Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebszugehörigkeit bei Ausbildung in mehreren Betrieben. Siehe auch Beschluß vom 13. März 1991 – 7 ABR 9/90 – zur zeitweiligen Ausbildung im Tochterunternehmen

 

Leitsatz (amtlich)

Wird die betriebliche Berufsausbildung abschnittweise jeweils in verschiedenen Betrieben des Ausbildungsunternehmens oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens durchgeführt, jedoch von einem der Betriebe des Ausbildungsunternehmens derart zentral mit bindender Wirkung auch für die anderen Betriebe geleitet, daß die wesentlichen der Beteiligung des Betriebsrats unterliegenden, die Ausbildungsverhältnisse berührenden Entscheidungen dort getroffen werden, so gehört der Auszubildende während der gesamten Ausbildungszeit dem die Ausbildung leitenden Stammbetrieb an und ist dort wahlberechtigt zum Betriebsrat und zur Jugend- und Auszubildendenvertretung. Dagegen begründet die vorübergehende Beschäftigung der Auszubildenden in den anderen Betrieben keine Wahlberechtigung zu deren Arbeitnehmervertretungen.

 

Normenkette

BetrVG § 60 Abs. 1; WahlO-BetrVG 1972 § 2 Abs. 2; WahlO-BetrVG 1972 § 30 Abs. 1; ArbGG § 83 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Beschluss vom 29.09.1989; Aktenzeichen 13 TaBV 1/89)

ArbG Berlin (Beschluss vom 25.01.1989; Aktenzeichen 6 BV 14/88)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 29. September 1989 – 13 TaBV 1/89 – aufgehoben.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Berlin vom 25. Januar 1989 – 6 BV 14/88 – wird zurückgewiesen.

Der Hilfsantrag des Antragstellers wird ebenfalls zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die beteiligte Arbeitgeberin und deren Tochtergesellschaften unterhalten in B… mindestens zehn Betriebsstätten, darunter die der Arbeitgeberin gehörenden Werke S… und M…. Im Werk S… befindet sich das Aus- und Weiterbildungszentrum (Ausbildungszentrum) der Arbeitgeberin, von dem aus alle derzeit etwa 360 Auszubildenden in allen in B… gelegenen Betrieben der Arbeitgeberin und ihrer Tochtergesellschaften zentral betreut und geführt werden. Im Werk S… bestehen ein Betriebsrat (Beteiligter zu 4) und eine Jugend- und Auszubildendenvertretung (Beteiligte zu 5).

Mit allen Auszubildenden schließt die Arbeitgeberin durch ihr Ausbildungszentrum einheitliche Ausbildungsverträge ab. In dem Ausbildungszentrum werden für die Auszubildenden die Personalakten geführt, die Vergütungen abgerechnet und Zeugnisse erteilt. Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit haben die Auszubildenden beim Ausbildungszentrum zu melden. Die gesamte Planung, Durchführung und Überwachung der Ausbildung erfolgt durch das Ausbildungszentrum.

Dort erhalten die Auszubildenden im ersten Jahr eine Grundausbildung. Danach werden sie vom Ausbildungszentrum aus je nach Ausbildungsziel und -richtung, Qualifikation und bisherigen Leistungen entsprechend dem Ausbildungsplan für bestimmte Ausbildungsabschnitte den Ausbildern in den jeweiligen anderen Betrieben zugewiesen. Zwischen diesen Ausbildungsabschnitten liegen wiederum solche, in denen die Ausbildung im Ausbildungszentrum erfolgt.

Zur Ausbildung in den anderen Betrieben weisen die Ausbildungsingenieure des Ausbildungszentrums die Auszubildenden persönlich in den jeweiligen Betrieb ein und stellen sie den dortigen Betreuern (Ausbildern) vor. Die Auszubildenden erhalten vorab eine Überweisungskarte, aus der sie ihre Ausbildungsstationen, deren Leiter sowie den zeitlichen Ablauf der Ausbildungsabschnitte erfahren. Die Ausbilder vor Ort erhalten parallel hierzu Durchlaufpläne für die betriebliche Ausbildung. Diese vom Ausbildungszentrum ausgearbeiteten betriebsbezogenen Durchlaufpläne orientieren sich an den ebenfalls im Ausbildungszentrum erstellten Musterdurchlaufplänen. Dabei werden vom Ausbildungszentrum sowohl die Inhalte der Ausbildung als auch der jeweilige zeitliche Ablauf in den einzelnen Betrieben verbindlich vorgegeben. Die Ausbilder vor Ort erhalten entsprechende nach Abteilung, Aufgabengebiet der Abteilung, Ausbildungsinhalt und Ausbildungsrichtzeit aufgeschlüsselte Ausbildungsprogramme. Auch in Zeiten eines längeren Aufenthalts in den anderen Betrieben werden die Auszubildenden von den Ausbildungsingenieuren des Ausbildungszentrums betreut. Neben regelmäßigen Routinebesuchen begeben sich diese Ingenieure auch in die jeweiligen Betriebe, wenn sich ein Auszubildender oder ein Ausbilder vor Ort an das Ausbildungszentrum wenden.

Für alle Auszubildenden in sämtlichen B… Betrieben der Arbeitgeberin hat diese mit dem Betriebsrat des Werkes S… Betriebsvereinbarungen über Ausbildungsrichtlinien, Richtlinien zur Beurteilung und Förderung Auszubildender und über die regelmäßige Arbeitszeit der Auszubildenden geschlossen.

Die im Werk M… durchgeführten Ausbildungsabschnitte dauerten je nach Art der Ausbildung zwischen sieben und 52 Wochen. Im Dezember 1988 waren im Werk M… 70, im Mai 1989 58 zur Durchführung betrieblicher Ausbildungsabschnitte zugewiesene Auszubildende tätig. Von den 58 Auszubildenden waren dort 25 länger als insgesamt sechs Monate und 23 länger als insgesamt drei Monate zur Ausbildung. Jugendliche Arbeitnehmer unter 18 Jahren waren dort nicht tätig. Für die gewerblichen und für die kaufmännischen Auszubildenden gibt es im Werk M… jeweils einen Ausbildungsbeauftragten.

Im Werk M… erhalten die Auszubildenden maschinenlesbare Ausweise, mit denen sie ihre Anwesenheitszeiten erfassen müssen. Für Überstunden im Werk M… wird die Zustimmung des dortigen Betriebsrates eingeholt. Eine vom Betriebsrat und von der Leitung des Werkes M… abgeschlossene Betriebsvereinbarung über Vor- und Nacharbeit anläßlich der Betriebsruhe zwischen Weihnachten und Neujahr 1987 erfasste auch die Auszubildenden. Die Ausbilder vor Ort bestätigen den Auszubildenden durch ihre Unterschrift die sachliche Richtigkeit der Berichtshefte; die Kontrolle dieser Hefte erfolgt durch das Aus- und Weiterbildungszentrum. Im Werk M… benutzen die Auszubildenden wie die übrigen Beschäftigten die dortigen Sozialeinrichtungen, insbesondere auch die Kantine.

Alle Auszubildenden der beteiligten Arbeitgeberin nahmen an den Wahlen des Betriebsrates und der Jugend- und Auszubildendenvertretung im Werk S… teil. Die damals im Werk M… tätig gewiesenen Auszubildenden haben in den Jahren 1984 und 1987 auch an den Wahlen des Betriebsrates des Werkes M… teilgenommen.

Der antragstellende Wahlvorstand für die Wahl einer Jugend- und Auszubildendenvertretung im Werk M… hat die beteiligte Arbeitgeberin erfolglos aufgefordert, ihm eine Aufstellung aller zur Ausbildung im Werk M… beschäftigten Personen bis zum 25. Lebensjahr auszuhändigen. Mit dem vorliegenden Beschlußverfahren verfolgt er sein Begehren weiter. Er meint, im Werk M… seien die Voraussetzungen für die Wahl einer Jugend- und Auszubildendenvertretung erfüllt. Die Auszubildenden seien solche des Werkes M…. Sie zählten auch zur Belegschaft dieses Werkes. Zwar werde die zu erlernende Tätigkeit nach Art und Reihenfolge vom Ausbildungszentrum den einzelnen Betriebsstätten in Absprache mit den Ausbildern vorgegeben. Jedoch bestimmten die Ausbilder vor Ort die konkrete Tätigkeit der Auszubildenden hinsichtlich Art, Umfang und Zeitpunkt. Die Ausbilder im Werk M… übten insoweit konkret das Direktionsrecht der Arbeitgeberin aus; sie kontrollierten auch die Berichtshefte der Auszubildenden. Die im Werk S… bestehende Jugend- und Auszubildendenvertretung nütze den Auszubildenden nichts, denn viele von ihnen seien länger als drei Monate, oft sogar länger als sechs Monate im Werk M… beschäftigt und hätten in dieser Zeit kaum Kontakt zum Ausbildungszentrum.

Der Wahlvorstand hat zuletzt beantragt,

  • Die beteiligte Arbeitgeberin zu verpflichten, dem Wahlvorstand eine Aufstellung aller zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nur zeitweise zur Ausbildung im Betrieb M… der Arbeitgeberin beschäftigten Personen bis zum vollendeten 25. Lebensjahr auszuhändigen,
  • hilfsweise
  • dem Wahlvorstand eine Aufstellung aller bis zum 30. April 1989 auch nur zeitweise zur Ausbildung im Betrieb M… beschäftigten Personen bis zum vollendeten 25. Lebensjahr auszuhändigen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie hat erwidert, im Werk M… sei keine Jugend- und Auszubildendenvertretung zu wählen. Dort seien keine jugendlichen Arbeitnehmer tätig. Die im Werk M… zu ihrer praktischen Ausbildung tätigen Auszubildenden seien betriebsverfassungsrechtlich allein dem Aus- und Weiterbildungszentrum und damit dem Werk S… zuzuordnen. Die Auszubildenden seien nicht in die anderen Betriebe in B… eingegliedert. Die Weisungsbefugnisse der Ausbilder vor Ort seien durch die Anweisungen und Richtlinien des Aus- und Weiterbildungszentrums festgelegt. Der ständige Wechsel der Auszubildenden im Werk M… mache eine kontinuierliche Arbeit einer Jugend- und Auszubildendenvertretung in diesem Werk unmöglich. Die betriebsverfassungsrechtliche Betreuung der Auszubildenden in allen ihren B… Betrieben sei durch die Jugend- und Auszubildendenvertretung im Aus- und Weiterbildungszentrum des Werkes S… gewährleistet.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat dem Hauptantrag stattgegeben und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit ihr verfolgt die Arbeitgeberin die Zurückweisung des Haupt- und des Hilfsantrags, während der Wahlvorstand und der Betriebsrat des Werks M… beantragen, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Der Hauptantrag wie auch der Hilfsantrag des Wahlvorstandes sind nicht begründet. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist die Arbeitgeberin nicht verpflichtet, dem Wahlvorstand eine Aufstellung aller im Werk M… zur Ausbildung beschäftigten Personen bis zum vollendeten 25. Lebensjahr auszuhändigen, weil die dort tätigen Auszubildenden keine wahlberechtigten Betriebsangehörigen des Werkes M… sind.

I. Prozessuale Hindernisse stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen.

1. Das Begehren des Antragstellers ist nicht durch Zeitablauf überholt und deshalb auch nicht mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig geworden.

Zwar hatte der antragstellende Wahlvorstand im ersten Rechtszug von der Arbeitgeberin eine Aufstellung aller “bis zum 30. April 1989” im Werk M… beschäftigten Auszubildenden verlangt. Diesen Antrag hat er im zweiten Rechtszug aber nur noch hilfsweise gestellt und als Hauptantrag eine Aufstellung aller “zum gegenwärtigen Zeitpunkt” dort beschäftigten Auszubildenden bis zum vollendeten 25. Lebensjahr verlangt. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist mit dem “gegenwärtigen Zeitpunkt” nicht etwa der Zeitpunkt der Entscheidung in der Beschwerdeinstanz als letzter Tatsacheninstanz gemeint, sondern der Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung über die vom Antragsteller behauptete Pflicht des Arbeitgebers zur Aushändigung der Liste zu verstehen. Mit der Änderung seines Hauptantrages wollte der Antragsteller erkennbar vermeiden, daß sein Begehren durch Zeitablauf ins Leere ging und am dann fehlenden Rechtsschutzinteresse scheitern würde. Da die begehrte Aufstellung die Feststellung der Wahlberechtigten für die erst künftig nach Abschluß des vorliegenden Verfahrens durchzuführende Wahl einer Jugend- und Auszubildendenvertretung ermöglichen soll, kann der Antrag vernünftigerweise nur dahin verstanden werden, daß in die Liste die Auszubildenden aufzunehmen sind, die im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft der stattgebenden Entscheidung im Werk M… ausgebildet werden.

2. Das Landesarbeitsgericht hat den Betriebsrat des Werkes M… zu Recht im vorliegenden Beschlußverfahren beteiligt. Er ist vom Ausgang des Verfahrens materiell betroffen und deswegen Beteiligter im Sinne des § 83 Abs. 3 ArbGG.

Die in einem Betrieb bestehende Jugend- und Auszubildendenvertretung ist kein gleichberechtigt neben dem Betriebsrat bestehendes Organ der Betriebsverfassung. Vielmehr obliegt dem Betriebsrat die Wahrnehmung der Interessen aller Arbeitnehmer des Betriebes gegenüber dem Arbeitgeber, auch solcher, die in § 60 Abs. 1 BetrVG aufgezählt sind (vgl. zur früheren Fassung des Gesetzes: BAGE 25, 394, 396 f. = AP Nr. 1 zu § 65 BetrVG 1972, zu II 1 der Gründe; BAG Beschlüsse vom 10. Mai 1974 – 1 ABR 57/73 und 1 ABR 60/73 – AP Nr. 3 und 4 zu § 65 BetrVG 1972). Die Umgestaltung der früheren Jugendvertretung zur Jugend- und Auszubildendenvertretung durch das Gesetz vom 13. Juli 1988 (BGBl. I, S. 1034) hat hieran nichts geändert (vgl. Fitting/Auffahrt/Kaiser/Heither, BetrVG, 16. Aufl., § 60 Rz 1 c; Engels/Natter, BB 1988, 1453, 1454; Schwab, NZA 1988, 687). Dementsprechend ist der Betriebsrat eines Betriebes notwendig auch an dem Verfahren beteiligt, in welchem es – wie hier – um die Vorbereitung der Wahl einer Jugend- und Auszubildendenvertretung in diesem Betrieb geht.

3. Materiell von der Entscheidung im vorliegenden Verfahren sind aber auch die im Betrieb S… bestehende Jugend- und Auszubildendenvertretung (Beteiligte zu 5) und der dort bestehende Betriebsrat (Beteiligter zu 4) betroffen. Dies hat das Landesarbeitsgericht übersehen. Gleichwohl bedarf es deswegen keiner Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht, um die Anhörung dort nachholen zu lassen.

Beide Gremien werden durch die vom Antragsteller begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechteichen Rechtsstellung unmittelbar berührt. Denn wenn auch im Werk M… eine Jugend- und Auszubildendenvertretung zu wählen wäre, so hätte dies zur Folge, daß die Jugend- und Auszubildendenvertretung im Werk S… insoweit für die Auszubildenden nicht mehr zuständig wäre, als diese im Werk M… ausgebildet werden. Vergleichbare Erwägungen gelten für die Frage der Zuständigkeit der Betriebsräte in den Werken S… und M….

Auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz ist von Amts wegen zu prüfen, wer Beteiligter des Verfahrens ist; bisher nicht Beteiligte sind zum Verfahren hinzuzuziehen (vgl. BAG Beschluß vom 3. April 1979 – 6 ABR 63/76 – AP Nr. 16 zu § 40 BetrVG 1972; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 83 Rz 29). Dabei muß das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich den angefochtenen Beschluß der Vorinstanz aufheben und das Verfahren zur Nachholung der unterlassenen Anhörung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen, es sei denn, es ist nicht zu erwarten, daß sich durch die Anhörung der bislang nicht Beteiligten ein anderer als der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt ergeben könnte (BAG Beschluß vom 3. April 1979 – 6 ABR 63/76 –, aaO, unter II 3b der Gründe). Das ist hier der Fall. Der Jugend- und Auszubildendenvertretung und dem Betriebsrat im Werk S… ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz Gelegenheit gegeben worden, zur Sache Stellung zu nehmen; beide haben hiervon keinen Gebrauch gemacht.

II. Das Landesarbeitsgericht hat dem Hauptantrag des Wahlvorstandes zu Unrecht stattgegeben.

Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, kommt als Anspruchsgrundlage für das Begehren des Antragstellers nur § 2 Abs. 2 in Verbindung mit § 30 Satz 1 der Wahlordnung 1972 zum Betriebsverfassungsgesetz in der zuletzt durch die Verordnung vom 28. September 1989 (BGBl. I, S. 1793) geänderten Fassung in Betracht. Hiernach hat der Arbeitgeber dem Wahlvorstand für die Wahl einer Jugend- und Auszubildendenvertretung alle für die Anfertigung der Wählerliste erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Diese Verpflichtung besteht jedoch nur, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Errichtung einer Jugend- und Auszubildendenvertretung in dem Betrieb gegeben sind.

Gemäß § 60 Abs. 1 BetrVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Dezember 1988 (BGBl. I 1989, 1, 902) werden in Betrieben mit in der Regel mindestens fünf Arbeitnehmern, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (jugendliche Arbeitnehmer) oder die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind und das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, Jugend- und Auszubildendenvertretungen gewählt. Diese Voraussetzungen liegen jedoch für den Betrieb Werk M… nicht vor. Jugendliche unter 18 Jahren, die nicht zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind, gibt es im Werk M… unstreitig nicht. Die dort im Rahmen ihrer Berufsausbildung während einzelner Ausbildungsabschnitte beschäftigten Auszubildenden sind entgegen der Meinung des Landesarbeitsgerichts nicht wahlberechtigt zu den Betriebsverfassungsorganen des Werkes M….

1. Dem Landesarbeitsgericht ist zunächst darin zuzustimmen, daß die Auszubildenden während ihrer gesamten Ausbildungsdauer Betriebsangehörige des Werkes S…, in dem sich das Ausbildungszentrum befindet, bleiben, und zwar auch während der Zeiten, die sie zur Absolvierung einzelner Ausbildungsabschnitte in anderen Betrieben der Arbeitgeberin oder in Betrieben ihrer Konzernunternehmen verbringen.

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wird die gesamte Ausbildung zentral vom Ausbildungszentrum des Werkes S… gesteuert. Von dort aus erfolgt die Ausbildungsplanung und -durchführung, auch für die Ausbildungsabschnitte in anderen Betrieben. Alle wesentlichen Ausbildungsschritte werden dort mit bindender Wirkung auch für die anderen Betriebe anhand von Musterdurchlaufplänen und konkreten betriebsbezogenen Durchlaufplänen mit den jeweiligen Ausbildungsinhalten und den zeitlichen Abläufen in den Betriebsstätten festgelegt. Auch während der Ausbildung in anderen Betriebsstätten unterstehen die Auszubildenden der Kontrolle und den Weisungen der Mitarbeiter des Ausbildungszentrums. Die Ausbildungsingenieure des Ausbildungszentrums weisen die Auszubildenden auch persönlich in die einzelnen Betriebe ein und stellen sie den dortigen Ausbildern vor. Neben regelmäßigen Routinebesuchen begeben sich diese Ingenieure auch in die jeweiligen Betriebe, wenn sich ein Auszubildender oder ein Ausbilder vor Ort an das Ausbildungszentrum wendet. Im Ausbildungszentrum werden die Personalunterlagen der Auszubildenden geführt, die Berichtshefte kontrolliert, die Zeugnisse erteilt und die Vergütungsabrechnungen erstellt. Von dort erhalten die Auszubildenden auch allgemeine Verhaltensrichtlinien, in denen u.a. festgelegt ist, wie sie sich im Krankheitsfalle zu verhalten haben, daß sie insbesondere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen dem Ausbildungszentrum zuzuleiten haben.

Hieraus ergibt sich, daß die für die Ausbildungsverhältnisse wesentlichen, der Beteiligung des Betriebsrats unterliegenden Angelegenheiten, insbesondere die Fragen der Berufsbildung nach den §§ 96 bis 98 BetrVG, während der gesamten Ausbildungsdauer im Ausbildungszentrum geregelt werden. Damit bleiben die Auszubildenden auch während ihrer vorübergehenden Ausbildungsbeschäftigung in anderen Betrieben in den Betrieb des Ausbildungszentrums eingegliedert mit der Folge, daß sie dort auch wahlberechtigt zum Betriebsrat und zur Jugend- und Auszubildendenvertretung sind. Darüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.

2. Die zeitweilige Ausbildungsbeschäftigung in anderen Betrieben – hier im Werk M… – führt nicht dazu, daß die Auszubildenden zugleich auch in diesen anderen Betrieben wahlberechtigt würden. Zwar sind die Auszubildenden während ihrer vorübergehenden Beschäftigung in den anderen Betrieben auch in deren Betriebsorganisation eingebunden; sie müssen sich an die Ordnung ihres jeweiligen Beschäftigungsbetriebes halten und unterliegen hinsichtlich ihrer Tätigkeit den Einzelweisungen der Ausbilder dieses Betriebes im Rahmen der Vorgaben des Ausbildungszentrums. Der Schwerpunkt des Ausbildungsverhältnisses bleibt aber bei einer solchen Stationenausbildung stets bei dem Stammbetrieb, der die Gesamtausbildung leitet und überwacht und wo die wesentlichen Entscheidungen in bezug auf das Ausbildungsverhältnis getroffen werden. Die vorübergehende und auch nur partielle Eingliederung des Auszubildenden in einen anderen Betrieb außerhalb seines Stammbetriebes zur Absolvierung eines bestimmten Ausbildungsabschnittes rechtfertigt es nicht, ihm neben der Wahlberechtigung zu den Betriebsverfassungsorganen seines Stammbetriebes auch die Wahlberechtigung zum Betriebsrat und zur Jugend- und Auszubildendenvertretung seines zeitweiligen Beschäftigungsbetriebes zuzuerkennen und ihm dadurch ebenso wie den in den Betrieb voll eingegliederten Belegschaftsmitgliedern eine Einflußnahme auf Größe und Zusammensetzung dieser Betriebsverfassungsorgane zu ermöglichen.

Bei dieser Wertung stützt sich der Senat auf eine entsprechende Wertung des Gesetzgebers im Personalvertretungsrecht des öffentlichen Dienstes. Nach § 13 Abs. 3 BPersVG sind Beamte im Vorbereitungsdienst und Beschäftigte in entsprechender Berufsausbildung nur bei ihrer Stammbehörde wahlberechtigt. Für den beamtenrechtlichen Vorbereitungsdienst ist es typisch, daß er sich in verschiedenen Ausbildungsstationen vollzieht, die häufig auch mit einem Dienststellenwechsel verbunden sind, daß aber die Gesamtausbildung von einer bestimmten Dienststelle, der Stammbehörde, geleitet wird. Weil der Auszubildende nur vorübergehend in der anderen Dienststelle ausgebildet wird, die wesentlichen sein Ausbildungsverhältnis betreffenden Entscheidungen aber in seiner Stammbehörde fallen, ist er in die andere Dienststelle nur lose integriert. Aus diesem Grunde hat der Gesetzgeber es als sachgerecht angesehen, dem Auszubildenden die Wahlberechtigung nur für seine Stammbehörde, nicht aber auch für andere Dienststellen, die er im Rahmen seiner Ausbildung durchläuft, zuzuerkennen.

Im vorliegenden Falle geht es um einen vergleichbaren Sachverhalt. Hier ist die Berufsausbildung bei der Arbeitgeberin ebenfalls in der Weise organisiert, daß sie unter der Gesamtleitung eines Stammbetriebes, des Ausbildungszentrums, steht, einzelne Ausbildungsabschnitte aber in anderen Betrieben durchgeführt werden. Es erscheint deshalb gerechtfertigt, bei der Frage der Wahlberechtigung der Auszubildenden zu den Betriebsverfassungsorganen derjenigen Betriebe, in denen die Auszubildenden nur einzelne Ausbildungsstationen absolvieren, an die erwähnte personalvertretungsrechtliche Regelung anzuknüpfen und sie entsprechend der dortigen gesetzlichen Wertung zu beantworten. Gesichtspunkte, die für den Bereich der privaten Wirtschaft und des dort geltenden Betriebsverfassungsgesetzes eine andere Beurteilung geböten, sind nicht ersichtlich. Vielmehr hat der Gesetzgeber die betriebsverfassungsrechtlichen Folgen einer vorübergehenden sektoralen Aufspaltung der Arbeitgeberfunktionen in der Privatwirtschaft für den Bereich der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung in ähnlicher Weise geregelt. Nach § 14 Abs. 1 und 2 AÜG bleiben Leiharbeitnehmer auch während der – auf höchstens sechs Monate begrenzten (§ 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG) – Zeit ihrer Arbeitsleistung bei dem Entleiher Angehörige des entsendenden Betriebes des Verleihers und sind bei der Wahl der betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretung im Entleiherbetrieb weder wahlberechtigt noch wählbar.

3. Aus alledem ergibt sich, daß die im Werk M… vorübergehend zur Durchführung einzelner Ausbildungsabschnitte beschäftigten Auszubildenden zu den betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretungen dieses Betriebes nicht wahlberechtigt sind. Damit fehlt es im Werk M… an den Voraussetzungen für die Bildung einer Jugend- und Auszubildendenvertretung und demzufolge auch an einer Anspruchsgrundlage für das Begehren des antragstellenden Wahlvorstandes. Die Arbeitgeberin ist nicht verpflichtet, dem Wahlvorstand eine Aufstellung aller auch nur zeitweise im Werk M… zur Ausbildung beschäftigten Personen bis zum vollendeten 25. Lebensjahr auszuhändigen. Demnach waren der Hauptantrag und auch der auf dasselbe Ziel gerichtete Hilfsantrag des Wahlvorstandes unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses als unbegründet zurückzuweisen.

 

Unterschriften

Dr. Seidensticker, Dr. Steckhan, Schliemann, Kordus, Dr. Knapp

 

Fundstellen

BAGE, 320

BB 1991, 624

BB 1992, 66

NZA 1992, 223

RdA 1992, 58

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