Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Arbeitnehmers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts möchte vertreten, daß die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung (vgl Urteil des Senats vom 24. November 1987 - 8 AZR 524/82 = BAGE 57, 55) auch für nicht gefahrgeneigte Arbeiten gelten, die durch den Betrieb veranlaßt sind und aufgrund des Arbeitsverhältnisses geleistet werden.

2. Diese Rechtsauffassung weicht von der des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts im Beschluß vom 25. September 1957 - GS 4/56, GS 5/56 - ab (BAGE 5, 1 = AP Nr. 4 zu §§ 898, 899 RVO), nach der Haftungserleichterungen auf gefahrgeneigte Arbeiten beschränkt sind. Über die Rechts- frage soll deshalb nach § 45 Abs 2 Satz 1 ArbGG eine Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts herbeigeführt werden.

 

Orientierungssatz

1. Vorlagebeschluß des Großen Senats vom 12.6.1992 GS 1/89 = AP Nr 102 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers.

2. Beschluß des VI. Zivilsenats des BGH vom 21.9.1993 GmS-OGB 1/93, mit dem sich der VI. Zivilsenat der Rechtsauffassung des Großen Senats des BAG im Ergebnis anschließt.

3. Einstellungsverfügung des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 16.12.1993 GmS-OGB 1/93 = BB 1994, 431.

4. Beschluß des Großen Senats des BAG vom 27.9.1994 GS 1/89 (A).

 

Verfahrensgang

LAG Nürnberg (Entscheidung vom 22.09.1989; Aktenzeichen 7 Sa 22/85)

ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 29.01.1985; Aktenzeichen 8 Ca 6447/83 A)

 

Nachgehend

BAG (Entscheidung vom 16.02.1995; Aktenzeichen 8 AZR 741/87 (A))

BAG (Beschluss vom 27.09.1994; Aktenzeichen GS 1/89 (A))

BAG (Vorlegungsbeschluss vom 12.06.1992; Aktenzeichen GS 1/89)

 

Gründe

A. Die Klägerin betreibt ein Bauunternehmen. Sie wurde am 2. Januar 1981 notariell errichtet und am 13. Oktober 1981 in das Handelsregister eingetragen.

Die Klägerin hatte auf einem Hausgrundstück in R eine Grundstückseinfriedung zu erstellen. Der Beklagte war der Polier dieser Baustelle. Zum Ausbau des Fundaments mußten mit einem Bagger Gräben ausgehoben werden, die 80 cm tief und 16 cm breit waren. Am 10. April 1981 wurde der Beklagte von dem Geschäftsführer der Klägerin im Beisein des Mitarbeiters S in die Baustelle eingewiesen. Am 13. April 1981 begann der Baggerführer mit dem Aushub. Dabei beschädigte er die Gasleitung. Durch den Schaltfunken eines elektrischen Geräts explodierte das in die Kellerräume des Hauses ausströmende Gas. An dem Haus entstand ein Schaden von 244.263,-- DM. Die Gebäudeversicherung leistete den Hauseigentümern Ersatz. Sie nahm die Parteien im Wege des Rückgriffs in Anspruch. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Zahlung des durch ihre Betriebshaftpflichtversicherung nicht gedeckten Schadens.

Die Klägerin hat vorgetragen, dem Beklagten sei am 10. April 1981 gezeigt worden, wo die von der Hauptgasleitung abzweigende Leitung zum Heizungskeller des Hauses verlegt sei. Im Plan der Energieversorgung R GmbH, der bei der Erklärung vorgelegen habe, sei der Hausanschluß eingezeichnet gewesen. Außerdem habe der Straßenaufbruch erkennen lassen, an welcher Stelle der Hausanschluß verlief. Der Beklagte sei darauf hingewiesen worden, daß im Bereich des Hausanschlusses der Aushub nur von Hand erfolgen dürfe. Gleichwohl habe der Beklagte nicht nur versäumt, den Baggerführer entsprechend anzuweisen, sondern diesem außerdem gesagt, er brauche nicht aufzupassen, weil dort keine Leitungen verlegt seien.

Die Klägerin hat beantragt,

I.1. den Beklagten zu verurteilen, an sie

80.000,-- DM nebst 9,25 % Zinsen seit

26. Oktober 1983 zu zahlen,

hilfsweise,

den Beklagten zu verurteilen, an sie

80.000,-- DM in monatlichen Raten von

2.800,-- DM beginnend mit dem 1. Januar 1984

zu zahlen, und zwar nebst 9,25 % Zinsen ab

Fälligkeit der Raten,

2. festzustellen, daß der Beklagte auch für den

weiteren Schaden haftet,

II. hilfsweise,

den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin von

sämtlichen Schadenersatzansprüchen im Zusammenhang

mit der Gasexplosion am 13. April 1981 freizustel-

len, und zwar insbesondere von den Schadener-

satzansprüchen der Bayerischen Versicherungskammer,

Landesbrandversicherungsanstalt in München.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat vorgetragen, nicht die Klägerin, sondern die S oHG sei sachbefugt. Bei dieser sei er seit 3. April 1959 beschäftigt gewesen, bis 31. Mai 1972 als Arbeiter, danach als Angestellter. Die oHG habe auch nach Errichtung der Klägerin noch bestanden und sei im Zeitpunkt des Schadensereignisses seine Arbeitgeberin gewesen. Er habe nicht grob fahrlässig gehandelt. Ein etwaiger Schadenersatzanspruch gegen ihn sei jedenfalls nach § 16 BRTV-Bau verfallen.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dem Beklagten sei jedenfalls keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Deshalb entfalle die Haftung. Abweichend von der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung gelte dies auch bei nicht gefahrgeneigter Arbeit, wie sie hier gegeben sei. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

B. Der Senat legt die in der Beschlußformel genannte Rechtsfrage dem Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts nach § 45 Abs. 2 Satz 1 ArbGG zur Entscheidung vor.

Der Senat ist mit dem Landesarbeitsgericht der Meinung, daß die Tätigkeit des Beklagten keine gefahrgeneigte Arbeit war. Er möchte dem Landesarbeitsgericht auch darin folgen, daß dennoch Haftungserleichterungen zugunsten des Beklagten eingreifen. Daran sieht der Senat sich jedoch durch die Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 25. September 1957 (BAGE 5, 1 = AP Nr. 4 zu §§ 898, 899 RVO) gehindert. In ihr werden Haftungserleichterungen zugunsten des Arbeitnehmers davon abhängig gemacht, daß die Arbeit, bei der der Schaden eingetreten ist, gefahrgeneigt war (BAG GS, aaO, zu III 1 der Gründe). Die Rechtsfrage ist für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich.

I. Die Arbeit des Beklagten war nicht gefahrgeneigt. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen.

Nach den Feststellungen des Berufungsurteils hatte der Beklagte die Baustelle zu überwachen. Dabei gehörte es zu seinen Aufgaben, anderen Arbeitnehmern, also auch dem Baggerführer, die für ihre Arbeit erforderlichen Anweisungen zu erteilen. Dies war keine gefahrgeneigte Tätigkeit. Als gefahrgeneigt wird eine Arbeit angesehen, die es mit großer Wahrscheinlichkeit mit sich bringt, daß auch dem sorgfältigsten Arbeitnehmer gelegentlich Fehler unterlaufen, die zwar für sich allein betrachtet vermeidbar sind, mit denen aber als einem typischen Abirren der Dienstleistung angesichts der menschlichen Unzulänglichkeit erfahrungsgemäß zu rechnen ist (BAG GS, aaO; vgl. auch BAGE 49, 1, 4 = AP Nr. 86 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, zu B I 1 a der Gründe). Zwar wurde in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch die Überwachung einer Baustelle als gefahrgeneigte Arbeit angesehen (BAG Urteil vom 11. November 1976 - 3 AZR 266/75 - AP Nr. 80 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers). Dies geschah aber, weil die Arbeit unter erschwerten Bedingungen (Größe und Unübersichtlichkeit der Baustelle, unzureichende Ausstattung mit Arbeitskräften, Zeitdruck) geleistet werden mußte (zur konkreten Betrachtungsweise bei Beurteilung der Gefahrgeneigtheit: BAGE 7, 118 = AP Nr. 1 zu § 276 BGB; BAG Urteil vom 13. Mai 1970 - 1 AZR 336/69 - AP Nr. 56 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers). Für den Beklagten bestanden nach den Feststellungen des Berufungsgerichts derartige erschwerende Umstände nicht.

II. Der Senat ist der Meinung, daß einem Arbeitnehmer Haftungserleichterungen nicht nur dann zugute kommen, wenn die Arbeit, bei der der Schaden eingetreten ist, gefahrgeneigt war. In dieser von ihm bisher ausdrücklich offengelassenen Frage (vgl. Urteil vom 24. November 1987 - 8 AZR 524/82 -, zu B VI der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen) stimmt er mit der Auffassung überein, zu der der Siebte Senat im Urteil vom 21. Oktober 1983 (BAGE 44, 170, 175 = AP Nr. 84 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, zu II 2 der Gründe) geneigt und die der Dritte Senat im Beschluß vom 12. Februar 1985 (BAGE 49, 1, 3 ff. = AP Nr 86 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, zu B I 1 der Gründe) vertreten hat. Der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die in diesem Beschluß an ihn gerichtete Frage Nr. 1, auf die es hier ankommt, nicht beantworten können, nachdem seine Zuständigkeit entfallen war (vgl. BAGE 56, 95 = AP Nr. 11 zu § 45 ArbGG 1979).

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt es bisher dafür, ob dem Arbeitnehmer überhaupt Haftungserleichterungen gewährt werden, darauf an, daß die Arbeit gefahrgeneigt war. Außerdem ist bei der Abwägung nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten die Größe der in der Arbeit liegenden Gefahr zu berücksichtigen (vgl. BAG GS, aaO, zu III 1 der Gründe). Der Große Senat und ihm folgend die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts berücksichtigen somit die von einer Arbeit ausgehende Gefahr eines Schadens doppelt: Einmal als unabdingbare Voraussetzung für eine Abweichung von den Grundsätzen der §§ 249, 276 BGB und außerdem als Abwägungsmerkmal für den Umfang dieser Abweichung im Einzelfall. Der Große Senat hat sich damit der vom Reichsarbeitsgericht entwickelten und vom Bundesgerichtshof übernommenen (vgl. BGHZ 16, 111 = AP Nr. 1 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers) und - soweit ersichtlich - heute noch vertretenen Auffassung (zuletzt: BGH Urteil vom 5. Dezember 1983 - II ZR 252/82 -, NJW 1984, 789) angeschlossen.

2. Der Senat hält es nicht für gerechtfertigt, an dem Merkmal der Gefahrgeneigtheit der Arbeit als Voraussetzung einer Schadensteilung festzuhalten. Vielmehr sollten die Umstände, die die Gefahrgeneigtheit einer Arbeit begründen, nur bei der Bewertung des Verschuldens berücksichtigt werden. Für die Beschränkung der Haftung eines Arbeitnehmers würde es dann ausreichen, daß das schadenstiftende Ereignis durch eine Tätigkeit ausgelöst wurde, die durch den Betrieb veranlaßt war und aufgrund des Arbeitsverhältnisses ausgeübt wurde. Der Senat möchte die Auffassung vertreten, daß dem Kläger Haftungserleichterungen nach den im Urteil des Senats vom 24. November 1987 (- 8 AZR 524/82 - zur Veröffentlichung bestimmt) entwickelten Grundsätzen zu gewähren sind.

3. Der Senat begründet diese Auffassung wie folgt:

a) Als Voraussetzung für das Eingreifen von Haftungserleichterungen hat sich das Merkmal der gefahrgeneigten Arbeit nicht bewährt. Es ist unscharf und zu eng. Dies hat zutreffend schon der Dritte Senat im Beschluß vom 12. Februar 1985 (aaO, zu B I 1 c der Gründe) ausführlich dargelegt.

b) Ergänzend ist auf folgendes hinzuweisen:

Auch in Ausübung nicht gefahrgeneigter Arbeit kann ein Arbeitnehmer mit leichtester oder normaler Schuld einen Schaden verursachen. Im Hinblick auf die Gründe, die für die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung angeführt werden, ist nicht einzusehen, daß ein Arbeitnehmer in diesem Fall den Schaden, der möglicherweise sehr hoch ist, ganz soll ersetzen müssen, während er bei gefahrgeneigter Arbeit überhaupt nicht oder nur anteilig haften würde. Auch soweit ein Arbeitnehmer nicht gefahrgeneigte Arbeiten ausübt, stellt sich die Frage, in welchem Umfang das von dem Arbeitgeber zu tragende Betriebsrisiko mit dem vom Senat im Urteil vom 24. November 1987 (aaO, zu B III 4 der Gründe) klargestellten Inhalt als Abwägungsmerkmal die Verschuldenshaftung des Arbeitnehmers einschränkt oder ausschließt. Die vom Großen Senat im Beschluß vom 25. September 1957 (aaO) genannten und vom erkennenden Senat übernommenen (Urteil des Senats vom 24. November 1987, aaO; vgl. auch gleichzeitig erlassenes Urteil in der Sache 8 AZR 276/88) Abwägungsmerkmale (z. B. vom Arbeitgeber einkalkuliertes und durch Versicherung deckbares Risiko, Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb, Höhe des Arbeitsentgelts, Höhe des Schadens, persönliche Umstände, wie Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Familienverhältnisse, bisheriges Verhalten) haben, abgesehen vom Grad des Verschuldens, nichts mit der Frage zu tun, ob die Arbeit, bei der der Schaden eingetreten ist, gefahrgeneigt war. Es erscheint daher nicht gerechtfertigt, die beim Arbeitnehmer nach allgemeiner Auffassung notwendige Ausnahme von dem Grundsatz, daß der Schuldner bei jedem Verschulden den ganzen Schaden zu ersetzen hat, auf gefahrgeneigte Arbeit zu beschränken.

Auch bei nicht gefahrgeneigter Arbeit wird dieser Grundsatz den durch Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 GG geprägten Wertvorstellungen nicht gerecht. Die Vergrößerung der Haftungsrisiken, die im Laufe der Zeit durch den technischen Fortschritt und die Werterhöhung der sachlichen Betriebsmittel eingetreten ist, läßt es nicht mehr gerechtfertigt erscheinen, den Arbeitnehmer in jedem Fall für einen Schaden voll haften zu lassen. Dies muß für alle Tätigkeiten gelten, die durch den Betrieb veranlaßt sind und aufgrund des Arbeitsverhältnisses geleistet werden.

Auch das Schrifttum tritt überwiegend dafür ein, auf die Gefahrgeneigtheit als Voraussetzung der Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung zu verzichten. Außer auf die im Beschluß des Dritten Senats vom 12. Februar 1985 (aaO, zu B I 1 c (1) der Gründe) genannten Autoren ist auf das Gutachten von Otto zum 56. Deutschen Juristentag (Berlin 1986, S. E 52 ff.) zu verweisen. Der Deutsche Juristentag hat beschlossen, bei einer alsbaldigen gesetzlichen Regelung der Risikoverteilung bei unselbständiger Arbeit solle auf das Merkmal der Gefahrneigung als alleinentscheidende Voraussetzung einer Haftungsbegrenzung verzichtet und die Gefahrneigung nur im Rahmen der konkreten Verschuldensprüfung im Einzelfall berücksichtigt werden (Sitzungsbericht N zum 56. Deutschen Juristentag, Berlin 1986, S. N 208, Beschlüsse A 2 und 7). Damit ist der Deutsche Juristentag in diesem Punkt den älteren Vorschlägen für eine gesetzliche Regelung gefolgt (vgl. Vorentwurf eines Zweiten Arbeitsrechtsbereinigungsgesetzes des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, RdA 1971, 355, 356; DGB-Entwurf für ein neues Arbeitsverhältnisrecht, RdA 1977, 166, 169; Entwurf eines Arbeitsgesetzbuches - Allgemeines Arbeitsvertragsrecht - der Arbeitsgesetzbuchkommission, 1977).

Die im Beschluß des Dritten Senats vom 12. Februar 1985 (aaO) erwähnte instanzgerichtliche Rechtsprechung, die eine Erweiterung der Haftungsbeschränkung über den Bereich der gefahrgeneigten Arbeit hinaus befürwortet, scheint sich fortzusetzen (vgl. LAG Frankfurt am Main, Urteil vom 19. Februar 1988 - 15/9 Sa 800/87 - LAGE Nr. 11 zu § 611 BGB Arbeitnehmerhaftung).

c) Den Autoren, die die Beibehaltung der Gefahrgeneigtheit als Voraussetzung der Haftungsbeschränkung mit der Begründung fordern, der Arbeitgeber dürfe nur mit spezifischen Tätigkeitsrisiken, nicht aber mit allgemeinen Lebenswagnissen des Arbeitnehmers belastet werden (Becker-Schaffner, BB 1967, 504, 506; Canaris, RdA 1966, 41, 46, 49; Riedmaier, BB 1979, 1513, 1516), ist entgegenzuhalten, daß die Gefahrgeneigtheit ihre risikoverteilende Funktion auch behält, wenn sie nur noch Abwägungsmerkmal bei Prüfung des Verschuldens ist. Sie verliert nur ihre Funktion als Abgrenzungsmerkmal zwischen voller Haftung auf der einen Seite und der Möglichkeit der Haftungserleichterung auf der anderen, der bei analoger Anwendung des auf den Einzelfall abstellenden Rechtsgedankens des § 254 Abs. 1 BGB (vgl. Urteil des Senats vom 24. November 1987 - 8 AZR 524/82 - zu B III 4 der Gründe, zur Veröffentlichung bestimmt) nicht gerechtfertigt ist. Die Gefahrgeneigtheit der Arbeit steht, auch wenn sie nur insoweit als maßgebend angesehen wird, der gerechten Entscheidung im Einzelfall nicht entgegen. Nach der herkömmlichen Definition der gefahrgeneigten Arbeit durch die Rechtsprechung (vgl. oben B I) sind Tätigkeiten nicht gefahrgeneigt, bei denen einem sorgfältigen Arbeitnehmer typischerweise keine Fehler unterlaufen dürfen. Ein Arbeitnehmer, dem derartige ungewöhnliche Fehler aber dennoch unterlaufen, wird in der Regel in höherem Maße fahrlässig handeln. Umgekehrt wird den Arbeitnehmer, der bei gefahrgeneigter Arbeit einen Fehler macht, in der Regel ein geringerer Schuldvorwurf treffen.

III. Die in der Beschlußformel gestellte Rechtsfrage ist für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich.

1. Falls Haftungserleichterungen zugunsten eines Arbeitnehmers auch bei nicht gefahrgeneigter Arbeit eingreifen, wird zu entscheiden sein, ob und gegebenenfalls in welchem Maße der Beklagte fahrlässig gehandelt hat. Dazu wird es ergänzender Feststellungen bedürfen, nach deren Ergebnis der innerbetriebliche Schadensausgleich unter Beachtung der Grundsätze vorzunehmen sein wird, die der Senat bisher nur bei gefahrgeneigter Arbeit anwenden konnte (Urteile vom 24. November 1987 - 8 AZR 524/82 - und - 8 AZR 66/82 - zur Veröffentlichung bestimmt; gleichzeitig erlassenes Urteil des Senats in der Sache - 8 AZR 276/88 -).

2. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht dem Arbeitsgericht folgend angenommen, daß die Klägerin sachbefugt ist.

a) Durch die notarielle Urkunde vom 2. Januar 1981 vor Notar Dr. K in R war die Vorgesellschaft der Klägerin errichtet worden. Ihr Vermögen ging mit allen Rechten und Verbindlichkeiten im Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister (13. Oktober 1981) auf die Klägerin über. Daran ändert nichts, daß der Geschäftsführer der Klägerin alleiniger Gesellschafter der Vorgesellschaft war. Die Rechtsgrundsätze über die Gesamtrechtsnachfolge der als Rechtssubjekt neu entstandenen GmbH gelten auch für die Einmann-Vorgesellschaft (herrschende Meinung vgl. Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 15. Aufl., § 11 Rz 36 bis 39 und 51 m. w. N.).

b) Der Beklagte war am 13. April 1981 Arbeitnehmer der Vorgesellschaft. Dies war er, wie das Landesarbeitsgericht richtig angenommen hat, dadurch geworden, daß er das Angebot des späteren Geschäftsführers der Vorgesellschaft vom 1. Dezember 198O, sein Arbeitsverhältnis bei der künftigen GmbH fortzusetzen, angenommen hatte. Falls der Kläger für den am 13. April 1981 entstandenen Schaden haftet, wurden somit die Vorgesellschaft und nach Eintragung in das Handelsregister die Klägerin berechtigt.

3. Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, daß der Klageanspruch nicht verfallen ist. Die Klägerin hat ihn rechtzeitig geltend gemacht.

§ 16 des allgemeinverbindlichen Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV-Bau) vom 3. Februar 1981, in Kraft getreten am 1. Januar 1981, war auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht anzuwenden, weil der Kläger als Angestellter keine nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über die Rentenversicherung der Arbeiter versicherungspflichtige Tätigkeit ausübte (§ 1 Abs. 3 BRTV-Bau). § 14 des Rahmentarifvertrages für Poliere und Schachtmeister des Baugewerbes im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Berlin vom 12. Juni 1978 findet keine Anwendung, da die Parteien nicht kraft Organisationszugehörigkeit tarifgebunden waren und die Geltung des Tarifvertrages auch nicht einzelvertraglich vereinbart hatten.

Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Peifer

Sperl Hennecke

 

Fundstellen

BAGE 63, 120-127 (LT1-2)

BB 1990, 64

BB 1990, 64-65 (LT1-2)

DB 1990, 47-48 (LT1-2)

NJW 1990, 472

NJW 1990, 472 (L1-2)

SteuerBriefe 1990, 130-130 (K)

EBE/BAG 1990, 181-183 (LT1-2)

DRsp, VI (604) 184 d (LT1-2)

ASP 1989, 335 (K)

CR 1990, 404-405 (LT1-2)

EWiR 1990, 31 (L1-2)

JR 1990, 308

JR 1990, 308 (L1-2)

NZA 1990, 95-96 (LT1-2)

SAE 1990, 93-96 (LT1-2)

WiR 1992, 329 (S)

ZIP 1989, 1602

ZIP 1989, 1602-1605 (LT1-2)

ZTR 1990, 79-80 (LT1-2)

AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers (LT1-2), Nr 98

AR-Blattei, ES 870 Nr 121 (LT1-2)

AR-Blattei, Haftung des Arbeitnehmers Entsch 121 (LT1-2)

DAR 1990, 103-105 (LT1-2)

EzA § 611 BGB Arbeitnehmerhaftung, Nr 53 (LT1-2)

EzBAT § 14 BAT Gefahrgeneigte Arbeit, Nr 8 (LT1-2)

JuS 1990, 508

JuS 1990, 508-509 (LT1-2)

MDR 1990, 275 (LT1-2)

SGb 1990, 69 (L1-2)

VR 1990, 216 (K)

VersR 1989, 1320-1321 (LT1-2)

ZfSch 1989, 403 (S1-2)

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