Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertretung des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Berechtigung des Arbeitgebers, sich gegenüber dem Betriebsrat durch bestimmte Arbeitnehmer vertreten zu lassen, kann nicht losgelöst vom Einzelfall für alle denkbaren Fallgestaltungen beurteilt werden.

2. Ein diese Berechtigung leugnender Antrag des Betriebsrats ist deshalb insgesamt unbegründet, wenn er sich auf alle denkbaren Fallgestaltungen erstreckt (Globalantrag) und auch nur einen Sachverhalt mitumfaßt, in dem die geleugnete Berechtigung des Arbeitgebers besteht (im Anschluß an BAG Beschluß vom 10.6.1986 1 ABR 61/84 - BAGE 52, 160 = AP Nr 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit und BAG Beschluß vom 18.09.1991 - 7 ABR 63/90 = EzA § 40 BetrVG 1972 Nr 67).

 

Orientierungssatz

Zur Anwendbarkeit der allgemeinen Vertretungsregeln der §§ 164ff BGB auch auf die Vertretung des Arbeitgebers in betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten gegenüber dem Betriebsrat.

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Entscheidung vom 30.10.1990; Aktenzeichen 5 TaBV 22/90)

ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 01.11.1989; Aktenzeichen 3 BV 25/89)

 

Gründe

A. Der Antragsteller ist der bei der beteiligten Arbeitgeberin bestehende Betriebsrat. Er begehrt die Feststellung, daß die Arbeitgeberin nicht berechtigt sei, sich bei der Information und Beratung in Angelegenheiten des § 90 BetrVG gegenüber dem Betriebsrat durch zwei bestimmte Arbeitnehmer vertreten zu lassen.

Die Arbeitgeberin ließ sich in der Vergangenheit im Rahmen ihrer Unterrichtungs- und Beratungspflichten aus § 90 BetrVG in Fragen der Installation von EDV-Terminals im Bereich LKW-Kundendienst und Einkauf durch Herrn S und in Fragen eines innerbetrieblichen Raumtausches verschiedener Arbeitsgruppen durch Herrn N gegenüber dem Betriebsrat vertreten. Die Beteiligten sind übereinstimmend der Auffassung, daß beide Arbeitnehmer nicht als leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG anzusehen sind. Nach dem Organisationsplan der Arbeitgeberin ist Herr N auf der Ebene unterhalb der Geschäftsführung für den Bereich "internal services" zuständig. Auf der gleichen Ebene ist für den Bereich "Data Processing" Herr H zuständig. Die Beteiligten betrachten Herrn H als leitenden Angestellten. Herr S ist im Bereich der Datenverarbeitung als Systemanalytiker auf der Stufe nach Herrn H , also auf der zweiten Stufe unterhalb der Geschäftsführung, angesiedelt.

Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin könne sich bei der Wahrnehmung ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben im Rahmen des § 90 BetrVG nur durch ihre gesetzlichen Vertreter (Geschäftsführer) oder durch leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG vertreten lassen, nicht aber durch andere, an der Leitung des Unternehmens nicht unmittelbar beteiligte Arbeitnehmer. Das Betriebsverfassungsgesetz gehe davon aus, daß der Arbeitgeber sämtliche ihm obliegenden betriebsverfassungsrechtlichen Verpflichtungen selbst wahrnehme. Nur in den Ausnahmefällen des § 43 Abs. 2 sowie des § 108 Abs. 2 BetrVG sei eine Vertretung des Arbeitgebers vorgesehen. Es bestehe jedoch keine generelle Befugnis des Arbeitgebers, sich nach den Vorschriften der §§ 164 ff. BGB vertreten zu lassen. Da § 90 BetrVG auch ein Beratungsrecht beinhalte, müsse dem Betriebsrat ein Gesprächspartner gegenübertreten, der für den Arbeitgeber verbindlich handeln könne. Diese Befugnis bestehe nur bei Personen, die an der Leitung des Unternehmens verantwortlich beteiligt seien. Der Arbeitgeber könne die ihm obliegenden betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben nicht an Dritte, und sei es auch nur im Sinne einer Stellvertretung, überantworten.

Der Antragsteller hat, nachdem er im ersten Rechtszug mit seinen Anträgen unterlegen war, im Beschwerderechtszug beantragt

festzustellen, daß die Antragsgegnerin nicht be-

rechtigt ist, sich in Angelegenheiten des § 90

BetrVG durch den Arbeitnehmer S bzw. den

Arbeitnehmer N vertreten zu lassen, was die

Information und Beratung gem. der zitierten Vor-

schrift angeht.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, mangels ausdrücklicher Regelung im Betriebsverfassungsgesetz seien die allgemeinen Vertretungsregeln der §§ 164 ff. BGB auch auf die Vertretung des Arbeitgebers in betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten gegenüber dem Betriebsrat anzuwenden. Wenn das Betriebsverfassungsgesetz schon in den besonderen Fällen der §§ 43 Abs. 2 und 108 Abs. 2 BetrVG eine Vertretung des Arbeitgebers zulasse, so müsse dies erst recht bei Routineangelegenheiten der Fall sein. Jeder Mitarbeiter, der vom Arbeitgeber ausreichend bevollmächtigt sei, könne deshalb als Vertreter des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat auftreten. Die im Antrag genannten Mitarbeiter seien die für die Durchführung derartiger Angelegenheiten letztlich zuständigen Arbeitnehmer der Arbeitgeberin. Diese habe deshalb besonders kompetente und in die entsprechenden Entscheidungen maßgeblich eingebundene Arbeitnehmer als Vertreter herangezogen.

Das Landesarbeitsgericht hat den Beschluß des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und festgestellt, daß die Antragsgegnerin nicht berechtigt sei, sich in Angelegenheiten des § 90 BetrVG durch den Arbeitnehmer S vertreten zu lassen, was die Information und Beratung im Rahmen des § 90 BetrVG angehe, und im übrigen die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag in vollem Umfang weiter, während die Arbeitgeberin mit ihrer Rechtsbeschwerde die Abweisung des Antrags begehrt.

B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin führt zur Aufhebung des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts, soweit es der Beschwerde des Betriebsrats stattgegeben hat, und zur Zurückweisung der Beschwerde des Betriebsrats. Denn der Antrag des Betriebsrats ist unbegründet. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats war dementsprechend zurückzuweisen.

I. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von der Zulässigkeit des Antrags ausgegangen. Er ist inhaltlich hinreichend bestimmt und auch im übrigen zulässig.

1. Auch im Beschlußverfahren muß der Streitgegenstand entsprechend § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO so genau bezeichnet werden, daß die eigentliche Streitfrage selbst mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann (vgl. BAG Beschluß vom 11. November 1988 - 7 ABR 19/87 -, n.v.; BAGE 54, 79, 82 f. = AP Nr. 26 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu B I 2 der Gründe, jeweils m.w.N.). In einem früheren Beschlußverfahren mit den Beteiligten, das eine ähnliche Fragestellung betraf, hat der Senat im Beschluß vom 11. November 1988 - 7 ABR 19/87 - ausgeführt, daß ein auf die vom Antragsteller begehrte Feststellung gerichteter Antrag den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nur genügt, wenn durch ihn festgelegt wird, in welchem Umfang rechtskräftig festgestellt werden soll, durch welche Personen sich die Arbeitgeberin nicht soll vertreten lassen dürfen.

Diesen Anforderungen entspricht der Antrag des Betriebsrats. Er benennt konkret die Arbeitnehmer, für die eine Berechtigung der Arbeitgeberin, sie im Rahmen des § 90 BetrVG als ihre Vertreter gegenüber dem Betriebsrat zu beauftragen, grundsätzlich nicht bestehen soll. Der Umfang der Rechtskraft der begehrten Entscheidung ist damit durch den Antrag hinreichend genau bestimmt.

Der Zulässigkeit des Antrags steht auch nicht entgegen, daß der Betriebsrat eine von einer konkreten Maßnahme und den Umständen des Einzelfalles losgelöste Feststellung begehrt. Die Installation von EDV-Terminals und die Durchführung des innerbetrieblichen Raumtausches hat den vorliegenden Streit ausgelöst, ist aber nicht allein Inhalt oder Gegenstand des Antrags. Dem Betriebsrat geht es vielmehr um eine umfassende Klärung der Streitfrage für die Zukunft. Ein derartiger, von einer abgeschlossenen Maßnahme losgelöster Feststellungsantrag ist möglich (vgl. BAGE 39, 259, 267 f. = AP Nr. 5 zu § 83 ArbGG 1979; BAG Beschluß vom 10. April 1984 - 1 ABR 73/82 - AP Nr. 3 zu § 81 ArbGG 1979; BAGE 52, 160, 164 = AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, zu B II 1 der Gründe). Dabei ist nicht erforderlich, daß dieser allgemeine Feststellungsantrag neben einem Antrag gestellt wird, der sich auf eine konkrete Maßnahme bezieht. Er kann auch dann für sich allein gestellt werden, wenn die konkrete Maßnahme abgeschlossen ist und an der Entscheidung der Frage, ob der Betriebsrat bei dieser Maßnahme zu beteiligen war, kein Interesse mehr besteht (vgl. BAGE 52, 160, 164 = AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, zu B II 1 der Gründe).

2. Bei dem vorliegenden Antrag handelt es sich um einen Globalantrag, der darauf zielt, alle denkbaren Fallgestaltungen zu erfassen, in denen die Arbeitgeberin die Berechtigung in Anspruch nimmt, sich im Rahmen ihrer Unterrichtungs- und Beratungspflichten aus § 90 BetrVG gegenüber dem Betriebsrat durch die genannten Arbeitnehmer vertreten zu lassen. Der Antragsteller ist der Auffassung, die Arbeitgeberin sei grundsätzlich nicht berechtigt, sich durch andere Personen als ihre gesetzlichen Vertreter oder leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG gegenüber dem Betriebsrat vertreten zu lassen. Ein derartiger Antrag (Globalantrag) ist als eindeutiges, alle Fallkonstellationen umfassendes Begehren inhaltlich hinreichend bestimmt (vgl. BAG Beschluß vom 18. September 1991 - 7 ABR 63/90 - EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 67, zu B III 1 b der Gründe; BAGE 52, 160, 166 = AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, zu B II 2 der Gründe). Ein solcher Antrag ist nicht unzulässig, sondern unbegründet, wenn er auch nur einen Sachverhalt mitumfaßt, bei dem das begehrte Recht nicht oder nicht ohne Einschränkung bzw. das geleugnete Recht doch oder jedenfalls unter bestimmten Voraussetzungen besteht (vgl. BAGE 52, 160, 166 = AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, aaO; BAG Beschluß vom 18. September 1991 - 7 ABR 63/90 - EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 67; Germelmann/Matthes/ Prütting, ArbGG, § 81 Rz 9).

II. Nach diesen Grundsätzen, an denen der Senat festhält, erweist sich der vorliegende Antrag als insgesamt unbegründet, weil er sowohl hinsichtlich des Herrn S als auch des Herrn N zumindest auch Sachverhalte umfaßt, in denen sich die Arbeitgeberin durch diese Arbeitnehmer vertreten lassen kann. Dies führt zur Bestätigung des angefochtenen Beschlusses, soweit er den Antrag abgewiesen hat, und im übrigen zu seiner Aufhebung und zur Abweisung des Antrags.

1. Das Betriebsverfassungsgesetz enthält, wovon auch das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen ist, keine eindeutige und abschließende Regelung, ob und durch wen sich der Arbeitgeber bei der Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben gegenüber dem Betriebsrat vertreten lassen darf. Die insoweit bestehenden Regelungen des Personalvertretungsrechts, wie z. B. § 7 BPersVG, sind auf das Betriebsverfassungsrecht nicht übertragbar. Sie beruhen auf den Besonderheiten der Behördenorganisation und bestimmen für die auf der Ebene der Dienststelle angesiedelten Beteiligungsrechte den Leiter der Dienststelle bzw. dessen ständigen Vertreter als Repräsentanten des Dienstherrn im Bereich der Personalvertretung. Aus dieser Regelung kann deshalb kein Schluß auf die Zulässigkeit der Vertretung des Arbeitgebers im Bereich der Betriebsverfassung gezogen werden. Struktur und Organisation privatrechtlicher Betriebe und Unternehmen werden von anderen Gesichtspunkten bestimmt, als sie für die Organisation des öffentlichen Dienstes maßgeblich sind. Wegen der Verschiedenheit der Regelungsbereiche kann deshalb, soweit es um die Vertretung des Arbeitgebers geht, aus den Bestimmungen des Personalvertretungsrechts für das Betriebsverfassungsrecht nichts hergeleitet werden. Im übrigen schließt die Regelung des § 7 BPersVG nicht aus, daß sich innerhalb eines Verfahrens der Dienststellenleiter bei der Abgabe einer einzelnen Erklärung auch durch andere mit Vertretungsmacht ausgestattete Bedienstete vertreten lassen kann (vgl. BAG Urteil vom 10. April 1973 - 4 AZR 270/72 - AP Nr. 37 zu § 133 BGB; Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 7 Rz 23).

2. Das Betriebsverfassungsgesetz sieht in § 43 Abs. 2 Satz 3 und in § 108 Abs. 2 Satz 1 vor, daß für den Arbeitgeber auch sein Vertreter handeln kann. Daraus folgt jedoch nicht, daß der Arbeitgeber im übrigen seine betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben nur selbst oder durch seine gesetzlichen Vertreter wahrnehmen kann. Ein derartiger, rein formaler Schluß ist, wie auch das Landesarbeitsgericht ausführt, sachlich nicht gerechtfertigt (vgl. Fabricius, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 43 Rz 51; Kreutz, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 74 Rz 15). Die genannten Vorschriften verpflichten den Arbeitgeber bzw. Unternehmer in einem gesondert geregelten Verfahren zur Berichterstattung über umfassende Zusammenhänge gegenüber einer betriebsverfassungsrechtlichen Institution. Soweit aus dem Sinn und Zweck dieser Verpflichtung eine besondere Qualifikation des Vertreters zu fordern ist (vgl. Kraft, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 1 Rz 37; Fabricius, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 43 Rz 52, § 108 Rz 18; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 1 Rz 28), kann dies nicht allgemein auf sämtliche Pflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat übertragen werden, zumal hierunter auch alltägliche Informationen über ganz einfach gelagerte Sachverhalte fallen würden, bei denen eine Vertretung des Arbeitgebers z.B. schon aus Gründen der Eilbedürftigkeit unumgänglich ist.

3. Konkrete Maßstäbe für die Vertretungsmöglichkeiten außerhalb der §§ 43 und 108 BetrVG sind bisher nicht entwickelt worden.

a) Die Literatur stimmt im Grundsatz darin überein, daß der Arbeitgeber sich gegenüber dem Betriebsrat durch eine an der Betriebsleitung verantwortlich beteiligte Person, die er mit seiner Vertretung beauftragt hat, vertreten lassen kann (vgl. z.B. Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 16. Aufl., § 1 Rz 87; Hess/ Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 2 Rz 7; Kreutz, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 74 Rz 15). Zum Teil wird auch die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber könne sich im Rahmen der §§ 164 ff. BGB durch jede andere Person vertreten lassen (vgl. Kraft, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 1 Rz 37; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 1 Rz 17; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 1 Rz 28).

b) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, die Zulässigkeit rechtsgeschäftlicher Stellvertretung des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat sei maßgeblich nach Art und Funktion des in Frage stehenden Beteiligungsrechts zu beurteilen. Denn eine rein formale Begrenzung der Vertretung auf leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG kann nicht gewährleisten, daß der von der jeweils einschlägigen gesetzlichen Regelung verfolgte Zweck im Einzelfall auch erreicht wird. So erfolgt die Beteiligung des Betriebsrats nach § 90 BetrVG durch die rechtzeitige Unterrichtung über die Planung und die anschließende Beratung. Dabei soll die Unterrichtung den Betriebsrat in die Lage versetzen, sich über die Auswirkungen der genannten Maßnahmen auf die Arbeitnehmer ein eigenes Urteil zu bilden, sie mit dem Arbeitgeber zu beraten und damit auf dessen Willensbildung Einfluß zu nehmen (vgl. Wiese, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 90 Rz 4; Dietz/ Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 90 Rz 17; ferner z.B. BAG Beschluß vom 17. März 1987, BAGE 54, 278 - AP Nr. 29 zu § 80 BetrVG 1972). Dem Landesarbeitsgericht ist deshalb im Grundsatz darin zuzustimmen, daß wegen des Zwecks dieses Beteiligungsrechts der Arbeitgeber sich gegenüber dem Betriebsrat nur durch eine Person vertreten lassen kann, die im Hinblick auf die geplante Maßnahme über die notwendige Fachkompetenz verfügt. Nur unter dieser Voraussetzung ist gewährleistet, daß das mit der Unterrichtung und Beratung verfolgte Ziel erreicht wird.

c) Dem Landesarbeitsgericht kann jedoch nicht gefolgt werden, soweit es generell die Zulässigkeit der Vertretung davon abhängig macht, daß der Vertreter des Arbeitgebers neben der erforderlichen Fachkompetenz stets auch die organisatorische Kompetenz haben müsse, die vom Betriebsrat vorgetragenen Erwägungen unmittelbar in den Entscheidungsprozeß einzubringen und umzusetzen. Das Landesarbeitsgericht verkennt insoweit, daß eine an Sinn und Zweck des Beteiligungsrechts ausgerichtete Beurteilung, ob ein bestimmter Arbeitnehmer als Vertreter des Arbeitgebers auftreten darf, nicht allein nach abstrakten Kriterien vorgenommen werden kann, sondern die konkreten Umstände des Einzelfalles einzubeziehen hat. Maßgeblich hierfür sind vor allem die technischen und fachlichen Aspekte der geplanten Maßnahme, ihre Bedeutung und Tragweite sowie der jeweilige Stand des Beteiligungsverfahrens. Dem Beteiligungsrecht des Betriebsrates können sowohl einfache technische Detailfragen - wie vorliegend die Installation von zusätzlichen EDV-Terminals - als auch komplexe Fallgestaltungen unterliegen, wie z. B. die Einführung grundlegend neuer Arbeitsverfahren. Die Unterrichtung des Betriebsrats über die Planung des Arbeitgebers soll dem Betriebsrat die Informationen verschaffen, die ihn in die Lage versetzen, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Das Maß der jeweils erforderlichen Fachkompetenz des als Vertreter des Arbeitgebers auftretenden Arbeitnehmers ist dabei anhand der konkret geplanten Maßnahme und dem Gegenstand der Information und Beratung zu bestimmen. Besonders bei komplexen Fallgestaltungen können unterschiedlichste Bereiche berührt werden, und es kann sich daraus das Erfordernis ergeben, jeweils in diesen Bereichen besonders sachkundige Arbeitnehmer für die Beteiligung des Betriebsrates heranzuziehen.

Hinzu kommt, daß auch in zeitlicher Hinsicht Unterrichtung und Beratung in mehrere Teilschritte aufgegliedert sein können und sachlich ineinandergreifen. Der Arbeitgeber kann, dem Zweck des Beteiligungsrechts entsprechend, den Betriebsrat bereits in einem frühen Planungsstadium beteiligen, die Vorschläge des Betriebsrats zu diesen Planungsabsichten in die weitere Planung einbeziehen und den Betriebsrat über den jeweiligen weiteren Stand der Planung unterrichten und diese mit ihm beraten. Funktion und Stellenwert des Beteiligungsrechts erfordern nicht, daß hinsichtlich jedes einzelnen Teilschrittes von Information und Beratung der als Vertreter des Arbeitgebers beauftragte Arbeitnehmer im Hinblick auf die geplante Maßnahme in ihrer Gesamtheit Sach- und Entscheidungskompetenz aufweisen muß. Ob die erforderliche Sachkenntnis des Vertreters besteht, richtet sich nach dem konkreten Gegenstand und dem Stadium der Unterrichtung. Wird diese durch einen mit der Aufgabe betrauten, sachkundigen Arbeitnehmer durchgeführt, ist dem Zweck des Beteiligungsrechts insoweit genügt. Der für den Arbeitgeber handelnde Vertreter muß nicht notwendig auch für die Entscheidung über die beabsichtigte Maßnahme zuständig sein, um eine dem Zweck des Beteiligungsrechts entsprechende Unterrichtung des Betriebsrats vornehmen zu können.

Die Beratung der vorgesehenen Maßnahmen mit dem Betriebsrat hat nach § 90 Abs. 2 BetrVG zum Ziel, die Vorschläge und Bedenken des Betriebsrats bei der Planung berücksichtigen zu können. Dem Betriebsrat soll ermöglicht werden, auf die Willensbildung des Arbeitgebers Einfluß zu nehmen und seine Erwägungen im weiteren Planungs- und Entscheidungsprozeß einzubringen. Dieser Zweck des Beteiligungsrechts gebietet jedoch nicht, daß der bei der Beratung als Vertreter des Arbeitgebers auftretende Arbeitnehmer stets auch für die Entscheidung über die geplante Maßnahme zuständig sein muß. Maßgeblich ist vielmehr auch hier eine am konkreten Gegenstand der Beratung und am Stand des Verfahrens ausgerichtete Betrachtungsweise. Betrifft die Beratung einzelne technische Detailfragen oder handelt es sich um eine Beratung im frühen Stadium der Planung, so wird dem mit der Beratung verfolgten Zweck auch dann entsprochen, wenn für den Arbeitgeber ein mit der Durchführung der konkreten Aufgabe beauftragter und in den Planungs- und Entscheidungsprozeß des Arbeitgebers eingebundener Arbeitnehmer die Angelegenheit mit dem Betriebsrat berät. Das Beteiligungsrecht des § 90 BetrVG erfordert nur, daß die Erwägungen des Betriebsrats in der weiteren Planung berücksichtigt werden können. Ist dies nach dem Inhalt der dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgabe sichergestellt, so ist dem Zweck des Beteiligungsrechts hinreichend Rechnung getragen. Eine darüber hinausgehende formale Entscheidungskompetenz muß insoweit nicht notwendig bestehen.

4. Im Hinblick auf die sich hieraus ergebende Vielfalt der betrieblichen Fallgestaltungen kann eine aus Sinn und Zweck des Beteiligungsrechts abzuleitende Begrenzung der Stellvertretung des Arbeitgebers daher nicht losgelöst vom Einzelfall einheitlich für alle denkbaren Fallgestaltungen vorgenommen werden. Entscheidend ist vielmehr stets die konkrete betriebliche Fallgestaltung, der Gegenstand von Unterrichtung und Beratung und der jeweilige Stand des Verfahrens. Ob und inwieweit einem bestimmten Arbeitnehmer eine Aufgabe zugewiesen ist, kann nicht allein nach dem Organisationsplan des Arbeitgebers bestimmt werden, sondern richtet sich nach der konkreten betrieblichen Aufgabenverteilung.

5. Der vom Betriebsrat gestellte Globalantrag erweist sich damit als unbegründet. Nach dem Sachvortrag der Beteiligten sind zahlreiche Fallgestaltungen denkbar, bei denen es zur Erfüllung der Unterrichtungs- und Beratungspflichten der Arbeitgeberin nur auf die Fachkompetenz der sie vertretenden Arbeitnehmer ankommt; die Fachkompetenz der Arbeitnehmer S und N in ihren Aufgabenbereichen wurde indessen auch vom Antragsteller nicht in Abrede gestellt. Soweit die Arbeitgeberin diesen Arbeitnehmern die Planung und Durchführung bestimmter Maßnahmen zuweist, ist sie demnach auch berechtigt, sich durch diese Arbeitnehmer bei der Unterrichtung und Beratung des Betriebsrats in Angelegenheiten des § 90 BetrVG vertreten zu lassen.

Sind demnach Fallgestaltungen möglich, in denen die vom Betriebsrat bestrittene Berechtigung der Arbeitgeberin besteht, so ist der Antrag des Betriebsrats, der auf die uneingeschränkte Feststellung zielt, die Arbeitgeberin sei hierzu nicht berechtigt, unbegründet.

Dr. Seidensticker Kremhelmer Dr. Steckhan

D. Bea Dr. Knapp

 

Fundstellen

Haufe-Index 440974

BB 1992, 1351

BB 1992, 1351-1352 (LT1-2)

DB 1992, 1732-1734 (LT1-2)

EBE/BAG 1992, 110-112 (LT1-2)

AiB 1992, 534-537 (LT1-2)

BetrVG, (1) (LT1-2)

ARST 1992, 148-151 (LT1-2)

NZA 1992, 850

NZA 1992, 850-853 (LT1-2)

RdA 1992, 283

AP § 90 BetrVG 1972 (LT1-2), Nr 2

AP, 0

AR-Blattei, ES 530.5 Nr 19 (LT1-2)

Arbeitgeber 1992, 664 (LT)

AuA 1993, 91-92 (LT1-2)

EzA § 90 BetrVG 1972, Nr 2 (LT1-2)

JuS 1993, 260

JuS 1993, 260-261 (LT1)

MDR 1992, 1159-1160 (ST)

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge