Nach Rechtsprechung und Finanzverwaltung kann die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG nur gewährt werden, wenn es durch die Zahlung der Abfindung zu einer Zusammenballung von Einkünften kommt. Richtungsweisend hierfür war das Urteil des BFH vom 4.3.1998[1], in dem der XI. Senat seine Rechtsauffassung im folgenden Leitsatz zusammenfasst:

"Eine Entschädigung ist nur dann tarifbegünstigt, wenn sie zu einer Zusammenballung von Einkünften innerhalb eines Veranlagungszeitraums führt. Übersteigt die anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Entschädigung die bis zum Ende des Veranlagungszeitraums entgehenden Einnahmen nicht und bezieht der Steuerpflichtige keine weiteren Einnahmen, die er bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht bezogen hätte, so ist das Merkmal der Zusammenballung nicht erfüllt (Bestätigung der Rechtsprechung)."

Dies erfordert grundsätzlich eine veranlagungszeitraumbezogene Vergleichsbetrachtung, in die zum einen die entgangenen oder entgehenden Einnahmen und zum anderen die steuerpflichtige Abfindung sowie ggf. weitere "Einnahmen" des Steuerpflichtigen einzubeziehen sind, die er bei störungsfreiem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht erzielt hätte.

Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind jedoch eine Zusammenballung und damit außerordentliche Einkünfte i. S. d. § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG stets anzunehmen, wenn die anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Entschädigung die bis zum Ende des Veranlagungszeitraums entgehenden Einnahmen, die der Arbeitnehmer bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bezogen hätte, übersteigt.

 
Praxis-Beispiel

Das Beschäftigungsverhältnis des Arbeitnehmers D wurde zum 28.2.2019 beendet. Er erhielt eine Abfindung von 50.000 EUR. Sein Arbeitslohn für die Monate Januar und Februar 2019 hatte insgesamt 6.000 EUR (gemäß Arbeitsvertrag monatlich 3.000 EUR brutto + 13. Monatsgehalt als Weihnachtsgeld) betragen. Werbungskosten in nennenswerter Höhe fallen nicht an, sodass der Arbeitnehmer-Pauschbetrag zur Anwendung kommt.

Die Abfindung ist unstreitig tarifbegünstigt, denn die im Jahr 2019 gezahlte Gesamtabfindung übersteigt mit 50.000 EUR den Arbeitslohn, den A bei ungestörter Fortführung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende des Veranlagungszeitraums (10 × 3.000 EUR + 13. Monatsgehalt = 33.000 EUR) erhalten hätte.

Erreicht indes die im Veranlagungszeitraum, in welchem die Abfindung zufließt, gezahlte Entschädigung nicht den Betrag der Einnahmen, die der Steuerpflichtige für den (Rest dieses) Veranlagungszeitraum(s) bei ungestörtem Fortgang des Arbeitsverhältnisses erzielt hätte, kann gleichwohl eine Zusammenballung von Einkünften gegeben sein. Dies ist der Fall, wenn der Steuerpflichtige während des restlichen Veranlagungszeitraums weitere Einkünfte erzielt, die er bei Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses nicht oder nicht in dieser Höhe erzielt hätte und die zusammen mit der steuerpflichtigen Abfindung die Zusammenballung bewirken. Die Finanzverwaltung will bei dieser Vergleichsbetrachtung grundsätzlich auf die erzielten Einkünfte, nicht auf die Einnahmen abstellen. Dies ist im Grundsatz zutreffend, denn nur insoweit kann sich ein potenzieller Progressionsnachteil ergeben, wenn auch wegen der teilweise schwierigen Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte (Abzug von Werbungskosten oder Betriebsausgaben) nicht sehr praktikabel. Aus diesem Grund lässt die Finanzverwaltung bei den häufigsten Fällen, nämlich der Erzielung von Arbeitslohn, aus Vereinfachungsgründen zu, dass auf die Einnahmen abgestellt wird. Dies gilt jedoch nur dann, wenn in die Vergleichsberechnung ausschließlich Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit einbezogen werden; erzielt der Arbeitnehmer demgegenüber im Rest des Veranlagungszeitraums Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder aus selbstständiger Arbeit, die er nicht oder nicht in dieser Höhe erzielt hätte, wenn das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst worden wäre, kann eine Vergleichsbetrachtung ausschließlich anhand der Einkünfte erfolgen. Bei der Vergleichsbetrachtung anhand der Einkünfte bezieht die Finanzverwaltung steuerfreie Einnahmen nicht ein. Dies ist zwar im Grundsatz richtig, aber für Lohnersatzleistungen wie z. B. das Arbeitslosengeld nicht konsequent. Zwar ist das Arbeitslosengeld nach § 3 Nr. 2 EStG steuerfrei, es unterliegt aber gemäß § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG dem Progressionsvorbehalt und erhöht dadurch die Steuerbelastung hinsichtlich der steuerpflichtigen Abfindung. Aus diesem Grund muss es folgerichtig auch in die Vergleichsbetrachtung einbezogen werden.[2] Dies sieht nunmehr auch die Finanzverwaltung so und geht davon aus, dass dem Progressionsvorbehalt unterliegende positive Lohnersatzleistungen und dem § 32b EStG unterliegender Arbeitslohn in die Vergleichsberechnung anhand der Einkünfte einzubeziehen sind.[3]

Bei einer zulässigen Vergleichsberechnung anhand der Einnahmen sollen nach Verwaltungsauffassung auch pauschalbesteuerte Arbeitgeberleistungen berücksichtigt werden. Dies stellt eine rein ...

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