Entscheidungsstichwort (Thema)

Personalvertretung bei Luftfahrtunternehmen – Mitwirkung bei Umschulung

 

Normenkette

ZPO § 256 Abs. 1; Tarifvertrag über Wechsel und Förderung Nr. 2 vom 27. Juni 1998 § 5 Abs. 4, § 7 Abs. 9, § 10 Abs. 4, § 12 Abs. 2, 4

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 23.10.2000; Aktenzeichen 1 BV 409/00)

 

Tenor

Die Sprungrechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 23. Oktober 2000 – 1 BV 409/00 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Gründe

A. Die Arbeitgeberin ist das herrschende Unternehmen eines Luftfahrtkonzerns. Für sie und weitere konzernzugehörige Luftfahrtunternehmen gilt der am 27. Juni 1998 in Kraft getretene Tarifvertrag über Wechsel und Förderung Nr. 2 (TV WeFö). Antragsteller ist das nach diesem Tarifvertrag gebildete gemeinsame paritätische Gremium. Es setzt sich nach § 12 Abs. 1 TV WeFö aus Cockpit-Personalvertretern der konzernzugehörigen Luftfahrtunternehmen zusammen.

Der TV WeFö regelt die Bedingungen eines Wechsels zwischen Flugzeugmustern und der Förderung zum Kapitän. Maßgeblich dafür ist die im TV WeFö geregelte Seniorität. Diese wird von der Arbeitgeberin unter Beteiligung des Antragstellers in einer Liste festgelegt. Dazu ist im TV WeFö im einzelnen bestimmt:

„§ 5 Erstellen und Führen von Listen

(2) Hat das gemeinsame paritätische Gremium im Einzelfall gegen die Festsetzung bestimmter Senioritätsdaten Bedenken, so kann es unter Angabe von Gründen innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach der vorläufigen Veröffentlichung bei der DLH schriftlich Einspruch einlegen.

(3) Der Einspruch kann nur auf Gründe gestützt werden, die nach Ablauf der Einspruchsfrist gegen die vorjährige Senioritätsliste entstanden sind.

(4) Der Einspruch hat aufschiebende Wirkung. Erfolgt zwischen dem gemeinsamen paritätischen Gremium und der DLH keine Verständigung über die mit dem Einspruch angegriffene Festsetzung eines Senioritätsdatums, so kann das Gremium die Einigungsstelle anrufen, die innerhalb von 6 Wochen nach Einlegung des Einspruchs (Abs. (2)) zusammentritt. Die Festsetzung des Senioritätsdatums erfolgt dann für den mit dem Einspruch angegriffenen Fall durch den Spruch der Einigungsstelle. Die Einigungsstelle entscheidet verbindlich.

…”

Wechsel und Förderung setzen im einzelnen die Teilnahme an Schulungsmaßnahmen voraus. Dazu ist in § 7 TV WeFö geregelt:

„§ 7 Förderung und Wechsel

(3) Jede freie Stelle, die im Wege der Förderung oder im Wege des Wechsels von einem Ausbildungsmuster auf ein Wechselmuster besetzt werden soll, wird unter Bekanntgabe der vom Bewerber zu erfüllenden Bedingungen durch Aushang in geeigneter Weise bekanntgemacht.

(9) Kann die nach Abs. (3) auf einem Wechselmuster zu besetzende Stelle nicht nach vorstehenden Regelungen mit Bewerbern besetzt werden, so erfolgt die Besetzung – soweit die Auswahl der Bewerber nicht durch die Betriebspartner in einer Betriebsvereinbarung „Auswahlrichtlinien” oder einem entsprechenden Einigungsstellenspruch geregelt ist – von den Ausbildungsmustern nach Seniorität (§ 2 Abs. (2)).

…”

Zum Bewerbungsverfahren heißt es in § 10 TV WeFö:

㤠10 Bewerbung eines Mitarbeiters

(1) An der Auswahl für eine Förderung oder einen Musterwechsel nehmen die Mitarbeiter teil, die sich für die betreffende Förderung bzw. den Wechsel auf das Flugzeugmuster beworben haben, auf dem die Stelle besetzt werden soll.

(2) Die Bewerbung ist von dem Mitarbeiter als verbindliche Dauerbewerbung abzugeben. Die Dauerbewerbung wirkt nach 6 Monaten ab Einreichung. Cockpit-Mitarbeiter können von ihrer laufenden Dauerbewerbung mit sofortiger Wirkung zurücktreten, solange sie weder zu einem Grundkurs eingeteilt noch über den Ausschluß von einer Umschulung aus betrieblichen Gründen informiert sind.

(3) Der Mitarbeiter kann mehrere Bewerbungen gleichzeitig einreichen. Einzelne Bewerbungen einer Mehrfachbewerbung werden in der zeitlichen Reihenfolge der entsprechenden Grundkurstermine berücksichtigt; eine Zusage für einen Grundkurs schließt die übrigen Mehrfachbewerbungen aus, es sei denn, der Grundkurs wird um mehr als einen Monat verzögert. Beginnt der Grundkurs einer hierdurch ausgeschlossenen Mehrfachbewerbung früher als der verzögerte Grundkurs, so rechnet der Grundkursbeginn der ausgeschlossenen Mehrfachbewerbung für die Verweildauer gemäß § 9.

(4) Bei Veränderungen des Umschulungsplanes hat der Mitarbeiter die Möglichkeit, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Veröffentlichung des geänderten Umschulungsplanes eine neue geänderte Dauerbewerbung einzureichen, die einen Monat nach Ablauf der Einreichungsfrist wirksam wird. Bewerbungsänderungen vor Ablauf der 6-Monatsfrist gemäß Abs. (2) wirken erst nach Ablauf der bereits begonnenen 6-Monatsfrist. In Ausnahmefällen kann die Einreichungsfrist nach Satz 1 nach Information und Beratung mit dem gemeinsamen paritätischen Gremium auf bis zu 2 Wochen verkürzt werden.

Als Veränderungen des Umschulungsplanes gelten folgende Ereignisse:

Absage von Grundkursen, zusätzliche Grundkurse, Reduzierung oder Erhöhung der Teilnehmerzahl von Grundkursen, Verschiebung von Grundkursen um mehr als 1 Monat.

…”

Die Zuständigkeit des Antragstellers regelt § 12 TV WeFö wie folgt:

„§ 12 Gemeinsames paritätisches Gremium der Personalvertretungen

(2) Hält das gemeinsame paritätische Gremium eine der in § 7 dieses Tarifvertrages enthaltenen Bestimmungen für verletzt, so gilt § 5 Abs. (4) mit der Maßgabe, daß die Einspruchsfrist mit der Kenntnis der Verletzung beginnt. Die aufschiebende Wirkung des Einspruches ist auf 6 Wochen befristet.

(3) Ansprüche aus diesem Tarifvertrag stehen nur dem gemeinsamen paritätischen Gremium zu.

(4) Über § 5 Abs. (2) hinaus kann das gemeinsame paritätische Gremium, soweit erforderlich, zu in diesem Tarifvertrag nicht geregelten Fällen auch außerhalb der Einspruchsfrist Vorschläge zur Rechtsgestaltung machen. Die Tarifpartner werden diese Vorschläge überprüfen und entscheiden, ob und ggf. mit welchen Modifikationen der Vorschlag übernommen werden kann.

(5) In allen Angelegenheiten dieses Tarifvertrages sowie im Falle des Abs. (4) werden Mitbestimmungsrechte alleinig und ausschließlich von dem gemeinsamen paritätischen Gremium wahrgenommen.”

Zwischen den Beteiligten kam es in der Folgezeit zu Meinungsverschiedenheiten darüber, ob die Nichtdurchführung eines Grundkurses infolge fehlender Bewerbungen als Veränderung des Umschulungsplans gilt, die nach § 10 Abs. 4 TV WeFö kurzfristige Nachbewerbungen für Wechsel und Förderung ermöglicht. Das gemeinsame paritätische Gremium rief daraufhin die Einigungsstelle an. Im Einigungsstellenverfahren beantragte es zum einen festzustellen, daß in allen Fällen, in denen sich keine Bewerber auf Grundkurse bewerben und ein Grundkurs deshalb nicht durchgeführt wird, eine Veränderung des Umschulungsplanes vorliegt, wenn und so lange von der in § 7 Abs. 9 TV WeFö geregelten Besetzungsverpflichtung/Besetzungsmöglichkeit kein Gebrauch gemacht wird. Darüber hinaus begehrte es die Feststellung, daß eine solche Nichtdurchführung eines Grundkurses § 7 TV WeFö verletzt. Mit Spruch vom 9. Juni 2000 wies die Einigungsstelle die Anträge als unbegründet zurück.

Diesen Spruch hat das gemeinsame paritätische Gremium angefochten. Es ist der Ansicht, die Zuständigkeit der Einigungsstelle folge aus § 12 Abs. 2 TV WeFö. Dafür genüge die Behauptung einer Verletzung des § 7 Abs. 9 TV WeFö. Die Nichtdurchführung von Grundkursen mangels Bewerbungen sei eine Veränderung des Umschulungsplans iSv. § 10 Abs. 4 TV WeFö.

Der Antragsteller hat beantragt,

  1. festzustellen, daß der Spruch der Einigungsstelle gemäß § 12 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 4 TV WeFö vom 9. Juni 2000 rechtsunwirksam ist;
  2. festzustellen, daß eine Veränderung des Umschulungsplanes gemäß § 10 Abs. 4 TV WeFö auch dann vorliegt, wenn ein Grundkurs deshalb nicht stattfindet, weil keine Bewerbungen vorliegen;

    hilfsweise festzustellen, daß eine Veränderung des Umschulungsplanes gemäß § 10 Abs. 4 TV WeFö auch dann gegeben ist, wenn ein Grundkurs nicht durchgeführt wird, weil keine Bewerber vorhanden sind und die Antragsgegnerin von der in § 7 Abs. 9 TV WeFö vorgesehenen Besetzung ggf. nach Seniorität gemäß § 2 Abs. 2 TV WeFö keinen Gebrauch macht.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Mit der nach Zustimmung der Arbeitgeberin zugelassenen Sprungrechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller seine bisherigen Anträge weiter. Die Arbeitgeberin beantragt die Zurückweisung der Sprungrechtsbeschwerde.

B. Die zulässige Sprungrechtsbeschwerde des gemeinsamen paritätischen Gremiums ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Anträge abgewiesen. Der Spruch der Einigungsstelle ist wirksam (I). Der Feststellungsantrag zu 2. ist unzulässig (II).

I. Der Spruch der Einigungsstelle, der die Anträge des gemeinsamen paritätischen Gremiums zurückgewiesen hat, ist wirksam. Die Einigungsstelle war für die begehrte Entscheidung nicht zuständig.

1. Hinsichtlich des ersten an die Einigungsstelle gerichteten Antrags auf Feststellung ist das Arbeitsgericht zu Unrecht von der Zuständigkeit der Einigungsstelle ausgegangen. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 TV WeFö kann das gemeinsame paritätische Gremium die Einigungsstelle nach § 5 Abs. 4 TV WeFö anrufen, wenn es eine der Regelungen des § 7 TV WeFö für verletzt hält. Entgegen der Auffassung der Einigungsstelle und des Arbeitsgerichts genügt für ein Tätigwerden der Einigungsstelle nicht das Vorliegen einer bloßen Meinungsverschiedenheit zwischen den Beteiligten über die Auslegung einer der Bestimmungen des § 7 TV WeFö. Eine gutachterliche Prüfung divergierender Rechtsauffassungen des paritätischen Gremiums und der Arbeitgeberin haben die Tarifvertragsparteien erkennbar nicht gewollt. Vielmehr bedarf es einer konkreten Entscheidung und daraus resultierenden Maßnahme der Arbeitgeberin, die nach der Auffassung des paritätischen Gremiums eine Norm des § 7 TV WeFö verletzt. Das folgt aus dem in § 12 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 TV WeFö geregelten Verfahren und dem Zusammenhang mit § 5 Abs. 4 TV WeFö.

§ 12 Abs. 2 TV WeFö eröffnet durch den Verweis auf die Grundnorm des § 5 Abs. 4 TV WeFö nicht nur den Zugang zur Einigungsstelle, sondern regelt auch das dabei einzuhaltende Verfahren. Dazu verlangt § 12 Abs. 2 Satz 1 TV WeFö die Beachtung einer Einspruchsfrist und ordnet in § 12 Abs. 2 Satz 2 TV WeFö die auf sechs Wochen begrenzte aufschiebende Wirkung eines Einspruchs an. Beide Regelungen setzen konkrete Maßnahmen der Arbeitgeberin voraus, deren Bekanntwerden den Beginn der Einspruchsfrist bestimmt und deren Durchführung für die Dauer von sechs Wochen durch den Einspruch hinausgeschoben wird. Das entspricht auch der Konzeption der Verweisungsnorm des § 5 Abs. 4 TV WeFö, die eine Anrufung der Einigungsstelle bei Einsprüchen des gemeinsamen paritätischen Gremiums gegenüber einer von der Arbeitgeberin bekanntgegebenen Senioritätsliste innerhalb von sechs Wochen nach deren Veröffentlichung gestattet und abweichend von § 12 Abs. 2 TV WeFö die aufschiebende Wirkung des Einspruchs bis zur Entscheidung der Einigungsstelle anordnet.

2. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts war die Einigungsstelle auch nicht zu einer Entscheidung über den an sie herangetragenen weiteren Feststellungsantrag befugt. Gegenstand des Antrags war die Klärung der Rechtsfrage, ob eine Veränderung des Umschulungsplans vorliegt, wenn für einen Grundkurs keine Bewerbungen eingehen. Das bezieht sich ausschließlich auf Umschulungspläne und deren Auswirkungen auf die Einhaltung von Bewerbungsfristen und die damit in Zusammenhang stehende Bewerbungsreihenfolge (§ 10 TV WeFö). Dieser Sachverhalt ist keiner der in § 7 TV WeFö enthaltenen Bestimmungen zuzuordnen. Der Verweis des § 12 Abs. 2 TV WeFö auf § 7 TV WeFö hat aber nicht den Sinn, dem gemeinsamen paritätischen Gremium in allen Angelegenheiten des TV WeFö eine Anrufung der Einigungsstelle zu gestatten. Vielmehr ist das gemeinsame paritätische Gremium außerhalb der in § 5 TV WeFö und § 7 TV WeFö geregelten Sachverhalte darauf beschränkt, den Tarifvertragsparteien Vorschläge gem. § 12 Abs. 4 TV WeFö zu unterbreiten.

3. Die fehlende Zuständigkeit der Einigungsstelle für die beiden von ihr begehrten Feststellungen führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs. Die Einigungsstelle hat – im Ergebnis zutreffend – den Anträgen des gemeinsamen paritätischen Gremiums nicht entsprochen. Die rechtsfehlerhafte Annahme ihrer Zuständigkeit hat daher keine Auswirkungen(vgl. BAG 11. Juli 2000 – 1 ABR 43/99 – AP BetrVG 1972 § 109 Nr. 2 = EzA BetrVG 1972 § 109 Nr. 2, zu B I 1 der Gründe).

II. Der Antrag zu 2. einschließlich des darauf bezogenen Hilfsantrags ist unzulässig. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts fehlt es bereits an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts betrifft ein nach § 256 Abs. 1 ZPO feststellungsfähiges Rechtsverhältnis die rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder einer Sache. Keine Rechtsverhältnisse sind bloße Tatfragen oder abstrakte Rechtsfragen(BAG 5. Oktober 2000 – 1 ABR 52/99 – zur Veröffentlichung bestimmt; 24. Juni 1999 – 6 AZR 605/97 – AP BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 5 = EzA BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 2). Die mit dem Antrag begehrte Feststellung der Veränderung des Umschulungsplans ist nur eine Vorfrage im Rahmen der Erstellung von Senioritätslisten. Sie betrifft keine sich aus einem konkreten Sachverhalt ergebenden rechtlichen Beziehungen der Beteiligten. Deshalb könnte die begehrte Feststellung auch keine gegenwärtigen oder künftigen Rechtsfolgen zwischen den Beteiligten klären und die Beteiligten entsprechend binden. Im einzelnen geht es dem gemeinsamen paritätischen Gremium vielmehr darum, im Sinne eines Rechtsgutachtens eine Bestätigung seiner Rechtsauffassung zu erhalten. Insoweit fehlt auch das von § 256 Abs. 1 ZPO vorausgesetzte Feststellungsinteresse. Das Erstellen von Rechtsgutachten zu abstrakten Rechtsfragen wird von § 256 Abs. 1 ZPO nicht gedeckt(BAG 11. Oktober 1995 – 7 ABR 17/95 – AP BetrVG 1972 § 21 Nr. 2 = EzA ArbGG 1979 § 81 Nr. 16).

 

Unterschriften

Wißmann, Hauck, Schmidt, Kehrmann, Frischholz

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 11.09.2001 durch Klapp, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Dokument-Index HI666387

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