Zum Teil wird die zuständige Gewerkschaft unmittelbar nach dem Betriebsübergang versuchen, den Abschluss eines Haus- oder Firmentarifvertrags zu erreichen. Üblicherweise geschieht dies unter Hinweis auf § 77 Abs. 3 BetrVG, wonach Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können.

Der Erwerber ist jedoch gezwungen, das Lohnsystem, das für die nach dem Betriebsübergang eingestellten Arbeitnehmer Anwendung finden soll, durch Betriebsvereinbarung zu regeln (§ 87 Ziffer 10 und 11 BetrVG), soweit sich beim Übernehmer ein Betriebsrat bildet.

Nach der Rechtsprechung des BAG greift § 77 Abs. 3 BetrVG in allen Angelegenheiten, in denen der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 BetrVG – soziale Angelegenheiten – mitzubestimmen hat, nur, wenn die betreffende Angelegenheit für den Betrieb bereits zwingend tariflich geregelt ist. Darauf, ob eine tarifliche Regelung überhaupt in der betreffenden Branche besteht oder nur üblich ist, kommt es nicht an.[1]

Die Sperre des § 77 Abs. 3 BetrVG gilt damit nicht für Arbeitgeber, die keinem Arbeitgeberverband angehören.[2]

Der Vorrang des Tarifvertrags nach § 77 Abs. 3, § 87 Abs. 1 Satz 1 Eingangssatz BetrVG findet keine Anwendung, da ein tariflicher Anspruch nicht mehr besteht, sondern lediglich ein vertraglicher.

In einer neueren Entscheidung hat das BAG seine Rechtsprechung differenziert: § 77 Abs. 3 BetrVG soll auch dann gelten, wenn der bisher nicht tarifgebundene Arbeitgeber in den Geltungsbereich eines "üblichen" Tarifvertrags – fachlich wie räumlich – falle.

 
Praxis-Beispiel

In Anbetracht der Zunahme der privat geführten Krankenhäuser wird man kaum von einem im Klinikbereich üblichen Tarif TVöD/TV-L ausgehen können. Auch der Tarifvertrag der Privaten Krankenanstalten ist im Bereich der privaten Klinikbetreiber nicht sehr verbreitet.

Grundsätzlich kann die Gewerkschaft einen Arbeitgeber, somit auch den Betriebserwerber, nicht zum Abschluss eines Haus- bzw. Firmentarifvertrags zwingen, wenn dieser Tarifverhandlungen ablehnt.[3]

 

Möglichst umgehend nach dem Betriebserwerb sollte ein Lohnsystem erarbeitet und über eine Betriebsvereinbarung nach § 87 Abs. 1 Ziffer 10 und 11 BetrVG fixiert werden.

[1] BAG, Urteil v. 24.2.1987, AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972; Urteil v. 20.8.1991, AP Nr. 2 zu § 77 BetrVG Tarifvorbehalt.
[2] BAG AP nr. 6 zu § 87 BetrVG.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge