Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschlußverfahren – Feststellungsinteresse;. personalvertretungsrechtliche Beteiligungsrechte nach Änderung des Unterzeichnungsprotokolls zum Zusatzabkommen Nato-Truppenstatut. Feststellungsinteresse für die Klärung personalvertretungsrechtlicher Beteiligungsbefugnisse

 

Orientierungssatz

Im Beschlußverfahren kann das Bestehen, der Inhalt oder der Umfang eines Beteiligungsrechts auch dann geklärt werden, wenn der konkrete Ausgangsfall abgeschlossen ist, sich aber voraussichtlich in gleicher Weise künftig wiederholen wird.

Das von § 256 Abs. 1 ZPO vorausgesetzte Feststellungsinteresse fehlt aber, wenn es um die bloße gutachterliche Klärung einer alle Beteiligten interessierenden Rechtsfrage geht.

Keine Entscheidung der Frage, ob die zum 29. März 1998 erfolgte Änderung des Unterzeichnungsprotokolls bis dahin bestehende Beteiligungsrechte beschränkt hat.

 

Normenkette

ZPO §§ 253, 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Beschluss vom 26.09.2000; Aktenzeichen 14 TaBV 2/00)

ArbG Mannheim (Beschluss vom 27.12.1999; Aktenzeichen 11 BV 10/99)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Hauptbetriebsvertretung gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg– Kammern Mannheim – vom 26. September 2000 – 14 TaBV 2/00 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob durch eine Ergänzung des Unterzeichnungsprotokolls zum NATO-Truppenstatut Beteiligungsbefugnisse der Hauptbetriebsvertretung beschränkt worden sind.

Antragstellerin ist die beim Hauptquartier der US-Armee (USAREUR & 7th Army) bestehende Hauptbetriebsvertretung. Sie nimmt als oberste Stufenvertretung die Vertretung der zivilen Arbeitskräfte für diesen Teil der amerikanischen Streitkräfte nach den Bestimmungen des ZANTS vom 3. August 1959 (BGBl. 1961 II S 1183) und dem Unterzeichnungsprotokoll zu Art. 56 Abs. 9 ZANTS iVm. dem BPersVG wahr.

Das Hauptquartier ist bei bestimmten Maßnahmen an die Entscheidung der ihm übergeordneten Dienststelle in den USA gebunden. Insoweit verbleibt ihm kein eigener Entscheidungsspielraum. In diesen Angelegenheiten hielt das Hauptquartier ein Beteiligungsrecht nicht für gegeben. In einem daraufhin von der Hauptbetriebsvertretung anläßlich der Schließung von US-Einrichtungen eingeleiteten Beschlußverfahren stellte das Bundesarbeitsgericht durch Beschluß vom 9. Februar 1993(–1 ABR 33/92 – BAGE 72, 211) fest, daß ein Beteiligungsrecht bei solchen Maßnahmen nicht ausgeschlossen ist.

Durch das Abkommen zur Änderung des Zusatzabkommens vom 3. August 1959 in der durch das Abkommen vom 21. Oktober 1971 und der Vereinbarung vom 18. Mai 1981 geänderten Fassung zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantik-Vertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen (BGBl. II 1994 S 2598 – Änderungsabkommen) ist das ZANTS mit Wirkung zum 29. März 1998 geändert worden. Dabei wurde ua. Abs. 1 des Unterzeichnungsprotokolls zu Art. 56 Abs. 9 ZANTS um folgenden Satz 4 ergänzt:

„Werden Entscheidungen oberhalb der Ebene der obersten Dienstbehörde getroffen, so sorgt die Truppe dafür, daß die Betriebsvertretung ohne Verzögerung unterrichtet wird”.

Auf Grund dieses Änderungsabkommens hält das Hauptquartier den Beschluß des Bundesarbeitsgerichts für überholt und lehnt eine Beteiligung in Angelegenheiten ab, in denen eine bindende Entscheidung von einer ihm übergeordneten Dienststelle in den USA getroffen wird.

Die Hauptbetriebsvertretung ist der Auffassung, die Ergänzung des Abs. 1 des Unterzeichnungsprotokolls zu Art. 56 Abs. 9 ZANTS schränke ihre Beteiligungsrechte nicht ein. Die Vorschrift regele in den fraglichen Angelegenheiten lediglich eine Unterrichtungspflicht der Truppe. Gleichwohl habe das Hauptquartier eine Beteiligung etwa im Rahmen der von einer übergeordneten Dienststelle in den USA angeordneten Zusammenfassung von Buchhaltungs- und Finanzverwaltungsfunktionen von Armee und Luftwaffe abgelehnt. Diese Maßnahme sei allerdings abgeschlossen. Doch bedürfe es wegen der grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten mit dem Hauptquartier einer vom konkreten Einzelfall losgelösten Feststellung zum Bestehen der Beteiligungsrechte.

Die Hauptbetriebsvertretung hat beantragt

festzustellen, daß bei Maßnahmen, für die an sich ein Beteiligungsrecht nach den Bestimmungen des für den Bereich der Stationierungsstreitkräfte modifizierten Bundespersonalvertretungsrechts besteht, dieses Beteiligungsrecht nicht ausgeschlossen ist, wenn die Maßnahmen auf Anordnung einer in den USA ansässigen, der Dienststelle „Headquarters USAREUR and 7th Army” übergeordneten Dienststelle durchgeführt werden und den in der Bundesrepublik Deutschland befindlichen US-Dienststellen keinen eigenen Entscheidungsspielraum belassen.

Die Bundesrepublik Deutschland hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag als unzulässig abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Hauptbetriebsvertretung zurückgewiesen, den Antrag allerdings für zulässig gehalten. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Hauptbetriebsvertretung ihr ursprüngliches Antragsziel. Die Bundesrepublik Deutschland beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

B. Die Rechtsbeschwerde der Hauptbetriebsvertretung ist unbegründet. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist der Antrag unzulässig. Es fehlt das von § 256 Abs. 1 ZPO vorausgesetzte Feststellungsinteresse.

1. Der Antrag ist hinreichend bestimmt (§ 253 ZPO). Es handelt sich um einen Globalantrag(vgl. BAG 3. Mai 1994 – 1 ABR 24/93 – BAGE 76, 364, zu II A der Gründe), der eine Vielzahl von Fallgestaltungen umfaßt. Seinem Inhalt nach betrifft er sämtliche Beteiligungsrechte nach dem für die Stationierungskräfte eingeschränkt geltenden BPersVG, die von Maßnahmen ausgelöst werden, die eine dem Hauptquartier übergeordnete Dienststelle in den USA anordnet.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann ein Streit der Betriebsparteien über das Bestehen, den Inhalt oder den Umfang eines Mitbestimmungsrechts auch im Wege eines allgemeinen Feststellungsverfahrens geklärt werden(BAG 21. September 1999 – 1 ABR 40/98 – AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 21 = EzA BetrVG 1972 § 95 Nr. 30).

3. Dem Antrag fehlt aber das von § 256 Abs. 1 ZPO vorausgesetzte Interesse an alsbaldiger Feststellung.

a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO erfordert die Zulässigkeit eines Feststellungsantrags ein besonderes rechtliches Interesse des Antragstellers daran, daß das Rechtsverhältnis durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Es handelt sich um eine – auch noch im Rechtsbeschwerdeverfahren zu prüfende – Prozeßvoraussetzung. Sie stellt sicher, daß die Gerichte das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses tatsächlich klären können und nicht über bloße Meinungsverschiedenheiten der Betroffenen befinden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gehört es nicht zu den Aufgaben der Gerichte, einem Beteiligten zu bescheinigen, ob er im Recht war oder nicht oder eine alle Verfahrensbeteiligten interessierende Rechtsfrage gutachterlich zu klären(BAG 11. Oktober 1995 – 7 ABR 17/95 – AP BetrVG 1972 § 21 Nr. 2 = EzA ArbGG 1979 § 81 Nr. 16; 11. September 2001 – 1 ABR 1/01 – nv.).

b) Im Beschlußverfahren kann allerdings das Bestehen, der Inhalt oder der Umfang eines Beteiligungsrechts auch dann geklärt werden, wenn der konkrete Ausgangsfall zwar abgeschlossen ist, sich aber voraussichtlich in gleicher Weise wiederholen wird(BAG 29. Februar 2000 – 1 ABR 5/99 – AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 36 = EzA BetrVG 1972 § 95 Nr. 31). In einem solchen Fall ist die Entscheidung nicht nur eine gutachterliche Auskunft, die den Betriebsparteien für ihr künftiges Verhalten nützlich sein mag, sondern klärt ein bestimmtes Rechtsverhältnis und stellt dessen Inhalt auch für die Zukunft hinreichend konkret fest.

c) So liegen die Dinge im Ausgangsverfahren jedoch nicht. Der Konflikt zwischen der Hauptbetriebsvertretung und dem Hauptquartier geht zurück auf eine von der vorgesetzten Dienststelle in den USA gegenüber dem Hauptquartier angeordneten Zusammenlegung der Finanzverwaltung und der Buchhaltung zweier Waffengattungen. Um welche möglicherweise beteiligungspflichtigen Maßnahmen es dabei im einzelnen ging, ist von den Beteiligten nicht vorgetragen. Dieser Vorgang war bereits vor der Einleitung des Verfahrens abgeschlossen, wie die Beteiligten in der Anhörung vor dem Senat klargestellt haben. Ob und zu welchem Zeitpunkt sich ein vergleichbarer Vorgang wiederholen kann, ist völlig ungewiß.

Vorliegend soll nicht das Bestehen eines Beteiligungsrechts in Bezug auf eine konkrete Maßnahme geklärt werden, sondern in Bezug auf vielfältige hypothetische Maßnahmen, von denen die Beteiligten annehmen, daß sie zu einem ungewissen, in der Zukunft liegenden Zeitpunkt eintreten können. Diese Maßnahmen werden lediglich dadurch definiert, daß sie ihrer Art nach geeignet sein sollen, ein Beteiligungsrecht auszulösen; geklärt werden soll nur, ob irgendein grundsätzlich bestehendes Beteiligungsrecht durch bestimmte Vorgaben einer übergeordneten Dienststelle in den USA ausgeschlossen werden kann. Die Klärung einer solchen Meinungsverschiedenheit kommt der Erstattung eines Rechtsgutachtens gleich. Dazu ist das Gericht nicht befugt. Die Entscheidung wäre auch nicht geeignet, einem künftigen Streit der Beteiligten über das Bestehen eines konkreten Beteiligungsrechts vorzubeugen. Geklärt werden könnte lediglich, ob sich das Hauptquartier in den fraglichen Angelegenheiten einer Beteiligung mit dem Einwand entziehen kann, ihm stehe wegen der Anordnung der Maßnahme durch eine ihm übergeordneten Dienststelle kein Entscheidungsspielraum zu. Damit stünde aber nicht fest, ob die Hauptbetriebsvertretung im konkreten Fall hinsichtlich der getroffenen Maßnahme zu Recht eine Beteiligung verlangen könnte.

d) Mit der Verneinung eines Feststellungsinteresses setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu der Entscheidung vom 9. Februar 1993(– 1 ABR 33/92 – AP ZA Nato-Truppenstatut Art. 56 Nr. 16). Der Antrag, welcher dem damaligen Beschluß zugrundelag, wurde allerdings für das vorliegende Verfahren übernommen; für ihn hatte seinerzeit der Senat ein Interesse an alsbaldiger Feststellung ausdrücklich bejaht. Dem lag indessen ein Konflikt der Beteiligten über die Mitwirkungsbefugnisse der Hauptbetriebsvertretung im Zusammenhang mit einer konkreten Maßnahme, nämlich der Schließung von US-Einrichtungen, zugrunde. Zum damaligen Zeitpunkt war gegenüber dem Hauptquartier die Anordnung einer übergeordneten US-Dienststelle zur Schließung zweier Hotels und eines Armed Forces Recreation Centers (AFRC) bereits ergangen; Anordnungen zur Schließung anderer Einrichtungen der US-Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland standen unmittelbar bevor. Vorliegend sind aber weder gegenwärtige noch bevorstehende Maßnahmen, deren Inhalt und beteiligungsrechtliche Einordnung erkennbar wären, Gegenstand des Antrags.

 

Unterschriften

Wißmann, Schmidt, Kreft, Metz, Wohlgemuth

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 11.12.2001 durch Schneider, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

NZA 2002, 696

EzA

PersR 2002, 351

NJOZ 2002, 1491

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