Die Anwendung einer arbeitsvertraglichen oder tariflichen Ausschlussfrist kann im Einzelfall ausgeschlossen sein, wenn ihre Einhaltung zugunsten des Beschäftigten einvernehmlich abbedungen ist. Nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG) ist dies jederzeit möglich.[1] Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen der Schuldner durch seine Erklärungen oder durch sein Verhalten dem Gläubiger gegenüber den Eindruck vermittelt hat, er werde auf die Geltendmachung verzichten. Er bringt damit auf den konkreten Einzelfall bezogen zum Ausdruck, dass der Gläubiger die in Rede stehende Forderung nicht mehr innerhalb der an sich auf sie anwendbaren Ausschlussfrist geltend zu machen braucht. Dem ist gleichzusetzen, wenn er den Anspruch zunächst anerkennt, aber nach Ablauf der Ausschlussfrist das Anerkenntnis widerruft.[2] Ein solcher Verzicht kann auch für zukünftige, noch nicht fällige Ansprüche erklärt werden.[3]

Reine Informationsschreiben, die sich an die gesamte Belegschaft richten, können jedoch keinen individuellen Verzicht bewirken.[4]

 

Beispiel

  • In einer Behörde hat der Arbeitgeber bei einer bestimmten Angestelltengruppe eine Zulage gekürzt. Ein Angestellter erhebt Klage. Die Behörde erklärt den anderen betroffenen Angestellten gegenüber, sie werde an alle Betroffenen leisten, wenn der Angestellte in dem gerichtlichen Musterverfahren obsiegt. Eine Berufung auf die Ausschlussfrist ist nicht mehr möglich.[5]
  • Hat ein Angestellter nachgefragt, ob es erforderlich sei, eine Minderzahlung schriftlich zu beanstanden, und ist dies vom Arbeitgeber als nicht notwendig bezeichnet worden, so kann sich dieser später nicht auf einen Formfehler bei der Geltendmachung berufen.[6]
  • In einem Interessenausgleich wird abstrakt auf die Geltendmachung der Ausschlussfrist verzichtet. Der einzelne Beschäftigte kann sich darauf berufen.[7]

Ein Verzicht in der ersten Stufe gilt bei einer zweistufigen Ausschlussfrist auch für die zweite Stufe.[8]

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