• Tarifgebundene Beschäftigte

Ist der Betriebserwerber tarifgebunden, also Mitglied im Arbeitgeberverband, oder findet ein Haus- oder Firmentarifvertrag Anwendung, so gelten die Rechtsnormen seines Tarifvertrags nach einem Betriebsübergang auch für den erworbenen Betriebsteil und verdrängen von Anfang an die beim Veräußerer bestehenden tariflichen Regelungen.[98d]

Dies setzt jedoch voraus, dass auch die/der Beschäftigte Mitglied der zuständigen Gewerkschaft des neuen Tarifvertrags ist. Es genügt nicht, wenn nur der neue Arbeitgeber an einen anderen Tarifvertrag gebunden ist. Eine Ablösung des Tarifvertrags nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB erfolgt nur, wenn der Arbeitnehmer der Gewerkschaft angehört, die den beim Übernehmer geltenden Tarifvertrag abgeschlossen hat. Allein die Mitgliedschaft in einer anderen, dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) angehörenden Gewerkschaft reicht nicht aus.[98e]

Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, so gilt dann keineswegs das Günstigkeitsprinzip, vielmehr findet der neue Tarifvertrag Anwendung, selbst wenn die bisherigen tariflichen Regelungen vorteilhafter waren.[98f]

 
Praxis-Beispiel

Wird ein öffentlich-rechtliches Krankenhaus von einem Arbeitgeber übernommen, der Mitglied im Verband der Privatkrankenanstalten ist, so kann ein Mitarbeiter, der in der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di organisiert ist, bei einem Betriebsübergang die Unkündbarkeit nach dem BAT/TVöD bzw. TV-L verlieren. Der MTV der Privatkrankenanstalten sieht eine Unkündbarkeit nicht vor.[4]

  • Nicht tarifgebundene Beschäftigte

War die/der Beschäftigte vor dem Betriebsübergang nicht in der Gewerkschaft – bestand also keine normative Tarifbindung –, wurde aber im Arbeitsvertrag auf den bisherigen Tarifvertrag Bezug genommen, so tritt der Erwerber in die arbeitsvertragliche Verpflichtung ein (§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB). Nach dem Wortlaut der Vereinbarung würde der bisherige Tarifvertrag – schuldrechtlich – weiterhin Anwendung finden müssen. Der nicht tarifgebundene Mitarbeiter muss jedoch dem Gewerkschaftsmitglied gleichgestellt werden.

Sinn einer Bezugnahme auf den Tarifvertrag ist es – bei Verträgen vor 2002 – die nicht tarifgebundenen den organisierten Arbeitnehmern gleichzustellen. Nach Auffassung des BAG ist eine Einbeziehung der Nichtgewerkschaftsmitglieder in die tarifrechtlichen Regelungen nicht aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes geboten.

  • Nach der Rechtsprechung ist es zulässig, Gewerkschafts- und Nichtgewerkschaftsmitglieder unterschiedlich zu behandeln.
  • Unter Bezugnahme auf den Sinn der Gleichstellungsabrede wurde vertreten, dass der nach dem Betriebsübergang geltende Tarifvertrag auch im Verhältnis zu den Nichtgewerkschaftsmitgliedern den bisherigen Tarifvertrag ablöst. Dies ergebe sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung.[5]
  • Vertreten wurde dieses Ergebnis auch mit anderer Begründung, zum Teil über eine analoge Anwendung des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB[6], zum Teil über das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.[7] Wurde auf "die jeweils gültige Fassung" des alten Tarifvertrags verwiesen, so finde diese Bezugnahme als individualrechtlich geltende dynamische Verweisung auf den neuen Tarifvertrag Anwendung.[8]
 
Praxis-Beispiel

Die Arbeitnehmer unterlagen bisher dem Geltungsbereich des Tarifvertrags der Privat-Krankenanstalten. Nach Ausgliederung der Küche sollte nunmehr der Tarifvertrag des Hotel- und Gaststättengewerbes Anwendung finden, was praktisch zu einer Halbierung des monatlichen Entgelts geführt hätte: statt 2.139,42 EUR brutto nur noch 1.090,07 EUR brutto. Eine ergänzende Vertragsauslegung dahingehend, dass nur noch der Hotel- und Gaststättentarifvertrag gelten solle, wurde vom BAG abgelehnt: Der nicht organisierte Arbeitnehmer kann sich auch nach dem Betriebsübergang auf die vertragliche Bezugnahme auf den Tarifvertrag der Privat-Krankenanstalten berufen.

Eine Ablösung der arbeitsvertraglichen Verweisung auf das Tarifrecht des bisherigen Arbeitgebers durch den Tarifvertrag des Erwerbers kommt bei einem Wechsel in den Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags damit nur in Betracht, wenn im Arbeitsvertrag eine "große dynamische Verweisung" auf den jeweils für den Betrieb fachlich/betrieblich geltenden Tarifvertrag vereinbart wurde. Nur mit einer solchen "Tarifwechselklausel" kann sich der Arbeitgeber vorbehalten, ein anderes Tarifwerk einzuführen.[9]

[98f] Schaub, Münchener Kommentar BGB, § 613a, Rdnr. 139.
[4] Nach Schipp, NZA 1994 S. 865.
[5] Wank, in Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 120 Rdnr. 183; Staudinger/Richardi; BGB, § 613a Rdnr. 181.
[6] Schaub, Münchener Kommentar BGB, § 613a Rdnr. 145.
[8] BAG, Urteil v. 29.1.1975, AP Nr. 8 zu § 4 TVG.

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