Auch wenn eine Übertragung materieller und immaterieller Betriebsmittel nicht stattfindet, kann es zu den Wirkungen des § 613a BGB kommen. Nach übereinstimmender Auffassung von BAG und EuGH kann in Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch ihre gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, die wirtschaftliche Einheit darstellen ("Ayse Süzen"[1]). Wird von diesen Arbeitnehmern ein nach Zahl und Sachkunde wesentlicher Teil übernommen, so behält die wirtschaftliche Einheit ihre Identität und ein Betriebsübergang liegt vor.

Dies vor allem, wenn die Arbeitnehmer in der Lage sind, den Neuauftrag wie gehabt aus­zuführen.

Bedeutung hat diese Rechtsprechung, die vom BAG aktuell bestätigt wurde[2], vor allem im Dienstleistungssektor, so bei der erstmaligen Vergabe bzw. Neuvergabe von Aufträgen einfach strukturierter Tätigkeiten, so zur Reinigung, Bewachung oder Versorgung.

Zur Frage, ab welcher Größenordnung in betriebsmittelarmen Betrieben die Übernahme von Arbeitnehmern einen Betriebsübergang begründen kann, lassen sich aus der Rechtsprechung des BAG einige Regeln entnehmen. So hat das BAG entschieden, dass bei geringerer Qualifikation der Arbeitnehmer die Zahl der übernommenen höher sein muss, bei gering qualifizierten mehr als 75 %.[3] In einer weiteren Entscheidung hat das BAG das Vorliegen eines Betriebsübergangs abgelehnt, in dem 60 % der betroffenen Mitarbeiter nicht bereit waren, Weiterbeschäftigungsangebote eines privaten Dienstleisters anzunehmen.[4] Bei Lehrkräften war nicht ausreichend die Übernahme von knapp 50 % der Betroffenen.[5]

 
Praxis-Tipp

Werden materielle oder immaterielle Betriebsmittel nicht übertragen, so ist es von der unternehmerischen Entscheidung des Erwerbers abhängig, ob er die Rechtswirkungen des § 613a BGB herbeiführt: Wird – was bei einfach strukturierter Tätigkeit nicht schwierig sein wird – kein Personal mit in die neue Firma übernommen, sondern bedient sich die neue Firma auf dem freien Markt, so sind im abgebenden Betrieb betriebsbedingte Kündigungen der Mitarbeiter möglich, da ein Fall des § 613a BGB nicht vorliegt.

Der bloße Verlust eines Auftrags an einen Mitbewerber stellt jedenfalls einen Betriebsübergang nicht dar. Das zuvor beauftragte Dienstleistungsunternehmen verliert zwar einen Kunden, besteht aber weiter, ohne dass einer seiner Betriebe oder Betriebsteile auf den neuen Auftragnehmer übertragen worden wäre. Der frühere Auftragnehmer kann damit seinen Arbeitnehmern, für die er keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr hat, wirksam betriebsbedingt kündigen.[6]

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