherbetriebs wahrgenommen werden können, entfallen sollen oder insofern die Leiharbeitnehmer dem Entleiherbetrieb zugeordnet werden sollen, läßt sich § 14 AÜG nicht eindeutig entnehmen. Weder wird in § 14 AÜG klargestellt, daß nur die in § 14 Abs. 1 bis 3 AÜG genannten Vorschriften im Entleiherbetrieb für die dort tätigen Leiharbeitnehmer gelten sollen, noch wird zum Ausdruck gebracht, daß der Betriebsrat des Entleiherbetriebs in allen Fällen zuständig sein soll, in denen Beteiligungsrechte für Leiharbeitnehmer nur vom Betriebsrat des Entleiherbetriebs wahrgenommen werden können. Deshalb ist die Vorschrift des § 14 AÜG auslegungsbedürftig.

2. Mangels anderer Anhaltspunkte ist für die Auslegung von § 14 AÜG auf die Gesetzesmaterialien zurückzugreifen.

a) Die Begründung des Regierungsentwurfs, der unverändert Gesetz geworden ist, nötigt zu der Auslegung, daß in Art. 1 § 14 AÜG keine abschließende betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung der Leiharbeitnehmer erfolgt ist. Nach der Begründung des besonderen Teils regelt die Vorschrift wesentliche Aspekte der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung der Leiharbeitnehmer im Sinne des AÜG im Betrieb des Verleihers und des Entleihers. Es wird darauf hingewiesen, daß während der Zeit ihrer Entsendung Leiharbeitnehmer – wenn auch in unterschiedlicher Intensität – sowohl der Betriebsverfassung des Verleiherbetriebes, als auch derjenigen des Entleiherbetriebes unterliegen. Es wird weiter ausgeführt, die allgemeine Schutzfunktion des Betriebsverfassungsrechts gebiete diese betriebsverfassungsrechtliche doppelte Zuordnung der Leiharbeitnehmer (BT-Drucks. 9/847 S. 8). Weiterhin wird darauf hingewiesen, daß Leiharbeitnehmer Arbeitnehmer des Verleihers sind und dies auch während der Zeit ihrer Entsendung in den Betrieb eines Entleihers bleiben. Aus diesem Grunde werde ausdrücklich klargestellt, daß Leiharbeitnehmer auch während der Zeit der vorübergehenden Tätigkeit bei einem Entleiher betriebsverfassungsrechtlich weiterhin dem entsendenden Betrieb des Verleihers zugeordnet bleiben. Das gelte insbesondere auch für das aktive und passive Wahlrecht. Damit kann der Begründung zum Gesetzentwurf entnommen werden, daß der Leiharbeitnehmer grundsätzlich dem Verleiherbetrieb betriebsverfassungsrechtlich zugeordnet ist.

b) Entscheidend ist, daß in der Begründung weiterhin darauf hingewiesen wird, “daß der Leiharbeitnehmer seine Arbeitsleistung während der Zeit seiner Tätigkeit bei einem Entleiher in dessen betrieblicher Organisation und nach dessen Weisungen erbringt. Hierdurch können sowohl die Interessen der Stammbelegschaft des Entleihers als auch die Belange des Leiharbeitnehmers berührt werden. Zum Schutze sowohl der Stammbelegschaft des Entleihers als auch des Leiharbeitnehmers selbst ordnen die Absätze 2 und 3 den Leiharbeitnehmer betriebsverfassungsrechtlich in gewissem Umfang auch dem Betrieb des Entleihers zu. Durch Absatz 3 Satz 1 wird in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluß des BAG vom 14. Mai 1974 – 1 ABR 40/73 – AP Nr. 2 zu § 99 BetrVG 1972) klargestellt, daß der Betriebsrat des Entleiherbetriebes vor der Übernahme eines Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung im Entleiherbetrieb nach § 99 BetrVG zu beteiligen ist” (BT-Drucks. 9/847 S. 8, 9). In der Begründung zum Regierungsentwurf wird dann weiter ausgeführt: “Diese Regelungen sind nicht abschließender Natur. Die Feststellung etwaiger weiterer Beteiligungsrechte des Betriebsrats durch die Rechtsprechung, wie sie auch in dem vorgenannten Beschluß des Bundesarbeitsgerichts ihren Niederschlag gefunden haben, bleibt unberührt.”

Dementsprechend geht auch die ganz überwiegende Meinung in der Literatur zum AÜG und zum BetrVG davon aus, daß Art. 1 § 14 AÜG die betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung der Leiharbeitnehmer nur partiell regelt (Becker/Wulfgramm, AÜG, 6. Aufl., Art. 1 § 14 Rz 4 f. und Rz 109; Sandmann/Marschall, AÜG, Art. 1 § 14 Anm. 2; Kraft, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 5 Rz 18; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 5 Rz 72 und Rz 77; Trümner in Däubler u.a., BetrVG, 3. Aufl., § 5 Rz 27, 72 ff.; Richardi, NZA 1987, 145 ff.; Konzen, ZfA 1982, 259, 277, A.A.: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 5 Rz 8a und Stege/Weinspach, BetrVG, 6. Aufl., § 7 Rz 5 ohne Begründung).

Dem schließt sich der Senat an.

3. Zu den Beteiligungsrechten, die der Betriebsrat des Entleiherbetriebs für die Leiharbeitnehmer wahrzunehmen hat, gehört auch das Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit.

Bei der Beantwortung der Frage, welche Beteiligungsrechte des Betriebsrats des Entleiherbetriebs sich auch auf die Leiharbeitnehmer erstrecken, ist nicht allein von der Tatsache der Eingliederung der Leiharbeitnehmer auszugehen (so zutreffend Konzen, aaO, S. 277). Bei § 99 BetrVG war der Senat in der Entscheidung vom 14. Mai 1974 (BAGE 26, 149 = AP Nr. 2 zu § 99 BetrVG 1972) vom Normzweck dieser Bestimmung ausgegangen. Ob der Betriebsrat des Entleiherbetriebs Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 BetrVG hat, muß sich ebenfalls nach dem jeweiligen Normzweck bestimmen (ebenso Konzen, aaO). Zweck der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 ist es, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage ihrer Arbeitszeit und damit zugleich der Freizeit für die Gestaltung ihres Privatlebens zur Geltung zu bringen (ständige Senatsrechtsprechung seit dem Beschluß vom 21. Dezember 1982 – 1 ABR 14/81 – BAGE 41, 200 = AP Nr. 9 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Dieser Normzweck des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG verlangt es, daß der Betriebsrat des Entleiherbetriebes das Mitbestimmungsrecht auch für die Leiharbeitnehmer wahrnimmt. Da der Entleiher das Weisungsrecht bezüglich Beginn und Ende der Arbeitszeit für die überlassenen Arbeitnehmer hat, kann das Mitbestimmungsrecht für die Leiharbeitnehmer nur durch den Betriebsrat des Entleiherbetriebes wahrgenommen werden. Ein Bedürfnis nach Mitbestimmung besteht bei ihnen ebenso wie bei den Arbeitnehmern des Entleihers. Dementsprechend ist dort, wo der Entleiher aufgrund des ihm zustehenden Direktionsrechts Maßnahmen anordnen kann, deren Wirksamkeit von der Zustimmung des Betriebsrats des Entleiherbetriebs abhängig (Kraft, aaO, § 5 Rz 18). Dies gilt gerade auch für die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit. Würde der Betriebsrat des Entleiherbetriebes hier nicht mitbestimmen, dann könnte der Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts allein nach seiner Interessenlage die Arbeitszeit und damit zugleich die Freizeit für die Gestaltung des Privatlebens des Leiharbeitnehmers bestimmen. Dementsprechend hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen, daß der Betriebsrat des Entleiherbetriebes ein Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung von Beginn und Ende der Arbeitszeit der Leiharbeitnehmer hat (Becker/Wulfgramm, AÜG, 3. Aufl., Art. 1 § 14 Rz 109; Kraft, aaO, § 5 Rz 18; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, 17. Aufl., § 5 Rz 72 für Regelungen in sozialen Angelegenheiten, von denen die Leiharbeitnehmer betroffen sind; Trümner, aaO, § 5 Rz 27, 72 ff.).

Bei dieser Auslegung von Art. 1 § 14 AÜG und der Bejahung eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG aufgrund des Normzwecks dieser Bestimmung wird nicht die grundsätzliche betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung der Leiharbeitnehmer zum Verleiherbetrieb in Frage gestellt. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats des Entleiherbetriebs kommt nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn aufgrund des Normzwecks einerseits und des Direktionsrechts des Arbeitgebers des Entleiherbetriebs andererseits eine betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung der Leiharbeitnehmer auch zum Entleiherbetrieb erforderlich machen, weil sonst die Schutzfunktion des Betriebsverfassungsrechts außer Kraft gesetzt würde.

Das bedeutet z.B., daß alle Beteiligungsrechte, die im Zusammenhang mit der Entlohnung des Leiharbeitnehmers stehen, ausschließlich dem Betriebsrat des Verleiherbetriebs zustehen.

Ergibt die Auslegung von Art. 1 § 14 AÜG, daß diese Vorschrift keine abschließende Regelung über die betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung der Leiharbeitnehmer enthält und folgt aus dem Normzweck von § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG in Verb. mit dem allein dem Entleiher zustehenden Direktionsrecht hinsichtlich der Festlegung der Arbeitszeit, daß der Betriebsrat des Entleiherbetriebes auch bei der Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Leiharbeitnehmer mitzubestimmen hat, war die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers zurückzuweisen.

 

Unterschriften

Dr. Kissel, Dr. Weller, Dr. Rost, Mager, H. Paschen

 

Fundstellen

Haufe-Index 846724

BAGE, 107

BB 1993, 648

NZA 1993, 513

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