Entscheidungsstichwort (Thema)

Kosten anwaltlicher Vertretung im Einigungsstellenverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

  • Über die Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten vor der Einigungsstelle entscheidet der Betriebsrat nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei ist in erster Linie maßgebend, ob zwischen den Betriebsparteien schwierige Rechtsfragen streitig sind. Ist dies der Fall, so braucht sich der Betriebsrat nicht darauf verweisen zu lassen, seine Interessen durch einen von ihm benannten betriebsfremden anwaltlichen Beisitzer wahrnehmen zu lassen.
  • Dagegen darf der Betriebsrat bei der Prüfung der Erforderlichkeit seiner anwaltlichen Vertretung vor der Einigungsstelle das Gebühreninteresse des Rechtsanwalts auch dann nicht berücksichtigen, wenn der Rechtsanwalt den Betriebsrat vor Durchführung des Einigungsstellenverfahrens beraten hat.
 

Normenkette

BetrVG § 40 Abs. 1, § 76a Abs. 3; BGB § 291

 

Verfahrensgang

LAG Mecklenburg-Vorpommern (Beschluss vom 10.05.1995; Aktenzeichen 2 TaBV 16/94)

ArbG Rostock (Beschluss vom 10.03.1994; Aktenzeichen 1 BV 1/94)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 10. Mai 1995 – 2 TaBV 16/94 – aufgehoben.

Das Verfahren wird zur anderweitigen Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Arbeitgeberin, den Betriebsrat von Anwaltskosten freizustellen, die aus Anlaß eines Einigungsstellenverfahrens entstanden sind.

Die beteiligte Arbeitgeberin ist ein Unternehmen, dessen Betriebstätigkeit auf dem Gebiet der Datenverarbeitung in R… zum 30. September 1993 stillgelegt werden sollte. In der ersten Jahreshälfte 1993 kam es zwischen der Arbeitgeberin und dem bei ihr gebildeten Betriebsrat zu Verhandlungen über einen Interessenausgleich und den Abschluß eines Sozialplans. Nachdem zwischen den Betriebsparteien keine Einigung erzielt werden konnte, faßte der Betriebsrat in seiner Sitzung am 5. Juli 1993 u.a. folgenden Beschluß:

  • die Verhandlungen über den Interessenausgleich und Sozialplan werden als gescheitert angesehen
  • die Angelegenheit soll durch die Einigungsstelle gem. § 76 BetrVG entschieden werden
  • sollte über den Vorsitz der Einigungsstelle keine Einigung erzielt werden, wird der BR diesen über das Arbeitsgericht einsetzen lassen.

    Bei gegebener Dringlichkeit wird damit die Rechtsanwältin Frau S…, R…, beauftragt

  • Als externe Beisitzende soll die Rechtsanwältin S… aus R… fungieren.

Die Sitzung einer daraufhin eingerichteten Einigungsstelle fand am 26. August 1993 unter dem Vorsitz eines Richters am Arbeitsgericht statt. Als Beisitzer für den Betriebsrat nahmen dessen Vorsitzender und ein weiteres Betriebsratsmitglied teil; die Arbeitgeberin war durch zwei Geschäftsführer vertreten. Als Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats vor der Einigungsstelle trat Frau Rechtsanwältin S… auf. Die Arbeitgeberseite war ebenfalls durch einen Bevollmächtigten vertreten.

Zu Beginn des Einigungsstellenverfahrens forderte der Betriebsrat die Aufstellung eines Sozialplans von einem Gesamtvolumen von 2.236.650,-- DM, den er aus einem durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen von 3.100,-- DM multipliziert mit der Anzahl der vom Sozialplan begünstigten 74 Arbeitnehmer multipliziert mit einer durchschnittlichen Beschäftigungsdauer von 19,5 Jahren unter Zugrundelegung eines Faktors von 0,5 pro Beschäftigungsjahr errechnete. Demgegenüber war die Arbeitgeberin nur bereit, bei der Bewertung der Beschäftigungsdauer einen Faktor von 0,25 zu berücksichtigen. In der ersten Sitzung einigten sich die Betriebsparteien darauf, die Beschäftigungszeit mit dem Faktor 0,34 zu bewerten. Daraus errechnete sich ein Gesamtsozialplanvolumen von 1.520.922,-- DM.

Mit Schreiben vom 7. Oktober 1993 stellte die Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats der Arbeitgeberin einen Betrag von 13.733,76 DM in Rechnung. Dabei ging sie von einem Gegenstandswert von 1.520.922,-- DM aus. Auf den Rechnungsbetrag zahlte die Arbeitgeberin 503,27 DM.

Der Betriebsrat hält die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zur Vertretung seiner Interessen vor der Einigungsstelle am 26. August 1993 für erforderlich, weil es sich um rechtlich und tatsächlich schwierige Fragen gehandelt habe und die Arbeitgeberseite ebenfalls durch einen Bevollmächtigten vor der Einigungsstelle vertreten gewesen sei. Hinzu komme, daß die Bevollmächtigte den Betriebsrat in dieser Angelegenheit mehrfach umfangreich beraten habe. Auch im Hinblick darauf sei ihre Honorarforderung angemessen.

Der antragstellende Betriebsrat hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß die Arbeitgeberin verpflichtet sei, an ihn zu Händen der Frau Rechtsanwältin S… einen Betrag in Höhe von 13.230,39 DM plus 4 % Zinsen hierauf seit dem 26. November 1993 als Ausgleich für ihre Tätigkeit als Verfahrensbevollmächtigte der Arbeitnehmerbeisitzer der Einigungsstelle vom 26. August 1993 zu zahlen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den einen Betrag von 341,32 DM übersteigenden Antrag abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der Gebührenberechnung sei ein Gegenstandswert von 6.000,-- DM zugrunde zu legen; daraus errechne sich ein Gebührenanspruch in Höhe von 341,32 DM. Die Höhe des Honorars müsse in einem angemessenen Abstand zu dem Honorar des Einigungsstellenvorsitzenden stehen, das 1.000,-- DM betragen habe.

Das Arbeitsgericht hat die Arbeitgeberin verpflichtet, an den Betriebsrat zu Händen seiner Verfahrensbevollmächtigten 493,67 DM zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 6. November 1993 zu zahlen. Auf die Beschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht den Beschluß abgeändert und den Betrag auf 805,-- DM festgesetzt. Unter Zurückweisung der Beschwerde im übrigen hat es die Rechtsbeschwerde zugelassen. Nach Zahlung eines Betrages von 856,15 DM durch die Arbeitgeberin beantragt der Betriebsrat im Rechtsbeschwerdeverfahren festzustellen, daß die Arbeitgeberin ihn von dem Vergütungsanspruch seiner Verfahrensbevollmächtigten aus dem Einigungsstellenverfahren vom 26. August 1993 in Höhe von noch 10.669,61 DM freizustellen habe. Die Arbeitgeberin begehrt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist begründet. Die Sache ist an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, da es weiterer Tatsachenfeststellungen bedarf.

I. Der Antrag des Betriebsrats ist zulässig, bedarf jedoch wegen seines nicht eindeutigen Wortlauts der Auslegung. Denn vor dem Landesarbeitsgericht hat der Betriebsrat zuletzt die Feststellung begehrt, die Arbeitgeberin zu verpflichten, an ihn zu Händen seiner Verfahrenbevollmächtigten einen Betrag in Höhe von 13.230,39 DM zuzüglich Zinsen als Ausgleich für deren Tätigwerden im Einigungsstellenverfahren am 26. August 1993 zu zahlen. Antragsziel ist demnach, den Betriebsrat von Anwaltskosten zu entlasten, die durch eine Beauftragung einer Verfahrensbevollmächtigten im Einigungsstellenverfahren entstanden sind. Seinem Inhalt nach handelt es sich um einen Freistellungsantrag, wie der Betriebsrat zwischenzeitlich auch im Rechtsbeschwerdeverfahren klargestellt hat. Mit einem solchen Inhalt bestehen gegen die Zulässigkeit des Antrags keine Bedenken.

II. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann ein den Betrag von 805,-- DM übersteigendes Freistellungsbegehren nicht zurückgewiesen werden. Eine abschließende Entscheidung ist jedoch nicht möglich, weil das Landesarbeitsgericht zum Vorliegen eines Betriebsratsbeschlusses über die Heranziehung von Frau Rechtsanwältin S… als Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats vor einer Einigungsstelle keine Feststellung getroffen hat und außerdem den Beteiligten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut rechtliches Gehör zu gewähren ist.

1. Anspruchsgrundlage für das Freistellungsbegehren ist § 40 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, wonach der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstandenen Kosten zu tragen hat. Zu diesen Geschäftsführungskosten gehören nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und einhelliger Meinung in der Literatur nicht nur diejenigen Kosten, die durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts bei der gerichtlichen Durchsetzung betriebsverfassungsrechtlicher Rechte oder Rechtsverhältnisse entstanden sind (BAG Beschluß vom 3. Oktober 1978, BAGE 31, 93 = AP Nr. 14 zu § 40 BetrVG 1972), sondern auch solche, die durch die Hinzuziehung eines Anwalts als Verfahrensbevollmächtigter des Betriebsrats vor einer Einigungsstelle entstehen (BAG Beschluß vom 21. Juni 1989, BAGE 62, 139, 147 = AP Nr. 34 zu § 76 BetrVG 1972, zu II 1a der Gründe, m.w.N.; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 18. Auflage, § 40 Rz 14, 28; Wiese, GK-BetrVG, 5. Auflage, § 40 Rz 52 f., 65; Kreutz, GK-BetrVG, 5. Auflage, § 76a Rz 14; Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, 4. Auflage, § 40 Rz 48, § 76a Rz 12; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 4. Auflage, § 40 Rz 14, m.a.A. für das Einigungsstellenverfahren vgl. § 76a Rz 9).

2. Eine Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für das Einigungsstellenverfahren entsteht jedoch nur in den Fällen, in denen der Betriebsrat eine anwaltliche Vertretung vor der Einigungsstelle für erforderlich halten durfte. Die Frage der Erforderlichkeit hat der Betriebsrat nicht nach subjektivem Ermessen zu beantworten. Vielmehr hat er sich auf den Standpunkt eines vernünftigen Dritten zu stellen, der die Interessen des Betriebes einerseits und die des Betriebsrats und der Arbeitnehmer andererseits gegeneinander abzuwägen hat (BAG Beschluß vom 25. Januar 1995 – 7 ABR 37/94 – AP Nr. 46 zu § 40 BetrVG 1972, zu B 1 der Gründe, m.w.N.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bestimmt sich die Erforderlichkeit in erster Linie nach materiellen Gesichtspunkten. Die Hinzuziehung eines Anwalts als Vertreter des Betriebsrats vor einer Einigungsstelle kann daher geboten sein, wenn der Regelungsgegenstand des Einigungsstellenverfahrens schwierige Rechtsfragen aufwirft, die zwischen den Betriebsparteien umstritten sind und kein Betriebsratsmitglied über den zur sachgerechten Interessenwahrnehmung notwendigen juristischen Sachverstand verfügt (BAG Beschluß vom 21. Juni 1989, aaO, zu II 1a der Gründe). Dagegen kommt dem Verhalten des Arbeitgebers nur eine indizielle Bedeutung zu. Läßt er sich vor der Einigungsstelle durch einen Verfahrensbevollmächtigten vertreten, ist dies ein Anzeichen dafür, daß die Regelungsmaterie des Einigungsstellenverfahrens mit rechtlichen Schwierigkeiten verbunden war, die eine anwaltliche Vertretung auch des Betriebsrats notwendig erschienen ließ.

a) Das Gebühreninteresse eines Anwalts, der den Betriebsrat im Vorfeld des Einigungsstellenverfahrens beraten hat, darf bei der Prüfung der Erforderlichkeit anwaltlicher Vertretung vor der Einigungsstelle nicht berücksichtigt werden. Anwaltliche Gebührenansprüche werden nur dann durch die Geschäftsführung des Betriebsrats verursacht, soweit der Anwalt mit einer erforderlichen Durchsetzung betriebsverfassungsrechtlicher Rechte oder betriebsverfassungsrechtlicher Rechtsverhältnisse beauftragt wird. Berät er den Betriebsrat in betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten, wird er als Sachverständiger tätig (BAG Beschluß vom 25. April 1978 – 6 ABR 9/75 – AP Nr. 11 zu § 80 BetrVG 1972; Ziege, NZA 1990, 926, 927). Die Erstattung der dadurch entstandenen Kosten kann der Betriebsrat nach § 80 Abs. 3 BetrVG nur verlangen, soweit er die Hinzuziehung des Sachverständigen mit dem Arbeitgeber vereinbart hat oder dessen Zustimmung im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren hat ersetzen lassen. Die gesetzlich geregelte Einschränkung der betriebsverfassungsrechtlichen Kostentragungspflicht des Arbeitgebers kann nicht durch eine spätere Hinzuziehung des Rechtsanwalts als Vertreter des Betriebsrats vor einer Einigungsstelle umgangen werden.

b) Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit hat der Betriebsrat auch die betrieblichen Belange und damit auch die Kostenbelange des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts muß er im Rahmen dieser Interessenabwägung nicht prüfen, ob aus Kostengründen anstelle einer anwaltlichen Vertretung vor der Einigungsstelle die Benennung eines Anwalts als betriebsfremder Einigungsstellenbeisitzer der Arbeitnehmerseite angezeigt ist. Abgesehen davon, daß der Betriebsrat aus eigener Sachkunde regelmäßig nicht in der Lage sein wird, einen entsprechenden Kostenvergleich anzustellen, lassen die unterschiedlichen Funktionen, die mit beiden Positionen verbunden sind, eine solche Handlungsalternative nicht zu. Wie in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt ist, sollen die Beisitzer einer Einigungsstelle frei von Weisungen der jeweiligen Betriebspartei mit einem bestimmten Maß innerlicher Unabhängigkeit bei der Schlichtung eines Regelungsstreits mitwirken (BAG Beschluß vom 18. Januar 1994, BAGE 75, 261, 265 = AP Nr. 51 zu § 76 BetrVG 1972, zu B II 2c der Gründe). Die betriebsverfassungsrechtliche Konzeption der Einigungsstelle geht davon aus, daß die Mitglieder einer Einigungsstelle die streitigen Regelungsfragen unabhängig von festgelegten Verhandlungspositionen der Betriebsparteien und mit einer gewissen Distanz dazu beraten und entscheiden können (BAG Beschluß vom 27. Juni 1995 – 1 ABR 3/95 – AP Nr. 1 zu § 76 BetrVG 1972 Einigungsstelle = BB 1995, 2581, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt). Im Gegensatz dazu ist der anwaltliche Verfahrensbevollmächtigte vor der Einigungsstelle an Weisungen des Betriebsrats gebunden und nur im Rahmen seiner Vertretungsmacht handlungsfähig. Er ist ausschließlich seinen Mandanten gegenüber verpflichtet und braucht auf gegnerische Belange keine Rücksichten zu nehmen. Die Behandlung schwieriger Rechtsfragen der Regelungsmaterie eines Einigungsstellenverfahrens begründet auf Seiten des Betriebsrats die Notwendigkeit anwaltlicher Vertretung. Diese Aufgabe hat ein Beisitzer der Einigungsstelle nicht wahrzunehmen.

c) Die Höhe des anwaltlichen Honorars ist aus § 65 BRAGO zu ermitteln (BAGE 36, 315, 323 = AP Nr. 9 zu § 76 BetrVG 1972, zu II 5a der Gründe). Danach erhält der Anwalt eine volle Gebühr in Verfahren vor sonstigen gesetzlichen Einigungsstellen, die sich bei einer Einigung der Parteien um eine weitere Gebühr erhöht (§ 65 Abs. 1 Nr. 4, § 65 Abs. 2 BRAGO). Die Ermittlung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit im Einigungsstellenverfahren erfolgt nach § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO. Ist zwischen den Betriebsparteien das Volumen eines Sozialplans umstritten und verhandeln die Betriebsparteien ausschließlich hierüber, errechnet sich der Gegenstandswert nach § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO aus der Differenz des jeweils vorgeschlagenen Sozialplanvolumens. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt und den daraus folgenden Honoraranspruch der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats unter Beachtung der Maßgaben des Einigungsvertrages (Anl. I Kap. III Abschn. III Nr. 26) nach einem Gegenstandswert von 1.118.325,00 DM mit zwei Gebühren, Auslagenpauschale plus Mehrwertsteuer mit insgesamt 11.525,76 DM auch der Höhe nach richtig berechnet.

d) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Freistellungsanspruch des Betriebsrats hinsichtlich der Kosten anwaltlicher Vertretung vor der Einigungsstelle sei der Höhe nach auf den Honoraranspruch eines außerbetrieblichen Beisitzers nach § 76a Abs. 3 BetrVG begrenzt, teilt der Senat nicht. Diese Ansicht findet im Betriebsverfassungsgesetz keine Stütze. Die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers wird nur durch die Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit beschränkt; weiteren Begrenzungen unterliegt sie nicht. In diesem Zusammenhang hat der Betriebsrat betriebliche Belange zu beachten und auch die Kostenbelastung des Arbeitgebers zu bedenken, indem er etwa einen ebenso sachkundigen aber ortsnäheren Anwalt wählt, um einen ansonsten entstehenden Reisekostenanspruch zu vermeiden (BAG Beschluß vom 16. Oktober 1986 – 6 ABR 2/85 – AP Nr. 31 zu § 40 BetrVG 1972). Erfordert die Behandlung schwieriger Rechtsfragen die anwaltliche Vertretung des Betriebsrats vor der Einigungsstelle, können Kostengründe nicht dafür ausschlaggebend sein, dem Betriebsrat den anwaltlichen Beistand zu verweigern.

3. Damit hat das Landesarbeitsgericht auch die Voraussetzungen verkannt, unter denen dem Betriebsrat ein Freistellungsanspruch nach § 40 Abs. 1 BetrVG zusteht. Es hat bei der Würdigung des Einzelfalls nicht alle Umstände bedacht. Darüber hinaus hat es auch keine Feststellungen dazu getroffen, welche Rechtsfragen vor der Einigungsstelle erörterungsbedürftig waren, deren Schwierigkeitsgrad auf seiten des juristisch nicht vorgebildeten Betriebsrats die Notwendigkeit anwaltlichen Beistandes begründen konnten. Anhand der zur Akte gereichten Unterlagen bestehen erhebliche Zweifel daran, ob im Einigungsstellenverfahren tatsächlich die Erörterung schwieriger Rechtsfragen im Vordergrund gestanden haben kann. Nach dem vom Arbeitgeber vorgelegten Sozialplanentwurf, der von den Betriebsparteien letztlich nach geringfügigen Änderungen gemeinsam getragen wurde, stand im Einigungsstellenverfahren die rechnerische Bewertung der Beschäftigungsdauer im Mittelpunkt der Verhandlungen. Das betrifft eine Regelungsfrage, die typischerweise bei der Prüfung der Erforderlichkeit anwaltlicher Vertretung außer Acht zu lassen ist. Dem Landesarbeitsgericht ist es auch verwehrt, aus der wirtschaftlichen Bedeutung des Sozialplans für die davon betroffenen Arbeitnehmer auf den Schwierigkeitsgrad der in der Einigungsstelle behandelten Rechtsmaterie zu schließen. Die faktischen Auswirkungen des Sozialplans oder eines Einigungsstellenspruchs sind ohne Aussagekraft für den Schwierigkeitsgrad der von der Einigungsstelle behandelten Rechtsfragen.

4. Eine abschließende Entscheidung über den Freistellungsantrag ist dem Senat auch deswegen nicht möglich, weil das Landesarbeitsgericht nicht geprüft hat, ob der Betriebsrat die Beauftragung der Rechtsanwältin S… ordnungsgemäß beschlossen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluß vom 26. November 1974, BAGE 26, 376 = AP Nr. 6 zu § 20 BetrVG 1972; Beschluß vom 16. Oktober 1986, aaO) hat der Arbeitgeber nur diejenigen Kosten einer anwaltlichen Tätigkeit zu tragen, die auf eine Beauftragung aufgrund eines ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschlusses zurückgeht. Denn der Betriebsrat handelt als Kollegialorgan. Seine Entscheidungen trifft er durch Beschlüsse, in denen sich seine Willensbildung vollzieht. Die in einem von § 33 BetrVG vorgegebenen Verfahren gefaßten Beschlüsse sind Voraussetzungen seiner Handlungen und Erklärungen. An sie knüpft das BetrVG weitreichende Rechtsfolgen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Das verlangt, daß sich der Betriebsrat als Gremium mit den zur Entscheidung anstehenden Sachverhalten befaßt und eine einheitliche Willensbildung durch Abstimmung herbeiführt. Dagegen genügt es nicht, wenn der Anwalt für den Betriebsrat tatsächlich tätig geworden ist. Denn der Betriebsrat kann seine Beschlüsse nicht etwa stillschweigend fassen, sondern nur aufgrund einer ordnungsgemäßen Ladung aller Betriebsratsmitglieder unter Mitteilung der jeweiligen Tagesordnung (BAG Beschluß vom 19. August 1992 – 7 ABR 58/91 – AP Nr. 3 zu § 76a BetrVG 1972, zu B II 2b der Gründe; BAG Beschluß vom 7. Oktober 1980 – 6 ABR 56/79 – AP Nr. 1 zu § 27 BetrVG 1972).

Einen Beschluß zur Beauftragung der Rechtsanwältin S… hat der Antragsteller bisher nicht vorgelegt. Auf einen entsprechenden Auflagenbeschluß des Arbeitsgerichts hin hat er eine Niederschrift der in seiner Sitzung vom 5. Juli 1993 gefaßten Beschlüsse zur Akte gereicht. Daraus geht zwar hervor, daß Frau S… den Betriebsrat in einem Beschlußverfahren vertreten sollte, sofern es mit dem Arbeitgeber nicht zu einer Einigung über den Einigungsstellenvorsitz kommen sollte. Außerdem hatte der Betriebsrat beschlossen, Frau S… solle als “externe Beisitzerin fungieren”. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieses Beschlusses sollte Frau S… als eine vom Betriebsrat benannte außerbetriebliche Beisitzende in der Einigungsstelle tätig werden. Das schließt ein anwaltliches Auftreten für den Betriebsrat vor der Einigungsstelle aus. Der Betriebsrat kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht auf seinen Beschluß vom 21. Juli 1993 berufen, der sich nur mit der Hinzuziehung eines Sachverständigen befaßt. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht diesen Gesichtspunkten keine Aufmerksamkeit geschenkt und es demzufolge versäumt, dem Betriebsrat Gelegenheit zu einem entsprechenden Vortrag zu geben.

Das Landesarbeitsgericht wird dann auch abschließend über das Zinsbegehren zu befinden haben. Dabei hat es zu berücksichtigen, daß der Freistellungsanspruch keine Geld- sondern eine Handlungsschuld zum Gegenstand hat, auf die § 288 bzw. § 291 BGB nicht anwendbar sind (BAG Beschluß vom 21. November 1978 – 6 ABR 10/77 – AP Nr. 35 zu § 37 BetrVG 1972, zu III 5 der Gründe).

 

Unterschriften

Steckhan, Bepler, Schmidt, Nottelmann, Bea

 

Fundstellen

Haufe-Index 873925

BB 1996, 1612

NZA 1996, 892

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