§ 22 Abs. 3 Satz 3 und 4 der Satzung der VBL (VBLS) regeln den Fall der Ausgliederung/Privatisierung, bei der eine gewisse Anzahl der Arbeitnehmer des Beteiligten[1] auf einen Arbeitgeber übertragen werden, der seinerseits nicht bei der VBL beteiligt ist. Dieser Fall ist in der Praxis nicht selten, da häufig aus Kostengründen eine Fortsetzung des mit der VBL bestehenden Gruppenversicherungsvertrags und der einzelnen Versicherungsverhältnisse für die übergeleiteten Arbeitnehmer bei der VBL nicht gewollt ist.

[1] Der Arbeitgeber wird als Vertragspartner der VBL im Rahmen des Gruppenversicherungsvertrags als Beteiligter bezeichnet. Die ZVK verwenden den Begriff "Mitglied".

10.2.1.1 Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Sinn der Vorschrift

§ 22 Abs. 3 Satz 3 und 4 VBLS lauten:

"Ein wichtiger Grund zur Kündigung liegt ferner auch dann vor, wenn ein Beteiligter einen wesentlichen Teil der über ihn Pflichtversicherten auf einen oder mehrere Arbeitgeber übertragen hat, der/die weder an der Anstalt noch an einer Zusatzversorgungseinrichtung, zu der Versicherungen übergeleitet werden, beteiligt ist/sind. Eine Kündigung kann unterbleiben, wenn sich der Beteiligte verpflichtet, für die ausgeschiedenen Pflichtversicherten den anteiligen Gegenwert nach § 23 Abs. 2 zu zahlen".

Sinn der Vorschrift ist es, den Arbeitgebern zwar eine gewisse Flexibilität bei Ausgründungen/Privatisierungen zuzubilligen, aber dennoch die Finanzierung der Anwartschaften und Renten nicht übermäßig zu gefährden. Die Anzahl der bei der VBL pflichtversicherten Arbeitnehmer soll nicht über ein bestimmtes Maß hinaus reduziert werden. Denn das Umlagefinanzierungssystem funktioniert dauerhaft nur, wenn zur Erfüllung der Verpflichtungen gegenüber Rentnern und Anwartschaftsberechtigten eine ausreichende Anzahl jüngerer Beschäftigter nachrückt. Durch die in § 22 Abs. 3 Satz 3 VBLS vorgesehene Kündigungsmöglichkeit soll die Umlagegemeinschaft vor zusätzlichen Belastungen geschützt werden, die dadurch entstehen, dass sich der outsourcende Arbeitgeber künftig nur noch mit dem bei ihm verbleibenden Teil seiner Belegschaft, d. h. im geringeren Maße, am bestehenden Finanzierungssystem beteiligt. Die finanzielle Mehrbelastung, die durch von dem Beteiligten veranlassten Ausgliederungsmaßnahmen entstehen, sollen mithin nicht zulasten der Umlagegemeinschaft gehen.

Der Tatbestand der "Übertragung von Pflichtversicherten" auf einen nicht bei der VBL beteiligten Arbeitgeber wurde in der VBLS erstmals zum 1.1.1997 geregelt.[1] Damals war Voraussetzung für die Annahme eines die außerordentliche Kündigung rechtfertigenden wichtigen Grundes die Übertragung "des wesentlichen Teils" der Pflichtversicherten, sodass mindestens 50 % der Arbeitnehmer von der Umstrukturierung betroffen sein mussten. Infolge der ständig rückläufigen Zahl der Pflichtversicherten einerseits und dem Anstieg der Anzahl der Rentner andererseits wurde die Vorschrift mit Wirkung vom 1.1.2000 verschärft. Seit diesem Zeitpunkt genügt bereits die Übertragung "eines wesentlichen Teils", um das Kündigungsrecht der VBL auszulösen.

[1] Näher zur Entstehungsgeschichte der Norm Bischoff, in: Gelbert-Hesse, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes, § 22 B, Ziff. 4 a.

10.2.1.2 Auslegung der Vorschrift – Vorliegen eines "wesentlichen Teils"

Ab welchem Prozentsatz "ein wesentlicher Teil" vorliegt, lässt sich § 23 Abs. 3 Satz 3 VBLS nicht entnehmen. Die Bestimmung des "wesentlichen Teils" ist daher nicht unproblematisch. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der in der Praxis von der VBL sowohl im Hinblick auf die Höhe der Grenze als auch im Hinblick auf deren Bedeutung im zeitlichen Ablauf nicht einheitlich angewandt worden ist.

Verwaltungspraxis der VBL

Nach ihrer aktuellen Verwaltungspraxis legt die VBL folgenden Maßstab an:

  • Die Wesentlichkeitsgrenze ist in der Regel erreicht, wenn mindestens 10 % der Mitarbeiter übertragen werden.
  • Maßgebliche Bezugsgröße ist dabei der Pflichtversichertenbestand zum Zeitpunkt der ersten Ausgründung des Beteiligten.
  • Mehrere zeitlich versetzte Ausgründungen, die für sich genommen die Grenze nicht erreichen, werden zusammengerechnet. Der Betrachtungszeitraum erstreckt sich auf die gesamte Beteiligungsdauer.

Für die Vorläuferregelung, nach der "der wesentliche Teil" übertragen werden musste, gingen die VBL und die Literatur davon aus, dass ein "wesentlicher Teil" nur vorliegt, wenn mindestens die Hälfte der Pflichtversicherten betroffen sind.[1] Durch die Satzungsänderung zum 1.1.2001 sollte die Grenze herabgesetzt werden, weil es verstärkt zu Ausgründungen gekommen und zugleich erkannt worden war, dass der Schutzzweck der Norm auch schon – je nach den Umständen des Einzelfalls – auch unter der 50 %-Grenze berührt sein kann. Eine satzungsrechtliche Konkretisierung des Begriffs erfolgte jedoch nicht. Für eine gewisse Zeit nach der Satzungsänderung sah die VBL bei Outsourcingmaßnahmen die Wesentlichkeitsgrenze zunächst bei 30 bzw. 25 % und wandte sie nicht starr an, sondern bezog zusätzlich die konkreten Verhältnisse des einzelnen Beteiligten (Verhältnis der aktiv Beschäftigten zu Rentnern,...

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