Gerade die Informationen über wirtschaftliche Folgen können für die vom Betriebsübergang Betroffenen von großem Interesse sein. Streitig ist diesbezüglich vor allem die Frage, ob Angaben zur Solvenz oder finanziellen Ausstattung des Erwerbers aufgenommen werden müssen.

  • Teilweise wird eine Informationspflicht über die wirtschaftliche Lage des Erwerbers abgelehnt, da diese weder eine Folge des Betriebsübergangs sei noch zu den hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen zähle (§ 613 a V Nr. 4 BGB).[1]
  • Nach anderer Ansicht ist eine Information über die wirtschaftliche Lage des Erwerbers zumindest – und auch erst – dann erforderlich, wenn ein Insolvenzverfahren eingeleitet worden und damit die Realisierbarkeit der auf den Erwerber übergehenden Verpflichtungen bereits im Zeitpunkt der Unterrichtung konkret gefährdet ist. Nur in diesem Fall komme der Wirtschaftslage des Erwerbers aktuelle Relevanz für die Widerspruchsentscheidung im Unterrichtungszeitpunkt zu.[2] Dieser Auffassung ist auch das LAG Düsseldorf in einer Entscheidung vom 6.10.2005[3] gefolgt.
  • Nach anderer Ansicht ist weitergehend eine Information über Liquidität und Bonität des Erwerbers bereits dann erforderlich, wenn dieser konkret insolvenzgefährdet ist[4], konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Arbeitsplätze aufgrund fehlender Bonität bestehen[5] oder schlicht die verbleibende Haftungsmasse im Zuge des Betriebsübergangs in erheblichem Umfang verringert wird.[6]
  • Das LAG München[7] geht in neueren Entscheidungen dagegen wesentlich weiter: Letztlich betreffend die wirtschaftlichen Folgen des Betriebsübergangs verlangt das Gericht detaillierte Angaben über den Vorgang, der den Betriebsübergang auslöst. Zu den Eckpunkten der Transaktion gehöre z. B. die Angabe der Höhe eines negativen Kaufpreises, die Schilderung des gesamten "Veräußerungspakets", in das der Betriebsübergang eingebunden ist. Die extensive Auslegung des Begriffs "Grund für den Übergang" (vgl. oben) widerspricht der Rechtsprechung des BAG, dass eine schlagwortartige Bezeichnung des unternehmerischen Grunds ausreichen lässt.
  • Das BAG hat sich bisher konkret nur zu folgender Frage geäußert: Der von einem Betriebsübergang betroffene Arbeitnehmer müsse auch darüber informiert werden, dass der Erwerber nur die beweglichen Anlageteile des Betriebs, nicht aber das Betriebsgrundstück übernehme.[8] Zwar findet sich in der Entscheidung auch der klare Hinweis, das wirtschaftliche Potenzial des Erwerbers sei im Allgemeinen nicht Gegenstand der Informationspflicht. Der Umstand, dass sich die verbleibende Haftungsgrundlage und der dem Betrieb zuzurechnenden Vermögensgegenstände wesentlich verringere, habe für den betroffenen Arbeitnehmer erhebliche Bedeutung. Die konkrete Umgestaltung der Eigentums- und Besitzverhältnisse hinsichtlich des Betriebsgrundstücks führe zu einer gravierenden Gefährdung der wirtschaftlichen Absicherung der Arbeitnehmer und zähle daher zu den mittelbaren Folgen eines Betriebsübergangs, über die zu informieren sei.
  • Bei Betrachtung der verschiedenen Auffassungen wird man von Folgendem ausgehen müssen: Mangelnde Liquidität des Erwerbers kann den Widerruf von Lohnbestandteilen, eine Änderungskündigung mit dem Inhalt einer Lohnherabsetzung und sogar eine Beendigungskündigung rechtfertigen. Nur wenn ein solcher Schritt unmittelbar bevorsteht und konkret als Konsequenz aus dem Betriebsübergang droht, ist die eingeschränkte oder fehlende Liquidität in die Unterrichtung aufzunehmen. Die "Flucht" des Arbeitgebers in die Mitteilung aller auch nur potenziell erheblichen Umstände würde zu einer Informationsüberflutung der Arbeitnehmer führen, die ihnen eine Ermittlung der wirklich entscheidungsrelevanten Punkte nur erschwert. Es muss ein "Kausalzusammenhang zum Betriebsübergang" bestehen. Droht aufgrund einer verschlechterten wirtschaftlichen Stellung des neuen Arbeitgebers keine unmittelbare Konsequenz für Inhalt und Bestand des Arbeitsplatzes, sind seine Bonität oder der Erwerb einzelner Aktiva keine Umstände, über die im Zuge des Betriebsübergangs informiert werden muss.[9]
[1] Grobys, BB 2002, 726.
[2] Willemsen, in: Festschr. f. Küttner, 2006, S. 417 ff.; Grau, RdA 2007, 367 (370).
[3] LAG Düsseldorf, Urteil v. 6.10.2005, 15 Sa 355/05, BeckRS 2006, 40004.
[4] Lindemann/Wolter-Roßteutscher, BB 2007, 938.
[5] Kania/Joppich, in: Festschr. f. Küttner (o. Fußn. 23), S. 383 ff.
[6] Menze, Das Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer beim Betriebsübergang, 2000, S. 59.
[7] LAG München, Urteil v. 29.4.2008, 7 Sa 986/07; Urteil v. 19.9.2008, 3 Sa 128/08; Urteil v. 9.10.2008, 4 Sa 4011/08.
[8] BAG (31.01.2008), NZA 2008, 642.
[9] Reinhard, "Die Pflicht zur Unterrichtung über wirtschaftliche Folgen eines Betriebsübergangs – ein weites Feld", NZA 2009, S. 63 ff.

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